Sechs Regeln für Business Class-Newbies

Fast jeder träumt davon, nicht bloß auf dem Weg in die Holz­klas­se durchs Busi­ness-Abteil gescho­ben zu wer­den, son­dern die Per­spek­ti­ve ein­mal zu wech­seln und statt­des­sen Emp­fän­ger der nei­di­schen Bli­cke zu sein. Dann wird der Traum plötz­lich wahr und du hältst ein Ticket mit dem Let­ter J oder C in der Hand, bes­ten­falls natür­lich auf einem Lang­stre­cken­flug, im Gegen­satz zu Y oder M für die Loser-Klas­se. Doch bevor du dich all­zu schnell in Vor­freu­de hin­ein­stei­gerst lohnt es, ein paar grund­le­gen­de, unge­schrie­be­ne Regeln für die Rei­se als bes­se­rer Mensch zu beach­ten:

  1. Check-in: Juch­hu, du darfst der lan­gen Schlan­ge vor den Eco­no­my-Schal­tern ein Schnäpp­chen schla­gen und stellst dich direkt auf dem roten Tep­pich hin­term leuch­ten­den ‚Busi­ness und First Class‘ Schild an. Sekun­den spä­ter bist du auch schon dran, und die Pro­ble­me gehen los: Dein Kof­fer oder Ruck­sack ist der Lieb­lings­kratz- und schlaf­platz dei­ner Fell­na­se und das Geld für Fus­sel­rol­len inves­tierst du lie­ber in die Rei­se­kas­se? No-go, wenn du Busi­ness flie­gen möch­test! Aus dem Blick der Dame am Schal­ter spricht Ekel, wäh­rend sie so laut, dass es bis in die Rei­hen der Bil­lig­platz­in­ha­ber schallt, fragt: „Was haben SIE denn für ein Tier“? Und nun wird auch die Schlan­ge an der Busi­ness Class lang und län­ger, wäh­rend sich die Dame beru­fen fühlt, mit dem Kleb­strei­fen der Kof­fer-Desti­na­ti­ons­auf­kle­ber die unap­pe­tit­li­chen Haa­re zu ent­fer­nen.

Regel: Nicht nur du, son­dern auch dein Gepäck muss der Busi­ness Class wür­dig daher­kom­men.

  1. Busi­ness Lounge: Statt wie sonst die lee­re Was­ser­pul­le unter den Was­ser­hahn im Klo zu quet­schen, dich in der Schlan­ge fürs Gra­tis-Trink­was­ser – falls exis­tent – anzu­stel­len oder schlimms­ten­falls Unsum­men für einen Kaf­fee, Tee, Soft Drink oder Snack im Ter­mi­nal aus­zu­ge­ben, schlen­derst du ent­spannt zum Schla­raf­fen­land, bes­ser bekannt als ‚Busi­ness Lounge‘. Der magi­sche J- oder C‑Pass dient als Schlüs­sel, um den Sesam zu öff­nen, und schon brei­tet sich vor dir ein reich­hal­ti­ges Buf­fet aus mit allem, was du dir an Sal­zi­gem oder Süßem, an Gesun­dem oder Unge­sun­dem, wün­schen könn­test, inklu­si­ve Bier, Wein und Hoch­pro­zen­ti­gem. „All you can eat & drink” lau­tet das Prin­zip, aber Ach­tung – wenn du ihm nach­gibst, wirst du es bald bereu­en.

Regel: Genieß das Buf­fet in der Busi­ness Class mit sol­cher Vor­sicht, als wärst du nach dem Weih­nachts­schlacht­fest auf Diät.

  1. Die ers­ten Minu­ten im Flie­ger: End­lich! Du hast dei­nen Sitz in den vor­de­ren Rei­hen ein­ge­nom­men und stellst gleich fest, dass er so breit ist wie dein Fern­seh­ses­sel daheim, aber mit viel mehr Knöp­fen. Nun ist die Ver­su­chung groß, sie alle aus­zu­pro­bie­ren, um zu begrei­fen, wie weit genau der Sitz unter den Vor­der­sitz aus­fährt, wie sich nur die Bein­ab­la­ge aus­klap­pen lässt und wel­che Posi­ti­on die rücken- und po-freund­lichs­te ist. Tipp: Lass es sein! Denn gera­de, wenn du ganz unten bist, kommt die Flug­be­glei­tung mit Spei­se- und Wein­kar­te sowie mit dem ers­ten Drink von der rol­len­den Bar, die mehr im Ange­bot hat als dei­ne Lieb­lings­knei­pe: Cham­pa­gner, Bier, ver­schie­de­ne Weiß- und Rot­wei­ne, Wod­ka, Whis­key, Rum – alles gra­tis!

Regel: Lass den Sitz in Ruhe, denn du möch­test auf dei­nen ers­ten Busi­ness-Flug nicht in der Hori­zon­ta­len ansto­ßen!

