„Die Natur ist unser Reichtum“

Nahezu geräusch­los gleite ich durch das Ele­ment, die Arme aus­ge­brei­tet wie Schwin­gen. Um mich herum prasst eine Land­schaft, die der Phan­ta­sie von Jules Verne ent­sprin­gen könnte, mit ihrer Schön­heit: Hügel und gar Berge von viel­fäl­ti­gen und far­ben­fro­hen Koral­len­for­ma­tio­nen, in jedem kleins­ten Win­kel ver­birgt sich Leben. Papa­gei­en­fi­sche und Mee­res­schild­krö­ten fres­sen sich an Koral­len satt, Gelb­flos­sen­drü­cker­fi­sche jagen sich gegen­sei­tig wie in über­mü­ti­gem Spiel, Zacken­bar­sche keh­ren in Put­zer­sta­tio­nen ein wie in einem Spa, Sol­da­ten­fi­sche fixie­ren mich mit über­gro­ßen Augen, Blau­punktro­chen wir­beln Sand auf, Flö­ten­fi­sche spie­len mit den Luft­bla­sen, die wir Tau­cher aus­sto­ßen, Rot­feu­er­fi­sche beob­ach­ten das Gesche­hen im Riff mit auf­ge­stell­ten Flos­sen, die wie india­ni­scher Kriegs­schmuck anmu­ten. Das schim­mernde Schup­pen­kleid der Fische erin­nert an das präch­tige Gefie­der von exo­ti­schen Vögeln, die Schwärme bewe­gen sich uni­sono und schei­nen einer Cho­reo­gra­phie zu fol­gen. Wenn es ein Äqui­va­lent gibt, in dem sich der Mensch so frei füh­len kann wie ein Vogel, dann ist es das Meer! Hier ist das schwe­re­lose Dahin­glei­ten, das wir ansons­ten nur in nächt­li­chen Träu­men erle­ben, real. Nach einer Stunde geht unser Atem­gas zur Neige, ich tau­che auf und mein ers­ter Satz lau­tet: „Ich hatte fast ver­ges­sen, wie unfass­bar schön das Rote Meer ist!“

Seit rund zehn Jah­ren habe ich das Rote Meer nicht mehr besucht. Nun finde ich Marsa Alam so ver­schla­fen vor wie ich es in Erin­ne­rung hatte. Los ging es bei Schnee­ge­stö­ber in der Nacht von Ham­burg nach Han­no­ver, Abflug war um 0.30 Uhr, gegen 6.30 Uhr sind wir in Marsa Alam gelan­det, also fünf Stun­den, wenn man den Zeit­un­ter­schied sub­tra­hiert. Die Sonne scheint schon in der Frühe, aber es ist noch frisch. Ent­lang der Küs­ten­straße sieht es aus wie damals: Auf­ge­ge­bene Bau­rui­nen stre­cken ihre Ske­lette gen Him­mel, der nie nach­las­sende Wind treibt Plas­tik­tü­ten wie luzide Qual­len­ge­schöpfe vor sich her, sie ver­fan­gen sich in Moo­sen und Gestrüpp und kla­gen stumm an. Leere Plas­tik­fla­schen spren­keln die Geröll­wüste. In der Ferne erstre­cken sich Berg­züge, in der Nähe Sand­hü­gel. Wenn irgendwo der sprich­wört­li­che Hund ver­fro­ren ist, dann wohl hier.

 

 

Nach einer hal­ben Stunde biegt unser Taxi gegen­über von einem alten, grauen Holz­boot auf den Zufahrt­weg zum Tauch­camp Marsa Shagra ein. Wir sind da. Ich erkenne alles wie­der: Lin­ker Hand die Rezep­tion und das Tauch­cen­ter, wo man sich mit Equip­ment aus­stat­ten las­sen und Aus­fahr­ten buchen kann, vorne in Ufer­nähe der beschat­tete Tauch­be­reich, aus­ge­stat­tet mit Was­ser­bas­sins zum Aus­wa­schen der Aus­rüs­tung, einem Bereich zum Auf­hän­gen von Neo­pren und Jackets, Duschen, Umklei­den und Schließ­fä­chern. Rechts und links am Ufer gibt es Schat­ten­plätz­chen zum Chil­len, eine Kaf­fee-Bar, die Treppe hin­auf liegt das Restau­rant mit sei­ner ori­en­ta­li­schen Kup­pel. Zelte fädeln sich ent­lang der Küs­ten­li­nie auf, iglu­för­mige Lehm­häus­chen bil­den quasi die zweite Reihe. Im Hin­ter­grund sind die Cha­lets plat­ziert, eben­falls sand­far­bene Kup­pel­bau­ten. Außer­dem fin­det man auf dem Gelände einen Shop, in dem Kunst­hand­werk, Öle, Gewürze und Son­nen­schutz feil­ge­bo­ten wer­den, und eine Bedui­nen-Bar, in der es Tee und Was­ser­pfei­fen, aber auch Gin gibt.

