V

Von Wind­hoek ins Sossusvlei

Sossusvlei

Lily soll mich und den Rest der Rei­se­gruppe emp­fan­gen. Ich bin etwas ver­dutzt, als ich das Schild für die Rei­se­gruppe in ande­ren Hän­den wie­der­finde. Thimo sam­melt uns alle ein und bringt uns zum war­ten­den Bus. Es knackt im Laut­spre­cher, dann mel­det sich Thimo zu Wort: „Einen lie­ben Guten Mor­gen. Nach euren Infor­ma­tio­nen sollte euch Lily auf die­ser Rund­reise durch Nami­bia füh­ren, aber ich heiße nicht Lily. Ich bin Thimo. Aber keine Sorge, nur die Farbe ist unter­schied­lich, ansons­ten sind wir gute Cou­sins und Cou­si­nen. Hier in Nami­bia sind wir alle Namibier!“

Thimo macht eine Ansage

Wind­hoek im Spiegel

Der Bus ver­lässt den inter­na­tio­na­len Flug­ha­fen Hosea Kutako, benannt nach dem gro­ßen Unab­hän­gig­keits­ver­fech­ter, und fährt uns durch weite, leicht hüge­lige Land­schaf­ten in die Haupt­stadt Wind­hoek. Nach etwas Pause nach dem lan­gen Nacht­flug ent­führt uns Thimo in die ver­schie­de­nen Vier­tel Wind­hoeks. Uns kommt der Herbst gut gele­gen. Es ist nicht zu heiß und abends wird es ange­nehm kühl. Durch Klein-Wind­hoek kamen wir schon auf der Fahrt in die Stadt; jetzt führt uns Thimo zur Gedenk­stätte und Fried­hof „Old Loca­tion“, der „Alten Werft“. Hier wird an die ers­ten töd­li­chen Zusam­men­stöße im Zusam­men­hang mit Zwangs­um­sied­lun­gen der Schwar­zen nach Katu­tura erin­nert. Diese ers­ten Bestre­bun­gen, auch in Rich­tung Unab­hän­gig­keit am 10. Dezem­ber 1959 wer­den heute nicht nur durch den zeit­gleich statt­fin­den­den Tag der Men­schen­rechte gewür­digt, son­dern auch als nami­bi­scher Natio­nal­fei­er­tag. Es ist ein denk­wür­di­ger Moment und als ers­ter Pro­gramm­punkt sind wir noch gar nicht für die Geschichte vor­be­rei­tet. Zumin­dest mir fehlt ein­fach der gesamte Zusam­men­hang. Erst die nächs­ten Tage bringt Thimo lang­sam aber ste­tig das Geschichts­chaos in mei­nem Kopf in die rich­tige Ord­nung. Viel­leicht liegt es auch ein­fach nur an dem Nacht­flug, dass ich noch etwas lang­sam bin.

Katutura

Unser Bus fährt wei­ter in das Stadt­vier­tel Katu­tura. Das Vier­tel im Nor­den der Stadt ent­stand in den 1950er und der Name bedeu­tet soviel wie „der Ort, an dem wir nicht leben möch­ten“. In die­sem Vier­tel muss­ten nach süd­afri­ka­ni­schem Vor­bild der Ras­sen­tren­nung unter süd­afri­ka­ni­scher Herr­schaft alle Schwar­zen und „Far­bi­gen“ woh­nen. Sie durf­ten zwar tags­über in die Stadt und dort arbei­ten, muss­ten aber abends wie­der in ihr Vier­tel. Heute wird das Vier­tel auch Matu­tura, das in der Spra­che der Herero soviel heißt wie „Ort an dem wir leben wol­len“, genannt. Und hier ist es auch, wo uns Thimo aus dem Bus ent­lässt und auf den Markt im Zen­trum mit­nimmt. Hier erhal­ten wir haut­nahe Ein­bli­cke in die Lebens­si­tua­tion der Men­schen in Katu­tura. Und hier ler­nen wir zum ers­ten Mal die Vor­liebe Thi­mos zu Fleisch ken­nen. Er führt uns direkt zu einem der klei­nen Stände in direk­tem Anschluss an die Fleisch­theke. Hier liegt das Fleisch schon auf dem Grill. Wir pro­bie­ren uns durch und Thimo lässt es sich nicht neh­men, Fleisch­strei­fen ein­ge­wi­ckelt in Zei­tungs­pa­pier als Weg­zeh­rung mit­zu­neh­men. Ein komi­sches Gefühl beschleicht mich schon, als Tou­rist hier her zu kom­men und das Leben der Men­schen als Pro­gramm­punkt zu betrach­ten. Im Gegen­zug freut es mich umso mehr, von der Freund­lich­keit der Men­schen emp­fan­gen zu wer­den. Sie grü­ßen uns herz­lich und zei­gen sich zurück­hal­tend, aber offen für unse­ren Besuch.

Markt in Katutura

Im Gegen­satz zur Katu­tura zeigt sich die Innen­stadt eher ruhig und geord­net. Etwas zu ruhig für mei­nen Geschmack. Die Sehens­wür­dig­kei­ten sind schnell abge­hakt. Mehr Zeit für eine Stadt­er­kun­dung wer­den wir am Ende der Tour haben.

Dafür finde ich abends den Old Whee­lers Club im Süden der Stadt. Ein küh­les Bier am Abend und gutes Essen tun nach einem so lan­gen Tag wirk­lich gut. Ich komme mit deutsch­spra­chi­gen Nami­bier in Kon­takt. Es wird ein lus­ti­ger Abend mit Spä­ßen, Necke­reien und einer amü­san­ten Atmo­sphäre. Es tut mir schon fast weh, den erle­se­nen Kreis zu ver­las­sen. Sie geben mir noch eine Packung Bil­tong, ein Tro­cken­fleisch-Snack, mit auf dem Weg und Emp­feh­lun­gen für den bes­ten Apfel­ku­chen und lus­tige Fak­ten zu Namibia.
Etwas schade finde ich auch, dass ich zu früh in Wind­hoek war. Die neue Halle des Old Whee­lers Club ist noch nicht fer­tig und so kann ich nur eine kleine Selek­tion der Old­ti­mer bestau­nen. Zu gerne würde ich noch Monate blei­ben, um die Schätze des 1986 von 26 Old­ti­mer-Fans gegrün­de­ten Clubs zu bestau­nen. Aber es war­ten auch noch andere High­lights aus Nami­bia auf mich.

Christuskirche in Windhoek

Von Wind­hoek ins Sossusvlei

In Deutsch­land fast unge­se­hen, sind die Stra­ßen hier dut­zende Kilo­me­ter gerade. Links und rechts wer­den die Stra­ßen fast durch­ge­hend von Farm­land begrenzt. Zäune um Zäune und Gera­den erin­nern ein wenig an den Tun­nel­blick beim Fah­ren. Die Land­schaft ändert sich lang­sam. Anfangs ist es hüge­lig und grün, spä­ter wird es fla­cher und rot­braun. Unser Weg führt uns durch die kleine Stadt Mal­ta­höhe in Rich­tung Hammerstein.

