„Die Natur ist unser Reichtum“

Nahe­zu geräusch­los glei­te ich durch das Ele­ment, die Arme aus­ge­brei­tet wie Schwin­gen. Um mich her­um prasst eine Land­schaft, die der Phan­ta­sie von Jules Ver­ne ent­sprin­gen könn­te, mit ihrer Schön­heit: Hügel und gar Ber­ge von viel­fäl­ti­gen und far­ben­fro­hen Koral­len­for­ma­tio­nen, in jedem kleins­ten Win­kel ver­birgt sich Leben. Papa­gei­en­fi­sche und Mee­res­schild­krö­ten fres­sen sich an Koral­len satt, Gelb­flos­sen­drü­cker­fi­sche jagen sich gegen­sei­tig wie in über­mü­ti­gem Spiel, Zacken­bar­sche keh­ren in Put­zer­sta­tio­nen ein wie in einem Spa, Sol­da­ten­fi­sche fixie­ren mich mit über­gro­ßen Augen, Blau­punktro­chen wir­beln Sand auf, Flö­ten­fi­sche spie­len mit den Luft­bla­sen, die wir Tau­cher aus­sto­ßen, Rot­feu­er­fi­sche beob­ach­ten das Gesche­hen im Riff mit auf­ge­stell­ten Flos­sen, die wie india­ni­scher Kriegs­schmuck anmu­ten. Das schim­mern­de Schup­pen­kleid der Fische erin­nert an das präch­ti­ge Gefie­der von exo­ti­schen Vögeln, die Schwär­me bewe­gen sich uni­so­no und schei­nen einer Cho­reo­gra­phie zu fol­gen. Wenn es ein Äqui­va­lent gibt, in dem sich der Mensch so frei füh­len kann wie ein Vogel, dann ist es das Meer! Hier ist das schwe­re­lo­se Dahin­glei­ten, das wir ansons­ten nur in nächt­li­chen Träu­men erle­ben, real. Nach einer Stun­de geht unser Atem­gas zur Nei­ge, ich tau­che auf und mein ers­ter Satz lau­tet: „Ich hat­te fast ver­ges­sen, wie unfass­bar schön das Rote Meer ist!“

Seit rund zehn Jah­ren habe ich das Rote Meer nicht mehr besucht. Nun fin­de ich Mar­sa Alam so ver­schla­fen vor wie ich es in Erin­ne­rung hat­te. Los ging es bei Schnee­ge­stö­ber in der Nacht von Ham­burg nach Han­no­ver, Abflug war um 0.30 Uhr, gegen 6.30 Uhr sind wir in Mar­sa Alam gelan­det, also fünf Stun­den, wenn man den Zeit­un­ter­schied sub­tra­hiert. Die Son­ne scheint schon in der Frü­he, aber es ist noch frisch. Ent­lang der Küs­ten­stra­ße sieht es aus wie damals: Auf­ge­ge­be­ne Bau­rui­nen stre­cken ihre Ske­let­te gen Him­mel, der nie nach­las­sen­de Wind treibt Plas­tik­tü­ten wie luzi­de Qual­len­ge­schöp­fe vor sich her, sie ver­fan­gen sich in Moo­sen und Gestrüpp und kla­gen stumm an. Lee­re Plas­tik­fla­schen spren­keln die Geröll­wüs­te. In der Fer­ne erstre­cken sich Berg­zü­ge, in der Nähe Sand­hü­gel. Wenn irgend­wo der sprich­wört­li­che Hund ver­fro­ren ist, dann wohl hier.

