Zum Jah­res­wech­sel machen wir weder einen Jah­res­rück­blick, noch eine Liste voll guter Vor­sätze. Statt­des­sen pfle­gen wir eine andere kleine Tra­di­tion: Wir ver­rei­sen. Bevor­zugt in eine euro­päi­sche Stadt, denn im Win­ter sind die Preise nied­rig, die Tou­ris­ten­zah­len auch und zwi­schen den Jah­ren liegt so eine ange­nehm ent­spannte Atmo­sphäre in der Luft.

Der Weih­nachts­tru­bel ist gerade abge­ebbt, die Träg­heit der Fei­er­tage liegt noch in der Luft (und im Magen), und so frisch im neuen Jahr will man sich auch noch nicht stres­sen. Darum liebe ich die Zeit zwi­schen Weih­nach­ten und den Hei­li­gen Drei Köni­gen- eine Art Über­gangs­phase, in der alle ein wenig wohl­wol­len­der und mil­der gestimmt sind.

Nun also Wien, nach­dem uns im ver­gan­ge­nen Jahr Paris trotz klir­ren­der Kälte begeis­terte. Der dies­jäh­rige milde Win­ter erleich­tert uns die Stadt­er­kun­dung zwar ein wenig, gut ein­pa­cken müs­sen wir uns trotz­dem für unsere Streif­züge durch die Wie­ner Prachtgassen.

Wien ist eine ange­nehm erlauf­bare Stadt, eine Qua­li­tät, die ich sehr an Metro­po­len schätze. Denn Wien ist ‑defi­ni­to­risch genom­men- genau das: eine Metro­pole. Dafür fühlt sich die Stadt doch recht gemüt­lich an.

Wir lau­fen vom Wie­ner Pra­ter­stern zur Ring­straße, die auf ins­ge­samt 5,3 Kilo­me­tern Länge die meis­ten Wie­ner Sehens­wür­dig­kei­ten beher­bergt. Vor allem zwi­schen der Wie­ner Staats­oper und dem Rat­haus bal­len sich pom­pöse Pracht­bau­ten. Wien kle­ckert nicht, Wien klotzt.

Man stelle sich den Tru­bel vor, den Kai­ser Franz Joseph Mitte des 19. Jahr­hun­derts aus­löste, als er den Bau der Ring­straße beschloss. Inner­halb von nur 50 Jah­ren ent­stan­den ab 1860 all diese prunk­vol­len, üppi­gen Paläste.

Das tou­ris­ti­sche Wien scheint vor allem von der Nost­al­gie zu leben. Der Fas­zi­na­tion für ver­gan­gene Zei­ten, in denen sich Sissi und Franz das Jawort gaben, man mit der Kut­sche in edlen Roben zum Ball trabte und sich Schrift­stel­ler in den Kaf­fee­häu­sern über den Fort­schritt ihres neu­es­ten Romans aus­tausch­ten. Das müs­sen Zei­ten gewe­sen sein!

Heute war­ten die Kut­schen vor der Hof­burg oder dem Ste­phans­dom nur noch auf Tou­ris­ten. Vor den alt­ehr­wür­di­gen Cafés, wie dem Café Cen­tral, Demel oder Sacher, ste­hen Besu­cher stun­den­lang, um einen Platz zu ergat­tern. Ich frage mich, wie viele Wie­ner sich heut­zu­tage noch in die­sen Kaf­fee­häu­sern auf einen Plausch treffen.

Ent­lang der Ring­straße fin­den sich zu unse­rer Freude aber auch noch andere Paläste: Film­pa­läste. Wien beher­bergt ein gutes Dut­zend Pro­gramm­ki­nos, die aus­ge­wählte Filme in tra­di­ti­ons­rei­chem Ambi­ente zei­gen. Auch hier zeigt Wien sich nost­al­gisch. Mit dem Unter­schied, dass wir hier eben auch Wie­ner antref­fen. Die Abend­vor­stel­lung ist bereits 30 Minu­ten vor Film­start aus­ver­kauft. Wohl gemerkt, an einem Mittwochabend.

Wir sehen im Votiv­kino die Gesell­schafts­sa­tire „The Square“ (emp­feh­lens­wert, übri­gens). In dem Film erlebt Chris­tian, erfolg­rei­cher Kura­tor eines zeit­ge­nös­si­schen Muse­ums in Schwe­den, eine Exis­tenz­krise. Es geht um die Kunst­frage an sich, Milieus und Vor­ur­teile, sowie mora­lisch kniff­lige Fra­gen. Alleine die „Affen­szene“ ist oscarwürdig:

https://www.youtube.com/watch?v=zKDPrpJEGBY

 

Wien bei Nacht

Im Win­ter nach Wien zu rei­sen bedeu­tet auch, dass die Nacht dem Tag einige Stun­den abschnei­det. Oder anders aus­ge­drückt: Ab 16:00 Uhr wird’s stockdunkel.

Kunst: Eine Idee

Man kann seine Zeit in einem der über 100 Museen Wiens ver­brin­gen, die teil­weise auch bis in die spä­ten Abend­stun­den geöff­net haben.

Nun ist mein Ver­hält­nis zur hoch­kul­tu­rel­len Kunst ein wenig gespal­ten: Ob Dino­sau­ri­er­kno­chen oder Monet, so rich­tig erschlos­sen haben sich mir diese stum­men Expo­nate noch nie. Als wir in Paris unter­wegs waren, foto­gra­fierte ich lie­ber Rau­cher vor Knei­pen statt mir die Mona Lisa anzu­se­hen. Trotz­dem pflege ich eine Zunei­gung für die Idee davon, sich Kunst anzu­schauen. Wie gerne hätte ich die­sen Zugang zu einem Gemälde, dass es mir neue Wel­ten eröff­net, mich inspi­riert, oder zumin­dest eine lang­an­hal­tende Freude ob sei­ner Schön­heit schenkt.

An einem Tag reg­net es so unauf­hör­lich, dass ich meine kläg­li­chen Ver­su­che, das triste Grau schön­zu­re­den, wäh­rend des Früh­stücks rasch auf­gebe. Ich schlage mei­nen Vienna City Card Guide auf, um mich durch die unzäh­li­gen Museen zu lesen.

Das mumok (museum moder­ner kunst stif­tung lud­wig wien) schließ­lich weckt meine Neugierde:

„Der mar­kante dun­kel­graue Basalt­qua­der inmit­ten des Muse­ums­Quar­tiers Wien beher­bergt eine außer­ge­wöhn­li­che Samm­lung mit Haupt­wer­ken der Klas­si­schen Moderne, der Pop Art, des Flu­xus und des Wie­ner Aktio­nis­mus bis hin zu aktu­el­ler Film- und Medienkunst.“

Die fol­gen­den sie­ben Stun­den ver­brin­gen wir wan­delnd in besag­tem Basalt­qua­der, lesen uns jedes Schild durch und stu­die­ren alle Expo­nate gründ­lich. Was hän­gen bleibt: Die sur­rea­len, kal­ten und bedrü­cken­den Foto­gra­fien von Zoo­tie­ren der Foto­gra­fin Can­dida Höfer, die futu­ris­tisch insze­nier­ten Keim­linge einer Hit­ler-Eiche, die dem afro­ame­ri­ka­ni­schen Olym­pia­sie­ger Cor­ne­lius C. John­son 1936 zum Sieg vom NS Régime geschenkt wurde. Und die Kunst­werke vom 1988 ver­stor­be­nen Die­ter Roth, der ver­gam­melnde Mor­ta­del­l­aschei­ben und ver­we­sende Scho­ko­la­den­skulp­tu­ren zu Kunst­wer­ken erkor.

Da wäre ich wie­der bei der „Idee“ von Kunst: Die Ver­gäng­lich­keit und das stete sich-im-Pro­zess-befin­den gefal­len mir als Thema. Mit orga­ni­scher Mate­rie zu arbei­ten, um Kunst zu kre­ieren, die lebt, finde ich span­nend. Inso­fern spricht mich Die­ter Roth an.

Ande­rer­seits sind es genau diese Werke, warum ich mit der hoch­kul­tu­rel­len Kunst so hadere: Da stopft einer Papier­schnip­sel mit Schmalz in einen Wurst­darm, und der Rah­men gebie­tet es, dies nun als Kunst zu interpretieren.

Wie dem auch sei, am Ende des Tages haben Ste­fan und ich eine Menge zu dis­ku­tie­ren. Viel­leicht genügt das ja auch.

Welt­of­fen, sozial, trendy: Das Hotel Mag­das ist ein soge­nann­tes Social Busi­ness, in dem Geflüch­tete eine Anstel­lung fin­den. Uns war das Mag­das durch­weg sym­pa­thisch, wes­halb wir es gerne empfehlen!

Anreise Info nach Wien:
Von vie­len deut­schen Städ­ten gibt es Direkt­ver­bin­dun­gen mit der Bahn in die öster­rei­chi­sche Haupt­stadt. Auch mit dem Auto kann man ein­fach nach Öster­reich ein­rei­sen, sollte aller­dings beach­ten, dass man dort eine Auto­bahn­vi­gnette benö­tigt. Mitt­ler­weile kann man die auch digi­tal erwer­ben und diese digi­tale Vignette für Öster­reich ist sofort gül­tig.

 

Offen­le­gung: Unsere Reise nach Wien wurde von Wien-Tou­ris­mus unter­stützt. Vie­len Dank!

Cate­go­riesÖster­reich
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

  1. Lauri Mersen says:

    Ein­fach wun­der, wun­der, wun­der­schöne Bil­der, vie­len Dank für diese tol­len Impres­sio­nen einer sehr sehens- und lebens­wer­ten Stadt. Ich habe das Glück, selbst in Wien leben zu dür­fen, und viel­leicht gerade des­we­gen hat der Post so viel Nost­al­gie und Hei­mat­ge­fühl aus­ge­löst. Falls es euch mal wie­der hier­her ver­schlägt und ihr etwas ganz ande­res aus­pro­bie­ren wollt, kann ich euch nur einen Escape Room ans Herz legen…Die Szene hier gewinnt in den letz­ten Jah­ren wirk­lich top inter­na­tio­na­les Niveau und es ist ein ech­tes Erleb­nis :) Gibts selbst­ver­ständ­lich nicht nur in Wien, aber gerade Anbie­ter wie Open The Door (fin­det man unter https://www.openthedoor.at, ich war erst letzte Woche dort und bin wie­der ein­mal ver­blüfft und begeis­tert heim­ge­kom­men) sind doch Her­aus­stel­lungs­merk­male… Nun ja, auf jeden Fall noch­mal ein herz­li­ches Danke für den Fun­ken Vor­freude auf den Wie­ner Win­ter, den die­ser Arti­kel so schön ver­mit­teln kann

  2. Schö­ner Bericht über die wohl lebens­wer­teste Stadt der Welt. Zumin­dest eine der lebens­wer­tes­ten mit einer tol­len Infra­struk­tur. Ich war dort auch mal im Win­ter und habe sie gerne genoßen.
    Bin dann noch­mal mit dem Fahr­rad vor­bei – und bald ist mein Ziel mal an der Donau von Pas­sau nach Wien zu fah­ren (bis Pas­sau bin ich schon letz­tes Jahr gekommen)…

    1. Aylin says:

      Hey Mar­kus,
      schön , dass Dir unser Bericht gefällt! Mit dem Fahr­rad muss das auch wun­der­bar sein, stell ich mir herr­lich vor sich so einer Stadt zu nähern
      Liebe Grüße
      Aylin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert