Trek: Lukla (2860 m) – Pha­k­ding (2610 m) – Nam­che Bazaar (3440 m) – Thame (3900 m)

„Lang­sam gehen, viel trin­ken, Pau­sen machen“ wie­der­hole ich gedank­lich die Rat­schläge unse­res Gui­des Nayan­dra. Ich bin das erste Mal in den Ber­gen unter­wegs, das erste Mal auf einer Trek­king­tour, das erste Mal in der Höhe. Schon der Aus­gangs­punkt unse­res Treks, Lukla, liegt mit 2860 m höher, als ich je gewe­sen bin. Etwas das erste Mal zu tun weckt einen ganz beson­de­ren Gefühls­cock­tail: Neu­gierde und Vor­freude, Angst und Unge­wiss­heit, die Hoff­nung auf ein ganz beson­de­res Erleb­nis. Die­ser Cock­tail hat´s in sich, vor Auf­re­gung konnte ich die ver­gan­ge­nen Nächte kaum schlafen.

IMG_7252Waren­an­lie­fe­rung in Lukla. Von hier wer­den die Waren zu Fuß in die höher gele­ge­nen Berg­dör­fer getragen.

In Lukla betre­ten wir das Sher­pa­land Nepals. Die Sher­pas, ein zähes Berg­volk, sind vor über 500 Jah­ren von Tibet nach Nepal als Yak­hir­ten ein­ge­wan­dert (Sher= Ost, Pa= Sied­ler). Sie beherr­schen den Tou­ris­mus in der welt­be­rühm­ten Hima­laya-Trek­king­re­gion, arbei­ten als Gui­des oder Por­ter (Trä­ger), betrei­ben Lodges und Restau­rants. Ohne sie wären all die spek­ta­ku­lä­ren Berg­be­stei­gun­gen schier unmög­lich. Vor weni­gen Tagen ereig­nete sich eine Tra­gö­die am Mt. Ever­est: eine Gruppe Sher­pas prä­pa­rierte den Weg zum Mt. Ever­est für die kom­mende Sai­son, als sich eine Lawine löste. 16 Sher­pas star­ben in den Eis­mas­sen. Eine hit­zige Dis­kus­sion um die Arbeits­be­din­gun­gen der Sher­pas ist seit­her im Gange. Die Einen wol­len die Expe­di­tio­nen fort­füh­ren, das große Geld lockt (ein Sherpa kann am Mt. Ever­est 5000 US Dol­lar in drei Mona­ten ver­die­nen, das Jah­res­durch­schnitts­ein­kom­men in Nepal beträgt 700 US Dol­lar). Die Ande­ren pro­tes­tie­ren für bes­sere Bedin­gun­gen und Ver­si­che­run­gen. Nun sind zwar alle Expe­di­tio­nen abge­sagt, ein mul­mi­ges Gefühl bleibt.

IMG_6117War­ten auf Arbeit: Por­ter am Flug­ha­fen Lukla.

Trotz des dra­ma­ti­schen Ereig­nis­ses: Ein Strom aus neon­far­be­nen Trek­kern, bepack­ten Last­tie­ren und noch schwe­rer bepack­ten Trä­gern fließt wei­ter zwi­schen Lukla und Nam­che Bazaar. In die­ser Region gibt es keine Stra­ßen, alles wird von Mensch und Tier in die hoch gele­ge­nen Berg­dör­fer getra­gen. In Lukla schul­tern Trä­ger Bier­pa­let­ten auf, damit kein Trek­ker am Abend auf dem Tro­cke­nen sitzt, es gibt eine Ger­man Bak­ery, Cafes mit Free Wifi und aller­lei Trek­king­kla­mot­ten. Dazwi­schen ein paar Esel und Dzop­kyos (eine Kreu­zung aus Yak und Kuh). Ich habe ein schlech­tes Gewis­sen, denn auch unse­ren 10 kg schwe­ren Ruck­sack trägt ein Por­ter. Man­che sind erst 15 Jahre alt, sie leis­ten unvor­stell­bare Arbeit. Ich wun­dere mich, zu was der mensch­li­che Kör­per über­haupt in der Lage ist.

