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Wo liegt eigentlich Bergün? Und wo die Gemeinde Albula? Ich hatte keine Idee. Doch auch bei diesem „blinden Rendevouz“ mit der Schweiz sollte ich nicht enttäuscht werden. Es war ein wunderschönes erstes Kennenlernen. Eine herrlich entschleunigte und erholsame Bekanntschaft. Alles andere als ein Speed Date.
Eine Bahnfart, die ist lustig…
Manch einer behauptet, Bahnfahren sei die schönste Art, um etwas Neues zu entdecken. Das würde ich in Deutschland nur bedingt unterschreiben. Es sei denn, man reist ohne Zeitdruck und mit sehr viel Geduld. Anders in der Schweiz. Hier kommen die Züge trotz Schnee und Eis pünktlich, sind perfekt aufeinander abgestimmt, das Zugpersonal ist stets zuvorkommend und die Mitreisenden rücksichtsvoll. Ob das Internet in den Schweizer Zügen besser funktioniert als bei der Deutschen Bahn weiß ich allerdings nicht – auf unserer Fahrt mit der Rhätischen Bahn denke ich nicht eine Sekunde daran, das Notebook aufzuklappen. Die Ausblicke sind viel zu traumhaft, um zu arbeiten oder auf dem Handy zu daddeln. Meine Reisebegleitung sieht das ähnlich. Mikkel hat es sich im Zugabteil gemütlich gemacht, futtert eine Laugenstange nach der anderen und ruft voller Vorfreude „Papa, da liegt Schnee“.
Was man allerdings immer griffbereit haben sollte auf der Albula-Linie ist die Kamera: Wer mit den „Öffis“ nach Bergün Filiur (oder auch weiter bis nach St. Moritz) unterwegs ist, reist auf einem UNESCO Welterbe. Die mehr als 100 Jahre alte Bahnstrecke durch das Albulatal mit ihren Tunneln und Viadukten ist wirklich beeindruckend.
Schon während der Fahrt spüre ich, wie die Hektik des Alltags von mir abfällt. Nach der Ankunft in Bergün wird dieses Gefühl noch einmal intensiviert, denn das kleine idyllische Dorf strahlt eine extrem entspannte Atmosphäre aus. Man könnte fast meinen, die sonst so zuverlässigen Schweizer Uhren ticken hier ein wenig langsamer als sonst.
Ein Hoch auf die Behaglichkeit
Zu Fuß laufen wir vom Bahnhof zu unserer Unterkunft auf dem Bauernhof Biobergün. Bei der Ankunft werden wir mit einem herzlichen Lächeln von Gastgeberin Franziska Amstad begrüßt. Das Wohn- und Gästehaus liegt direkt neben dem Hofladen, in dem die hauseigenen Produkte verkauft werden. Auch die Stallungen, bei denen wir täglich frische Milch zapfen dürfen, sind ganz in der Nähe. Ziegen und Schweine zum Streicheln gibt es natürlich ebenfalls.
Unsere Ferienwohnung ist vor allem eins: supergemütlich. Ob auf der alten Holzbank am Esstisch, im Lounge Chair am großen Panoramafenster mit Blick auf die verschneiten Berge oder direkt vor dem kleinen Kamin – alles an dieser Unterkunft lädt dazu ein, die Zeit zu vergessen und den Moment zu genießen. Das Rauschen des nahegelegenen Baches und das stete Gebimmel der Kuhglocken bilden die akustische Untermalung dieser filmreifen Kulisse.
Das behagliche Gefühl im Biobergün stellt sich aber nicht nur aufgrund des lauschigen Ambientes ein. Es ist vielmehr die Unkompliziertheit und authentische Unaufgeregtheit dieses Ortes. Das wunderbare Ankommen runden wir dann noch mit einem echten schweizerischen Kulinarik-Highlight ab – Mikkel und ich kochen Älplermagronen: Ein Mix aus Nudeln, Kartoffeln, Käse, Speck, Zwiebelchen und Sahne kombiniert mit Apfelmus (ja, man isst wirklich Apfelmus dazu!). Himmlisch!
Auf Kufen den Berg hinuntersausen
Bergün Filisur ist – auch außerhalb Graubündens – vor allem für zwei Dinge bekannt: Die Bahnstrecke (mit dem dazugehörigen Bahnmuseum Albula) und für seine Schlittel-Pisten. Bereits beim Gang durch den Ort merkt man schnell, dass Schlittenfahren hier ein echt großes Thema ist. Überall werden Rodel zum Verleih angeboten. Die Besucher, die einem unterwegs begegnen, haben allesamt ausnahmslos Schlitten geschultert. Kein Wunder, denn Bergün hat gleich zwei rasante Abfahrten im Angebot.
Um zum Startpunkt der Schlittelbahn Preda-Bergün zu gelangen, fahren wir mit der Rhätischen Bahn eine Station weiter bis nach Preda, von wo wir an auf rund sechs Kilometern Länge bis zurück ins Tal von Bergün schlitteln können. Noch abenteuerlicher und rasanter ist die viereinhalb Kilometer lange Schlittelbahn Darlux-Bergün, mit noch engeren Kurven und mehr Gefälle.
Wir testen die Strecke Preda-Bergün gleich zweimal aus. Einmal am Abend mit vorherigem Einkehrschwung zu Fondant und Käsefondue im Hotel Preda Kulm direkt an der beleuchteten Piste, und einmal am frühen Morgen mit anschließendem zweitem Frühstück. Wer wie wir keinen eigenen Schlitten dabei hat, kann sich übrigens am Bahnhof Bergün beim Club 99 einen Rennrodel ausleihen.
Bergab und bergauf
Selbstverständlich kann man in Bergün Filisur als Familie auch prima Skifahren oder Snowboarden. Ein kurzer Spaziergang von unserer Unterkunft entfernt liegt das Familienskigebiet Tèct/Zinols inklusive Kinderland mit Pinocchiolift und Zauberteppich. Mikkel übt fleißig gemeinsam mit einem liebevoll geduldigen Skilehrer, um bald endlich mit uns „Großen“ mithalten zu können.
Nach einigen Abfahrten geht das Abenteuer am Nachmittag bergauf weiter. Wir dürfen in einem Pistenbully mitfahren, während die Piste für den kommenden Tag präpariert wird. Zu dritt finden wir grade so Platz in der engen Fahrerkabine und staunen über die Power des Kettenfahrzeuges. Den größten Spaß hat Mikkel, als wir anderen Kindern mit den seitlichen Flügeln der mächtigen Schneeschaufel winken.
Nach drei Tagen im zauberhaften Bergün Filisur müssen wir leider aufbrechen, steigen in die Bahn und fahren weiter in das nahegelegene Val Surses mit seinem Hauptort Savognin. Im Sommer ist das Tal ein absolutes Eldorado für Wanderer und Mountainbiker. Wir sind aber voll und ganz auf Winter eingestellt und schauen sehnsüchtig hinauf zu den verschneiten Gipfeln.
Von Hufen und Kuven
Savognin ist etwas größer und belebter als Bergün. Mit seinem beeindruckenden Bergpanorama, alten Höfen, hübschen Kirchlein und einer historischen Brücke über den Fluss Julia, der die Gemeinde in zwei Ortsteile trennt, ist es aber nicht weniger malerisch. Wir haben Glück und starten in unseren Aufenthalt mit einer besonderen Stadtrundfahrt. Gegenüber unserer Unterkunft, dem erst 2021 eröffneten Familienhotel JUFA, liegt der Reitstall von Giatgen Arpagus. Dick eingepackt und in warme Decken gehüllt machen wir es uns bei echtem Winter-Schmuddelwetter auf einer Kutschbank gemütlich, lassen uns von Giatgen die Gegend zeigen und lauschen dabei seinen vielen urigen Geschichten und Anekdoten.
Der Schneeregen im Tal ist zwar nicht so angenehm, lässt aber hoffen. Denn in höheren Lagen bedeutet der Niederschlag schließlich Neuschnee. Entsprechend bin ich ganz und gar nicht unglücklich über das eher bescheidene Wetter. Vielmehr freue ich mich auf die Abfahrten, die noch vor uns liegen – und auf den Wellnessbereich unseres Hotels. Mal ehrlich, gibt es etwas Besseres als von der Sauna aufgeheizt im Schnee zu stehen und auf die weiße Bergwelt zu schauen? Zu wissen, dass man noch viel Zeit hat bis es zum Abendessen. Keine Eile, kein Stress. Was für ein seltener Luxus…
Doppelpack im Neuschnee
Am Morgen bin ich mehr als happy: Wie erhofft ist der Schneeregen im Tal als feinster Powder auf die Pisten gerieselt. Ein Traum für alle Wintersportler und insbesondere für alle Papas, die mit ihrem Nachwuchs zwischen den Beinen, das Gebiet entdecken. Wann hat man schon die Möglichkeit, auf bis zu 200 Metern breiten Pisten bei besten Bedingungen gemeinsam seine Schwünge zu ziehen?
Wer noch nicht in den Genuss gekommen ist, in einem Papa-Kind-Gespann zu fahren: Skifahren mit den Minis ist eine herzerwärmende Erfahrung. Zwar ist die Abfahrt in gebückter Haltung für Rücken und Oberschenkel brutal anstrengend, das freudiges Quietschen und Lachen des Nachwuchses lassen den eigenen Schmerz aber schnell vergessen. Mein kleiner Mini-Skifahrer genießt sichtlich den Fahrtwind im Gesicht, das Gleiten und anschließende Sich-Fallen-Lassen in den weichen Pulverschnee. Und wie heißt es doch so schön: „Happy Child, happy Life“.
Nach einem halben Tag schreien meine Muskeln dann aber nach Entlastung und Pause – und Mikkel nach heißer Ovomaltine. Wir machen uns auf zum „Monte Crema“ im Bergrestaurant Somtgant. Zum Abschluss des Tages gönne ich mir später noch ein paar zügigere Abfahrten alleine bis ins Tal. Oh ja, das macht wirklich Spaß hier zu carven!
Das gemeinsame Skifahren mit dem Junior wird für mich immer eine der wertvollsten Erinnerungen bleiben. So kostbar wie jeder Moment, den wir als Familie Out Of Office verbringen dürfen. Was für ein Glück, dass bei unserem Besuch in Bergün und Savognin im Kanton Graubünden die Schweizer Uhren extra langsam getickt haben, so dass sich der kurze Trip wie eine lange und ziemlich entspannte Auszeit anfühlte.
Isch schön gsi! Uf Wiederluege!
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