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Balearen: alles auf Grün!

Wasser ist kostbar

Machen wir uns nichts vor: die Balea­ren-Inseln äch­zen unter der Wucht des Tou­ris­mus. 13,8 Mio Men­schen haben die Inseln Mal­lorca, Ibiza, Menorca und For­m­en­tera im Jahr 2018 besucht. Dum­mer­weise kom­men sie fast alle gleich­zei­tig, näm­lich in den Som­mer­mo­na­ten. Sie wol­len duschen, am bes­ten 2 mal täg­lich, im Süß­was­ser­pool baden, ein sau­be­res Auto mie­ten, und auf grü­nem Rasen Golf spie­len. Es reg­net sel­ten, der Was­ser­ver­brauch ist enorm. In den Hoch­som­mer­mo­na­ten wer­den die Inseln mit Was­ser aus Tank­schif­fen ver­sorgt. Da hilft es nicht viel, wenn in den Hotels der freund­li­che Hin­weis aus­ge­legt ist, fri­sche Hand­tü­cher nur dann zu bestel­len, wenn es nötig ist.

#Betterinwinter

Des­halb ist ein wich­ti­ger Ansatz zur Ent­las­tung der Inseln #bet­te­rin­win­ter. Mit die­ser Kam­pa­gne wird ganz gezielt dafür gewor­ben, die Inseln im Win­ter zu besu­chen. Ich mache das schon seit Jah­ren, aller­dings aus purem Eigen­nutz: ich liebe Ibiza im Win­ter, wenn die Strände leer sind, die Orte Beschau­lich­keit aus­strah­len und die Natur auf­at­met. Wenn der sen­gen­den Som­mer­hitze kühle Nächte und fri­sche, son­nige Tage bei schöns­tem Licht folgen.

Es Amunts Ibiza
Ibiza, Es Amunts #bet­te­rin­win­ter

Spa­zier­gänge im Mor­gen­tau mit all den wun­der­ba­ren Gerü­chen von Kräu­tern, Har­zen und Nadel­bäu­men, Fahr­rad­tou­ren durch Es Amunts, Schlem­men in klei­nen Restau­rants am Weges­rand die nun den Gast beson­ders herz­lich begrü­ßen und will­kom­men hei­ßen. Die fri­sche Gicht in der Bucht von Ben­ir­ras ein­at­men oder in der Cala Xar­raca ein Buch im Wind­schat­ten der Fel­sen lesen. Für mich gibt es nicht Erhol­sa­me­res als die Balea­ren im Herbst, Win­ter oder Früh­ling. #bet­te­rin­win­ter ist also genau mein Ding. Beson­ders gut kommt die Kam­pa­gne übri­gens bei Deut­schen, Islän­dern und Hol­län­dern an. Die sind umwelt­be­wußt und schät­zen die mil­den Tem­pe­ra­tu­ren, die im Win­ter auch mal bis 20 Grad gehen, erklärt Car­los Bernús, der Tou­ris­mus­chef von Formentera.

Ibiza im Win­ter, Frühnebel

Ses Figueretes, ein Küstenstreifen für die Bürger von Ibiza

Was­ser­man­gel ist auch auf Ibiza ein Thema und es gibt einige gute Ansätze, um die Res­sour­cen zu schüt­zen. So hat die Insel­ver­wal­tung die Infra­struk­tur an der Strand­pro­me­nade von Ses Figuer­etes in Ibiza Stadt erneu­ert und dabei Abwas­ser und Regen­was­ser getrennt. Das soge­nannte „graue Was­ser“, also das Regen­was­ser, wird in den Was­ser­kreis­lauf zurück geführt.

Pro­me­nade von Ses Figueretes

Der Bereich für Fuß­gän­ger wurde ver­grö­ßert, Sport­ge­räte und Bepflan­zun­gen instal­liert und alles leicht zugäng­lich gemacht. Auf dem Asphalt gibt es eine Blin­den­füh­rung und einen Behin­der­ten­zu­gang zum Meer inklu­sive Schwimm­hilfe (Amphi­bi­en­roll­stuhl) für Roll­stuhl­fah­rer. Das Schöne daran: Ses Figuer­etes ist eines jener Vier­tel in Ibiza Stadt wo viele Ein­hei­mi­sche woh­nen. Deren Lebens­qua­li­tät wurde damit deut­lich verbessert.

