Dracula und die Hochzeit

Die Geschich­te des Gebie­tes ist schwe­rer zu erklä­ren als Quan­ten­phy­sik. Wie­so ich das behaup­ten darf? Ich habe bei­des im Ansatz ver­stan­den, aber jedes Mal, wenn ich hin­ter die nächs­te Ecke schaue, ist sie wie­der anders. Wer wirk­lich was über die Regi­on erfah­ren möch­te, muss schon selbst rei­sen, sich fach­kund­li­che Rei­se­füh­rer besor­gen und viel Zeit mit­brin­gen. Ich habe gefühlt nichts von bei­den. Eine Woche in Trans­sil­va­ni­en auch genannt Sie­ben­bür­gen, Ardeal, Erdé­ly und Siwe­ber­jen ist viel zu kurz und dabei ist das Gebiet nicht so groß; dafür unheim­lich abwechs­lungs­reich, foto­gen und die Geschich­te ist span­nend. Damit alles etwas mehr Sinn ergibt und um die­ses Wirr­warr etwas zu ent­kno­ten, habe ich die Geschich­te in Kurz­form auf­ge­ar­bei­tet. Sicher habe ich etwas ver­ges­sen, unter­schla­gen oder ver­ein­facht.

Pilze in den Bergen

Das unga­ri­sche Erdé­ly über­setzt sich mit »jen­seits des Wal­des«, das rumä­ni­sche Ardeal und das oft ver­wen­de­te Trans­sil­va­ni­en sind eine Über­set­zung. Hin­ge­gen ist der deut­sche Begriff Sie­ben­bür­gen nicht klar zuzu­ord­nen. Der mys­ti­sche Wald war die Gren­ze zwi­schen dem Haupt­ein­fluß­be­reich der Ungarn und Trans­sil­va­ni­en. Nach­dem die Römer sich zurück­zo­gen, sie­del­ten in dem Gebiet ver­schie­dens­te Stäm­me, dar­un­ter die Goten, Hun­nen und Sla­wen. Die Magya­ren, also die Ungarn, über­nah­men das Land 895 und sie­del­ten in der wei­te­ren Geschich­te im Grenz­ge­biet klei­ne­re Völ­ker an, dar­un­ter die Sze­kler. Spä­ter wur­den die Sze­kler etwas wei­ter nach Osten umge­sie­delt, um die neue öst­li­che­re Gren­ze zu sichern und deut­sche Bau­ern und Hand­wer­ker wur­den ange­sie­delt. Die­se beleb­ten die Wirt­schaft. Sie wur­den bekannt als die »Sie­ben­bür­ger Sach­sen«; Sach­sen als ste­reo­ty­pe Bezeich­nung für west­li­che Sied­ler. Bis heu­te sind die Sied­lun­gen Sie­ben­bür­gens, dar­un­ter Her­mann­stadt, Kron­stadt, Klau­sen­burg, Mühl­bach, Schäß­burg, Media­sch und Bis­tritz die wich­tigs­ten Städ­te der Regi­on.

Wasserfälle Vărșag

Das Land fiel nach der Nie­der­la­ge der Ungarn gegen die Osma­nen unter tür­ki­sche Besat­zung, blieb aber weit­ge­hend unab­hän­gig. Nach der Ver­drän­gung der Osma­nen wur­de das Gebiet öster­reich-unga­risch, spä­ter dann rein unga­risch. Nach dem zwei­ten Welt­krieg wur­de das Gebiet dann Rumä­ni­en zuge­schrie­ben. Was aber die unga­ri­sche Min­der­heit der Sze­kler nicht davon abhielt, wei­ter­hin in der Regi­on zu leben. Wäh­rend die deut­sche Min­der­heit seit 1990 stark schwin­det, ist die unga­ri­sche Min­der­heit in eini­gen Regio­nen in der Mehr­heit.

2000 Jah­re Geschich­te abzu­kür­zen ist nicht ein­fach, sie zu erle­ben dafür umso inter­es­san­ter. Und was macht Trans­sil­va­ni­en legen­där? Dra­cu­la?

Die Spur zu Dracula

Wie­so sprin­ge ich über­haupt auf die Num­mer mit Dra­cu­la auf? Viel­leicht weil ich dem all­ge­mei­nen und popu­lä­ren Ruf Trans­sil­va­ni­ens fol­gen muss? Gibt es den hier nicht noch mehr als einen blut­saugen­den Burg­her­ren? Defi­ni­tiv! Die Ent­de­ckungs­rei­se beginnt in Sig­hișo­ara oder auf deutsch auch Schäß­burg genannt. Die Stadt wur­de von deut­schen Ein­wan­de­rern im 12. Jahr­hun­dert gegrün­det und wuchs auf eine statt­li­che Grö­ße an. Die Alt­stadt ist von Fes­tungs­mau­ern umge­ben und thront über dem Fluss und der Umge­bung. Die his­to­ri­schen Gebäu­de, das Kopf­stein­pflas­ter und auch die ver­schie­de­nen Ver­tei­di­gungs­tür­me der ein­zel­nen Zünf­te prä­gen den his­to­ri­schen Kern.