 

 

Nach einer hal­ben Stun­de biegt unser Taxi gegen­über von einem alten, grau­en Holz­boot auf den Zufahrt­weg zum Tauch­camp Mar­sa Shagra ein. Wir sind da. Ich erken­ne alles wie­der: Lin­ker Hand die Rezep­ti­on und das Tauch­cen­ter, wo man sich mit Equip­ment aus­stat­ten las­sen und Aus­fahr­ten buchen kann, vor­ne in Ufer­nä­he der beschat­te­te Tauch­be­reich, aus­ge­stat­tet mit Was­ser­bas­sins zum Aus­wa­schen der Aus­rüs­tung, einem Bereich zum Auf­hän­gen von Neo­pren und Jackets, Duschen, Umklei­den und Schließ­fä­chern. Rechts und links am Ufer gibt es Schat­ten­plätz­chen zum Chil­len, eine Kaf­fee-Bar, die Trep­pe hin­auf liegt das Restau­rant mit sei­ner ori­en­ta­li­schen Kup­pel. Zel­te fädeln sich ent­lang der Küs­ten­li­nie auf, iglu­för­mi­ge Lehm­häus­chen bil­den qua­si die zwei­te Rei­he. Im Hin­ter­grund sind die Cha­lets plat­ziert, eben­falls sand­far­be­ne Kup­pel­bau­ten. Außer­dem fin­det man auf dem Gelän­de einen Shop, in dem Kunst­hand­werk, Öle, Gewür­ze und Son­nen­schutz feil­ge­bo­ten wer­den, und eine Bedui­nen-Bar, in der es Tee und Was­ser­pfei­fen, aber auch Gin gibt.

 

 

Rund 60 Gäs­te sei­en zur­zeit hier, lässt uns Mar­ke­ting­ma­na­ge­rin Sarah O’Gorman wis­sen. Vor allem sol­che, die seit Jah­ren immer wie­der kom­men. Aber auch eine neue Ziel­grup­pe habe man sich erschlos­sen: Groß­städ­ter aus Kai­ro, die die Ruhe und Schön­heit der Unter­was­ser­gär­ten des Roten Mee­res ent­deckt haben. „So konn­ten wir die pro­ble­ma­ti­schen Jah­re über­ste­hen, die der ägyp­ti­sche Früh­ling und vor allem die Anschlä­ge des IS ver­ur­sacht haben.“ Seit 2015 gehe es wie­der auf­wärts. Zwar gab es im Süden kei­ne Anschlä­ge, aber den­noch mie­den vie­le Tou­ris­ten Ägyp­ten. Die Fol­gen: Die Hotel­prei­se sind gefal­len; der Unter­was­ser­welt hin­ge­gen hat die Tou­ris­ten­flau­te eine Erho­lungs­pau­se ver­schafft, und das sei auch zu sehen: Scheue Pre­da­to­ren wie Haie und Man­t­as oder Grup­pen von Del­fi­nen sei­en häu­fi­ger auch in Küs­ten­nä­he zu fin­den, gele­gent­lich zeig­ten sich sogar Wal­haie.

 

 

Das Tauch­camp Mar­sa Shagra ist eine Spiel­wie­se für Leu­te, die nichts ande­res tun wol­len als zu tau­chen. Hier kann man das Haus­riff in Eigen­re­gie erkun­den und dabei nicht weni­ger als sechs ver­schie­de­ne Pro­fi­le wäh­len: Das Riff in süd­li­cher oder in nörd­li­cher Rich­tung – jeweils ent­we­der mit Ein­stieg vom Strand und eigen­stän­di­ger Rück­kehr oder mit Ein­stieg vom Boot und eigen­stän­di­ger Rück­kehr oder mit Ein­stieg vom Boot, das dann noch wei­ter hin­aus­fährt und die Tau­cher auch wie­der abholt. Getaucht wer­den kann von mor­gens bis abends, Fla­schen mit Atem­luft ste­hen stets bereit und die Boots­füh­rer hal­ten Aus­schau nach Rück­keh­rern. Für die Sicher­heit ist gesorgt: Wer ins Was­ser geht, trägt ein, wohin getaucht und wann zurück­ge­kehrt wer­den soll. Alle sind auf­ge­for­dert, sich streng dar­an zu hal­ten, denn wenn Tau­cher aus­blei­ben, wird die Ret­tungs­ket­te in Gang gesetzt. Aller­dings sei noch nie jemand ver­lo­ren gegan­gen, weiß Robert Frank, Tauch­leh­rer aus Stutt­gart, der uns auch gleich dar­über infor­miert, dass auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te eine Deko­kam­mer zu fin­den ist. Hier kön­nen Tau­cher nach einem Dekom­pres­si­ons­un­fall behan­delt wer­den. „Diving is fun, but safe­ty first!“

