Wenn das Jahr mit einer Reise beginnt, kann es nur gut wer­den – dach­ten wir und stie­gen am letz­ten Tag des Jah­res in den Zug nach Paris. Wir erleb­ten fran­zö­si­sches Gran­deur und klir­rende Kälte. Den ent­schei­den­den Hin­weis lie­fert Ernest Heming­way: er rückt nicht nur diese Reise in ein ganz beson­de­res Licht.

Im Zug nahm ich ein Schin­ken­brot aus der Papier­tüte. Die Tomate saugte ich so gut es ging aus, weil ich nicht alles voll­kle­ckern wollte. Wir schos­sen gera­de­wegs durch das pfäl­zi­sche Mit­tel­ge­birge und ich war auf­nah­me­be­reit, eine ideale Vor­aus­set­zung beim Rei­sen. Ich blickte durch die rie­sige, wun­der­bar sau­bere Fens­ter­scheibe des TGV. Die Tan­nen, in wei­ßem Tau geklei­det, stan­den an son­ni­gen Hän­gen. Es wirkte anzie­hend. „Wan­dern im Pfäl­zer­wald“ schrieb ich daher auch kurz nach Landau in die Noti­zen-App mei­nes Han­dys. Als wir die Pro­vinz­bahn­höfe im Tale pas­sier­ten, hätte ich ohne wei­te­res aus­stei­gen kön­nen. Ein­fach raus und die Berge rauf lau­fen, das hätte mir gefal­len. Am bes­ten ganz ohne Pla­nung: Keine vor­ge­fer­tig­ten Wan­der­rou­ten abge­hen, ein­fach dem Instinkt fol­gend. Je weni­ger ich von einem Ort weiß, desto stär­ker ist oft des­sen Anziehungskraft.

Doch diese Gedan­ken zogen letzt­lich genauso schnell vor­über wie die Win­ter­land­schaft an unse­rem Hoch­ge­schwin­dig­keits­zug. Es ging nach Paris und da geht nie­mand hin ohne eine Vor­stel­lung, von dem was kom­men mag. Ich denke bei Paris immer an eine Welt­stadt, die zumin­dest sug­ge­riert, dass das Leben ein sanf­tes sein kann, wenn es der Kul­tur, der Kunst oder über­haupt einer Idee von Savoir-vivre gewid­met ist. Das unter­schei­det Paris in mei­ner Wahr­neh­mung von Lon­don, Shang­hai oder New York, die viel von ihrer Ener­gie aus dem kapi­ta­lis­ti­schen Eifer ihrer ehr­gei­zi­gen Ein­woh­ner ziehen.

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Paris am letz­ten Tag des Jahres

Bei der Ankunft am Gare du Nord war ich zunächst ver­wirrt. Das man in die­ses groß­ar­tige Paris ein­fach so mit dem Zug fah­ren konnte, schien mir zu ein­fach. So zugäng­lich kann diese umwor­bene Schön­heit doch kaum sein. Wie eine welt­be­rühmte Per­sön­lich­keit, bei der man ein­fach so an der Haus­tür klin­geln kann, kam mir das vor. Ein tol­ler Moment war das dann auch, als wir uns mit den gro­ßen Ruck­sä­cken in die volle Metro quetsch­ten: Es war Sil­ves­ter­abend und die Leute mach­ten sich auf den Weg, die­sen zu fei­ern. Wir tauch­ten in ein bun­tes Bild ver­schie­dens­ter Men­schen. Die­je­ni­gen mit schnit­ti­gen Män­teln und Wein­fla­schen unter dem Arm, machte ich als ver­meint­lich echte Pari­ser aus.

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Unsere Unter­kunft lag mit­ten in Chi­na­town. Ein altes Gebäude, an dem dicke rote Leucht­stoff­röh­ren ange­bracht waren, die das Wort „Hotel“ trotz Dun­kel­heit und Nebel von wei­tem les­bar mach­ten. Auf dem Weg hin­ein ver­suchte ich mir ein paar fran­zö­si­sche Sätze zurecht­zu­le­gen. In Paris, das hatte ich vor­her mehr­fach gehört, sollte man ein Gespräch nie ein­fach auf Eng­lisch begin­nen. Dem zuge­ge­be­ner­ma­ßen recht kur­zen Dia­log mit der Rezep­tio­nis­tin hiel­ten meine Sprach­kennt­nisse stand, was auch daran lag, dass ich ledig­lich ein paar Fra­gen mit Oui oder Non beant­wor­ten musste. Spä­ter fand ich her­aus, dass die Pari­ser, ent­ge­gen land­läu­fi­ger Mei­nung, gerne auch mal Eng­lisch spre­chen. Zumin­dest wenn man das Gespräch mit einem freund­li­chen Bon­jour beginnt und danach so tut als bereite es einem kör­per­li­ches Unbe­ha­gen, ins Eng­li­sche wech­seln zu müs­sen. Auch die gän­gige Kli­schee-Mei­nung, die Pari­ser seien grund­sätz­lich unfreund­lich, kann ich zurück­bli­ckend nicht bestä­ti­gen. Ganz im Gegenteil.

Paris am ers­ten Tag des Jahres

Am Neu­jahrs­mor­gen lie­fen wir gleich nach dem Früh­stück zum Quar­tier Latin. Ich freute mich vor allem dar­auf, die Markt­straße Rue Mouf­fe­tard ent­lang zu spa­zie­ren. Hier bil­de­ten sich lange Schlan­gen vor den weni­gen Bäcke­reien, die geöff­net waren. Gebäck­stü­cke, ange­rich­tet wie kleine Kunst­werke, lagen groß­zü­gig in den Schau­fens­tern. Der Dampf eini­ger Crê­pes-Stände zog in die enge Gasse, und auch Obst- und Fisch­händ­ler waren schon geschäftig.

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 Die Straße geht im Nor­den in den Place de la Con­tres­carpe auf. Paris hat beein­dru­cken­dere Plätze, an denen das archi­tek­to­ni­sche Gran­deur der soge­nann­ten Grande Nation üppi­ger aus­fällt. Doch darum ging es hier auch nicht. Es lag eine andere Art von Größe in der Luft: Ernest Heming­way trieb sich hier wäh­rend sei­ner frü­hen Jahre in Paris herum. Ich voll­zog eine 360 Grad Dre­hung auf dem Platz und über­legte, wel­ches Café ihm wohl am liebs­ten war. Dass es hier nach dem 1. Welt­krieg noch ganz anders aus­sah, blen­dete ich kurz aus. Erst als wir Paris längst ver­las­sen hat­ten, bekam ich das pas­sende Buch in die Fin­ger: „A Moveable Feast.“

Der Titel für Heming­ways Memoi­ren an diese Stadt, ist tref­fend gewählt, weil er die Unver­gäng­lich­keit sei­ner Paris-Erfah­rung preist. Sie endete nicht mit dem Abrei­se­tag, son­dern wurde Teil sei­ner Per­sön­lich­keit. Ein Fest fürs Leben. Dies trifft nicht nur auf Heming­way zu, jede Reise bleibt irgend­wie an einem hän­gen. Die fol­gen­den Zei­len beschäf­tig­ten mich, da sie auch ver­gan­gene Rei­sen in ein neues Licht rück­ten. Ich finde sie machen sich ganz gut im Notiz­buch (oder Hin­ter­kopf) eines jeden Weltenbummlers:

„A memory or even a state of being that had become a part of you, a thing that you could always have with you, no mat­ter where you went or how you lived fore­ver after, that you could never lose.“

A Moveable Feast – Vor­wort von Ernest Heming­ways Sohn Patrick

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Sie liebt es üppig

Sofern man sich inner­halb der Cite bewegt ist Paris über­all pom­pös. Man konnte prak­tisch jede belie­bige Metro­sta­tion anfah­ren, der Effekt war immer der­selbe: sobald man die Trep­pen her­auf­kam, hatte man das Gefühl, ein beson­ders geschäf­ti­ges Stadt­vier­tel zu betre­ten. Das war in New York auch schon so gewe­sen. Auch die Stra­ßen­kunst ist ein Thema für sich. Es lohnt sich immer an Häu­ser­ecken hoch­zu­schauen, man ent­deckt häu­fig kleine, aber auf­wen­dige Werke.

Aylin hatte sich schon län­ger auf die edlen Pâtis­se­rien gefreut und sich ein paar feine Adres­sen notiert, die wir gemein­sam ansteu­er­ten. Sie wählte diese klei­nen Eclairs, Mac­a­rons und Kon­sor­ten sorg­sam aus und wir unter­zo­gen sie am Tre­sen sit­zend einer Kost­probe. Ich fand mei­nen gefal­len an die­sen Degus­ta­tio­nen, vor allem weil ich den zuge­hö­ri­gen Espresso so gerne trank. Was das Gebäck anging war ich weni­ger emo­tio­nal. Die­sen zuck­ri­gen Kom­po­si­tio­nen würde ich grund­sätz­lich immer etwas Herz­haf­tes vor­zie­hen. Aber schließ­lich waren wir in Paris und da machte ich gerne eine Ausnahme.

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Es war bit­ter­kalt und meis­tens grau und neb­lig. Trotz­dem lie­fen wir unent­wegt durch die Stadt. Jeden der 3 Tage aufs Neue. Ther­moun­ter­wä­sche und Ent­de­ckungs­drang hiel­ten uns am Lau­fen. Wir wis­sen nun wie die untere Hälfte des Eif­fel­turms aus­sieht. Die Spitze war immer in graue Nebel­schleier gehüllt, wes­halb wir auch von einem Auf­stieg absa­hen. Die Champs Ely­sées, über Syl­ves­ter für Autos gesperrt, wurde zur rie­si­gen Fla­nier­meile. Unglaub­li­che Men­schen­men­gen scho­ben sich trotz der Kälte den Pracht­bou­le­vard ent­lang. Ein­mal misch­ten wir uns dar­un­ter und lie­fen bis zum Tri­umph­bo­gen. Abends aßen wir meist auf dem Bett des klei­nen Hotel­zim­mers ein paar Köst­lich­kei­ten aus dem Supermarkt.

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Wir woll­ten nie rasten

Den Besuch von Mont­martre hoben wir uns für den letz­ten Tag auf. Wir waren inzwi­schen ziem­lich geschlaucht, schlie­fen nachts län­ger als sonst. Ich ließ täg­lich eine Track­ing-App auf mei­nem Handy die Stre­cke auf­zeich­nen. Wir waren inzwi­schen 7 Tage in Folge täg­lich über 15 Kilo­me­ter gelau­fen, wenn man die Zeit vor Paris ein­be­zieht, wo wir unter ande­rem auf der schwä­bi­schen Alb unter­wegs waren. Daher tran­ken wir schon bevor es rich­tig los­ging den zwei­ten Kaf­fee, mit Blick auf das Moulin Rouge. Auf dem Weg zum Hügel war­fen wir einen Blick auf die Woh­nung, die Theo und Vin­cent van Gogh sei­ner­zeit bewohnt hat­ten. Von den Trep­pen vor dem Sacre Coeur hätte man den bes­ten Blick auf die Stadt. Lei­der war es, man ahnt es, so neb­lig, dass wir nur spe­ku­lie­ren konn­ten, wie weit die Aus­sicht an kla­ren Tagen ist. Wirk­lich loh­nens­wert war unsere Route zurück: Wir lie­fen den Bou­le­vard de Bel­le­ville ent­lang. Eine geschäf­tige Straße geprägt von nord­afri­ka­ni­schen Ein­wan­de­rern. Welch will­kom­mene Abwechs­lung, nicht nur das Lamm im „Tunis Tunis“ Restaurant.

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Dann kam der mor­gen, an dem wir frü­her raus muss­ten als sonst. Die Metro zur Rush Hour war voll von Pend­lern. Wir hat­ten Zug­ti­ckets nach Brüs­sel. Diese kleine erfri­schende Reise zum Jah­res­auf­takt sollte wei­ter­ge­hen. Paris wird nun auch ein klei­ner Teil von mir sein. Fast wie bei Hemingway.

Cate­go­riesFrank­reich
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

  1. Christina says:

    Tol­ler Paris-Bericht! Da bekommt man rich­tig Lust, mal wie­der vor­bei zu schauen. Wan­dern im Pfäl­zer Wald kann ich im übri­gen nur von Her­zen emp­feh­len – da komme ich her. :)

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