Stundturm in Schäßburg

Der »Stund­turm« zur Stadt­sei­te hin ist das Wahr­zei­chen der Stadt. Von der Spit­ze aus bli­cke ich weit über die Land­schaft. In Wurf­wei­te liegt das »Dra­cu­la­haus«. Hier wur­de angeb­lich Vlad III. Dră­cu­lea gebo­ren. Bram Sto­ker nahm sei­ne Geschich­te zur Grund­la­ge sei­nes Romans »Dra­cu­la« aus dem Jah­re 1897. His­to­ri­sche Bele­ge für den Geburts­ort gibt es aber nicht. Daher bleibt es eine Legen­de, die aber bis heu­te vie­le Tou­ris­ten anzieht. Auch ohne Dra­cu­la ist Schäß­burg einen Besuch wert. Folgt man der höl­zer­nen Schü­ler­trep­pe wei­ter den Berg hin­auf, erreicht man die Berg­kir­che und den deut­schen Fried­hof, der von der lan­gen deut­schen Geschich­te erzählt.

Altstadt von Schäßburg
Schülertreppe in Schäßburg

Der Markt­platz der Alt­stadt ist gesäumt von pracht­vol­len Gebäu­den und run­det das Stadt­bild ab. Auch ohne den legen­dä­ren Dra­cu­la ist die­se far­ben­fro­he Stadt ein aus­ge­zeich­ne­ter Aus­gangs­punkt für wei­te­re Erkun­dun­gen in der Regi­on.

Schäßburg Stadtansicht

Zuhause bei den Szeklern

Allei­ne auf den Stra­ßen Trans­sil­va­ni­ens unter­wegs zu sein ist ein Aben­teu­er der ande­ren Art. Man­che Schlag­lö­cher sind nur schwer zu erken­nen, die vol­le Auf­merk­sam­keit wird hier vom Fah­rer gefor­dert. Die hüge­li­ge Land­schaft wech­selt oft ihr Gesicht. Aus Wäl­dern wer­den offe­ne Flä­chen, aus ver­wun­de­nen Über­land­stra­ßen wer­den oft klei­ne Orts­stra­ßen, die auch ger­ne mal durch Kühe eine Art natür­li­che Geschwin­dig­keits­be­gren­zung bekom­men. Dafür sind Geschwin­dig­keits­be­gren­zun­gen eine gro­be Richt­li­nie, die es nicht zu unter­schrei­ten gilt. Mei­ne »ange­pass­te« Fahr­wei­se wird oft mit wag­hal­si­gen Über­hol­ma­nö­vern und Licht­hu­pe kom­men­tiert.

Störche in Transsilvanien

Dafür ent­loh­nen die Orte mit ihrem ursprüng­li­chen Cha­rak­ter und hier und da mit Stör­chen, die auf den Strom­mas­ten leben. Die Fahrt führt von Schäß­burg über Oder­hel­len nach Satu Mare. Die­ser klei­ne Ort zeigt sich von sei­ner schöns­ten Sei­te und prä­sen­tiert vor jedem Haus eins der berühm­ten Sze­kler­to­re. Hier ist der unga­ri­sche Ein­fluss und auch die Mehr­heit der Nach­kom­men der Sze­kler deut­lich zu spü­ren. Jedes Tor ist hand­ge­schnitzt und bis ins letz­te Detail ver­ziert.

Szeklertor in Satu Mare

Ausflug in der Karpaten

Der Weg führt wei­ter nach Bălan. Von hier aus star­te ich mei­ne ers­te Wan­de­rung in die Kar­pa­ten. Sie führt bis zur Hüt­te »Pia­tra Sin­gu­ra­tică«. Der Weg ist gut mar­kiert und führt in unge­fähr zwei Stun­den bis auf die Alm des »Ein­sa­men Steins«. Eine wun­der­vol­le Aus­sicht über die ers­ten Aus­läu­fer der Kar­pa­ten eröff­net sich. Lei­der währt die Freu­de nur kurz, dunk­le Wol­ken am Hori­zont kün­di­gen ein Gewit­ter und schlech­te­re Tage an. Aber dafür gibt es ja den Ursu See in Sowa­ta. Durch sei­nen hohen Salz­ge­halt bleibt er das gan­ze Jahr an der Ober­flä­che warm, sodass sich auch bei kal­ten Wet­ter die Schwim­mer ins Was­ser trau­en. Der Natur­schutz­park rund­her­um bie­tet aber auch für Was­ser­scheue ein schö­nes Wan­der­re­vier.

Hütte Piatra Singuratică in Bălan

Etwas trau­rig und wenig über­wäl­tigt ste­he ich weni­ge Stun­den spä­ter in der Salz­mi­ne von Praid. Es ist ein rie­si­ger Spiel­platz Unter­ta­ge. Mit einem Pick­nick­kof­fer und etwas mehr Bar­geld in mei­ner Tasche hät­te ich sicher noch etwas aus dem Klet­ter­park machen kön­nen und etwas mehr gechillt. Aber so beein­druckt mich die Mine nicht. Im Gegen­satz dazu erfreut mich die Gast­freund­schaft in Cor­und, nur weni­ge Kilo­me­ter wei­ter. Cor­und ist eigent­lich für sei­ne klei­nen Läden und die Töp­fe­rei­en bekannt, ich suche aber einen klei­nen Natur­park auf. Das »Deal­ul mel­cu­lui« ist ein klei­ner Lehr­pfad durch die Geo­lo­gie der Regi­on und ver­bin­det dies mit einem klei­nen Schwimm­bad. Etwas muss ich es schon suchen, aber es lohnt sich.

