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Von Schmugglern und fliegenden Fischen

Die­ser Ein­trag han­delt von eben­die­sen Begeg­nun­gen und Momen­ten der letz­ten Mona­te. Er erzählt die Geschich­te einer Welt­um­seg­le­rin, von Schmugg­ler-Ver­fol­gungs­jag­ten, wun­der­sa­men Oasen und Robin­son Cru­soe Hüt­ten, von Vogel­samm­lern und Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern, von flie­gen­den Fischen und leuch­ten­dem Plank­ton.

Sammler
Auf der Suche nach Was­ser sto­ßen wir beim Wan­dern zufäl­lig auf die bun­te Oase von José. Inmit­ten staub­tro­cke­ner Ein­öde hat sich der Hob­by­bo­ta­ni­ker und Samm­ler ein klei­nes Para­dis geschaf­fen.
Verschwörungstheorien zum Abendessen

„Ihr müsst Alles hin­ter­fra­gen! Je tie­fer ihr in das Kanin­chen­loch vor­dringt, des­to gru­se­li­ger wird es!“ sagt Jason. Wir sit­zen mit ihm, Ana­bel und dem klei­nen Adri­an beim Abend­essen und dis­ku­tie­ren über die geziel­te Mani­pu­lie­rung der Mas­sen, die Fla­che-Erde-Theo­rie, Gra­vi­ta­ti­ons­kraft und die Mög­lich­keit einer Umset­zung eines Per­pe­tu­um Mobi­les. Jason hat­te uns vor ein paar Tagen kurz vor Gibral­tar ein­ge­sam­melt und zum Abend­essen ein­ge­la­den. Jetzt sit­zen wir schon zum vier­ten Abend­essen in Fol­ge mit der gan­zen Fami­lie am Tisch…uns gefällt es hier ein­fach zu gut und die täg­li­chen Ver­län­ge­run­gen der Ein­la­dung neh­men wir dan­kend an.

Person, Hund
Auf dem Weg nach Gibral­tar nimmt uns Jason in sei­nem Auto mit und lädt uns ein, bei ihm und sei­ner Fami­lie Abend zu essen.
Abendessen
Vier Tage ver­brin­gen wir bei der Fami­lie und suchen von dort aus am Hafen von Gibral­tar ein Segel­boot, dass uns mit auf die Kana­ren nimmt.

Von Jasons und Ana­bels Woh­nung aus, sind es nur zwan­zig Minu­ten Fuß­marsch bis zum Hafen in Gibral­tar. Hier wol­len wir ein Segel­boot fin­den, wel­ches uns der nächs­ten Rei­see­tap­pe „Süd­ame­ri­ka“ näher bringt.

Atlantiküberquerung, Gibraltar
Wir hän­gen unse­re „Crew-Available“- Anzei­ge im Hafen­bü­ro auf. Am nächs­ten Tag ler­nen wir David und sei­ne Crew ken­nen. Mit ihnen segeln wir bis nach Gran Cana­ria um dort ein Boot zu suchen, dass uns über den Atlan­tik nach Süd­ame­ri­ka bringt.

Über­wäl­tigt von einem Gefühls­cock­tail aus Vor­freu­de, Auf­re­gung und Neu­gier­de, lau­fen wir den Pier ent­lang. Das Klin­geln der schwan­ken­den Segel­mas­ten, der Geruch von Algen, die feuch­te sal­zi­ge Meeresluft…plötzlich ist alles so real…Vielleicht trei­ben wir schon bald dort drau­ßen auf den tief­blau­en Wogen Rich­tung Wes­ten. Nach­dem wir ges­tern im Hafen­bü­ro unse­re „Crew-Available“-Anzeige an die Pinn­wand gehef­tet haben, wol­len wir heu­te ein paar Seg­ler direkt anspre­chen.

So ler­nen wir Davi­de und sei­ne Boot­s­crew ken­nen. Sie wol­len gemein­sam Rich­tung Kana­ren segeln und von dort den Atlan­tik über­que­ren. „Ihr könnt ger­ne mit­kom­men! Wir haben noch genü­gend Platz wie ihr seht!“, sagt David als er uns durch das Boot führt. Zwei Tage spä­ter ste­chen wir gemein­sam mit ihnen in See.