Pro­me­nade von Ses Figuer­etes, Blindenführung

Ibiza: neue Promenade für San Antonio

Weni­ger über­zeu­gend finde ich den geplan­ten Aus­bau der Bucht von San Anto­nio für rund 20 Mio Euro. San Anto­nio, das ist der Bal­ler­mann von Ibiza, der Ort, wo gefei­ert wird bis der Arzt kommt, wo sich betrun­kene Eng­län­der vom Bal­kon in den Pool stür­zen, wo kaum ein Laden, eine Bar oder ein Restau­rant­be­sit­zer Spa­nisch spricht.

Ein Teil der Bucht besteht heute noch aus Natur­stein. Die­ser soll nun umge­baut wer­den zu einer Pro­me­nade. Wäre das Geld nicht bes­ser inves­tiert in eine Müll­tren­nungs­an­lage oder in eine moderne Klär­an­lage frage ich mich. Die alte Klär­an­lage sei tat­säch­lich total marode, räumt Elena López vom Insel­rat Ibiza ein. Eine neue sei immer­hin im Bau, wann sie aber fer­tig werde könne man noch nicht absehen.

See­gras im Vor­der­grund, Natur­strand von Formentera

Seegras unter Schutz: es produziert Sauerstoff und bindet CO2

Toll finde ich das Pro­jekt zum Schutz der Posi­do­nia Ocea­nica. Das See­gras ist eine der wich­tigs­ten Sau­er­stoff­quel­len für die Küs­ten­ge­wäs­ser. Es pro­du­ziert im Mit­tel­meer täg­lich rund 14 bis 20 Liter Sau­er­stoff pro Qua­drat­me­ter.  Aber damit nicht genug: ein däni­sches Team von Wis­sen­schaft­lern hat her­aus­ge­fun­den, dass eine See­gras­wiese von der Grösse 1 Hekt­ars in der Lage ist, die selbe Menge an Koh­len­di­oxyd zu spei­chern wie ein ca.10 Hektar gros­ses Wald­ge­biet. Ins­ge­samt über­steigt ihre CO2-Spei­cher­ka­pa­zi­tät sogar die der Mangrovenwälder.

Bei Tou­ris­ten ist das See­gras eher unbe­liebt, vor allem wenn es an den Strand treibt. Des­halb wurde es in den letz­ten 60 Jah­ren rigo­ros ent­fernt und ent­sorgt.  Damit ist jetzt Schluß, aus gutem Grund: auch wenn es schon braun und mode­rig am Strand liegt dient es noch dem Öko­sys­tem: im Win­ter hält es die starke Bran­dung in Schach und schützt den Strand davor, abge­tra­gen zu wer­den. Mit dem Gesetz zum Schutz der See­gras­wie­sen darf es neu­er­dings nur noch ört­lich begrenzt und kon­trol­liert ent­fernt wer­den. See­gras­plätze wur­den kar­to­gra­fiert und Yach­ten dür­fen dort nicht mehr ankern.  Das Gesetz  gilt für alle Baleareninseln.

Ich finde ziem­lich beein­dru­ckend was Posi­do­nia alles kann und werde in Zukunft kein lan­ges Gesicht mehr zie­hen wenn ich die brau­nen ver­mo­dern­den Blät­ter am Strand sehe. Für mich hat das See­gras einen Image­wan­del voll­zo­gen: kein läs­ti­ges Bei­werk mehr, son­dern Klimaretter.

Dorf­platz in For­m­en­tera, die Ruhe selbst

Formentera: E‑Mobility

Auf For­m­en­tera drückt mir Car­los Bernús Blanch, Direk­tor für Tou­ris­mus­fö­rerung, einen Auf­kle­ber in die Hand „Save Posi­do­nia Pro­ject“. Das See­gras, sagt Bernús, pro­du­ziere so viel Sau­er­stoff wie auf Ibiza und For­m­en­tera zusam­men geat­met werde. Fragt sich nur zu wel­cher Jah­res­zeit, wird doch im Som­mer deut­lich mehr geat­met auf den Balearen.

