Osmanische Städte

Die Fahrt von Shko­dra nach Berat führt mich vor­bei an Tira­na, durch die Vor­or­te von Dür­res und dann lang­sam immer wei­ter in das Lan­des­in­ne­re. Die Stra­ßen sind gut, aber die vie­len Geschwin­dig­keits­be­gren­zun­gen machen eine flot­te Fahrt unmög­lich. Als ich dann in einer 40er Zone ein Auto über­ho­le und erst zu spät sehe, dass am Stra­ßen­rand zwei Poli­zis­ten ste­hen, ist es fast um mich gesche­hen. Eigent­lich woll­te ich ohne Poli­zei­kon­trol­le durch mei­ne Feri­en kom­men. Im Rück­spie­gel sehe ich die Poli­zis­ten auf­sprin­gen und fuch­teln. Ich bin vor­bei. Ob sie mich jetzt mein­ten oder den hin­ter mir? Ist mir auch egal. In Berat ange­kom­men par­ke ich mein Gefährt unter­halb der Fes­tung in der Nähe der Pro­me­na­de. Jetzt gegen 13 Uhr ist nichts los. Die Son­ne brennt vom Him­mel und der Hote­lier träumt auch vor sich hin.

Berat – Stadt der tausend Fenster

Ich mache mich den­noch auf den Weg, Berat zu erkun­den. Zuerst que­re ich die Fuß­gän­ger­brü­cke und lau­fe durch die Gas­sen von Gori­ca, ich habe es mir ein­drucks­vol­ler vor­ge­stellt. Aber direkt vor den Häu­sern zu ste­hen, die alle mit hohen Mau­ern umge­ben sind, ist dann doch nicht so der Ham­mer. Dafür ist der Blick auf Manga­lem, die Alt­stadt unter­halb der Fes­tung hin­rei­send. Die »Stadt der tau­send Fens­ter« lässt die Augen nicht mehr los. Bei Nacht erleuch­ten die Fens­ter der Wohn- und Gäs­te­häu­ser und bil­den ein male­ri­sches Ensem­ble.

Die alte Stein­brü­cke von Gori­ca »Ura e Goricës« war ursprüng­lich der ein­zi­ge Weg über den Osum-Fluss, jetzt gehört die Brü­cke zum Welt­kul­tur­er­be der UNESCO, genau­so wie der Rest der Alt­stadt von Berat. Die osma­ni­sche Archi­tek­tur herrscht hier vor und wird zumin­dest in den alten Stadt­vier­teln nicht durch Neu­bau­ten zer­stü­ckelt. Dafür glän­zen die Fas­sa­den frisch reno­viert und mit his­to­ri­schem Charme. Zu weit rei­chen die meis­ten Gebäu­de aber nicht zurück, denn 1851 zer­stör­te ein schwe­res Erd­be­ben viel his­to­ri­sche Bau­sub­stanz. Manga­lem zieht sich fast über den gesam­ten Hang unter­halb der Burg und war ursprüng­lich ein rein mus­li­mi­sches Wohn­vier­tel. Die vie­len Moscheen zeu­gen auch heu­te noch davon.

Gorica in Berat

Erst kurz vor Son­nen­un­ter­gang erklim­me ich den stei­len Berg zur Burg von Berat. Nach 18 Uhr ist der Ein­tritt frei und der Auf­stieg um Wel­ten ange­neh­mer, als in der Hit­ze des Nach­mit­tags. Das Vier­tel inner­halb der Burg wird Kala­ja genannt und beher­bergt auch heu­te noch vie­le Wohn­häu­ser und auch Gäs­te­häu­ser mit schö­nen Rund­um­blick. Ich erkun­de die Fes­tung, erklim­me die Mau­ern und schaue hin­ab auf Berat und den Ein­schnitt in den Fel­sen, den der Fluss Osum hin­ter­las­sen hat.