Hütte Piatra Singuratică in Bălan
Karpaten

Dracula – schon wieder?

Schon wie­der Dra­cu­la – so kann es nicht wei­ter­ge­hen. Doch! Etwas süd­lich von Brașov, auch Kron­stadt genannt, liegt Bran. Wenn man etwas tou­ris­ti­sches in Rumä­ni­en und Trans­sil­va­ni­en sucht, dann ist man hier genau rich­tig. Bran, wie auch schon Schäß­burg, behaup­tet, den legen­dä­ren Vlad III beher­bergt zu haben. Die Burg befin­det sich an einer Tal­stel­le des Königs­bergs und dien­te den Ungarn als Zoll- und Grenz­burg.

Draculaschloss Bran

Unter Tou­ris­ten ist sie auch als Dra­cu­lasch­loss bekannt. Die Stadt ist voll dar­auf ein­ge­stellt und die Men­schen kom­men, um sich die Burg anzu­schau­en. Über eine lan­ge Ram­pe geht es hin­auf zum Schloss. Nach eini­gen wei­te­ren Stu­fen ist man schon fast im Innen­hof. Von hier aus wer­de ich regel­recht durch die engen Flu­re und Trep­pen gescho­ben und »erkun­de« das gan­ze Schloss, sei­ne Geschich­te. Nur wer es bis in den letz­ten Zip­fel des Berg­frie­des schafft wird über die Legen­de Dra­cu­las auf­ge­klärt.

Draculaschloss Bran Innenhof

Von hier aus tre­te ich die die Rück­fahrt in Rich­tung Oder­hel­len an. Aber nicht ohne Brașov einen Besuch abzu­stat­ten. Die Stadt hat den Charme, direkt von Ber­gen umge­ben zu sein. Die Alt­stadt beson­ders. Sie liegt ein­ge­zwängt zwi­schen Berg­rü­cken, die auch gleich­zei­tig der Stadt­be­fes­ti­gung dien­ten. Die Sie­ben­bür­ger Sach­sens waren lan­ge Zeit die größ­te Volks­grup­pe in der Stadt. Die Schwar­ze Kir­che, das alte Rat­haus und die umge­ben­den Häu­ser aus dem Spät­mit­tel­al­ter fes­ti­gen die Charme­of­fen­si­ve der Stadt. Auch wenn ich mitt­ler­wei­le etwas an Reiz­über­flu­tung lei­de und lie­ber wie­der in die Natur möch­te, so gefällt mir die Stadt.

Rathaus von Brașov
Altstadt von Brașov

Der Spaß beginnt

Aber jetzt nichts wie zurück nach Oder­hel­len. Hier ist es eher ange­mes­sen den unga­ri­schen Namen zu zitie­ren »Szé­ke­lyud­var­he­ly«. Wer die­ses Wort aus­spre­chen kann: Respekt! Und hier liegt auch der wah­re Grund mei­ner Rei­se: eine Hoch­zeit. Ich bin auf eine unga­ri­sche Hoch­zeit in Rumä­ni­en ein­ge­la­den. Ich lege also mei­nen Rei­se­ruck­sack zur Sei­te und schlüp­fe in einen schi­cken Anzug. Die­ser passt, viel­leicht auch dank der vie­len Tou­ren der letz­ten Tage, vor­züg­lich.

Hochzeit

Die Fei­er­lich­kei­ten begin­nen am Haus der Braut, wo bei­de Fami­li­en und Freun­des­krei­se auf­ein­an­der tref­fen und der zukünf­ti­ge Ehe­mann die Braut abholt. Etwas abge­le­gen in den Ber­gen fin­det am Nach­mit­tag dann die Trau­ung statt, bevor die Fest­lich­kei­ten Fahrt auf­neh­men. Es man­gelt an nichts. Die Vor­spei­se ver­wechs­le ich auf Anhieb mit dem Haupt­gang, der nur wenig spä­ter den ers­ten Knopf an mei­ner Hose in Bre­douil­le bringt. Wie­so es danach gleich wie­der Essen gibt und das Gan­ze nicht mehr auf­hört? Ich weiß es nicht. Aber als dann gegen Mit­ter­nacht die Hoch­zeits­tor­te ange­schnit­ten wird, will ich eigent­lich nicht mehr. Palin­ka, der unga­ri­sche Schnaps, wird auf dem Tisch wie Was­ser gereicht und schnel­ler nach­ge­füllt, als wir schau­en kön­nen. Im Tanz ver­lie­ren sich dann die Gedan­ken an die­se Rei­se…

Trans­sil­va­ni­en ist defi­ni­tiv lus­tig und span­nend zugleich!

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