Gerade Straße in Namibia

Aus geteer­ten Stra­ßen wer­den bald Schot­ter­pis­ten in erstaun­lich gutem Zustand. Doch bevor wir auf die Schot­ter­piste abbie­gen, hal­ten wir kurz am Wen­de­kreis des Stein­bocks. Wir sind 23,5° süd­li­cher Breite ange­kom­men und ver­las­sen nun die „Tro­pen“. Ein kur­zes Bild mit dem Schild und schon geht es wei­ter. In der klei­nen Stadt Mal­ta­höhe hal­ten wir an einer klei­nen Tank­stelle und einem Tante Emma Laden. Es ist eher eine Anti­qui­tä­ten­samm­lung. Der Besit­zer ist seit 9 Jah­ren hier und seine Frau hatte die Idee für den Laden. Alte Schreib­ma­schi­nen, Bügel­eisen, Näh­ma­schi­nen, Tro­pen­helme und unzäh­lige Auf­kle­ber von Rei­sen­den zie­ren das Innere. An der Außen­wand hän­gen Num­mern­schil­der aus allen Epo­chen von Nami­bia. Es wird ver­voll­stän­digt durch ein bun­tes Sam­mel­su­rium mit alten Herd­plat­ten, Öllam­pen und alten Schall­plat­ten. Zwi­schen­drin steht der Besit­zer des „Woes­tyn­kom­buis“, der „Wüs­ten­kü­che“. Links von sei­ner Theke für die eigent­li­chen Lebens­mit­tel in sei­nem klei­nen Laden, hängt eine Welt­karte und eine Deutsch­land­karte. Davor ein Glas mit Steck­na­deln. Das hier die halbe Welt anhält, lässt sich ganz ein­fach erken­nen. Die Kar­ten sind über­säht mit schon plat­zier­ten Steck­na­deln. Ein Kunst­werk von und für Weltenbummler.

Woestynkombuis

In Ham­mer­stein endet die Fahrt für den Tag. Wer Lust hat kann noch wil­den Tie­ren ganz nah kom­men. Von einer klei­nen Kuppe in der Nähe der bei Tou­ris­ten sehr belieb­ten und aus­ge­buch­ten Lodge lässt sich die Land­schaft beob­ach­ten. Aus Flach­land wurde mitt­ler­weile eine fel­sige Topo­gra­fie. Karg ragen die Kup­pen empor. Nur noch wenige Büsche, Bäume und Gestrüpp zie­ren die Umge­bung und es gibt einen Vor­ge­schmack auf die noch kar­ge­ren Dünen­land­schaf­ten im Namib-Nau­klut-Natio­nal­park. Der Atlan­tik ist nur 50 Kilo­me­ter ent­fernt und den­noch ist es eine der tro­ckens­ten Wüs­ten der Welt. Selbst in regen­rei­chen Jah­ren ver­en­det der Fluss Tsa­uchab in den Dünen des Sossusvlei.

Hammerstein

Hier in das Sos­sus­v­lei führt uns Thimo. Mit dem Son­nen­auf­gang betre­ten wir den Park und fol­gen der 65 Kilo­me­ter lan­gen Asphalt­straße. Die ers­ten Dünen las­sen sich schon in der Ferne erspä­hen. Thimo drängt etwas. Die schöns­ten Ein­drü­cke las­sen sich früh mor­gens und spä­ter abends erha­schen, wenn die Sonne und die Dünen ein wun­der­vol­les Schat­ten­spiel dar­bie­ten. Es ist außer­dem noch ange­nehm kühl.

Einfahrt ins Sossusvlei

Die Fahrt führt vor­bei an der berühm­ten Düne 45. Es ist nicht die 45. Düne, son­dern sie liegt ein­fach nur an Kilo­me­ter 45 vom Park­ein­gang ent­fernt. Kolo­nen an Besu­chern lau­fen auf dem Grad in Rich­tung Spitze der Düne. Ihr Sand hat in den letz­ten 5 Mil­lio­nen Jah­ren schon viel gese­hen und sich bis 170 Meter über dem rest­li­chen Niveau auf­ge­türmt. Wir las­sen die Düne links lie­gen und fah­ren wei­ter. Meh­rere Heiß­luft­bal­lons fah­ren in der Ferne über das Dünen­meer. Wir sind aber zu Land unter­wegs und stei­gen am Ende der Straße in All­rad­fahr­zeuge um, die uns die letz­ten Kilo­me­ter zum Höhe­punkt brin­gen, dem Sos­sus­v­lei. Ein etwas unschein­ba­res Wort, das aber die geo­gra­fi­sche Situa­tion bes­tens beschreibt. Wäh­rend Sos­sus einen in Sand­dü­nen ver­en­den­den Fluss beschreibt ist Vlei die Bezeich­nung für eine Salz-Ton-Pfanne. Und darum han­delt es sich bei dem Höhepunkt.