 

 

Wenn sich genug Tau­cher anmel­den, geht es auch mehr­mals täg­lich mit dem Zodiac zum berühm­ten Tauch­spot Elphin­stone. Das Riff ist geformt wie ein Wrack. Wun­der­schö­ne For­ma­tio­nen von Hart- und Weich­ko­ral­len prä­sen­tie­ren sich anmu­tig, gleich zwei Mee­res­schild­krö­ten kreu­zen unse­ren Weg. Auf ihrem Pan­zer hat sich Moos abge­setzt. Ein Napo­le­on­barsch zeigt sich, bun­te Schwär­me von Lipp­fi­schen und Picas­so­drü­cker­fi­sche. Und dann, als wir nur noch Blau um uns her­um sehen, erschei­nen erst einer, dann drei: Der Weiß­spit­zen­hoch­see­hai, wegen sei­ner auf­fal­lend lan­gen Brust­flos­sen auch Lon­gi­ma­nus genannt. Auf­re­gung macht sich unter den Tau­chern bemerk­bar, eini­ge haben Schwie­rig­kei­ten, die Tie­fe zu hal­ten – ein Indiz dafür, dass sie hef­ti­ger atmen. Jeder will das Foto sei­nes Lebens schie­ßen. Und die Haie schei­nen mit der Kame­ra­lin­se zu flir­ten. Majes­tä­tisch zie­hen sie ihre Bah­nen um uns her­um, neu­gie­rig schei­nen sie inspi­zie­ren zu wol­len, wer sie in ihrem Wohn­zim­mer besucht. Gestreif­te Pilot­fi­sche umkrei­sen den Kopf des größ­ten von ihnen. Hier sind sie vor Angrei­fern sicher, wis­sen sie. Alle Haie tra­gen eine Geschich­te auf ihrer Haut: Schram­men, Nar­ben, einer hat einen Angel­ha­ken mit abge­ris­se­ner Schnur am Maul. Sie krei­sen ruhig, zucken dann wie­der wie plötz­lich auf­ge­scheucht, einer drückt die Brust­flos­sen nach unten, buckelt – kein gutes Zei­chen. Nach und nach for­dert der Gui­de uns Tau­cher auf, zum Boot auf­zu­stei­gen. Zuletzt ver­lässt er selbst das Was­ser.

 

 

Omar und sei­ne Schwes­ter Sarah gehö­ren zur neu­en Ziel­grup­pe des Camps. Die bei­den beglei­ten ihre Eltern, die nach 20 Jah­ren aus den USA nach Ägyp­ten zurück­ge­kehrt sind und wie­der in Kai­ro leben. Sarah stu­diert in Kai­ro, Omar hat sich ent­schie­den, nach sei­nem Stu­di­um in Iowa zu blei­ben, wo er als Inge­nieur arbei­tet. Auch Sarah wird nach ihrem Stu­di­um in die USA gehen, das steht für sie fest. Sie legt ihren Neo­pren­an­zug nicht ab, wäh­rend sich die ande­ren nach jedem Tauch­gang das Salz­was­ser von Haut und Haa­ren duschen. Auf dem Kopf trägt sie eine Art Bade­hau­be, die ihr Haar ver­birgt. Mit dem Klein­bus fah­ren wir gemein­sam von Mar­sa Shagra nach Mar­sa Naka­ri. Auf dem Weg sehen wir ärm­li­che Behau­sun­gen, unweg­sa­me Fuß­we­ge und kaum Men­schen. Wir pas­sie­ren Stra­ßen­sper­ren, die der Kulis­se alter Spiel­fil­me ent­lie­hen zu sein schei­nen. Da wir mühe­los als Tou­ris­ten zu iden­ti­fi­zie­ren sind, win­ken die Beam­ten uns rasch durch. In der Fer­ne sehe ich einen Mann in lan­gem Gewand, der auf einem Stuhl in einem ver­las­se­nen Hotel­bau sitzt und vor sich hin blickt. Ich fra­ge Omar wie es ist, Ägyp­ten nach so vie­len Jah­ren mit den Augen eines Erwach­se­nen zu sehen. Er ent­geg­net: „Ich dach­te, es sei bes­ser.“

 

 

Das Tauch­camp Mar­sa Naka­ri gehört zusam­men mit Mar­sa Shagra und Wadi Laha­mi zu den drei Vil­la­ges der Red Sea Diving Safa­ri. Gäs­te kön­nen zwi­schen den Camps pen­deln, um Aus­flü­ge zu ande­ren Tauch­spots zu unter­neh­men. Das berühm­te Dol­phin Reef ist von Mar­sa Naka­ri in rund 20 Minu­ten mit dem Schnell­boot zu errei­chen. Unse­re Aus­rüs­tung berei­ten wir im Camp vor, dann geht es aufs Boot. Der Tauch­gang führt uns durch ein offe­nes Höh­len­la­by­rinth und fabel­haf­te Koral­len­ge­bir­ge. Mee­res­schild­krö­ten, ein gro­ßer Sta­chel­ro­chen, eine frei schwim­men­de Rie­sen­mur­ä­ne und ein Schwarm von Makre­len mit weit auf­ge­ris­se­nen Mäu­lern kreu­zen unse­re Bahn. Del­fi­ne sehen wir spä­ter lei­der nur aus der Fer­ne, sie reagie­ren scheu auf die Schnorch­ler aus ande­ren Boo­ten, die sich ihnen unsen­si­bel nähern, und zie­hen sich zurück in den Bereich, der für Men­schen nicht gestat­tet ist.

Am Abend sit­zen die Tau­cher bei­sam­men und tau­schen sich beim Deko­bier über ihre Erleb­nis­se aus. Fotos wer­den bewun­dert, wei­te­re Tauch­zie­le bespro­chen. Wir plau­dern mit Hol­län­dern, Fran­zo­sen, Deut­schen, Ägyp­tern. Das Eng­lisch, das wir spre­chen, hät­te mei­nem Leh­rer auf dem Gym­na­si­um sicher­lich Zor­nes­fal­ten auf die Stirn getrie­ben, aber hier spre­chen alle frei von der Leber. Auch über Gott und die Welt und das Leben an sich. Als die Spra­che auf die Ter­ro­ris­ten des Isla­mi­schen Staa­tes kommt, empört sich Omar: „Die­se Leu­te miss­brau­chen unse­re Reli­gi­on; sie töten beten­de Men­schen!“ Der bär­ti­ge jun­ge Mann kommt zu dem Schluss: „Gegen Ver­rück­te kann man sich nicht schüt­zen.“ Sei­ne Schwes­ter habe ich im ers­ten Augen­blick fast nicht erkannt: Sie trägt jetzt Jeans und ein Kopf­tuch, das Hals und Schul­tern bedeckt, und hat ihre Lip­pen rot geschminkt. Sie wirkt älter als am Tag und sehr selbst­be­wusst. Stolz zeigt sie auf ihrem Smart­phone Fotos von gra­fi­schen Arbei­ten, die sie im Rah­men ihres Stu­di­ums her­ge­stellt hat.

Wir ver­brin­gen unse­re ers­te Nacht im Roy­al Tent. Der nie zur Ruhe kom­men­de Wind zerrt an den Wän­den, das Meer tost in der Fer­ne. Ich schla­fe wie ein Baby. In der Frü­he weckt uns der Ruf des Muez­zin.

 

 

Das Zelt ist gut 20 Qua­drat­me­ter groß und ver­fügt über ein beque­mes King­si­ze-Bett sowie einen Kühl­schrank und einen Ven­ti­la­tor. Der Boden ist mit Sisal­mat­ten und geknüpf­ten Tep­pi­chen aus­ge­legt. Natür­lich kön­nen wir auf­recht ste­hen. Unse­re gemüt­li­chen Sitz­kis­sen schaf­fen wir vor das Zelt, so kön­nen wir abends den sen­sa­tio­nel­len Ster­nen­him­mel genie­ßen und mor­gens den Son­nen­auf­gang über dem Meer. Und tags­über ver­su­chen wir die rät­sel­haf­ten Wan­de­run­gen und Grup­pen­tref­fen der Ein­sied­ler­kreb­se zu ent­schlüs­seln. Abschlie­ßen lässt sich so ein Zelt nicht, aber hier sei noch nie etwas weg­ge­kom­men, ver­si­chert uns Rafik von der Rezep­ti­on. Für Flug­un­ter­la­gen und Aus­wei­se etc. haben wir ein Schließ­fach bekom­men.

Gan­ze zwölf Jah­re hat Hossam Hel­my, Eigen­tü­mer der Red Sea Diving Safa­ri, in einem sol­chen Zelt gelebt. Es stand auf einer Erhe­bung mit Blick auf die Bucht von Shagra. Ein paar Meter wei­ter hat er spä­ter das Haus gebaut, in dem er noch heu­te lebt. Er emp­fängt uns genau dort, wo sei­ner­zeit sein Zelt stand, sogar der Eisen­ha­ken steckt noch im Fels. „Wenn ich heu­te Urlaub mit mei­ner Frau mache, dann fah­ren wir immer nach Mar­sa Naka­ri und woh­nen im Zelt“, Hossam Hel­my liebt das ein­fa­che, pure Leben: „Die Natur ist unser Reich­tum.“

 

 

Dabei kam er ver­gleichs­wei­se spät zum Tau­chen. Zuvor hat­te er eine ande­re Kar­rie­re begon­nen: Nach sei­nem Rechts­stu­di­um kam er in sei­nen Zwan­zi­gern zum dama­li­gen Staats­chef Hus­ni Muba­rak. Er brach­te es schnell zum Sicher­heits­chef. Heu­te sagt der End­sech­zi­ger: „I was spoilt – ich kann­te nur Luxus, war ver­wöhnt.“ Und die Über­zeu­gung, dass es das nicht gewe­sen sein konn­te, setz­te sich bei ihm fest. „Ich war der ers­te über­haupt, der den Dienst quit­tier­te…“ Was dann folg­te, waren Jah­re des Ori­en­tie­rens und Suchens nach dem, was er mit sei­nem Leben anfan­gen woll­te. Durch einen Zufall kam er zum Tau­chen, mit 36 Jah­ren: „Ein Freund von mir soll­te sei­ne ers­te Unter­was­ser­stun­de absol­vie­ren. Ich kam dazu, als sei­ne Leh­re­rin Karen van Ops­tal ihm erklär­te, wie man das Equip­ment zusam­men­bau­te und wie es funk­tio­nier­te. Dann ver­schwan­den die bei­den im Was­ser. Nach eini­gen Sekun­den bau­te ich mir auch eine Aus­rüs­tung zusam­men und folg­te den bei­den. Sie saßen auf einer Sand­flä­che und übten Skills. Ich mach­te ein­fach mit. Als die bei­den fer­tig waren, bedeu­te­te mir die Hol­län­de­rin zu war­ten und brach­te mei­nen Freund an die Ober­flä­che. Dann kehr­te sie zurück und tauch­te mit mir durch das Riff – für mich eine Offen­ba­rung, die mein Leben für immer ver­än­dern soll­te!“ Als sie nach dem Auf­tau­chen erfuhr, dass Hossam soeben zum ers­ten Mal unter Was­ser und kein bre­ve­tier­ter  Tau­cher war, erleb­te er die wohl hef­tigs­te Gar­di­nen­pre­digt sei­nes Lebens! Aber sie hielt ihn für ein Natur­tauch­ta­lent. „80 Pro­zent von dem, was ich über das Tau­chen weiß, habe ich von ihr.“ Die Freund­schaft hielt ein Leben lang. Vor einem Jahr ist sie gestor­ben. „Wir haben sie drü­ben auf dem Fried­hof beer­digt.“

Doch zunächst erkun­de­te Hossam damals die gan­ze Küs­te des Roten Mee­res, vor allem unter Was­ser. Das Gebiet Mar­sa Alam war sei­ner­zeit eine mili­tä­ri­sche Zone, die man nur mit Son­der­ge­neh­mi­gung betre­ten durf­te. „Damals leb­ten in Mar­sa Alam exakt 22 Men­schen“, erin­nert sich Hossam Hel­my. Heu­te sei­en es rund 8.000. Drei Dia­man­ten wähl­ten er und sei­ne Part­ner schließ­lich aus, um dort ihre Tauch­camps zu errich­ten: Mar­sa Shagra, Mar­sa Naka­ri und Wha­di Laha­mi. Dabei spiel­ten Fak­to­ren wie der ein­fa­che Zugang zum Riff oder die Viel­falt und Intakt­heit der Unter­was­ser­welt eine Rol­le.

Zu Beginn waren es nur eine Hand­voll Zel­te und ein­fachs­te Bedin­gun­gen. Nach und nach wuch­sen das Bet­ten­an­ge­bot und der Kom­fort. Heu­te ver­fügt Mar­sa Shagra über 30 „nor­ma­le“ Zel­te, jeweils rund zehn Qua­drat­me­ter groß, und 30 Roy­al Tents, die etwa 20 Qua­drat­me­ter groß und mit Kühl­schrank und Ven­ti­la­tor aus­ge­stat­tet sind. Für die­je­ni­gen, die fes­te Wän­de bevor­zu­gen, gibt es Hüt­ten und die kom­for­ta­blen Cha­lets. Ein Hotel im enge­ren Sin­ne woll­te er nie haben – und so wider­setz­te er sich erfolg­reich, als ihn die ägyp­ti­sche Admi­nis­tra­ti­on dazu bewe­gen woll­te, erheb­lich mehr Bet­ten anzu­bie­ten. Von cir­ca 1.500 sei die Rede gewe­sen. „Nur über mei­ne Lei­che!“ Denn: „Vie­le Bet­ten bedeu­ten schnel­les Geld, aber die Natur zahlt die Rech­nung“, ist er über­zeugt. Immer­hin war er zu dem Kom­pro­miss bereit, das Restau­rant zu bau­en; nach und nach kamen wei­te­re Zel­te dazu, spä­ter die Hüt­ten und die Cha­lets.

„Wir ver­kau­fen Natur, etwas ande­res haben wir nicht“, sagt Hossam Hel­my. „Dar­um müs­sen wir alles tun, um sie zu erhal­ten!“ Und so ver­sucht Hel­my den öko­lo­gi­schen Gedan­ken, der in Ägyp­ten noch nicht all­zu weit ver­brei­tet ist, zu trans­por­tie­ren: Er setzt sich aktiv dage­gen ein, dass Umwelt­ge­set­ze auf­ge­weicht wer­den und ist Koope­ra­tio­nen für das Recy­cling von Was­ser und Abfall ein­ge­gan­gen. Ein wei­te­res Pro­jekt ist die Gewin­nung von Solar­ener­gie. Dar­über hin­aus geht es ihm um die Ver­mei­dung von Plas­tik­müll. Im Camp sind an vie­len Stel­len Was­ser­spen­der auf­ge­stellt, hier kön­nen sich die Gäs­te gra­tis bedie­nen – und ihre ein­mal gekauf­te Was­ser­fla­sche immer wie­der benut­zen.

Nach der Natur ist das Per­so­nal sein größ­ter Schatz. Dar­um habe er an sei­nen Mit­ar­bei­tern fest­ge­hal­ten, auch in schlech­ten Zei­ten, denn: „Ich brau­che sie alle, wenn wir wie­der auf­bau­en wol­len!“ Nicht nur für die Gesund­heits­ver­sor­gung für die rund 360 Beschäf­tig­ten in den drei Camps kommt er auf, son­dern auch für die der Ehe­gat­ten, der Kin­der und der Eltern. Sein Per­so­nal soll sich hier zu Hau­se füh­len – und blei­ben. „Wir fin­den auch für Ehe­gat­ten einen Job.“ Außer­dem hat er eine Schu­le auf­ge­baut, die sei­ne Frau erfolg­reich managt. Ein­fach war das zunächst nicht, aber er konn­te die Büro­kra­ten in sei­nem Land davon über­zeu­gen, dass sich die Inves­ti­ti­on lohnt, weil er argu­men­tier­te, dass man dann leich­ter Grund­stü­cke ver­kau­fen kön­ne.

Und wel­chen Tauch­spot favo­ri­siert jemand, der sein Leben lang getaucht hat und das Rote Meer inten­siv kennt? „Die Brot­hers“, sagt Hossam Hel­my ohne zu zögern. „Die Brot­her Islands sind das schöns­te Tauch­re­vier auf die­sem Pla­ne­ten!“

 

Anrei­se: Flug­li­ni­en ab Deutsch­land: TUIfly, Ger­ma­nia, Euro­wings, Small Pla­net Air­lines.

Ein­rei­se: Der Rei­se­pass muss min­des­tens noch sechs Mona­te gül­tig sein. Nach der Ankunft muss man am Flug­ha­fen ein Visum erwer­ben (Gebühr: 22 Euro).

Kli­ma + Rei­se­zeit: Es herrscht tro­cke­nes, hei­ßes Wüs­ten­kli­ma. In den Win­ter­mo­na­ten kann man aller­dings vor allem nach Son­nen­un­ter­gang eine war­me Jacke brau­chen.

Die Was­ser­tem­pe­ra­tur ist das gan­ze Jahr über rela­tiv sta­bil, in den hei­ßen Mona­ten rund 28 bis 29 Grad Cel­si­us, in den Win­ter­mo­na­ten 21 bis 26 Grad. Im Som­mer rei­chen daher ein Shor­ty oder ein 3mm-Tauch­an­zug aus, im Win­ter braucht man min­des­tens 5 mm.

Gesund­heit: Imp­fun­gen sind nicht vor­ge­schrie­ben. Die Rei­se­apo­the­ke soll­te Medi­ka­men­te gegen Durch­fall, Rei­se- und See­krank­heit sowie Insek­ten- und Son­nen­schutz ent­hal­ten.

Wäh­rung: Im Camp kann man pro­blem­los mit Euro und EC- oder Kre­dit­kar­te zah­len.

Strom: Im Camp braucht man kei­nen Adap­ter, auch im Zelt gibt es Mehr­fach­steck­do­sen.

Kon­takt: http://www.redsea-divingsafari.com/villages/marsa-shagra, www.belugareisen.de

 

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Antworten

  1. Avatar von Nele
    Nele

    Ganz tol­ler Rei­se­be­richt ♥♥♥♥♥

  2. Avatar von Natascha Silberius
    Natascha Silberius

    Ein groß­ar­ti­ger Rei­se­be­richt, der mich wirk­lich ver­zau­bert hat. Poe­tisch und infor­ma­tiv. Vie­len Dank. Mar­sa Shagra steht auf mei­ner To-Do-Lis­te 2018!

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