 

segeln, Sonnenuntergang, mehr
Als die See­krank­heit am drit­ten Tag end­lich nach­lässt, kön­nen wir das Segeln end­lich genie­ßen.
Eine filmreife Nacht – Mitten unter Schmugglern

Am Tag der Abrei­se, bre­chen wir schon früh mit dem Boot auf und sind, obwohl die letz­te ereig­nis­rei­che, fast film-rei­fe Nacht noch tief in unse­ren Kno­chen steckt, vor Auf­re­gung hell­wach. Um den Weg zum Hafen mög­lichst kurz zu hal­ten, hat­ten wir unser Nacht­la­ger am Vor­abend ganz in der Nähe an einem Strand auf­ge­schla­gen. Zwar hat­ten wir schon von ver­schie­de­nen Leu­ten gehört, dass am anda­lu­si­sche Küs­ten­ab­schnitt reger Schmugg­ler­be­trieb herrscht, aller­dings hat­ten wir nicht erwar­tet, selbst Zeu­gin­nen die­ses Trei­bens zu wer­den.

Wir hat­ten es uns, im Mond­schat­ten der Mau­er, am Strand gemüt­lich gemacht, als wir plötz­lich von den Geräu­schen meh­re­rer Motor­boo­te und Fern­funk-Gesprä­chen aus dem Halb­schlaf geris­sen wur­den.

Drei unbe­leuch­te­te Schnell­boo­te ras­ten, knapp sechs Meter von unserm Schlaf­platz ent­fernt, über die Wel­len. Kurz dar­auf wur­den die drei von den Schein­wer­fern eines vier­ten, grö­ße­ren Boots erfasst. Es brauch­te einen Moment bis wir begrif­fen, dass wir gera­de Augen­zeu­gen einer Ver­fol­gungs­jagd waren. Die gan­ze Sze­ne wur­de noch absur­der, als wir zusa­hen, wie sechs wei­te­re unbe­leuch­te­te Boo­te aus der Dun­kel­heit auf­tauch­ten und nun, da die Küs­ten­wa­che abge­lenkt war, ihren Geschäf­ten in völ­li­ger Gelas­sen­heit nach­ge­hen konn­ten.

Die Moto­ren wur­den aus­ge­schal­tet und auf den Boo­ten wur­den qua­dra­ti­sche Pake­te aus­ge­tauscht. Kur­ze Stil­le. Dann Schüs­se aus der Fer­ne. Die Jagd zwi­schen Poli­zei und Schmugg­lern schien zu eska­lie­ren. Spä­tes­tens jetzt war an Schlaf nicht mehr zu den­ken.

Es war bereits sechs Uhr mor­gens, als wir uns unbe­merkt davon stah­len und uns in den Schutz der geschäf­ti­gen Stadt zurück zogen…Einmal kurz Durch­at­men und wei­ter zum nächs­ten Aben­teu­er: Unse­re Crew war­te­te bestimmt schon.

Bootscrew
Unse­re Boot­s­crew: Mar­cel­lo, Julia, Lisa, David
Fliegende Fische und leuchtender Plankton

Die ers­ten Tage auf See … Wer nicht gera­de den Pflich­ten der Boots­ge­mein­schaft nach gehen muss – Navi­gie­ren, Segel-Rich­ten, Kochen – der ver­kriecht sich in der Koje und schläft. So zie­hen sich die ers­ten bei­den Tage dahin, zäh wie Kau­gum­mi, ohne das viel pas­siert, ohne das mehr als das Nötigs­te gespro­chen wird.
Wie oft habe ich am Mee­res­ufer gestan­den und sehn­suchts­voll – die See­fah­re­rer um ihre Frei­heit benei­dend – den Boo­ten hin­ter­her geträumt….und jetzt ist das Ein­zi­ge womit sich mei­ne Gedan­ken beschäf­ti­gen kön­nen, das geges­se­ne Früh­stück nicht über die Reling zu kot­zen.

Ab dem drit­ten Tag ändert sich die all­ge­mei­ne Ver­fas­sung, lang­sam kehrt Leben auf das Boot zurück. David hängt die Angel aus, Mar­cel­lo repa­riert den Strom­ge­ne­ra­tor und Fred brät sich ein paar Früh­stücks­ei­er in der Bord­kü­che an.

Ganz lang­sam, stellt sich so etwas wie ein Boots­all­tag ein. Aller­dings ist die Lis­te der täg­lich zu erle­di­gen­den Auf­ga­ben schnell erschöpft, sodass viii­ieeel Zeit bleibt, um Nichts zu Tun. Klei­ne Ereig­nis­se wie die Del­phin­schu­le, die unser Boot beglei­tet, der flie­gen­de Fisch, der sich auf unse­rem Deck ver­irrt, ein klei­ner Vogel, der sich auf der Angel­ru­te aus­ruht oder der leuch­ten­de Plank­ton in der Nacht, neh­men die gan­ze Auf­merk­sam­keit ein und wer­den zu unver­gess­li­chen Momen­ten.