Sand im Sossusvlei

Für einen bes­se­ren Über­blick über den Park klet­tere ich auf den „Big Daddy“. Auf hal­ben Weg rea­li­siere ich lang­sam auch die Bedeu­tung des alter­na­ti­ven Namens „Crazy Dune“, die ver­rückte Düne. Wäh­rend der Rest der Gruppe sich an einem klei­ne­ren Exem­plar pro­biert, tropft mir der Schweiß von der Stirn. Der Weg auf die 380 Meter hohe Düne, einer der höchs­ten Dünen der Welt, zieht sich. Als Beloh­nung bie­tet sich der Aus­blick über einen klei­nen Teil der Namib. Ihre Aus­deh­nung von über 2000 Kilo­me­ter durch Angola und Nami­bia lässt sich nur erahnen.

Panorama vom Big Daddy

Ich ziehe die Schuhe aus und lasse den Sand auf mich wir­ken. Meine Füße ver­sin­ken leicht im küh­len Boden. Es fühlt sich gut an und der direkte Weg nach unten ist eine Wohl­tat. Ich gleite regel­recht die Düne hinab. Am Ende der Abfahrt stehe ich in der Salz- und Ton-Pfanne des Sos­sus­v­lei. Der Boden ist hart und fühlt sich bar­fuß den­noch ange­nehm an. In der Ferne ragen die bekann­ten Baum­stümpfe des Dead­v­lei aus der Pfanne her­vor. Sie star­ben wahr­schein­lich vor 600 oder 700 Jah­ren ab, als das über­le­bens­wich­tige Was­ser aus­blieb. Auf­grund der enor­men Tro­cken­heit blie­ben sie bis heute kon­ser­viert und sind magi­scher Anzie­hungs­punkt für Besu­cher aus aller Welt.

Deadvlei
Deadvlei

Zum Abschluss des Tages führt uns Thimo in den Ses­riem-Can­yon. Er ist Teil des Tsa­uchab Flus­ses, der sich hier über Mil­lio­nen Jahre in die Erde gefres­sen hat und einen bis zu 30 Meter tie­fen Can­yon hin­ter­las­sen hat. Teile im Can­yon füh­ren fast das ganze Jahr Was­ser, sodass frü­her Sied­ler hier ihr Was­ser schöp­fen konn­ten. Wir schlür­fen lie­ber kalte Getränke an der nächs­ten Tank­stelle, dar­un­ter die nami­bi­sche Form des Alm­dud­ler, der Farmdudler.

Sesriem-Canyon

Zurück in Ham­mer­stein fal­len wir über das Buf­fet her. Die Reise durch Nami­bia hat erst begon­nen und wir den­ken nur ans Essen und an unsere nächs­ten Tage. Nach dem heu­ti­gen High­light in der Sos­sus­v­lei sind wir gespannt was uns wohl Swa­kop­mund und einige Tage spä­ter der Eto­sha-Natio­nal­park bie­ten wer­den. Aber für heute erst­mal einen Drink an der Bar!

Vie­len Dank an Gebeco für die Einladung.

Cate­go­riesNami­bia
Avatar-Foto
Dominik Mohr

Dominik folgt seinem Schatten durch die Welt. In einem minimalistischen und einfachen Reisestil wird man von ihm um die Welt geführt und einmal beschleunigt, geht es dann immer weiter. Meist geht die Tour an abgelegene Orte und bringt das tägliche Leben und die Hürden der Menschen näher.
Ausgefallene und teilweise auch ungewöhnliche Reiseziele rund um Afrika und den Nahen Osten stehen vereinzelten Reisezielen in den beliebten Gegenden entgegen und zeigen den Kontrast der Welten und der Natur.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert