Dein Warenkorb ist gerade leer!
„Ich wollte einen Salat haben und wusste doch, wo das bei der Suppe endet.“ Zur Vorspeise und als Begleitung zum Hauptgang hatten wir uns bis hierhin allenthalben für Bier aus der Region entschieden und uns brav dem Diktat der uns wohl gesonnenen Obrigkeiten unterworfen – wie sich junge Hundewelpen älteren Artgenossen unmündig zu Füßen werfen – ohne das bisher bereut zu haben. Am Nachbartisch musste der Mann vor unserem Eintreffen seine Frau bei der Essenswahl beraten haben, daher jetzt die Rüge, gefolgt von einem „Nochmal mischt du dich nicht in mein Essen ein.“ In unseren Augen dampfte die Suppe ansehnlich und schmackhaft auf der weißen Tischdecke. Unser Gefühl verriet uns, nicht das Essen war hier faul.
Da saßen Museumsmenschen, sie im blauen Blazer und funkelnder Brosche am Revers. Er im Eierlikör-farbenen Sakko, eine Gesichtshälfte gezeichnet von einem vergangenen Schlaganfall. Ihre beiden Gesichtshälften hingegen sichtlich gezeichnet von ihrer Unlust, sich warmen und gutmütigen Gedanken hinzugeben.
Wir zählen Tag drei und somit die letzte geplante Einkehr in eine Gastwirtschaft auf unserer historischen Reise durchs Weserbergland, hatten gerade das Schloss FÜRSTENBERG und die beeindruckende hauseigene Porzellanmanufaktur besichtigt und waren nun im schönen Hellers Krug in Holzminden eingekehrt. Man sollte sich von der überwiegend industriellen Nachbarschaft nicht entmutigen lassen, am Ende der Strasse erwartet das schönste Fachwerkhaus der Stadt mit raffinierter und über die Stadtgrenzen hinaus bekannter Küche. Und wenn der Wind über das nahe Sägewerk hinweg bläst, dann liegt der Geruch von frisch gesägtem Holz in der Luft. Soll heißen, auch wenn ich in meinen eigenen vier Wänden nur die Hornhaut meiner Füße hobel, stellte sich auf Anhieb ein Gefühl von Heimat ein.
Während man sich am Nachbartisch einen einseitigen Schlagabtausch lieferte, die wächserne Frau mit ihren Dämonen zu kämpfen schien, verwöhnt man uns mit hausgemachten Linguini und Hähnchenbruststreifen, in einer Sauce die geschmacklich an den Sud von in der Pfanne geschwenkten Meeresfrüchten erinnerte. Mindestens als genial festzuhalten! Als Vorspeise entschieden wir uns erneut für das wohl schmeckende Bier aus der Region. Vom Nachbartisch erneut eine Rüge der Patriarchin:„Ich weiß gar nicht warum du obwohl du mit dem Essen schon fertig bist, dir noch ein Bier bestellst.“ Weil es so gut schmeckt, denken wir uns. Wir können es ihm nicht verübeln, denn den Schlüssel im Zündschloss wird eine viertel Stunde später seine Frau nach rechts drehen.
Vorgestern haben wir im Schnellzug die unsichtbare Membran der Hauptstadt durchdrungen, auf der Flucht vor Feinstaub und langen Kreuzberger Nächten. Der Zug von Berlin benötigt i.d.R. etwas mehr als 1.5 Stunden und schon ist man in Hannover. Von dort noch eine weitere halbe Stunde Autofahrt mit dem Mietwagen, und leicht angeschlagen aber doch euphorisch beginnt eine kurze Reise auf Einladung durch das uns unbekannte Weserbergland. Einer von vielen grauen Flecken auf meiner Deutschlandkarte.
Gleichen die deutschen Lande in ihrem Phänotyp Modelleisenbahnlandschaften, so sind deren Bewohner bisweilen konservierte Überlebende vergangen geglaubter Zeiten und zwischen den rollenden Hügeln rechts und links der Weser zu Leben erweckte Bilderbuchfiguren. Der Bauer führt an einer dicken Schnur sein schönstes Pferd durch das Dorf, im Hintergrund bilden in Hochglanz sanierte Fachwerkhäuser die angemessene Szenerie. Solche Szenen ungestörter Idylle wiederholen sich entlang der Weser. Dann geht es unerwartet und steil eine Serpentine hinauf, das erinnert ans Alpenvorland. So ertappen wir uns immer wieder in unserem Unwissen über diese schöne und überraschend abwechslungsreiche Region.
In Rinteln nehmen wir im alten Rathaus, dem schönsten Gebäude am Platz, unsere erste Mahlzeit im nördlichen Weserbergland ein. Im „Stadkater“ serviert man uns verschiedene gebratene Fischsorten neben Schmorgurken und knackigen Kartoffeln. Der Wirt zapft uns Hartinger Bier in die Gläser, was meine sorgfältig geführte Bierbestenliste auf den Kopf stellt. Das Hartinger nimmt jetzt die Plätze eins bis drei ein. Die Menschen der Region sind eine Ausgeburt von Freundlichkeit, als Hauptstädter fällt das schnell auf, und so reiben wir uns in den nächsten Tagen immer wieder ungläubig die Augen. Nachdem wir auf dem Marktplatz bei einem Espresso die gut erhaltenen Fachwerkhäuser bestaunen erkunden wir anschliessend die vielen schönen Strassenzüge Rintelns.
Noch am selben Tag folgt eine beeindruckende Besichtigung der Bückeburg, was zum Haus Schaumburg Lippe gehört und sich somit immer noch in Privatbesitz befindet. Im „Goldenen Zimmer“ frischen wir verstaubtes Schulwissen über die griechische Mythologie auf. Anerkennend bleibt festzuhalten: Aphrodite hatte mehr als 40 Liebhaber. Auch wie sie das Licht der Welt erblickte soll dokumentiert werden: Nachdem ihrem Vater Uranos von seinem Sohn Kronos das Glied abgeschnitten und ins Meer geworfen wurde, vermischten sich Blut und Samen mit der Gischt, woraus Aphrodite das Licht der Welt erblickte. Zeus nahm sie in den Olymp auf, ernannte sie zur Göttin der Liebe, Schönheit und sinnlichen Begierde und vermahl sie mit seinem hässlichsten Sohn, dem aus dem Olymp verbannten Waffenschmied Vulkan.
Zurück im Hellers Krug, beschließen wir unseren Ausflug mit einer herausragenden Desserplatte und notieren die schönsten Stationen unserer Reise durch das »Historische Weserbergland«.
Mann, sei stark und süß!
Im Hellers Krug
Traditionelles Pekeressen im Hotel Menzhausen
Traditionelles Keulenessen im Rattenfängerhaus
Sympathische Chefin des Rattenfängerhauses Christina Hartlieb-Fricke
Meeresschwimmer entlang der Weser: Hotel »Grosse Klus«
Ihr huldigen wir im »Goldenen Zimmer« der Bückeburg: Der Göttin Ceres, u.a. verantwortlich für Ackerbau und Früchte. Ohne sie wären unsere Speisen nicht komplett gewesen.
In der Schaumanufaktur des Schloss FÜRSTENBERG.
Die Schauglasbläserei in Hameln
In Strumpfhosen in Hameln
Der Rattenfänger in voller Pracht
…und sein allwissender Kollege Jäger Hackelberg in Uslar
Wunschzettel im Münster St. Bonifatius in Hameln
Pracht- und Fachwerk in Rinteln
Zu sehen:
Das Weserbergland könnte auch das Weserburgenland heißen. In regelmäßigen Abständen tuen sich entlang des Weserlaufes bedeutende Schlossanlagen auf: U.a. das Schloss FÜRSTENBERG und die Porzellanmanufaktur. Hier schaut man den Künstlern direkt auf die Hände, schöne Ausstellungsstücke und ein einmaliger Blick über den Weserverlauf werden hier geboten. Den Fluss weiter hinunter liegt auf 225 metern Höhe auf dem Nesselberg die Burg Schaumburg. Von hier hat man einen besonders weiten Blick über die endlosen Hügel der Weserregion. Das Schloss Bückeburg mit seiner schönen Schlossanlage und den originalgetreuem Innenleben kann als krönender Abschluss empfohlen werden.
Hameln:
Die Fassade des Rattenfängerhauses in Hameln ist Wahrzeichen der Weserrenaissance, ein für die Region typischer, verspielter Baustil. Entlang der Haupteinkaufsstrasse sind noch mehr architektonische Highlights zu sehen.
Am nördlichen Stadtkern ist die Schausglasbläserei zu finden. Aus geschmolzenem Sand wird Glaskunst.
Zu speisen:
Der schon erwähnte „Stadtkater“ in Rinteln, traditionelle Küche in moderner Zubereitung und das am schönsten Platz im Ort. Das Hotel „Grosse Klus“ in Bückeburg – Die besten Calamares der Weser (bitte nehmt mich nicht zu ernst) und ganz traditionell und historisch das „Rattenfängerhaus“ in Hameln.
Zu radeln:
Der Weserradweg ist ca. 500 km lang, die Strecke angenehm asphaltiert. Es braucht nur Rückenwind aber kein Elektrorad für den entspannten Radgenuss.
Mein herzlicher Dank gilt dem Weserbergland Tourismus e.V. für die Einladung!
Erschienen am
Antwort
Lieber Philipp,
schön, dass du das Weserbergland für dich entdeckt hast. Vielleicht zieht es dich ja nochmals in unsere wunderschöne Gegend und du erkundest das Fürstenbad Bad Pyrmont mit seinem prächtigen Kurpark, dem Schloss von einem Graben umgeben, eines der historischen Gasthäuser oder du wandelst einfach auf den Spuren der Königin Luise oder der Emma von Waldeck- Pyrmont, die spätere Königin der Niederlande und vielleicht entdeckst du auch die Verbindung zu deiner Heimat – die Hauptstadt und was das alles mit der Goldelse zu tun hat?! Also es gibt noch mehr zu entdecken und damit noch nicht genug, die Osterräderstadt Lügde mit ihrer Stadtmauer oder die Hämelschenburg, die noch heute in Familienbesitz ist und und und. Also auf geht’s! Die Liste ist lang.Ansonsten ist dein Bericht eine schöne Hommage an unsere Region – vielen Dank dafür!
Die Bad Pyrmont Tourismus GmbH
Schreibe einen Kommentar