Navigation, Ozean
Mar­cel­lo, der gelern­te Kapi­tän, erklärt uns die alten Metho­den der See­na­vi­ga­ti­on.

Nach fünf Tagen errei­chen wir die Insel Gran Cana­ria. Mit schwe­rem Her­zen, ent­schei­den wir uns, David und Mar­cel­lo in Las Pal­mas zu ver­ab­schie­den und ein ande­res Boot zu suchen, wel­ches direkt das süd­ame­ri­ka­ni­sche Fest­land ansteu­ert. Von der Kari­bik käme man nur schwer Rich­tung Fest­land, hat­ten uns eini­ge Seg­le­rIn­nen ans Herz gelegt.

Der gestrandete Mann

Bevor wir uns erneut auf Boots­su­che bege­ben, wol­len wir noch ein paar Tage auf der Insel ver­brin­gen, um ein paar orga­ni­sa­to­ri­sche Din­ge zu erle­di­gen. So steu­ern wir ein klei­nes Fischer­dörf­chen, vier­zig Kilo­me­ter west­lich der hek­ti­schen Haupt­stadt Las Pal­mas, an. Die kalk­wei­ßen Häu­ser des Dor­fes lie­gen schon in abend­li­chem Rot als wir ankommen…viel Zeit bleibt uns nicht mehr, um noch vor Ein­bruch der Dun­kel­heit ein Nacht­la­ger zu fin­den.

Wir über­que­ren gera­de einen stau­bi­gen Platz, als wir ein lei­ses „Shhh. Hal­lo. Hier!“ hören. Zu sehen ist nie­mand. „Hier!“ ertönt es ein zwei­tes Mal. Die Stim­me scheint aus dem hohen weiß, blau­en Boot dort hin­ten zu kom­men. Wie ein gro­ßer gestran­de­ter Fisch, der sei­nem natür­li­chen Ele­ment ent­ris­sen wur­de, liegt das Boot unbe­hol­fen auf stei­ni­gem Unter­grund zwi­schen zwei san­di­gen Hügeln. Als wir auf Zehen­spit­zen ste­hend über die Boots­kan­te ins Inne­re schau­en, guckt uns der Besit­zer der Stim­me mit einem brei­ten Grin­sen an. „Ihr seht aus als wür­det ihr einen Platz zum schla­fen suchen!“ „So?“, ent­geg­nen wir ihm etwas miss­trau­isch.

Auf kleins­tem Raum hat er sich eine Art klei­nes Frei­luft-Wohn­zim­mer ein­ge­rich­tet; ein roter zer­schlis­se­ner Schirm schützt ihn tags vor der Son­ne, links steht eine gerahm­te Male­rei mit Mee­res­mo­tiv. Wir kom­men ins Gespräch und das anfäng­li­che Miss­trau­en ist schnell ver­flo­gen. „Ich woh­ne schon eine gan­ze Wei­le hier.“ erzählt er uns „Da es hier kaum reg­net, lässt es sich so ganz gut leben.“ Ger­ne wür­den wir sei­nen Geschich­ten wei­ter lau­schen, aber die her­ein­bre­chen­de Nacht treibt uns wei­ter. Hin­ter den Klip­pen am Meer soll es eine unbe­wohn­te Pal­men­hüt­te geben wo wir über­nach­ten kön­nen, ver­rät er uns als wir uns ver­ab­schie­den.

Gran Canaria
Julia auf dem Weg Rich­tung Puer­to de las Nie­ves, einem klei­nen Fischer­dörf­chen auf Gran Cana­ria.

An der Küs­te des Dörf­chens erstre­cken sich kar­ge Steil­hän­ge, die schroff ins Meer abfal­len. Wäh­rend wir sei­ner Weg­be­schrei­bung über einen schma­len Küs­ten­pfad fol­gen, den­ke ich an all unse­re Rei­se­be­geg­nun­gen und das stän­di­ge Durch­bre­chen der Fremd­heit, die täg­li­che Kon­fron­ta­ti­on mit eige­nen Vor­ur­tei­len. Das „Ande­re“ wird plötz­lich zum Bekann­ten, die Angst vor dem „Frem­den“ ver­schwin­det.

