Die schwimmenden Märkte in Can Tho

Es war kühl, küh­ler als erwar­tet. Und früh! Das iPho­ne zeig­te 05:13, als wir ver­schla­fen und über­mü­det aus unse­rer Unter­kunft in Can Tho hin­aus spa­zier­ten und warm­her­zig von unse­rer Beglei­te­rin begrüßt wur­den. Wing ist Stu­den­tin und war uns vom ers­ten Moment an sym­pa­thisch. Ihre lie­bens­wür­di­ge, auf­ge­dreh­te Art besei­tig­te die letz­ten Spu­ren unse­rer Müdig­keit. Gemein­sam spa­zier­ten wir mit ihr zum Boot, durch­quer­ten dabei einen Markt. Es war das ers­te Mal an die­sem Tag, dass wir aus dem Stau­nen nicht mehr her­aus­ka­men: Welch ein Gewu­sel und das um die­se Uhr­zeit! „Tea or Cof­fe?“ Auf­grund diver­ses­ter Vor­er­fah­run­gen mit viet­na­me­si­schem Kaf­fee wähl­ten wir Tee. Unser Boots­fah­rer brach­te uns den Tee in den für Süd­ost­asi­en typi­schen Plas­tik­be­chern. Die Situa­ti­on fühl­te sich authen­tisch an. Das Boot leg­te ab.

Von all den Orten, die wir in Viet­nam bis­her erkun­det haben, war das Mekong Del­ta der ein­präg­sams­te. Defi­ni­tiv! Sel­ten kam uns ein Platz auf die­ser Welt so ehr­lich, so auf­rich­tig vor. Die­ses „Ich als Reisende/​r bin mit­ten drin“-Gefühl – kennt ihr das? Das fühlt man in man­chen Län­dern viel zu sel­ten. Im Mekong Del­ta war es all­ge­gen­wär­tig, ein­fach immer da! Es sind die Momen­te, die man am inten­sivs­ten erlebt. Jene, die man fest­hal­ten möch­te. Die küh­le Bri­se, die unser Haar flat­tern ließ, der hei­ße Tee in der Hand, der uns wärm­te – so saßen wir in dem Boot und waren vol­ler Vor­freu­de auf die­sen wun­der­ba­ren Tag.

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Erster Stop: Cai Rang

Unser ers­tes Ziel war der schwim­men­de Markt von Cai Rang. Ein schwim­men­der Markt also. Die­se bei­den Wor­te hat­ten seit unse­rer Erfah­rung in Thai­land eine eher nega­ti­ve Kon­no­ta­ti­on: Nach­dem wir damals durch die­sen Tou­ris­ten­markt geschleust wor­den waren, nah­men wir eini­ge Zeit Abstand von wei­te­ren schwim­men­den Märk­ten. Jetzt waren wir aber hier im Mekong Del­ta, dort, wo sich das Leben auf dem Was­ser abspielt, und beschlos­sen, schwim­men­den Märk­ten noch eine Chan­ce zu geben.

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Wir erreich­ten Cai Rang um etwa sechs Uhr mor­gens. Von der Fer­ne sahen wir schon die Umris­se der Boo­te im Nebel, hör­ten die dif­fu­sen Stim­men der Viet­na­me­sen und Viet­na­me­sin­nen. Je mehr wir uns dem Getum­mel näher­ten, des­to kla­rer zeich­ne­te sich vor uns ein Bild, wel­ches wir in die­ser Form noch nie zuvor gese­hen hat­ten: Ein­hei­mi­sche feilsch­ten, ver­han­del­ten, schrien, war­fen Ware von einem Boot ins ande­re. Man­che – von dem Getö­se voll­kom­men unbe­ein­druckt – schlie­fen an Deck ihrer Boo­te. Kin­der turn­ten, spran­gen auf den Boo­ten umher. Und inmit­ten die­ses Gewim­mels: Wir bei­de, Wing und unser Boots­fah­rer, der uns gekonnt durch den Boo­te-Amei­sen­hau­fen chauf­fier­te.

Wir hiel­ten hier und da an, ver­such­ten, das Gesche­hen zu rea­li­sie­ren. Wing erzähl­te uns dabei span­nen­de Details: Bei­spiels­wei­se wird die Ware eines jeden Boo­tes auf einer lan­gen Stan­ge prä­sen­tiert, damit der Käu­fer oder die Käu­fe­rin das pas­sen­de Boot ziel­si­cher ansteu­ern kann. Mitt­ler­wei­le war die Son­ne auf­ge­gan­gen und es wur­de hell. Der duns­ti­ge Mor­gen­ne­bel war ver­schwun­den und wich den wär­men­den Son­nen­strah­len. Die Händ­ler wur­den mit der Zeit etwas ruhi­ger und gelas­se­ner. Wir merk­ten, dass die Peak Time bald vor­rü­ber sein wür­de.

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Auf zu Phong Dien

Wir waren bereits auf dem Weg zum zwei­ten schwim­men­den Markt in der Gegend, dem Phong Dien. Unser Boots­fah­rer hat­te uns wäh­rend­des­sen eine Ana­nas besorgt, die wir nun zu viert ver­speis­ten. An die vie­len, lecke­ren Früch­te könn­ten wir uns gewöh­nen! Beim Markt ange­kom­men, misch­ten wir uns unter die unzäh­li­gen klei­nen Ruder­boo­te. Anders als beim Markt von Cai Rang, fin­den sich hier aus­schließ­lich klei­ne Boo­te zusam­men. Dadurch ist man noch näher am Gesche­hen dran: Wir kol­li­dier­ten stän­dig mit ande­ren Boo­ten und vie­le Men­schen benutz­ten unser Boot als Weg, um zu einem ande­ren zu gelan­gen.

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Wir waren hin- und her­ge­ris­sen: Wir woll­ten die­se Momen­te foto­gra­fisch fest­hal­ten, woll­ten unse­re Ein­drü­cke unver­gäng­lich machen. Gleich­zei­tig hat­ten wir Angst, der Blick durch die Lin­se wür­de uns etwas ver­pas­sen las­sen. Um uns her­um pas­sier­te so viel mehr, als wir durch die Kame­ra je hät­ten sehen kön­nen. Das ewi­ge Dilem­ma beim Foto­gra­fie­ren…

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Are you hun­gry?“. Obwohl es noch nicht ein­mal 10 Uhr vor­mit­tags war, knurr­ten unse­re Bäu­che wie ver­rückt. Kommt davon, wenn man schon seit 5 Uhr wach ist! Wie gut, dass Wing vor­schlug, zu Mit­tag zu essen. Der Weg zum klei­nen, fami­li­en­ge­führ­ten Restau­rant führ­te durchs Grü­ne. Wir tra­fen auf einen klei­nen Jun­gen, der mit einem Wel­pen spiel­te. Wir blie­ben ste­hen und unter­hiel­ten uns kurz mit ihm. Wing konn­te das Gesag­te glück­li­cher­wei­se über­set­zen. Als wir uns ver­ab­schie­de­ten und schon etwa hun­dert Meter ent­fernt waren, hör­ten wir hin­ter uns auf ein­mal Schrit­te: Der klei­ne Jun­ge kam mit einem rie­si­gen Zweig ange­rannt. „It’s a pre­sent“, sag­te Wing. Erst jetzt bemerk­ten wir die klei­nen Bee­ren auf dem Zweig. Ein­fach ent­zü­ckend! Etwas skep­tisch, ob die Bee­ren denn über­haupt genieß­bar sei­en, pro­bier­ten wir eine. Gar nicht so schlecht. Jetzt muss­te aber defi­ni­tiv etwas War­mes her!

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Im Restau­rant pro­bier­ten wir zum aller ers­ten Mal Banh Xeo, eine Spe­zia­li­tät des Mekong Del­tas, die wir wäh­rend unse­rer Viet­nam­rei­se ken­nen und lie­ben gelernt haben. Banh Xeo sind dün­ne Cre­pes aus Reis­mehl, die mit unter­schied­lichs­ten Zuta­ten gefüllt wer­den. Man isst es, indem man etwas vom Cre­pe und ein biss­chen Fül­lung mit ganz vie­len Kräu­tern in ein Salat­blatt rollt – wirk­lich lecker!

Unknown

Mit voll­ge­schla­ge­nen Bäu­chen tra­ten wir den Weg zurück zum Boot an. Wir waren über­wäl­tigt von der Viel­falt an neu­en Ein­drü­cken. Das Mekong Del­ta ist in unse­ren Augen die span­nends­te Gegend in Viet­nam. Nicht nur Can Tho, auch Ben Tre ist unglaub­lich sehens­wert. Auf der ein­stün­di­gen Rück­fahrt saßen wir ein­fach nur da, nach­denk­lich, ja fast schon apa­thisch. Es muss ein biss­chen so gewirkt haben, als wären wir trau­rig gewe­sen. Ich glau­be, Wing hat­te ziem­lich Angst, uns hät­te es mit ihr nicht gefal­len. Doch in Wirk­lich­keit hat uns der Tag schlicht über­wäl­tigt. Wir muss­ten das alles jetzt auf uns wir­ken las­sen…

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Antworten

  1. Avatar von Alicia
    Alicia

    Dan­ke für euren wirk­lich schö­nen und mit­rei­ßen­den Bericht! Wir pla­nen für Janu­ar auch eine Rei­se, aber kön­nen uns zwi­schen Kam­bo­dscha und Viet­nam nur schwer ent­schei­den, viel­leicht habt ihr einen Rat? Vie­le Grü­ße Ali­cia

  2. Avatar von Maria

    Dass der Tag euch über­wäl­tigt, kann man durch den schö­nen Text und die­se tol­len Bil­der (wow!) echt nach­emp­fin­den. Viet­nam ist gleich wie­der ein Stück wei­ter nach oben auf mei­ner Bucket List gerutscht 🙂

    1. Avatar von Katharina Werni & Romeo Felsenreich

      Dan­ke, lie­be Maria, für dei­nen Kom­men­tar! Ja, das Mekong Del­ta kön­nen wir tat­säch­lich von Her­zen emp­feh­len. Für uns ist es defi­ni­tiv einer der span­nends­ten Ort in Viet­nam.
      Lie­be Grü­ße,
      Katha­ri­na und Romeo

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