Träger_Everest_Bier

Der Weg von Lukla nach Pha­k­ding, unse­rem ers­ten Nacht­la­ger, führt ent­lang klei­ner Dör­fer. Neben Lodges und Restau­rants fal­len mir vor allem die vie­len Gemü­se­fel­der und Blu­men auf. Leuch­ten­des Gelb und strah­len­des Blau wach­sen am Weges­rand. Es riecht nach Früh­ling, nach fri­schem Wald und, ähem, Kacke: denn die vie­len schwer bela­de­nen Pferde und Dzop­kyos müs­sen schließ­lich auch mal. Der Dudh Kosi, ein rei­ßen­der Berg­fluss wie aus dem Bil­der­buch, beglei­tet uns eben­falls. In die­ser Kulisse fällt es mir schwer, über­haupt voran zu kom­men, so über­wäl­tigt bin ich von der Schön­heit der Natur.

Apfelblüte

In Pha­k­ding keh­ren wir in der Sherpa Shan­gri-La Lodge ein. Als unser Guide erklärt, es gäbe auch eine Heiz­de­cke, muss ich schmun­zeln. Welch Deka­denz, die brau­che ich doch nicht! Als ich aller­dings ins Bett gehe und die krasse Kälte der Nacht her­ein­bricht, freue ich mich über die­ses Stück­chen Luxus.

Draht­seil­akt auf der Hil­lary Bridge und das erste Mal rich­tig schnaufen

Von Pha­k­ding lau­fen wir am frü­hen Mor­gen nach Nam­che Bazaar. Ich stehe mit einem mul­mi­gen Gefühl auf, denn jetzt geht es rich­tig hoch! Nam­che Bazaar liegt auf 3440 m Höhe, es ist viel­leicht für man­che Wan­de­rer ein Klacks, für mich Trek­king­neu­ling aller­dings eine rie­sige Her­aus­for­de­rung. Auf dem Weg kommt mir eine Wan­de­rin ent­ge­gen, die in Nam­che umdre­hen musste: ihr Freund hatte bereits dort mit der Höhe zu kämp­fen und musste wegen der Höhen­krank­heit wie­der hinab. Zum ers­ten Mal spüre ich, dass Trek­ken nicht nur kör­per­lich, son­dern auch men­tal eine Anstren­gung ist. Werde ich den Weg bewäl­ti­gen? Was pas­siert, wenn ich mit der Höhe nicht klar­komme?  Wäh­rend sich mein Kör­per lang­sam an das Lau­fen und Trep­pen stei­gen gewöhnt, hinkt mein Kopf noch etwas hin­ter­her: die Furcht vor der Höhe beglei­tet mich.

LastpferdeFar­ben­präch­tig geschmückte Last­pferde, sie tra­gen Zement­sä­cke nach Nam­che Bazaar.

Wir fol­gen dem Dudh Kosi Fluss, wer­den immer wie­der von Trä­gern und Tie­ren über­holt. Bei jedem zwei­ten Trä­ger denke ich nur „Das kann doch nicht sein! Das geht doch nicht!“ Aber es geht, die Men­schen voll­brin­gen eine der här­tes­ten kör­per­li­chen Anstren­gun­gen, die ich je erlebt habe. Viele hören Musik mit ihrem Handy, man­che sin­gen sogar.
DzopkyoVater: Yak, Mut­ter: Kuh. Raus kommt ein Dzopkyo.

Und dann sehe ich sie, die Hil­lary Bridge. Unser Tor zur Ever­est Region. Mit ihrer  schwin­del­erre­gen­den Höhe von 70m ver­ur­sacht allein der Anblick die­ser wip­pen­den Stahl­kon­struk­tion star­kes Herz­klop­fen. Viel­leicht muss ich dazu sagen, dass ich leichte Höhen­angst habe! Aber es gibt keine Alter­na­tive, geduckt laufe ich über die wan­kende Brü­cke. Der Wind bläst eisig, unter mir rauscht der Dudh Kosi kraftvoll.

Blick_Hillary_BridgeDie 70m-hohe Hil­lary Brü­cke, danach geht es steil bergauf!

Auf der ande­ren Seite der Brü­cke geht der harte Teil des Tages los: 600 Höhen­me­ter hin­auf nach Nam­che Bazaar. Mein Herz pocht wie ver­rückt, vor Auf­re­gung und Anstren­gung gleichermaßen.
Als ich Nam­che Bazaar erbli­cke, bleibe ich vor Rüh­rung ste­hen. Geschafft! häm­mert es in mei­nem Kopf. Ein rie­si­ges Glücks­ge­fühl macht sich in mir breit. Pure Freude. Am Orts­ein­gang dre­hen Ste­fan und ich alle Gebets­müh­len und ich wün­sche mir, dass wir wei­ter­hin gesund und mun­ter auf die­sem Trek bleiben.

Namche_BazaarBunte Dächer vor schnee­be­deck­ten Berg­kup­pen, Nam­che Bazaar (3440m).

Die Erha­ben­heit der Natur spüren

In aller Frühe stei­gen wir zum Ever­est View Point hin­auf. Es ist ein per­fek­ter Mor­gen: fri­sche Berg­luft, strah­len­der Son­nen­schein, und den ers­ten Kaf­fee hatte ich auch schon. Bei­nahe ver­schlägt es mir die Spra­che, als ich das 360° Pan­orama auf mich wir­ken lasse: da ist er, der Mt. Ever­est, die Ama Dablam, der Lothse und Nuptse! Dane­ben der Tams­erku und hin­ter uns der Konge Ri. Ich kann hier nur in Super­la­ti­ven spre­chen, denn alles andere wäre eine Unter­trei­bung für diese spek­ta­ku­läre Aus­sicht. Der Tag wird dem Pro­gramm­ti­tel „Pan­ora­ma­bli­cke am Anna­purna & Mt. Ever­est“ mehr als gerecht.
Everest_Range.1Top of the World: der Mt. Ever­est (8848m). Rechts die Ama Dablam (6814m), von vie­len als der schönste Berg der Welt bezeichnet.

Die Erha­ben­heit der Natur kann man an sol­chen Schau­plät­zen spü­ren, ihre Über­le­gen­heit, ihre Dimen­sion, ihre Gewalt. Ich fühle mich klein und groß zugleich. Klein, denn inmit­ten die­ser Natur­rie­sen spüre ich, was für ein win­zi­ger Bestand­teil unse­res Kos­mos ich bin. Groß, weil es eine Rie­sen­ehre ist, die­ses Fleck­chen Erde erle­ben zu dür­fen. Ich fühle eine große Dankbarkeit.

Stefan_Kongde
Freu­den­sprünge vor dem Kongde Ri (6187m).Aylin_TamserkuNoch­mal WOW- Blick auf den Tams­erku (6623m).

Am kom­men­den Mor­gen ist Markt­tag in Nam­che Bazaar. Mit fri­scher Mor­gen­luft und Taten­drang schlen­dern wir über den Markt, des­sen Waren alle­samt hin­auf getra­gen wurden.

Markt_Namche
Fleischer_NamcheDer Händ­ler hat seine Waren aus Lukla hoch­ge­schleppt. Fleisch wird aus tie­fe­ren Regio­nen nach Nam­che getra­gen, denn das Schlach­ten ist den Bud­dhis­ten verboten.
Und nun geht es wei­ter, wie soll es auch anders sein, berg­auf! In Nam­che Bazaar ver­las­sen wir den Hima­la­yan High­way, wir gehen auf weni­ger bewan­der­ten Wegen nach Thame (3900 m). Rasch ver­än­dert die Natur ihr Ant­litz, statt sat­tem Grün domi­nie­ren Steine, Fel­sen und tro­ckene Sträu­cher die Land­schaft. Wir pas­sie­ren ein Dorf, in dem Fah­nen ein Haus schmü­cken: „der Mann des Hau­ses ist bei der Lawine am Ever­est gestor­ben“, erklärt uns unser Sherpa-Guide, Passang. Die Hin­ter­blie­be­nen erhal­ten zwar eine Summe aus der Lebens­ver­si­che­rung, aller­dings liegt diese der­zeit bei 10.000 US Dol­lar. Für viele Fami­lien reicht das nicht lange. Durch Kor­rup­tion erhal­ten sie meist nicht ein­mal die volle Ver­si­che­rungs­summe. Welch Kon­trast hin­ter den Kulis­sen, da wol­len leis­tungs­ori­en­tierte Berg­stei­ger den höchs­ten Berg der Welt erklim­men, es geht um Ruhm, Erfolg, Sta­tus. Für die Sher­pas ist es ein risi­ko­rei­cher Job, sie berei­ten die gefähr­li­chen Wege vor, sie schlep­pen Aus­rüs­tun­gen und Lebens­mit­tel hin­auf, sie hel­fen jenen, die ihre Kräfte über- und die Natur­rie­sen unter­schätzt haben. Eine Ever­est Bestei­gung kos­tet aktu­ell ca. 50.000 Euro, dage­gen wirkt die Lebens­ver­si­che­rungs­summe der Sher­pas lächerlich.