Schaefer
Der Hir­te Anto­nio warnt uns vor den gefähr­li­chen Erd­rut­schen an den Steil­hän­gen der Küs­te. Zum Schla­fen sei es unten in der Pal­men­hüt­te siche­rer.
Marihuana für die Tiere

Ein paar hun­dert Meter wei­ter, auf einer Anhö­he, begeg­nen wir einem Hir­ten des­sen Tie­re – ein wol­le­nes dickes Schaf und zwei klei­ne Zie­gen – ihm auf Schritt und Tritt fol­gen. Das Quar­tett bleibt vor uns ste­hen. Acht Augen sehen uns neu­gie­rig und erwar­tungs­voll an.

„Wo geht’s denn hin?“, fragt der alte Mann freund­lich, wäh­rend er aus dem Plas­tik­ei­mer, den er mit sich trägt, eine hand­voll getrock­ne­tes Gras her­aus­nimmt und den Tie­ren zum fres­sen hin­wirft. Er langt ein zwei­tes Mal hin­ein und dreht das sel­be Kraut bei­läu­fig in ein läng­li­ches dün­nes Papier. „Nun?“, fragt er und zün­det den Joint an. „Wir sind auf der Suche nach einem Schlaf­platz. “ erwi­dern wir amü­siert. Dar­auf­hin deu­tet er mit dem Fin­ger auf eine Ansamm­lung von Pal­men unten in der Bucht. „Die Pal­men­hüt­te?“ „Ja, genau. Die ist schon län­ger nicht mehr bewohnt.“

Zu Gast bei Robinson Crusoe

Dass das hal­be Dorf bereits schon jetzt weiß, wo wir Nachts schla­fen, berei­tet uns etwas Unbe­ha­gen. Als wir unse­re Beden­ken äußern, ver­si­chert er uns, dass es hier abso­lut sicher sei. “Falls etwas sein soll­te, könnt ihr jeder­zeit zu mei­ner Fami­lie kom­men. Aber kei­ne Sor­ge, hier kennt Jeder Jeden, hier wird euch nichts pas­sie­ren.“

Palmen, Schreiben
In dem spar­ta­nisch ein­ge­rich­te­ten Pal­men­haus kommt fast ein Gefühl von Hei­mat auf; wir ver­brin­gen die Tage mit lesen, schrei­ben…

Emma (emmasailing.com) singt ein Lied über ihre Lie­be zum Meer. Wir lern­ten sie in Las Pal­mas am Hafen ken­nen und zogen kur­ze Zeit spä­ter auf ihr Boot, wo wir drei wun­der­ba­re Wochen mit­ein­an­der ver­brach­ten. 

Wir sit­zen mit Emma in unse­rem neu­en „Zuhau­se“ am Lager­feu­er und essen Stock­brot als sie uns von ihrer Solo-Welt­um­se­ge­lung erzählt. Vor ein paar Tagen hat­ten wir sie am Hafen ken­nen gelernt und sie zu einem gemein­sa­men Abend­essen ein­ge­la­den. „Ich will die Ein­sam­keit ken­nen ler­nen.“ ant­wor­tet sie auf die Fra­ge, war­um sie die Welt allei­ne umse­geln möch­te. „Ich glau­be, dass ich das Gefühl der Ein­sam­keit erle­ben möch­te, um mei­ne Gren­zen und damit viel­leicht mich selbst bes­ser ken­nen zu ler­nen.“

Im Schein des Feu­ers reden wir über das Unter­wegs­sein, über Begeg­nun­gen und das Über­win­den eige­ner Gren­zen. Das Reisen…irgendwie ein stän­di­ger Zustand der Grenz­erfah­rung, der Unsi­cher­heit, man hat das Bekann­te ver­las­sen und setzt sich täg­lich dem Unbe­kann­ten aus. Wahr­schein­lich liegt genau dar­in die Fas­zi­na­ti­on.

Boots-WG
Das Leben in unse­rer tem­po­rä­ren Boot-WG: Musik machen, Repa­ra­tur­ar­bei­ten, Kochen, Fischen, Selgeln…Bis wir ein Boot gefun­den haben, wel­ches uns mit über den Atlan­tik nimmt, woh­nen wir mit Emma auf ihrem klei­nen Boot „Capri­ce“.

 

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Antwort

  1. Avatar von Marcel

    ein ganz span­nen­der und gut geschrie­be­ner Bericht. Wei­ter so 🙂
    Grü­ße Mar­cel
    http://www.mein-mallorca.org

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