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Luxemburger Wanderauftakt

Schiessentümpel Müllerthal

Etwas ungläu­big sitze ich noch zu Hause vor dem Satel­li­ten­bild. Ich sehe Wald und Fel­der, aber die Sand­stein­fel­sen der „Klei­nen Luxem­bur­gi­schen Schweiz“ ver­ste­cken sich vor mei­nen Bli­cken. Meine Kol­le­gin schwärmt von einem Klet­ter­pa­ra­dies und auf den Bil­dern sind ein­deu­tig Höh­len und Fels­for­ma­tio­nen zu sehen. Ich stehe sicher nur auf dem Schlauch, aber irgend­et­was ver­steckt sich hier vor mir und spielt schon Wochen vor­her mit mei­ner Geduld. Vor zwei Jah­ren war ich kurz davor ins Mël­lerd­all, wie es so schön auf luxem­bur­gisch heißt, zu fah­ren. Das Vor­ha­ben musste dann kurz­fris­tig auf Eis gelegt wer­den. Aber jetzt soll es end­lich klappen.

Karte vom Trail

Kleine Luxemburger Schweiz

Von Trier aus schlän­gelt sich die Straße ent­lang der Sauer. Auf der einen Seite ist Luxem­burg, auf der ande­ren Deutsch­land. In Ech­ter­nach geht es end­lich über die Brü­cke. Ich bin in Luxem­burg. Als Kind dachte ich immer, Luxem­burg ist nur die Stadt selbst; eine ziem­lich große Stadt. Der Gedanke hat sich bei mir ziem­lich lange naiv gehal­ten. Jetzt erlebe ich das Land end­lich live und kann alles wider­le­gen. Ech­ter­nach, die Haupt­stadt der Region Mül­ler­thal und die älteste Stadt Luxem­burgs, werde ich spä­ter erkun­den. Einen kur­zen Blick auf die Wil­li­bror­dus­ba­si­lika kann ich jetzt schon im Vor­bei­fah­ren erha­schen. Dann mel­det sich das Navi und lenkt mich von der Haupt­straße run­ter. Die Straße wird schlag­ar­tig enger und es geht steil den Berg hin­auf, eher gesagt nicht auf den Berg, son­dern auf das Ber­dor­fer Plateau.

Willibrordusbasilika

Das Pla­teau hat sich über Jahr­mil­lio­nen geformt und die Flüsse Sauer und Ernz Noire haben ihre Spu­ren im Sand­stein hin­ter­las­sen. Davon ist noch nicht viel zu sehen als ich mit dem Auto nach Ber­dorf rolle. Vor­bei an dem Aqua­tower, dem futu­ris­tisch aus­se­hen­den Aus­sichts­turm, von dem man die ganze Region über­bli­cken kann. Im Hotel Trail Inn emp­fängt mich Joe. Er drückt mir eine Wan­der­karte in die Hand und sprüht vor Ideen für die drei Tage. Hier ein Wan­der­weg, dort ein Aus­sichts­punkt, hin und wie­der eine Höhle. Höhle? Verdammt…die Taschen­lampe liegt noch zu Hause. Ich dachte ich gehe wan­dern und habe sie zu Hause gelas­sen. Naja, das Handy tuts auch. So schnell wie Joe ein Pro­gramm für mich zusam­men­baut, komme ich gar nicht hin­ter­her, um mir die gan­zen Wege zu mer­ken. Aber zum Glück habe ich eine Karte und den Tipp des Abends: den per­fek­ten Aus­sichts­punkt für den Son­nen­un­ter­gang direkt im Klet­ter­re­vier von Ber­dorf. Und… end­lich Fel­sen! Ich setze mich auf die Kante, schaue den letz­ten Klet­te­rern zu und beob­achte wie die Sonne den Tag beendet.

Nachthimmel über Berdorf

In Räuber’s Höhle

End­lich dür­fen auch die Wan­der­schuhe die Sai­son begin­nen. Die Route führt ent­lang der Haupt­route „2“ des Mül­ler­thal Trails von Ber­dorf über Mül­ler­thal nach Con­s­dorf und von dort mit dem kos­ten­lo­sen Bus zurück nach Ber­dorf. Das „kos­ten­los“ irri­tiert mich so sehr, dass ich am Ende des Tages sogar beim Bus­fah­rer noch­mal nach­frage und er mit einem Lächeln ein „gra­tuit“, also „kos­ten­los“ ant­wor­tet. Das mit der Spra­che ist auch so ein Ding. Deutsch, Fran­zö­sisch, Luxemburgisch…aber was ver­steht wer? Ich pro­biere es auf Fran­zö­sisch und bekomme eine Ant­wort auf Eng­lisch, ich pro­biere es auf Deutsch und bekomme eine Ant­wort auf Fran­zö­sisch. Mir soll’s egal sein. Ich finde es char­mant, wie hier mit den Spra­chen jon­gliert wird. So ganz meine Welt.

Sandsteinfelsen bei Berdorf

Kurz nach dem Orts­aus­gang Ber­dorf begin­nen die Sand­stein­fel­sen. Durch einen klei­nen Can­yon geht es leicht bergab, dann gleich wie­der über eine Treppe durch eine enge Kluft hin­auf. Ich finde es toll, nicht nur einen Pfad zu fin­den, son­dern ein­fach mal ein Laby­rinth aus Fel­sen zu erkun­den. Die Schil­der wei­sen immer wie­der den Weg zurück zum Haupt­pfad und oft finde ich das Wort „Rai­ber­hiel“, die Räu­ber­höhle. Ich finde den Ein­gang und muss die Han­dy­l­ampe anma­chen. Hier ist es nicht nur schön kühl, son­dern auch dun­kel. Im Inne­ren fin­det sich eine Lei­ter, die wie­der Rich­tung Licht führt. Ein tol­ler Aben­teu­er­spiel­platz für mich. Auf die Rai­ber­hiel folgt gleich der Adler­horst. So macht Natur Spaß. Irgend­wann geht’s dann wei­ter. Genug getobt. Ich folge dem Mül­ler­thal Trail, klet­tere noch in zwei Höh­len am Weges­rand; ein­fach mal die Neu­gier ausleben.

Müllerthal Trail

Kurz hin­ter Mül­ler­thal befin­det sich der Schiess­en­tüm­pel mit sei­nem mar­kan­ten dreier Was­ser­fall und einer male­ri­schen Brü­cke über den Fluss. Das Ziel für die Mit­tags­pause. Ich lasse mich auf einem Fel­sen im Fluss­lauf nie­der, stre­cke die Beine aus und packe meine Brot­zeit aus.

Wanderung im Müllerthal

Die Stre­cke nach Con­s­dorf läuft sich ein­fach, auch wenn die nahe Straße kein Gefühl von Abge­schie­den­heit auf­kom­men lässt. Der Umweg über den „Rit­ter­gang“ und die enge Pas­sage „Déi­wepëtz“ zah­len sich aus. Ich muss sogar den Ruck­sack abset­zen und ent­gleite in die Dun­kel­heit. Vor mir fla­ckert mein Licht im Ver­such den Weg aus­zu­leuch­ten. Am Ende erwar­tet mich wie­der die grelle Sonne und ein Lächeln zieht sich über mein Gesicht.

Déiwepëtz
Wanderer bei Consdorf

Echternach und die Wolfsschlucht

Die 16 Kilo­me­ter vom Vor­tag inklu­sive der klei­nen gemei­nen Höhen­me­ter lie­gen leicht in den Bei­nen als die Wan­der­schuhe wie­der an meine Füße gezurrt wer­den, um den Weg nach Ech­ter­nach zu erwan­dern. Süd­lich von Ber­dorf liegt eine künst­li­che Höhle. Geschaf­fen, um den Bedarf an Mühl­stei­nen der Region zu decken; es sind an den Wän­den und Decken noch die Ringe der Steine zu sehen. Eine Höhle, jetzt das „Amphi­thea­ter“ ist tat­säch­lich eine Bühne.