Kisha Shën Triadha

Der Blick schweift weit über die Regi­on. Ich über­le­ge, ob ich dem Osum-Fluss am nächs­ten Tag etwas fol­gen soll. Fluss­auf­wärts schnei­det sich der Fluss tief in den Fel­sen und bil­det den Osumi-Can­yon. Zu Guns­ten eines Aus­flugs nach Byl­lis ver­wer­fe ich die Idee. Die­se Ent­schei­dung wer­de ich spä­ter bereu­en.

Übersicht zur Rundreise mit dem Mietwagen

Karte der Rundreise durch Albanien
Eine Kar­te mit der Rei­se­rou­te zum Zoo­men, Kli­cken und Anschau­en und auch zum Down­load fin­det ihr unter dem Ori­gi­nal­l­ink.

Byllis – Antike Ruinen mit Karakter

Beim Abend­essen in der nun bei Nacht quir­li­gen, auf­ge­weck­ten Stadt tref­fe ich zwei Nie­der­län­de­rin­nen, die ich schon aus Theth kann­te. Wie sie spä­ter berich­ten wer­den, ist die Stra­ße in Rich­tung Osumi-Can­yon, also Bogo­ve, bzw. dann die SH74 nach Për­met in einen guten Zustand. Die Fahr­zei­ten von Goog­le Maps sind auch hier wie­der ver­läss­lich und ich hät­te wahr­schein­lich Byl­lis für etwas mehr Natur ein­ge­tauscht. So fah­re ich aber am nächs­ten Tag in Rich­tung Gji­ro­kas­tra erst­mal zurück aus dem Osum-Tal und kreu­ze in das Vjo­sa-Tal. Knapp 37 Kilo­me­ter hin­ter Levan auf der SH4 biegt die Stra­ße nach Byl­lis ab. Mit eini­gem Fein­ge­fühl und Mut ist die Stra­ße mit einem nor­ma­len Auto mach­bar. Aber die Kilo­me­ter hin­auf zur Aus­gra­bungs­stät­te von Byl­lis zie­hen sich. Byl­lis liegt nur 30 Kilo­me­ter ent­fernt von der anti­ken Stadt Apol­lo­nia und wur­de Mit­te des 4. Jahr­hun­derts vor Chris­tus von den Illy­rern gegrün­det. Die neue Haupt­stadt über­blick­te das Vjo­sa-Tal und somit auch die Han­dels­rou­te in Rich­tung Epi­rus nach Süden und Apol­lo­nia nach Nord-Wes­ten.

Theater von Byllis

Die Stadt blüh­te auf, hat­te eine eige­ne Münz­prä­gung und wur­de spä­ter eine eigen­stän­di­ge Pro­vinz unter den Römern. 586 dran­gen die Sla­wen in das Gebiet ein und zer­stör­ten die Stadt. Damit war der Unter­gang besie­gelt und die Bewoh­ner zogen aus. Heu­te kann man immer noch die Rui­nen der über zwei Kilo­me­ter lan­gen Stadt­mau­er betrach­ten, das am Hang gele­ge­ne Thea­ter und die ver­schie­de­nen Basi­li­ken und Markt­plät­ze. Der Wäch­ter führt mich auf den letz­ten Metern über das Gelän­de. Lei­der spricht er nur Alba­nisch, aber ich ver­ste­he ihn trotz­dem. Die schö­nen Mosai­ke lie­gen aber geschützt vor Bli­cken und dem Wet­ter unter Sand ver­bor­gen. Die schö­nen Bil­der, wie im Rei­se­füh­rer blei­ben mir trau­ri­ger Wei­se ver­wehrt.

Gjirokastra – Stadt der Steine

Ich mühe mich wie­der die holp­ri­ge Stra­ße den Berg hin­un­ter und bie­ge in Rich­tung Gji­ro­kas­tra ab. Die letz­te osma­ni­sche Stadt auf mei­nem Plan. Am spä­ten Nach­mit­tag errei­che ich die Stadt und bie­ge in eine der engen Gas­se in Rich­tung Alt­stadt ab. Ich habe es mir schlim­mer vor­ge­stellt, aber es ist wirk­lich steil. Die Stadt zieht sich von 190 Metern über den Mee­res­spie­gel bis auf 480 Meter. So hoch muss ich zum Glück nicht und mein Gäs­te­haus und einen Park­platz fin­de ich auch sofort. Ich par­ke und gehe die Stadt erkun­den. Mein ers­ter Stopp ist das Zeka­te-Haus.

Zekate-Haus

Der freund­li­che Besit­zer lässt mich in das 1811/​12 erbau­te Haus. Es thront über der Stadt und ist eine Mischung aus osma­ni­schem Bau­stil und einem Kul­la, einem Wohn- und Wehr­turm. Mei­ne ers­te Begeg­nung mit einem sol­chen hier in Alba­ni­en und wie ich schnell mer­ke ist Gji­ro­kas­tra gespickt mit sol­chen Häu­sern. Das Zeka­te-Haus hat vier Stock­wer­ke und wird nach oben hin immer reich­li­cher geschmückt.

Im Inneren des Zekate-Haus

Die vie­len Kul­la und die mit Stein­plat­ten gedeck­ten Häu­ser der Alt­stadt unter der Burg gaben der Stadt den Namen »Stadt der Stei­ne«. Im Bazar-Vier­tel kann man noch­mal rich­tig Sou­ve­nirs ein­kau­fen gehen und sich dann auf der Ter­ras­se und Aus­sichts­platt­form der Bar Kodra nie­der­las­sen und über die Stadt und die Burg schau­en. Abend erleuch­tet die Burg und der mar­kan­te Uhr­turm. Da es lang­sam kühl wird, zie­he ich es vor die Burg am nächs­ten Mor­gen zu erkun­den.

Burg von Gjirokastra bei Nacht
Albanischer Humor

Blaues Auge »Syri i Kaltër«

Gji­ro­kas­tra gefällt mir um eini­ges bes­ser als Berat, das Flair der Stadt und auch die Burg haben etwas von Erkun­dungs­drang in mir aus­ge­löst. Jede Gas­se birgt eine neue klei­ne Geschich­te und ein, zwei oder drei Spa­zier­gän­ge durch die Stadt sät­ti­gen sicher­lich die Neu­gier.

Burg von Gjirokastra

Bevor ich aber end­lich die Adria auf mei­ner Rund­rei­se mit dem Miet­wa­gen errei­che, liegt noch ein klei­nes und fei­nes tou­ris­ti­sches Juwel auf der Rou­te. Das blaue Auge »Syri i Kal­tër« ist eine Karst­quel­le, wie ich sie nie zuvor gese­hen habe. Nur die Sava Quel­le bei Kran­js­ka Gora in Slo­we­ni­en kann hier mit­hal­ten, auch wenn sie kei­ne Karst­quel­le ist. Das glas­kla­re Was­ser des Syri i Kal­tër erscheint durch den hel­len Kalk­stein und das Son­nen­licht tief­blau und ist ein belieb­tes Ziel für Tou­ris­ten.

Syri i Kaltër - Das blaue Auge
See vom Syri i Kaltër

Lei­der wur­den hier eini­ge Restau­rants und Sou­ve­nir­lä­den in unmit­tel­ba­rer Umge­bung gebaut, die zwar super für den Tou­ris­mus sind, aber irgend­wie das Bild der Quel­le und der Natur trü­ben. Ich bin den­noch begeis­tert von der Quel­le und somit mei­nem letz­ten Stopp im Lan­des­in­ne­ren von Alba­ni­en. In der nächs­ten und letz­ten Etap­pe erkun­de ich die alba­ni­sche Küs­te von But­rint bis Vlo­ra.

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