Die ers­ten Yaks und ein Dorf, das nicht von die­ser Welt ist 

Uns kom­men nun die ers­ten ech­ten Yaks ent­ge­gen. In tie­fe­ren Lagen ver­wech­seln viele die Dzop­kyos mit dem zot­te­li­gen Tier, diese sind aller­dings eine Kreu­zung aus Yak und Kuh. Mit ihrem lan­gem Haar und den mäch­ti­gen Hör­nern erin­nern mich die Yaks an Steinzeitwesen.

YaksYaks im Dorf Thamo

Wie­der ist eine Brü­cke das räum­li­che und sym­bo­li­sche Tor in eine andere Welt. Vor uns liegt Thame, in der Suns­hine Lodge war­tet bereits ein hei­ßer Tee. Ich kämpfe mich die letz­ten Höhen­me­ter hin­auf, immer wie­der rau­ben mir die dünne Luft und die Wahn­sinns­aus­sicht den Atem. Thame besteht aus 42 Stein­häu­sern, es leben 120 Men­schen in die­sem klei­nen Sher­pa­dorf. In der Lodge ist am Abend wort­wört­lich „die Kacke am Damp­fen“, denn geheizt wird mit getrock­ne­tem Yakdung.

Thame42 Häu­ser, 120 Ein­woh­ner: Thame (3900m) ist ein fried­li­ches Bergdorf.

Wie­der in aller Herr­gotts­früh geht es zur Akkli­ma­tis­a­tion hin­auf. Wir erklim­men einen Berg­kamm, der auf 4200 m Höhe eine herr­li­che Aus­sicht für uns bereit hält. Ich schnaufe, kon­zen­triere mich auf den Weg, ver­su­che alle Ener­gie in die Beine zu len­ken. Und dann haben wir es geschafft! Zur Beloh­nung legen Ste­fan und ich uns in die Sonne, fut­tern einen unse­rer Müs­li­rie­gel und genie­ßen. Schließ­lich steht für den kom­men­den Tag die größte phy­si­sche und men­tale Her­aus­for­de­rung für mich an: der Auf­stieg nach Kongde wird mich an meine Gren­zen brin­gen. Doch das weiß ich zum Glück zu die­sem Zeit­punkt noch nicht… (Fort­set­zung folgt).

Bergkamm_Thame
Thame.View
Vie­len Dank an Wikin­ger­rei­sen für die Ein­la­dung auf ihre Trek­king­tour „Pan­ora­ma­bli­cke am Anna­purna und Ever­est“. Es war ein Erlebnis! 

Cate­go­riesNepal
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

  1. Mustafa Berktas via Facebook says:

    Hi liebe toch­ter wie geht es Euch ? İch bin mitt­ler­weile nach Ber­lin umge­zo­gen bin noch dabei mich ein­zu­rich­ten ab juni fange ich hier bei der post an sonst ist alles wie gehabt Lg Euch und vıel spass

  2. Pingback:Der wöchentliche Blick in die Reise-Bloglandschaft | Luxushotel Tester Magazin

  3. Daniel says:

    Da bekomm ich schon beim Lesen feuchte Hände und Herz­ra­sen. Klasse Arti­kel! Wir haben mit dem Jeep die 5000er Marke über­quert und das war schon „anstren­gend“.

    1. Aylin says:

      Danke Daniel! Diese Höhen sind schon krass, man glaubt vor­her kaum, was für einen Effekt das auf den Kör­per hat. Mit nem Jeep über 5000m fah­ren muss aber auch aben­teu­er­lich sein, da sind die Stra­ßen bestimmt astrein ;)

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