Huel Lee Höhle

Nur wenige Kilo­me­ter spä­ter erklimmt eine Treppe durch einen Fels­riss den „Perekop“, einen Fels­rie­sen ent­lang der Straße nach Ech­ter­nach. Zum Glück ist diese aktu­ell gesperrt. Der Auto­lärm würde womög­lich etwas den Charme des Tals neh­men. Davon las­sen sich aber die vie­len Wan­de­rer nicht abhal­ten, die mich auf dem Weg beglei­ten bezie­hungs­weise mir entgegenkommen.

Viele sind mit Hund und Kin­dern unter­wegs. Die vie­len loka­len Wan­der­wege und die gute Beschil­de­rung machen es mög­lich. Ich bastle mir auch meine Route zusam­men. Kurz vor der Wolfs­schlucht schnup­pert mich ein Hund an. Der Besit­zer dazu ganz keck „Keine Angst, das ist kein Wolf!“. Dem wäre es auch an den Kra­gen gegan­gen. Die Wolfs­schlucht als Eng­stelle am Hang bekam ihren Namen von den sich hier im Mit­tel­al­ter vor Gefahr ver­ste­cken­den Wöl­fen. Der letzte Wolf wurde hier 1871 in die Falle gelockt. Jetzt füh­ren steile Trep­pen zu den ver­schie­de­nen Aus­sichts­punk­ten, die mich an die säch­si­sche Schweiz erin­nern. Lei­der ver­sper­ren einige Bäume den vol­len Pan­ora­ma­blick. Dem Natur­schutz zuliebe ist es nicht so ein­fach diese zu kür­zen, erzählt mir Joe am Abend.

Müllerthal Trail

Ech­ter­nach ist nur noch ein Kat­zen­sprung ent­fernt. Das erste Wahr­zei­chen der ältes­ten Stadt Luxem­burgs fällt einem schon beim Abstieg in die Stadt auf: die Basi­lika St. Wil­li­brord. Sie ist benannt nach dem hei­li­gen Wil­li­brord der im Jahre 698 die Stadt gegrün­det hat. Der Markt­platz und die umlie­gen­den Stra­ßen haben noch ein schö­nes mit­tel­al­ter­li­ches Ambi­ente. Und jetzt zum Mit­tag wuseln die Besu­cher der Stadt nur so über den Markt. Viele Wan­de­rer, Tages­aus­flüg­ler und Fahr­rad­fah­rer genie­ßen die lokale Küche in den angren­zen­den Bis­tros und Restau­rants. Gestärkt nach der Mit­tags­pause kann der Rück­weg nach Ber­dorf ange­tre­ten werden.

Blick über Echternach
Marktplatz Echternach

Auftakt und Abschied

Direkt am Mül­ler­thal Trail liegt auch die Burg und das Schloss in Beau­fort. Es lohnt sich defi­ni­tiv dort vor­bei zu wan­dern. Mit dem Ein­tritt in die wahr­schein­lich foto­genste Burg der Region kommt auch gleich eine Likör­ver­kos­tung mit. Für Auto­fah­rer ein klei­nes Tabu, dafür für den Wan­de­rer ein Genuss. Ich schlen­dere durch die Rui­nen der Anlage, bevor ich den Weg in die Stadt Luxem­burg antrete um dann die Region nach nur drei Tagen wie­der zu verlassen.

Es bleibt ein tol­ler Auf­takt in die Wan­der­sai­son für das Jahr 2019.

Burg Beaufort

Die Routen

Beide Rou­ten habe ich euch hier zusam­men­ge­stellt.

Offen­le­gung: Das Hotel „Trail Inn“ hat mich zu drei Näch­ten eingeladen.

Cate­go­riesLuxem­burg
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Dominik Mohr

Dominik folgt seinem Schatten durch die Welt. In einem minimalistischen und einfachen Reisestil wird man von ihm um die Welt geführt und einmal beschleunigt, geht es dann immer weiter. Meist geht die Tour an abgelegene Orte und bringt das tägliche Leben und die Hürden der Menschen näher.
Ausgefallene und teilweise auch ungewöhnliche Reiseziele rund um Afrika und den Nahen Osten stehen vereinzelten Reisezielen in den beliebten Gegenden entgegen und zeigen den Kontrast der Welten und der Natur.

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