Car­los redet nicht nur blitz­schnell, er mag auch schnelle Ent­schei­dun­gen. Und weil For­m­en­tera eine kleine Insel ist pur­zeln hier die Beschlüsse, für die man sich anderswo jah­re­lang win­det. Zum Bei­spiel die Auto­flotte: bis Januar 2020 soll sie zu 100% aus Elek­tro-Autos oder Hybrid­fahr­zeu­gen bestehen. Das Laden von Ener­gie für die E‑Fahrzeuge ist auf For­m­en­tera gra­tis. Steu­er­frei­heit gibt zusätz­li­che Anreize, sich für Elek­tro-Mobi­li­tät zu ent­schei­den. For­m­en­tera hat – man höre und staune- euro­pa­weit die größte Dichte an Elek­tro­la­de­stel­len. What? Kann das sein? Car­los zwin­kert. Jawoll, wirk­lich wahr. Bemes­sen an der Ein­woh­ner­zahl und den Qua­drat­me­tern. Die Insel ist 83 qm klein und hat etwa 13.000 Einwohner.

Die Anzahl der Autos mit Ver­bren­nungs­mo­tor, die mit der Fähre rüber kom­men dür­fen, ist neu­er­dings auch begrenzt. Elek­tro-Autos dür­fen immer fah­ren. Das sind doch lau­ter gute Ansätze auf einer klei­nen Insel. So setzt man Zei­chen, denke ich. Ähn­lich wie bei Costa Rica, die­ses kleine Land in Zen­tral­ame­rika, staune ich, wie­viel allein der Wille zur Ver­än­de­rung bewir­ken kann. Costa Rica ist übri­gens inzwi­schen CO2 neutral.

Herbst­land­schaft auf Ibiza

Wer ist der Nachhaltigste im ganzen Land?

Ich finde, dass die­ser Wille zur Ver­än­de­rung das eigent­lich Aus­schlag­ge­bende ist. Das sieht nicht jeder so. Wäh­rend einer Pres­se­kon­fe­renz zum Thema Nach­hal­tig­keit auf Mal­lorca unter­bricht ein deut­scher Kol­lege abrupt den Vor­trag zur Nach­hal­tig­keit jäh und fragt mit dem Charme eines preus­si­schen Gene­rals: Warum erst jetzt? Warum fan­gen Sie jetzt erst an mit den Ver­än­de­run­gen? Pein­lich deutsch, voll auf die Zehn, denke ich. Und das bei unse­rer eige­nen mie­sen Kli­ma­bi­lanz. Ist doch der CO2 Fuß­ab­druck bei uns fast dop­pelt so groß wie im Durch­schnitt der G20 Län­der. Und mal ehr­lich: wie weit sind wir denn mit Elek­tro­mo­bi­li­tät? Kein Grund also, den wil­den Mann zu spielen.

Mein Fazit ist: nicht über­all wo Nach­hal­tig­keit drauf steht ist auch Nach­hal­tig­keit drin. Weder in Deutsch­land noch auf den Balea­ren. Wich­tig ist: es bewegt sich etwas. Und jeder noch so kleine Schritt in Rich­tung Natur- und Res­sour­cen­schutz, Nach­hal­tig­keit und Umwelt­be­wusst­sein ist  ein gro­ßer und längst über­fäl­li­ger Schritt für uns Alle.

 

 

Cate­go­riesSpa­nien
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Gitti Müller

Mein erster Anfall von Fernweh hat mich 1980 ein Jahr lang als Backpackerin nach Südamerika geführt. Damals wog so ein Rucksack noch richtig viel und das Reisen war beschwerlich. Seitdem kann ich es einfach nicht lassen. Heute habe ich vor allem einen Laptop und meine DSLR im Gepäck. Als Fernseh-Journalistin und Ethnologin komme ich viel rum aber in Lateinamerika fühle ich mich einfach wie zu Hause. Damit ich auch in abgelegenen Andenregionen ein Schwätzchen mit den Leuten halten kann habe ich die Indianersprachen Aymara und Quechua gelernt.
Im Mai 2017 hat der Piper-Verlag mein Buch "Comeback mit Backpack - Eine Zeitreise durch Südamerika" herausgebracht (ISBN-10: 3890291422, 272 Seiten mit Fotos) Es erzählt von meinen Reisen in analogen und in digitalen Zeiten.

  1. Berta Heike says:

    Es ist wirk­lich ange­nehm, leicht und inter­es­sant Ihre Bei­träge zu lesen :) wei­ter so! Ich werde Ihren Blog mei­nen Kol­le­gen empfehlen.

    MfG Berta Heike

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