Willkommen zurück in La Paz

Dass mein letz­tes Mal mir nicht wirk­lich in Erin­ne­rung ist, ist eher komisch. Dabei habe ich hier mei­nen Geburts­tag aus­ge­las­sen gefei­ert, Flü­ge und Tou­ren gebucht, Mini­bus­se genom­men und in einem Hos­tel gelebt.

Panorama La Paz

La Paz im Wandel

Letz­te­res macht mich stut­zig: »in einem Hos­tel gelebt«. Mir wird klar, was sich ver­än­dert hat. Ich habe mich ver­än­dert und mei­ne Art zu rei­sen. Statt auf »vor­ge­ge­be­nen« Lonely-Pla­net-Rou­ten unter­wegs zu sein, von Hos­tel zu Hos­tel zu sprin­gen, von Rei­se­be­kannt­schaft zu Rei­se­be­kannt­schaft zu hüp­fen und jedes mal in einer vor­ge­fer­tig­ten behü­te­ten Welt mit Gleich­ge­sinn­ten unter­zu­ge­hen, bin ich die­ses Mal geplant unge­plant unter­wegs. Ein neu­es Kon­zept mit Ähn­lich­kei­ten zum Back­pa­cker­tum, aber mit dem ent­schei­den­den Unter­schied: ohne Hos­tel.

Es ist die­ses Mal ein Hotel im Stadt­zen­trum von La Paz gewor­den. Ohne Zwang über­haupt etwas zu tun, ohne Ver­lo­ckung, sich einer Grup­pe anzu­schlie­ßen und ohne die sonst so übli­che vor­ge­kau­te Akti­vi­tä­ten­land­kar­te. Das ändert viel. Chris­ti­an und ich müs­sen uns um alles küm­mern, kön­nen in die Stadt abtau­chen und aus­bre­chen. Aber den­noch schlie­ßen wir uns erst­mal einer Stadt­füh­rung an, gehen in die Tou­ris­ten­re­stau­rants der Stadt und leben recht ent­spannt, um dann wie­der in ande­ren Momen­ten tie­fer in die Stadt und die Umge­bung ein­zu­tau­chen.

Plaza San Pedro

Aber wie passt das alles ins Gesamt­bild der Expe­di­ti­on 6000? Nach Pata­go­ni­en und den wun­der­schö­nen Wan­der­ta­gen galt es als Vor­be­rei­tung auf den Acon­ca­gua, lang­sam an Höhe zu gewin­nen. Auch wenn der Sprung auf 3600 Meter nicht gera­de sach­te ist, so ist er defi­ni­tiv wert­vol­ler, als direkt an den Acon­ca­gua zu flie­gen und viel­leicht durch die Höhen­krank­heit die Expe­di­ti­on zu gefähr­den.

Höhenluft

Also genie­ßen wir mehr oder weni­ger die für uns neue Höhen­luft. Schon der Weg vom Hotel in die umlie­gen­den engen Gas­sen lässt mir bei mei­ner nor­ma­len und flot­ten Gang­wei­se die Luft nach nur weni­gen Momen­ten aus­ge­hen. Es ist unge­wohn­te Lang­sam­keit gebo­ten. Auch der Ver­kehr und das Gewu­sel auf den Stra­ßen ist abso­lut unge­wohnt, wenn auch nicht unbe­kannt. Wäh­rend es in Sant­ia­go noch fast kli­nisch sau­ber im Ver­gleich mit La Paz zuging, ist La Paz umso leb­haf­ter, bun­ter und auf­ge­weck­ter. Es ist ein Sprung zwi­schen den Kul­tu­ren. Das Lebens­ge­fühl hier spielt sich zum gro­ßen Teil auf der Stra­ße ab. Die Cho­li­tas bie­ten ihre Waren feil, von fri­schem Obst und Gemü­se bis Pop­corn ist alles dabei. Unauf­halt­sa­mes Hupen dringt in unse­re Ohren.