  1. Goo­die-Bag: Mit einem Glas in der Hand, aus dem es kräf­tig pri­ckelt, bist du sicher bereits wunsch­los glück­lich, doch es kommt noch bes­ser – sogleich folgt ein Prä­sent in Form eines Kos­me­tik­täsch­chens. Als ech­ter Neu­ling outest du dich, wenn du das edel aus­se­hen­de Teil sofort auf­machst und den Inhalt über dei­ne Bei­ne ver­teilst, begeis­tert über eine Gra­tis-Zahn­bürs­te, Zahn­pas­ta, Mund­was­ser, sogar eine klei­ne Haar­bürs­te und Cremes für Gesicht, Lip­pen und Hän­de, Feucht­tü­cher und samt­wei­che Haus­schu­he in ele­gan­tem Schwarz.

Regel: Tu ganz cool, leg das Täsch­chen erst mal in die Tasche im Vor­der­sitz einen Meter vor dir und schau frü­hes­tens fünf Minu­ten spä­ter gelang­weilt hin­ein, um dir die Haus­schu­he über­zu­strei­fen.

  1. First Class Essen: Spä­tes­tens, wenn du die Spei­se­lis­te des 5‑Gän­ge-Menüs mit jeweils 3 mög­li­chen Optio­nen pro Gang stu­dierst, wird dir klar, war­um sich Zurück­hal­tung in der Busi­ness-Lounge bewährt. Sei ent­schluss­freu­dig und bestell­be­reit, wenn dei­ne Wün­sche mit Block und Stift ent­ge­gen­ge­nom­men wer­den. Und sei gefasst auf eine Ess-Orgie wie im Miche­lin-Stern-Restau­rant, die dir den Schlaf rau­ben wird: Amu­se-bou­che, dazu zum Run­ter­spü­len das nächs­te Glas Cham­pa­gner oder Wein, Sup­pe, ers­ter und zwei­ter Gang, Des­sert. Ange­rich­tet auf einem hel­len Baum­woll­tisch­tuch auf dem Klapp­tisch und ver­speist mit rich­ti­gem Besteck aus Edel­stahl, inklu­si­ve Edel­stahl-Mes­ser!

Regel: Steig mit lee­rem Magen in den Flie­ger.

P.S.: Wenn du einen Mord durch Erste­chen im Flie­ger planst, flieg in der Busi­ness Class.

  1. Das Ende: Soll­test du dei­nen Holz­kläss­ler-Gelüs­ten nach­ge­ben und ein paar Busi­ness Class-Sou­ve­nirs mit­ge­hen las­sen wol­len, sei­en es die lärm­iso­lie­ren­den Kopf­hö­rer, die hübsch karier­te Decke oder das dicke Kopf­kis­sen, errät das Per­so­nal bereits eine Stun­de vor Lan­dung dei­ne nie­de­ren Gedan­ken und sam­melt alles, was nicht niet- und nagel­fest ist, wie­der ein. Dafür bekommst du immer­hin dei­ne Jacke zurück, die dir beim Ein­stieg abge­nom­men und in einen Schrank gehängt wur­de, denn platt- oder kraus­ge­ses­se­ne Jacken sind auf Holz­kläss­ler-Niveau. Auch der Aus­stieg geht gesit­tet vor sich, kein Auf-den-Füßen-her­um­tram­peln und sich den Weg nach vor­ne mit den Ellen­bo­gen erar­bei­ten. Die Busi­ness Class steigt zuerst ein und zuerst wie­der aus. Und dann? Aus­ge­träumt, du bist wie­der jeder Hinz und Kunz, der durchs Ter­mi­nal irrt. Mit einem Pro­blem mehr: Dei­nen wie neu aus­se­hen­den, tier­haar­frei­en Kof­fer kannst du auf dem Band nicht mehr von den ande­ren unter­schei­den.

Regel: Kenn­zeich­ne dei­nen Kof­fer früh­zei­tig mit etwas ande­rem als mit dem Fell dei­ner Lieb­lin­ge und bewah­re dir um jeden Preis dei­nen Humor, egal, wie oft du noch in einen VIP ver­wan­delt wirst!

Der ers­te Busi­ness Class-Flug mei­nes Lebens fand auf Ein­la­dung von Air Ast­a­na statt mit Ziel Nur-Sul­tan, der Haupt­stadt Kasach­stans.

 

Erschienen am



Antworten

  1. […] es Dich bei die­sem Wet­ter in die Fer­ne? Über die­se Regeln für Busi­ness Class New­bies bei Rei­se­de­pe­schen muss­te ich schmun­zeln und die­ser Bericht über Ruan­da von Phil­ipp Laa­ge war eben­falls sehr […]

  2. Avatar von Sylvia

    Herr­lich… Jetzt ist das Geheim­nis also gelüf­tet. Vie­len Dank für den Lese­spaß. Und ich glau­be, für den Dif­fe­renz­be­trag zwi­schen den mög­li­chen Ticket­klas­sen kann man ganz wun­der­bar edle Haus­schu­he kau­fen und ein fünf-Gang-Menü essen gehen 😉

    1. Avatar von Bernadette Olderdissen

      Dan­ke, Syl­via, freut mich, dass der Arti­kel dir gefal­len hat 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert