Vie­le Urlau­ber besu­chen nur den Süden Zyperns. Den tou­ris­ti­schen Teil. Den Teil, wo das Essen bri­tisch ist und die Men­schen Eng­lisch wie eine zwei­te Mut­ter­spra­che spre­chen. Den Teil, wo die Grie­chen über die Tür­ken schimp­fen. Ich will auch mal die Tür­ken über die Grie­chen schimp­fen hören und mache mich auf in den Nor­den.

Ein Bus bringt mich von Paphos nach Nico­sia, der in Süden und Nor­den geteil­ten Haupt­stadt Zyperns. Die Alt­stadt ist voll­ge­stopft mit Sou­ve­nir­lä­den, in denen grin­sen­de Ver­käu­fer Tou­ris­ten süße Spe­zia­li­tä­ten auf­schwat­zen. Abseits des Tru­bels sto­ße ich auf wun­der­schö­ne Ein­fa­mi­li­en­häu­ser, eini­ge davon zur Hälf­te ver­fal­len, und auf den beein­dru­cken­den Palast des Erz­bi­schofs.

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Nico­sia wirkt so nor­mal, dass die Vor­stel­lung, durch das Herz der Stadt ver­lau­fe eine Gren­ze, ver­schwimmt. Gut, immer­hin erspä­he ich vom Obser­va­to­ri­um des Sha­co­las Turms aus eine mons­trö­se Moschee auf der ande­ren, der tür­ki­schen Sei­te, und sehe eine zyprio­ti­sche neben einer tür­ki­schen Flag­ge wehen, aber trotz­dem. Wo soll die Gren­ze ver­lau­fen? Laut Plan am Ende der Ein­kaufs­stra­ße Ledra Street.

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Gespannt zie­he ich mei­nen Kof­fer durch die stink­nor­ma­le Stra­ße mit den übli­chen Kla­mot­ten­lä­den, Cafés und Damen mit Hand­ta­schen überm Arm, deren Augen die Schau­fens­ter nach Schnäpp­chen abja­gen. Dann ist sie da. Die Gren­ze. Ein klei­nes Schild weist auf die letz­te getrenn­te Haupt­stadt der Welt hin, wäh­rend in einem Kabäuz­chen ein grie­chisch zyprio­ti­scher Poli­zist auf mei­nen Aus­weis war­tet.

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Nach weni­gen wei­te­ren Schrit­ten ste­he ich vor der tür­kisch zyprio­ti­schen Poli­zei. Der Über­gang geht run­ter wie Eis – der Per­so­nal­aus­weis reicht, einen Stem­pel in den Pass gibt es schon lan­ge nicht mehr. Immer­hin wur­de schon 2003 die Gren­ze ‚geöff­net‘, was heißt, dass die Zyprio­ten erst­mals selbst ein­fach von Nor­den nach Süden und umge­kehrt gehen durf­ten. Mitt­ler­wei­le arbei­ten vie­le Nord­zy­prio­ten im Süden, um in Euro zu ver­die­nen, sodass für sie die Gren­ze, soge­nann­te ‚Green line‘ oder UN Buf­fer­zo­ne, Teil ihres täg­li­chen Arbeits­we­ges wird.

Jedoch ist der Über­gang nicht für alle leicht, wie ich von Rifat erfah­re, der mich auf mei­nen Ein­trag bei Couch­sur­fing hin ange­schrie­ben hat und sich anbie­tet, mir eini­ge Tage lang sein Hei­mat­land zu zei­gen. Zwar sei er in Zypern groß­ge­wor­den, doch sei­ne Eltern sei­en 1975, ein Jahr nach der tür­ki­schen Inter­ven­ti­on in Nord­zy­pern, von Ana­to­li­en nach Nord­zy­pern gekom­men. Noch immer wer­de er als ‚Tür­ke‘ abge­stem­pelt, der nicht die glei­chen Rech­te wahr­neh­men dür­fe wie die ‚ech­ten‘ Nord­zy­prer. „Oft wer­de ich an der Gren­ze ange­hal­ten, sie wol­len mich als Tür­ken nicht durch­las­sen“, erzählt er ver­bis­sen, dabei ken­ne er sein Land bes­ser als man­cher, der einen nord­zy­pri­schen Pass in der Tasche habe.

„Grie­chi­sches Was­ser!“

Über einem Joghurt­drink, Ayran, ler­nen Riaft und ich uns in der wun­der­schö­nen Büyük Han, der größ­ten Kara­wan­se­rei Zyperns, bes­ser ken­nen. Im Her­zen des offe­nen Hofes mit Cafés und Restau­rants befin­det sich eine klei­ne Moschee mit einem Brun­nen für vor­ge­bet­li­che Rei­ni­gung.

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Ich füh­le mich wie in einer ande­ren Welt, dabei bin ich nur weni­ge Schrit­te vom grie­chi­schen Zypern ent­fernt. Kaum einer spricht noch Eng­lisch, nicht ein­mal in dem Café, sodass ich dank­bar für Rifats Über­set­zung bin. Im Bede­stan, dem wich­tigs­ten his­to­ri­schen Monu­ment Nord-Nico­si­as, einst eine Kir­che und heu­te Kul­tur­büh­ne, wer­den wir zufäl­lig Zeu­gen eines wir­beln­den Der­wisch­tan­zes. Der spi­ri­tu­el­le Tanz schwört den Illu­sio­nen des Egos ab und strebt Nähe zu Gott an. Der älte­re der bei­den Tän­zer been­det die Zere­mo­nie mit den Wor­ten „Komm, komm, wer immer du auch bist. Wan­de­rer, Gläu­bi­ger, Gelieb­ter des Abschieds. Es spielt kei­ne Rol­le. Die unse­re ist kei­ne Kara­wa­ne der Ver­zweif­lung. Komm, auch wenn du dein Gelüb­de tau­send Mal gebro­chen hast. Komm wie­der, komm, komm.“

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Unser Stadt­rund­gang führt an vie­len otto­ma­ni­schen Traum­häu­sern vor­bei, von denen die meis­ten nun leer ste­hen und dem Ver­fall über­las­sen sind. „Poli­tik!“ Die meis­ten Nord­zy­prio­ten woll­ten nicht in Nico­si­as Alt­stadt woh­nen, sie gehö­re den Tür­ken, vor denen sie Angst hät­ten. Bei vie­len Häu­sern weiß man nicht mal, wem sie gehö­ren.“

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Immer wie­der teilt Sta­chel­draht­zaun den Blick ent­zwei, dar­an bau­meln rote Schil­der mit schwar­zen Let­tern ‚Ver­bo­te­ne Zone‘ in ver­schie­de­nen Spra­chen – Mili­tär­zo­nen. Plötz­lich wird mir die Gegen­wart der Gren­ze, die an den Traum­strän­den Süd­zy­perns so weit weg schien, wie­der schmerz­haft bewusst.

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Und dann ste­hen wir am Gra­ben zwi­schen Süd und Nord, der grü­nen Linie, in deren Mit­te ein lee­rer UN-Über­wa­chungs­pos­ten thront. Wir machen Halt vor einer Rei­he far­bi­ger otto­ma­ni­scher Häu­ser mit Blick auf die­sen grü­nen Gra­ben.

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Hin­term Sta­chel­draht­zaun liegt der grie­chi­sche Teil mit dem Ledra Palace Hotel, der zwei­ten offi­zi­el­len Gren­ze inner­halb Nico­si­as. „In den 90er Jah­ren, als wir in der High School waren, sind wir immer hier­her­ge­kom­men und haben rüber nach Grie­chen­land geguckt“, berich­tet Rifat. „Alle Häu­ser dort waren vol­ler Sol­da­ten mit Geweh­ren, die uns blöd ange­schaut haben, und wir haben zurück­ge­starrt. Mehr kann­ten wir nicht vom Süden.“ Foto­gra­fie­ren ist an vie­len Stel­len unter­sagt und Rifat warnt mich, bloß kei­ne Fotos von mili­tä­ri­schen Ein­rich­tun­gen zu schie­ßen.

Ich ver­ar­bei­te noch mei­ne Ein­drü­cke von die­sem getrenn­ten Zypern, als wir am Abend fast mit den Füßen im Meer auf unser Abend­essen in einem Restau­rant in Gir­ne, grie­chisch Kyre­nia, war­ten. Als ich am Ende den Rest mei­nes teu­er bezahl­ten Was­sers in mei­ne noch halb­vol­le Fla­sche aus dem Süden lee­ren will, schreit Rifat ent­setzt auf: „Grie­chi­sches Was­ser, du kannst das doch nicht mischen!“ Die erwar­te­te Explo­si­on bleibt jedoch aus.

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The Queen of my cast­le

In Nord­zy­pern wer­de ich zum Schloss-Jun­kie. Es beginnt am Gir­ne Cast­le, das neben einer Traum­aus­sicht über die Bucht mit einem Dun­ge­on und Schiff­wrack­mu­se­um auf­war­tet. Als ich hin­ein­schlen­de­re, quetscht sich ein gro­ßer Hund an mir vor­bei, der mich beim rest­li­chen Schloss­be­such beglei­tet.

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Danach bringt mich Rifat zum Alaga­di Strand, wo die glei­chen Käfi­ge zum Schutz von Schild­krö­ten­ei­ern ste­hen wie am Lara Beach in Süd­zy­pern. Wie am Vor­tag plau­dert mein neu­er Freund drauf­los, erzählt von sei­nem Stu­di­um und Lieb­lings­leh­rer, nach des­sen Mot­to er noch immer lebt: „Du brauchst kein Geld zu ver­die­nen, ver­dien den Respekt der Men­schen.“

Als Nächs­tes steht das Buf­fa­ven­to Schloss im Pen­tad­ak­ty­los Gebir­ge auf Rifats Lis­te der Must-dos, vor des­sen Besuch wir uns im roman­ti­schen, otto­ma­nisch ein­ge­rich­te­ten Buf­fa­ven­to Restau­rant mit tür­ki­scher Hall­o­u­mi­kä­se-Piz­za und Salat stär­ken.

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Immer wie­der über­rascht es mich, dass der Nor­den Zyperns sei­ne kul­tu­rel­len Wur­zeln sogar beim Essen unter Beweis stellt, wäh­rend im Süden jedes halb­grie­chi­sche Essen mit Jacket pota­to oder Pom­mes ver­un­stal­tet wird. Vom eins­ti­gen Buf­fa­ven­to Schloss, wobei buf­fa­ven­to ‚kei­ne Angst vor dem Wind‘ bedeu­ten soll­te, ist nur noch eine Rui­ne übrig, die sich auf einem Berg­wip­fel in die Fel­sen schmiegt und nach zwan­zig­mi­nü­ti­ger Kra­xe­lei über eine stei­le Trep­pe zu errei­chen ist.

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Buf­fa­ven­to ist eins der drei Schlös­ser des Pen­tad­ak­ty­los Gebir­ges, neben Kant­a­ra und St.Hilarion, die im 10. Jahr­hun­dert zum Schutz vor Angrif­fen der Ara­ber erbaut wur­den. Der Blick reicht bis zu einem Berg mit fünf soge­nann­ten Fin­gern, die Rifat mit ver­schmitz­tem Lächeln betrach­tet. „Laut Legen­de duel­lier­ten zwei Riva­len um eine Frau. Der Böse von ihnen betrog sei­nen Freund und schlug ihn. Ster­bend streck­te der sei­ne Hand nach der Gelieb­ten aus. Die Hand ragt bis heu­te aus dem Berg.“

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Zu Abend wird fein im Restau­rant des mons­trö­sen 5‑S­ter­ne-Hotels Cra­tos in Gir­ne geges­sen, Fisch vom Feins­ten. Dass das bom­bas­ti­sche Hotel und Casi­no mit meh­re­ren far­big beleuch­te­ten Pools und jeder Men­ge luxu­riö­ser Zim­mer angeb­lich von der Mafia betrie­ben wird, stört nie­man­den.

Nord­zy­perns letz­te Wild­nis

End­lich! Der Tag ist gekom­men, an dem wir nach Kar­paz fah­ren, die lan­ge Halb­in­sel hin­auf, die wie eine Mes­ser­schei­de in Rich­tung Syri­en zeigt. Sie gilt als letz­te Wild­nis Zyperns und steckt vol­ler wil­der Esel und unbe­rühr­ter Natur – obwohl auch die­ses Para­dies brö­ckelt. „Vor ein paar Jah­ren wur­den die Schot­ter­stra­ßen asphal­tiert, nun gibt es über­all Elek­tri­zi­tät.“ Dass die­se Moder­ni­sie­run­gen wei­te­re mit sich brin­gen wer­den und damit unwei­ger­lich mehr Besu­cher, steht außer Fra­ge. Doch das Kar­paz, das ich noch erle­ben darf, ist genau­so urig, wie ich es mir vor­ge­stellt habe.

Bevor wir das Kant­a­ra Schloss besu­chen, hat Rifat noch eine Über­ra­schung für mich. Wir fah­ren plötz­lich von der Haupt­stra­ße ab und fol­gen dem Schild ‚Minia Cyprus Muse­um‘. Vor einem klei­nen Klos­ter befin­den sich Minia­tur­mo­del­le aller wich­ti­gen Moscheen, Schlös­ser und wei­te­rer Gebäu­de Zyperns, doch dies ist nicht alles: Seit Kur­zem wer­den auch Aus­gra­bun­gen unter­nom­men, laut dem auf­ge­regt schwat­zen­den Muse­ums­lei­ter von einer ‚Wei­ßen‘. „Muss eine Eng­län­de­rin sein“, mut­maßt Rifat.

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Der klei­ne Mann zeigt uns eini­ge Löcher im Boden, unter denen sich Schät­ze aus der byzan­ti­ni­schen Zeit ver­ber­gen sol­len, dar­un­ter ein zur Hälf­te aus­ge­gra­be­nes Kirch­lein aus dem 8. Jahr­hun­dert vor Chris­tus. „Du bist eine der Aller­ers­ten, die die­sen Ort besucht“, sagt Rifat stolz, denn er habe erst vor zwei Wochen für Besu­cher geöff­net. „Oft fin­den Bau­ern archäo­lo­gi­sche Fun­de auf ihrem Land und schar­ren sie schnell zu, damit ihnen nie­mand das Land weg­nimmt.“

Vorm Kant­a­ra Schloss begrüßt uns eine Hor­de Kat­zen, die gedul­dig war­tet, wäh­rend wir die Schloss­rui­nen durch­strei­fen. Die­ses Mal geht es nicht ganz so steil hin­auf wie beim Buf­fa­ven­to Schloss, doch die Aus­sicht lässt eben­falls nicht zu wün­schen übrig – über die wei­te, durs­ti­ge Land­schaft der Kar­paz-Halb­in­sel.

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Nach vie­len Strei­chel­ein­hei­ten für die Kat­zen geht es dort­hin wei­ter. Die Stra­ße wird immer men­schen­lee­rer, das Meer blau­er, die Wel­len, die gegen die Klip­pen rol­len, wil­der. Bald ist außer uns nie­mand mehr unter­wegs, als Rifat grunzt: „Komisch, ich glau­be, wir haben fast kein Ben­zin mehr!“ Ich hal­te das für einen Witz, doch sein besorg­ter Aus­druck weicht kei­nem erleich­ter­ten Lachen. „Sor­ry, ich habe ver­ges­sen, heu­te früh zu tan­ken.“ Ich sehe mich das Auto schon kilo­me­ter­weit durch die Wild­nis schie­ben, doch Rifat winkt ab. Er habe über­all Kon­tak­te, es wer­de schon jemand kom­men und uns hel­fen. Noch reicht das Ben­zin bis zum nächs­ten Dorf, wo uns ein Bau­er von sei­nem Trak­tor die Rich­tung zur nächs­ten Tank­stel­le weist. Mit Mühe schaf­fen wir es bis dort­hin.

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„Hier leben vie­le Leu­te aus dem Dorf Eren­köy“, beginnt Rifat mit einer wei­te­ren Legen­de. „Die­se Leu­te sind ver­ru­fen, weil sie die Frau von Richard Löwen­herz ver­ge­wal­tigt haben sol­len. Des­we­gen ist er mit sei­nen Trup­pen bei uns ein­ge­fal­len – nur des­we­gen!“ Die­se ‚his­to­ri­sche Bege­ben­heit‘ fin­de sich natür­lich in kei­nem Geschichts­buch. Das nächs­te grö­ße­re Dorf ist Dipkar­paz, von dort geht es wei­ter die Küs­te ent­lang, vor­bei an vie­len klei­nen Bun­ga­lows mit Mee­res­blick, vor denen Ein­hei­mi­sche ihre Feri­en genie­ßen.

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Bevor ich mich auf Gol­den Sands, einem kilo­me­ter­lan­gen Strand hin­ter den Dünen, in die Wel­len wer­fen darf, fah­ren wir bis zum Apos­to­los Andre­as Klos­ter durch. Seit zwei Jah­ren im Umbau, kann es nicht besucht wer­den, doch ich gön­ne mir einen Schluck des hei­li­gen Was­sers, für das eini­ge weni­ge Tou­ris­ten Schlan­ge ste­hen. Nach dem Klos­ter geht es noch ein Stück wei­ter über eine holp­ri­ge Staub­stra­ße, bevor wir an Zyperns Ende ste­hen, dem ein paar klei­ne Inseln vor­ge­la­gert sind – Para­die­se für Vögel.

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Auf dem Rück­weg Rich­tung Gol­den Sands steckt immer wie­der der eine oder ande­re neu­gie­ri­ge Esel den Kopf ins Auto. All­mäh­lich fut­tern sich die Tie­re durch den Pro­vi­ant, der unser Lunch sein soll­te.

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Geis­ter der Ver­gan­gen­heit

Als letz­te der drei einst zur Ver­tei­di­gung gegen die Ara­ber erbau­ten Befes­ti­gungs­an­la­gen bleibt uns die Rui­ne St. Hila­ri­on ober­halb von Gir­ne. Auf 732 Metern belohnt uns ein gut­aus­se­hen­der Rit­ter aus Eisen mit einem char­man­ten Lächeln.

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Danach fah­ren wir durch die Ber­ge bis zum Wrack eines tür­ki­schen Pan­zers, der dort 1974 beim Kampf mit den Grie­chen stran­de­te. Legen­den besa­gen, dass er nur dort ste­cken­blieb, weil er den gan­zen Weg vom Meer die Ber­ge hoch­ge­kom­men war, stark und mutig, wie die Tür­ken nun mal waren.

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Mei­ne Rei­se durch Nord­zy­pern endet mit einem High­light – dem Besuch Fama­gus­tas, wo die Tür­ken 1974 lan­de­ten. Ich den­ke wie­der an mei­nen Fah­rer Mika­el, der für die grie­chi­sche Armee als Zwan­zig­jäh­ri­ger an Land stand und „ran like hell“, als sie die tür­ki­schen Schif­fe übers Meer kom­men sahen. Nun bekom­me ich einen Ein­blick von der Nord­sei­te. Mein Herz schlägt schnel­ler, als wir uns der Varo­sha nähern, jenem Vier­tel Fama­gus­tas, das heu­te gemein­hin als ‚Geis­ter­stadt‘ bezeich­net wird. Da es ein beson­ders rei­ches Vier­tel war, vol­ler Casi­nos, Hotels und rei­cher Bewoh­ner, umzäun­ten die Tür­ken es gleich nach ihrer Inter­ven­ti­on und erklär­ten es zur mili­tä­ri­schen Zone, in die kei­ner der ehe­mals grie­chi­schen Bewoh­ner zurück­keh­ren durf­te. War­um? „Poli­tik!“, erklärt Rifat. „Es hät­te noch mehr Streit zwi­schen Tür­ken und Grie­chen gege­ben, wenn die Tür­ken die­ses Vier­tel genutzt hät­ten, also ließ man es brach­lie­gen.“ Er selbst habe wäh­rend sei­ner Wehr­pflicht das Inne­re der toten Stadt besucht und man­ches Haus gesäu­bert, sodass die Sol­da­ten dort schla­fen konn­ten, aber im Grun­de sei das Gelän­de voll­kom­men über­wu­chert und von Schlan­gen über­sät. Ent­lang des Mee­res zie­hen sich die hohen, zum Teil zer­fal­le­nen Geis­ter­häu­ser, land­ein­wärts sieht es noch schlim­mer aus.

