Ein Mittagessen mit Zhumabai

„Habt ihr schon Kumys pro­biert?“ fragt uns unser neu­er Freund Zhu­ma­bai neu­gie­rig und wir hören an sei­ner Stim­me, dass er sich ein ›Nein‹ als Ant­wort wünscht. „Ist das nicht die­se Stu­ten­milch?“, fra­ge ich ihn. „Ja, also kennt ihr das schon?“ Er schaut etwas ent­täuscht. Obwohl wir nicht unbe­dingt scharf dar­auf sind, Kumys noch ein­mal trin­ken zu müs­sen, höre ich Sebas­ti­an ant­wor­ten: „Naja, wir haben nur ein­mal ein Schlück­chen davon pro­biert“. Zhu­ma­bais Gesicht hellt sich auf. „Ach nee, nicht schon wie­der“, den­ke ich mir, spre­che es aber nicht aus.

Zhu­ma­bai lern­ten wir tags zuvor in einem Geschäft in Oschs Innen­stadt ken­nen, als er uns auf Deutsch ansprach. Ein Jahr lang leb­te er in Deutsch­land und absol­vier­te dort einen Frei­wil­li­gen­dienst; des­halb spricht er flie­ßend Deutsch. Sei­nem Vor­schlag für ein gemein­sa­mes Mit­tag­essen stimm­ten wir sehr ger­ne zu.

Eine Kan­ne der weiß­li­chen Flüs­sig­keit wird uns weni­ge Minu­ten spä­ter von der net­ten Bedie­nung auf den Tisch gestellt, inklu­si­ve drei­er wei­ßer Schüs­seln, die ich zu Hau­se für mein Früh­stücks­müs­li nut­zen wür­de. Bevor wir uns aber in unser zwei­tes Kumys-Aben­teu­er stür­zen, gibt uns Zhu­ma­bai eine Erklä­rung zu unse­rem Haupt­ge­richt Beschbar­mak, wegen dem wir ja eigent­lich hier sind.

„Beschbar­mak heißt über­setzt ‚fünf Fin­ger‘ und meint, dass die­ses Gericht statt mit Besteck mit der rech­ten Hand geges­sen wird. Ein­fach ordent­lich in die Nudeln rein­lan­gen… Frü­her waren die Leu­te davon gelang­weilt, immer im Sit­zen zu essen. Eine halb lie­gen­de Posi­ti­on, wie bei den alten Grie­chen, war ange­sagt. Da war das Essen mit der gan­zen Hand sehr viel leich­ter als mit einem Löf­fel oder ande­ren Hilfs­mit­teln. Also, fangt an, lasst’s euch schme­cken!“ Etwas unsi­cher schau­en wir auf unse­ren Tel­ler, auf dem in einer Brü­he Nudeln, ähn­lich Taglia­tel­le, klei­ne Stück­chen Pfer­de­fleisch und vie­le fri­sche Zwie­bel­rin­ge lie­gen. Wie man Reis mit der Hand ist, ken­ne ich von mei­nen Auf­ent­hal­ten in Nepal und Ban­gla­desch. Aber Nudeln? Das sieht mir eher nach Saue­rei aus…

So ele­gant wie Zhu­ma­bai schaf­fen wir es nicht, unser Essen in den Mund zu beför­dern, aber immer­hin müs­sen wir unse­re T‑Shirts nach dem Mit­tag­essen auch nicht sofort zur Schmutz­wä­sche packen.

Die größ­te Her­aus­for­de­rung steht uns aber noch bevor – Kumys… Was das über­haupt sein soll? Kumys ist ver­go­re­ne Stu­ten­milch und Zhu­ma­bai trinkt ihn mit gro­ßen Schlu­cken, als ob es Was­ser wäre. Mei­ne ers­te Kumys-Erfah­rung war nicht gera­de lecker und so neh­me ich nur einen klei­nen Schluck, viel­leicht schmeckt die­ser hier ja bes­ser?!

Kalt, sau­er – puh, sehr sau­er! – schmeckt Kumys. Und pri­ckelt auf mei­ner Zun­ge, lei­der geschmack­lich jedoch nicht mit Frei­xe­net zu ver­glei­chen 😉 Ich kann es nicht ver­hin­dern, aber ich ver­zie­he das Gesicht – „hmm, echt ein spe­zi­el­ler Geschmack!“. Zhu­ma­bai schaut zum Glück nicht ent­täuscht, im Gegen­teil. Er lacht, ande­res hat­te er wohl nicht erwar­tet. „Ich kann meh­re­re Liter Kumys trin­ken, ich bin das schon seit mei­nem Klein­kind­al­ter gewohnt. Nur Auto­fah­ren ist danach ver­bo­ten, wegen des Alko­hol­ge­halts. Wenn es euch nicht schmeckt, trin­ke ich euren.“ Erleich­tert schie­ben wir unse­re Kumys-Scha­len über den Tisch, mehr als zwei Schlu­cke hät­te ich davon nicht trin­ken kön­nen!

Von dem eigent­lich kasa­chi­schen Gericht Beschbar­mak bin ich aber posi­tiv über­rascht – ich hat­te eine ›Fleisch­bom­be‹ erwar­tet und freue mich über so vie­le Nudeln und klei­ne, appe­tit­li­che Fleisch­stück­chen. Obwohl wir uns nicht sicher waren, ob uns Pfer­de­fleisch schmeckt, ist es über­ra­schend lecker. Unse­re Tel­ler wer­den alle rat­ze­putz leer geges­sen!

Es dau­ert nicht lan­ge, da wird Zhu­ma­bai unge­dul­dig. Sei­ne Mit­tags­pau­se ist vor­bei. Wir gehen aus­ein­an­der – er zurück zur Arbeit, wir schlen­dern durch die Stadt. Mor­gen wer­den wir ihn wie­der­tref­fen, die­ses Mal zum Abend­essen bei sei­ner Fami­lie. Wir sind schon gespannt, wel­che kuli­na­ri­schen Über­ra­schun­gen dann auf uns war­ten wer­den…


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