Wir schlie­ßen uns einer alter­na­ti­ven Stadt­füh­rung an. Unser Start­punkt ist das San Pedro Gefäng­nis im Her­zen der Stadt. Über 2500 Gefan­ge­ne und deren Fami­li­en leben hier. Die Kin­der gehen jeden Tag die benach­bar­te Schu­le, die Gefan­ge­nen gehen ihren Geschäf­ten inner­halb der Mau­ern nach und die Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen gehen ein und aus. Das Gefäng­nis ist eine eige­ne Wirt­schafts­zo­ne mit vie­len Kurio­si­tä­ten. Bekannt wur­de es unter Tou­ris­ten nach­dem das Buch »Marsch Pul­ver« her­aus­ge­ge­ben wur­de und damit die Sight­see­ing Tou­ren im Gefäng­nis los­trat. Heut­zu­ta­ge sind die­se ille­gal und es wird deut­lich davon abge­ra­ten. Die Grün­de kann sich jeder Mensch mit einem gesun­den Men­schen­ver­stand selbst ablei­ten.

Rodriques Markt

Märkte und Proteste

Die Stadt­füh­rung durch­quert einen der vie­len offe­nen und regel­mä­ßi­gen Märk­te, den Rodri­ques Markt. Er nimmt hier gan­ze Stra­ßen­zü­ge ein und ist unheim­lich stark fre­quen­tiert. Unse­re Stadt­füh­rer Dani­el und Rom­ber­to erzäh­len uns die Geschich­te über die Händ­ler und Händ­le­rin­nen. Jeder Kun­de hat sei­ne eige­nen »Case­ra«, sei­nen Haus-und-Hof-Händ­ler und per­sön­li­chen Psy­cho­lo­gen. Nur hier kauft er ein, hier bekommt er oder sie Rat in allen Lebens­la­gen und natür­lich fri­sches Gemü­se ganz neben­bei dazu. Der Markt ist die sozia­le Platt­form für jeden, auch wenn Face­book in Boli­vi­en auch immer belieb­ter wird.

Lama Fötus auf dem Hexenmarkt

Wir steu­ern den Hexen­markt an. Das Kurio­sum der Stadt und der Kul­tur. Die Ein­hei­mi­schen kom­men hier­her um »Patcha Mama« gut­mü­tig zu stim­men. Dazu gehö­ren Autos, Häu­ser und mehr. Dazu gibt es hier auch »Pül­ver­chen« für alle Lebens- und Lie­bes­la­gen. Wäh­rend wir den Aus­füh­run­gen lau­schen, gehen im Stadt­zen­trum Böl­ler los. Eine der vie­len Demons­tra­tio­nen in die­sem pro­test­lie­ben­den Land. Am Pla­za San Fran­cis­co ler­nen wir mehr über die Geschich­te der spa­ni­schen Erobe­rer, bevor wir im Mer­ca­do Lan­za eine Pau­se machen und die köst­li­chen fri­schen Säf­te pro­bie­ren.

Plaza San Francisco

Unse­re Tour endet am Pla­za Mur­il­lo mit drei wich­ti­gen Gebäu­den: der Kathe­dra­le, dem Regie­rungs­pa­last aka »dem abge­brann­ten Palast« und dem Natio­nal­kon­gress. Trotz die­ser Ansamm­lung von wich­ti­gen Gebäu­den ist La Paz nicht die Haupt­stadt von Boli­vi­en. Die Haupt­stadt ist Sucre his­to­risch bedingt durch die gro­ßen Minen­vor­kom­men in der Regi­on.

Plaza Murillo und Landesflagge von Bolivien

Am Ende der Stadt­füh­rung durch­que­ren wir die Poli­zei­sper­ren um den Pla­za Mur­il­lo und sehen uns mit dem Grund der Absper­run­gen und der lau­ten Böl­ler­schlä­ge kon­fron­tiert: den Pro­tes­ten auf der Haupt­stra­ße. Wofür und wie­so fin­den wir nicht her­aus. Selbst unser Stadt­füh­rer kann die­se Fra­ge nicht abschlie­ßend beant­wor­ten!

Will­kom­men in La Paz! Will­kom­men in Boli­vi­en!

Proteste in La Paz

Expedition 6000+

Die­ser Arti­kel ist Teil mei­ner Serie „Expe­di­ti­on 6000+. Sie führt zwei Mona­te durch die schöns­ten Wan­der­re­gio­nen Süd­ame­ri­kas von Pata­gio­nen, Boli­vi­en bis zum höchs­ten Punkt der Rei­se, dem Acon­ca­gua in Argen­ti­nen. Fol­ge der Rei­se und genie­ße die wei­ten Land­schaf­ten, hohe Ber­ge und die abwechs­lungs­rei­che Kul­tu­ren Süd­ame­ri­kas.


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