 

 

Rund 60 Gäste seien zur­zeit hier, lässt uns Mar­ke­ting­ma­na­ge­rin Sarah O’Gorman wis­sen. Vor allem sol­che, die seit Jah­ren immer wie­der kom­men. Aber auch eine neue Ziel­gruppe habe man sich erschlos­sen: Groß­städ­ter aus Kairo, die die Ruhe und Schön­heit der Unter­was­ser­gär­ten des Roten Mee­res ent­deckt haben. „So konn­ten wir die pro­ble­ma­ti­schen Jahre über­ste­hen, die der ägyp­ti­sche Früh­ling und vor allem die Anschläge des IS ver­ur­sacht haben.“ Seit 2015 gehe es wie­der auf­wärts. Zwar gab es im Süden keine Anschläge, aber den­noch mie­den viele Tou­ris­ten Ägyp­ten. Die Fol­gen: Die Hotel­preise sind gefal­len; der Unter­was­ser­welt hin­ge­gen hat die Tou­ris­ten­flaute eine Erho­lungs­pause ver­schafft, und das sei auch zu sehen: Scheue Pre­da­to­ren wie Haie und Man­tas oder Grup­pen von Del­fi­nen seien häu­fi­ger auch in Küs­ten­nähe zu fin­den, gele­gent­lich zeig­ten sich sogar Walhaie.

 

 

Das Tauch­camp Marsa Shagra ist eine Spiel­wiese für Leute, die nichts ande­res tun wol­len als zu tau­chen. Hier kann man das Haus­riff in Eigen­re­gie erkun­den und dabei nicht weni­ger als sechs ver­schie­dene Pro­file wäh­len: Das Riff in süd­li­cher oder in nörd­li­cher Rich­tung – jeweils ent­we­der mit Ein­stieg vom Strand und eigen­stän­di­ger Rück­kehr oder mit Ein­stieg vom Boot und eigen­stän­di­ger Rück­kehr oder mit Ein­stieg vom Boot, das dann noch wei­ter hin­aus­fährt und die Tau­cher auch wie­der abholt. Getaucht wer­den kann von mor­gens bis abends, Fla­schen mit Atem­luft ste­hen stets bereit und die Boots­füh­rer hal­ten Aus­schau nach Rück­keh­rern. Für die Sicher­heit ist gesorgt: Wer ins Was­ser geht, trägt ein, wohin getaucht und wann zurück­ge­kehrt wer­den soll. Alle sind auf­ge­for­dert, sich streng daran zu hal­ten, denn wenn Tau­cher aus­blei­ben, wird die Ret­tungs­kette in Gang gesetzt. Aller­dings sei noch nie jemand ver­lo­ren gegan­gen, weiß Robert Frank, Tauch­leh­rer aus Stutt­gart, der uns auch gleich dar­über infor­miert, dass auf der ande­ren Stra­ßen­seite eine Deko­kam­mer zu fin­den ist. Hier kön­nen Tau­cher nach einem Dekom­pres­si­ons­un­fall behan­delt wer­den. „Diving is fun, but safety first!“

 

 

Wenn sich genug Tau­cher anmel­den, geht es auch mehr­mals täg­lich mit dem Zodiac zum berühm­ten Tauch­spot Elphin­stone. Das Riff ist geformt wie ein Wrack. Wun­der­schöne For­ma­tio­nen von Hart- und Weich­ko­ral­len prä­sen­tie­ren sich anmu­tig, gleich zwei Mee­res­schild­krö­ten kreu­zen unse­ren Weg. Auf ihrem Pan­zer hat sich Moos abge­setzt. Ein Napo­le­on­barsch zeigt sich, bunte Schwärme von Lipp­fi­schen und Picas­so­drü­cker­fi­sche. Und dann, als wir nur noch Blau um uns herum sehen, erschei­nen erst einer, dann drei: Der Weiß­spit­zen­hoch­see­hai, wegen sei­ner auf­fal­lend lan­gen Brust­flos­sen auch Lon­gi­ma­nus genannt. Auf­re­gung macht sich unter den Tau­chern bemerk­bar, einige haben Schwie­rig­kei­ten, die Tiefe zu hal­ten – ein Indiz dafür, dass sie hef­ti­ger atmen. Jeder will das Foto sei­nes Lebens schie­ßen. Und die Haie schei­nen mit der Kame­ra­linse zu flir­ten. Majes­tä­tisch zie­hen sie ihre Bah­nen um uns herum, neu­gie­rig schei­nen sie inspi­zie­ren zu wol­len, wer sie in ihrem Wohn­zim­mer besucht. Gestreifte Pilot­fi­sche umkrei­sen den Kopf des größ­ten von ihnen. Hier sind sie vor Angrei­fern sicher, wis­sen sie. Alle Haie tra­gen eine Geschichte auf ihrer Haut: Schram­men, Nar­ben, einer hat einen Angel­ha­ken mit abge­ris­se­ner Schnur am Maul. Sie krei­sen ruhig, zucken dann wie­der wie plötz­lich auf­ge­scheucht, einer drückt die Brust­flos­sen nach unten, buckelt – kein gutes Zei­chen. Nach und nach for­dert der Guide uns Tau­cher auf, zum Boot auf­zu­stei­gen. Zuletzt ver­lässt er selbst das Wasser.

 

 

Omar und seine Schwes­ter Sarah gehö­ren zur neuen Ziel­gruppe des Camps. Die bei­den beglei­ten ihre Eltern, die nach 20 Jah­ren aus den USA nach Ägyp­ten zurück­ge­kehrt sind und wie­der in Kairo leben. Sarah stu­diert in Kairo, Omar hat sich ent­schie­den, nach sei­nem Stu­dium in Iowa zu blei­ben, wo er als Inge­nieur arbei­tet. Auch Sarah wird nach ihrem Stu­dium in die USA gehen, das steht für sie fest. Sie legt ihren Neo­pren­an­zug nicht ab, wäh­rend sich die ande­ren nach jedem Tauch­gang das Salz­was­ser von Haut und Haa­ren duschen. Auf dem Kopf trägt sie eine Art Bade­haube, die ihr Haar ver­birgt. Mit dem Klein­bus fah­ren wir gemein­sam von Marsa Shagra nach Marsa Nakari. Auf dem Weg sehen wir ärm­li­che Behau­sun­gen, unweg­same Fuß­wege und kaum Men­schen. Wir pas­sie­ren Stra­ßen­sper­ren, die der Kulisse alter Spiel­filme ent­lie­hen zu sein schei­nen. Da wir mühe­los als Tou­ris­ten zu iden­ti­fi­zie­ren sind, win­ken die Beam­ten uns rasch durch. In der Ferne sehe ich einen Mann in lan­gem Gewand, der auf einem Stuhl in einem ver­las­se­nen Hotel­bau sitzt und vor sich hin blickt. Ich frage Omar wie es ist, Ägyp­ten nach so vie­len Jah­ren mit den Augen eines Erwach­se­nen zu sehen. Er ent­geg­net: „Ich dachte, es sei besser.“

 

 

Das Tauch­camp Marsa Nakari gehört zusam­men mit Marsa Shagra und Wadi Lahami zu den drei Vil­la­ges der Red Sea Diving Safari. Gäste kön­nen zwi­schen den Camps pen­deln, um Aus­flüge zu ande­ren Tauch­spots zu unter­neh­men. Das berühmte Dol­phin Reef ist von Marsa Nakari in rund 20 Minu­ten mit dem Schnell­boot zu errei­chen. Unsere Aus­rüs­tung berei­ten wir im Camp vor, dann geht es aufs Boot. Der Tauch­gang führt uns durch ein offe­nes Höh­len­la­by­rinth und fabel­hafte Koral­len­ge­birge. Mee­res­schild­krö­ten, ein gro­ßer Sta­chel­ro­chen, eine frei schwim­mende Rie­sen­mur­äne und ein Schwarm von Makre­len mit weit auf­ge­ris­se­nen Mäu­lern kreu­zen unsere Bahn. Del­fine sehen wir spä­ter lei­der nur aus der Ferne, sie reagie­ren scheu auf die Schnorch­ler aus ande­ren Boo­ten, die sich ihnen unsen­si­bel nähern, und zie­hen sich zurück in den Bereich, der für Men­schen nicht gestat­tet ist.

Am Abend sit­zen die Tau­cher bei­sam­men und tau­schen sich beim Deko­bier über ihre Erleb­nisse aus. Fotos wer­den bewun­dert, wei­tere Tauch­ziele bespro­chen. Wir plau­dern mit Hol­län­dern, Fran­zo­sen, Deut­schen, Ägyp­tern. Das Eng­lisch, das wir spre­chen, hätte mei­nem Leh­rer auf dem Gym­na­sium sicher­lich Zor­nes­fal­ten auf die Stirn getrie­ben, aber hier spre­chen alle frei von der Leber. Auch über Gott und die Welt und das Leben an sich. Als die Spra­che auf die Ter­ro­ris­ten des Isla­mi­schen Staa­tes kommt, empört sich Omar: „Diese Leute miss­brau­chen unsere Reli­gion; sie töten betende Men­schen!“ Der bär­tige junge Mann kommt zu dem Schluss: „Gegen Ver­rückte kann man sich nicht schüt­zen.“ Seine Schwes­ter habe ich im ers­ten Augen­blick fast nicht erkannt: Sie trägt jetzt Jeans und ein Kopf­tuch, das Hals und Schul­tern bedeckt, und hat ihre Lip­pen rot geschminkt. Sie wirkt älter als am Tag und sehr selbst­be­wusst. Stolz zeigt sie auf ihrem Smart­phone Fotos von gra­fi­schen Arbei­ten, die sie im Rah­men ihres Stu­di­ums her­ge­stellt hat.

Wir ver­brin­gen unsere erste Nacht im Royal Tent. Der nie zur Ruhe kom­mende Wind zerrt an den Wän­den, das Meer tost in der Ferne. Ich schlafe wie ein Baby. In der Frühe weckt uns der Ruf des Muezzin.

 

 

Das Zelt ist gut 20 Qua­drat­me­ter groß und ver­fügt über ein beque­mes King­size-Bett sowie einen Kühl­schrank und einen Ven­ti­la­tor. Der Boden ist mit Sisal­mat­ten und geknüpf­ten Tep­pi­chen aus­ge­legt. Natür­lich kön­nen wir auf­recht ste­hen. Unsere gemüt­li­chen Sitz­kis­sen schaf­fen wir vor das Zelt, so kön­nen wir abends den sen­sa­tio­nel­len Ster­nen­him­mel genie­ßen und mor­gens den Son­nen­auf­gang über dem Meer. Und tags­über ver­su­chen wir die rät­sel­haf­ten Wan­de­run­gen und Grup­pen­tref­fen der Ein­sied­ler­krebse zu ent­schlüs­seln. Abschlie­ßen lässt sich so ein Zelt nicht, aber hier sei noch nie etwas weg­ge­kom­men, ver­si­chert uns Rafik von der Rezep­tion. Für Flug­un­ter­la­gen und Aus­weise etc. haben wir ein Schließ­fach bekommen.

Ganze zwölf Jahre hat Hossam Helmy, Eigen­tü­mer der Red Sea Diving Safari, in einem sol­chen Zelt gelebt. Es stand auf einer Erhe­bung mit Blick auf die Bucht von Shagra. Ein paar Meter wei­ter hat er spä­ter das Haus gebaut, in dem er noch heute lebt. Er emp­fängt uns genau dort, wo sei­ner­zeit sein Zelt stand, sogar der Eisen­ha­ken steckt noch im Fels. „Wenn ich heute Urlaub mit mei­ner Frau mache, dann fah­ren wir immer nach Marsa Nakari und woh­nen im Zelt“, Hossam Helmy liebt das ein­fa­che, pure Leben: „Die Natur ist unser Reichtum.“

 

 

Dabei kam er ver­gleichs­weise spät zum Tau­chen. Zuvor hatte er eine andere Kar­riere begon­nen: Nach sei­nem Rechts­stu­dium kam er in sei­nen Zwan­zi­gern zum dama­li­gen Staats­chef Husni Muba­rak. Er brachte es schnell zum Sicher­heits­chef. Heute sagt der End­sech­zi­ger: „I was spoilt – ich kannte nur Luxus, war ver­wöhnt.“ Und die Über­zeu­gung, dass es das nicht gewe­sen sein konnte, setzte sich bei ihm fest. „Ich war der erste über­haupt, der den Dienst quit­tierte…“ Was dann folgte, waren Jahre des Ori­en­tie­rens und Suchens nach dem, was er mit sei­nem Leben anfan­gen wollte. Durch einen Zufall kam er zum Tau­chen, mit 36 Jah­ren: „Ein Freund von mir sollte seine erste Unter­was­ser­stunde absol­vie­ren. Ich kam dazu, als seine Leh­re­rin Karen van Ops­tal ihm erklärte, wie man das Equip­ment zusam­men­baute und wie es funk­tio­nierte. Dann ver­schwan­den die bei­den im Was­ser. Nach eini­gen Sekun­den baute ich mir auch eine Aus­rüs­tung zusam­men und folgte den bei­den. Sie saßen auf einer Sand­flä­che und übten Skills. Ich machte ein­fach mit. Als die bei­den fer­tig waren, bedeu­tete mir die Hol­län­de­rin zu war­ten und brachte mei­nen Freund an die Ober­flä­che. Dann kehrte sie zurück und tauchte mit mir durch das Riff – für mich eine Offen­ba­rung, die mein Leben für immer ver­än­dern sollte!“ Als sie nach dem Auf­tau­chen erfuhr, dass Hossam soeben zum ers­ten Mal unter Was­ser und kein bre­ve­tier­ter  Tau­cher war, erlebte er die wohl hef­tigste Gar­di­nen­pre­digt sei­nes Lebens! Aber sie hielt ihn für ein Natur­tauch­ta­lent. „80 Pro­zent von dem, was ich über das Tau­chen weiß, habe ich von ihr.“ Die Freund­schaft hielt ein Leben lang. Vor einem Jahr ist sie gestor­ben. „Wir haben sie drü­ben auf dem Fried­hof beerdigt.“

Doch zunächst erkun­dete Hossam damals die ganze Küste des Roten Mee­res, vor allem unter Was­ser. Das Gebiet Marsa Alam war sei­ner­zeit eine mili­tä­ri­sche Zone, die man nur mit Son­der­ge­neh­mi­gung betre­ten durfte. „Damals leb­ten in Marsa Alam exakt 22 Men­schen“, erin­nert sich Hossam Helmy. Heute seien es rund 8.000. Drei Dia­man­ten wähl­ten er und seine Part­ner schließ­lich aus, um dort ihre Tauch­camps zu errich­ten: Marsa Shagra, Marsa Nakari und Whadi Lahami. Dabei spiel­ten Fak­to­ren wie der ein­fa­che Zugang zum Riff oder die Viel­falt und Intakt­heit der Unter­was­ser­welt eine Rolle.

Zu Beginn waren es nur eine Hand­voll Zelte und ein­fachste Bedin­gun­gen. Nach und nach wuch­sen das Bet­ten­an­ge­bot und der Kom­fort. Heute ver­fügt Marsa Shagra über 30 „nor­male“ Zelte, jeweils rund zehn Qua­drat­me­ter groß, und 30 Royal Tents, die etwa 20 Qua­drat­me­ter groß und mit Kühl­schrank und Ven­ti­la­tor aus­ge­stat­tet sind. Für die­je­ni­gen, die feste Wände bevor­zu­gen, gibt es Hüt­ten und die kom­for­ta­blen Cha­lets. Ein Hotel im enge­ren Sinne wollte er nie haben – und so wider­setzte er sich erfolg­reich, als ihn die ägyp­ti­sche Admi­nis­tra­tion dazu bewe­gen wollte, erheb­lich mehr Bet­ten anzu­bie­ten. Von circa 1.500 sei die Rede gewe­sen. „Nur über meine Lei­che!“ Denn: „Viele Bet­ten bedeu­ten schnel­les Geld, aber die Natur zahlt die Rech­nung“, ist er über­zeugt. Immer­hin war er zu dem Kom­pro­miss bereit, das Restau­rant zu bauen; nach und nach kamen wei­tere Zelte dazu, spä­ter die Hüt­ten und die Chalets.

„Wir ver­kau­fen Natur, etwas ande­res haben wir nicht“, sagt Hossam Helmy. „Darum müs­sen wir alles tun, um sie zu erhal­ten!“ Und so ver­sucht Helmy den öko­lo­gi­schen Gedan­ken, der in Ägyp­ten noch nicht allzu weit ver­brei­tet ist, zu trans­por­tie­ren: Er setzt sich aktiv dage­gen ein, dass Umwelt­ge­setze auf­ge­weicht wer­den und ist Koope­ra­tio­nen für das Recy­cling von Was­ser und Abfall ein­ge­gan­gen. Ein wei­te­res Pro­jekt ist die Gewin­nung von Solar­ener­gie. Dar­über hin­aus geht es ihm um die Ver­mei­dung von Plas­tik­müll. Im Camp sind an vie­len Stel­len Was­ser­spen­der auf­ge­stellt, hier kön­nen sich die Gäste gra­tis bedie­nen – und ihre ein­mal gekaufte Was­ser­fla­sche immer wie­der benutzen.

Nach der Natur ist das Per­so­nal sein größ­ter Schatz. Darum habe er an sei­nen Mit­ar­bei­tern fest­ge­hal­ten, auch in schlech­ten Zei­ten, denn: „Ich brau­che sie alle, wenn wir wie­der auf­bauen wol­len!“ Nicht nur für die Gesund­heits­ver­sor­gung für die rund 360 Beschäf­tig­ten in den drei Camps kommt er auf, son­dern auch für die der Ehe­gat­ten, der Kin­der und der Eltern. Sein Per­so­nal soll sich hier zu Hause füh­len – und blei­ben. „Wir fin­den auch für Ehe­gat­ten einen Job.“ Außer­dem hat er eine Schule auf­ge­baut, die seine Frau erfolg­reich managt. Ein­fach war das zunächst nicht, aber er konnte die Büro­kra­ten in sei­nem Land davon über­zeu­gen, dass sich die Inves­ti­tion lohnt, weil er argu­men­tierte, dass man dann leich­ter Grund­stü­cke ver­kau­fen könne.

Und wel­chen Tauch­spot favo­ri­siert jemand, der sein Leben lang getaucht hat und das Rote Meer inten­siv kennt? „Die Brot­hers“, sagt Hossam Helmy ohne zu zögern. „Die Brot­her Islands sind das schönste Tauch­re­vier auf die­sem Planeten!“

 

Anreise: Flug­li­nien ab Deutsch­land: TUIfly, Ger­ma­nia, Euro­wings, Small Pla­net Airlines.

Ein­reise: Der Rei­se­pass muss min­des­tens noch sechs Monate gül­tig sein. Nach der Ankunft muss man am Flug­ha­fen ein Visum erwer­ben (Gebühr: 22 Euro).

Klima + Rei­se­zeit: Es herrscht tro­cke­nes, hei­ßes Wüs­ten­klima. In den Win­ter­mo­na­ten kann man aller­dings vor allem nach Son­nen­un­ter­gang eine warme Jacke brauchen.

Die Was­ser­tem­pe­ra­tur ist das ganze Jahr über rela­tiv sta­bil, in den hei­ßen Mona­ten rund 28 bis 29 Grad Cel­sius, in den Win­ter­mo­na­ten 21 bis 26 Grad. Im Som­mer rei­chen daher ein Shorty oder ein 3mm-Tauch­an­zug aus, im Win­ter braucht man min­des­tens 5 mm.

Gesund­heit: Imp­fun­gen sind nicht vor­ge­schrie­ben. Die Rei­se­apo­theke sollte Medi­ka­mente gegen Durch­fall, Reise- und See­krank­heit sowie Insek­ten- und Son­nen­schutz enthalten.

Wäh­rung: Im Camp kann man pro­blem­los mit Euro und EC- oder Kre­dit­karte zahlen.

Strom: Im Camp braucht man kei­nen Adap­ter, auch im Zelt gibt es Mehrfachsteckdosen.

Kon­takthttp://www.redsea-divingsafari.com/villages/marsa-shagra, www.belugareisen.de

 

Cate­go­riesÄgyp­ten
  1. Natascha Silberius says:

    Ein groß­ar­ti­ger Rei­se­be­richt, der mich wirk­lich ver­zau­bert hat. Poe­tisch und infor­ma­tiv. Vie­len Dank. Marsa Shagra steht auf mei­ner To-Do-Liste 2018!

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