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Rifat fährt den Strei­fen mit mir ab. Auf den ers­ten Blick han­delt es sich um eine ganz nor­ma­le Stra­ße – rechts spie­len vor Ein­fa­mi­li­en­häu­sern Kin­der und Hun­de streu­nen umher. Doch auf der lin­ken Stra­ßen­sei­te zer­fal­len hin­ter einem bestimmt drei Meter hohen Sta­chel­draht­zaun eins­ti­ge Traum­häu­ser, aus deren Fens­tern Gestrüpp und Kak­teen­pflan­zen quel­len. Über­all hän­gen ‚Foto­gra­fie­ren ver­bo­ten‘ Schil­der. Nie war mir die Tren­nung Zyperns und sei­ne Ver­gan­gen­heit bewuss­ter als in die­sem Moment, als ich das vor über 40 Jah­ren ste­hen­ge­blie­be­ne Leben von Varo­sha vor mir sehe. Nir­gends ist Zyperns jüngs­te Geschich­te greif­ba­rer als an die­sem Ort – auf der einen Sei­te das moder­ne Leben, das wei­ter­ge­gan­gen ist, auf der ande­ren Sei­te der Zer­fall, gene­riert von einer Unei­nig­keit zwi­schen Grie­chen und Tür­ken, die bis heu­te kei­ne Lösung gefun­den hat. Ich ver­ste­he plötz­lich die Abscheu der grie­chi­schen Bevöl­ke­rung vor den Tür­ken, begrei­fe jedoch auch, dass die heu­ti­ge Gene­ra­ti­on eins­ti­ger Tür­ken, wie Rifat, sich nichts sehn­li­cher wünscht als eine Eini­gung des Lan­des. „Ich möch­te den Süden ken­nen­ler­nen, ein­fach dort­hin rei­sen und mei­ne Freun­de besu­chen.“

Der Abschied von Zypern und Rifat fällt mir schwer. Am letz­ten Tag ler­ne ich sei­ne Eltern ken­nen, die mir Saft und haus­ge­mach­tes Fla­den­brot ser­vie­ren und mich von den köst­li­chen Fei­gen, die in ihrem Gar­ten wach­sen, kos­ten las­sen. Tür­ki­sche Gast­freund­schaft vom Feins­ten.

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Bis zum letz­ten Moment weiß ich nicht, wie ich recht­zei­tig zum Flug­ha­fen nach Lar­na­ca kom­men soll, da es eine direk­te Ver­bin­dung zwi­schen Nor­den und Süden nicht gibt, man stets in Nico­sia umstei­gen, die Gren­ze pas­sie­ren und dann einen ande­ren Bus neh­men muss. Doch Rifat hat vor­ge­sorgt. Einer sei­ner Bekann­ten, der mit Frau und Fami­lie in den Süden möch­te, fährt mich bis zum Flug­ha­fen Lar­na­ca. Kos­ten: null Euro. In weni­ger als einer Stun­de bin ich am Flie­ger, zurück in Grie­chen­land. Die Leu­te spre­chen wie­der Grie­chisch und Eng­lisch, die Grie­chen rümp­fen wie­der die Nase über die Tür­ken. Und ich, ich bin dank­bar, dass ich als Außen­sei­te­rin Zypern ein­fach nur lie­ben darf – den Süden und den Nor­den, mit sei­nen Grie­chen und sei­nen Tür­ken, die eins ganz bestimmt gemein­sam haben: umwer­fen­de Gast­freund­schaft.

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Antworten

  1. Avatar von Georgios
    Georgios

    Hal­lo Ber­na­dette,

    vie­len lie­ben Dank für dei­nen Rei­se­be­richt. Es hat Spaß gemacht ihn zu lesen.
    Hof­fent­lich hast du noch viel mehr Gele­gen­hei­ten mei­ne Hei­mat zu besu­chen.

    Vie­le lie­be Grü­ße,
    Geor­gi­os

    1. Avatar von Bernadette

      Vie­len Dank, Geor­gi­os, und das hof­fe ich auch 🙂
      Vie­le Grü­ße
      Ber­na­dette

  2. Avatar von Bernadette

    Hal­lo Micha­el und San­dra,

    vie­len Dank 🙂 Stimmt, Zypern ist wirk­lich sehr viel­sei­tig, genau das fand ich dort so span­nend. Habe gera­de schon mal einen Blick in euren Blog gewor­fen und wer­de noch öfter wie­der­kom­men – tol­le Berich­te, und ich sehe, ihr wart auch auf den Fidschi-Inseln. Fidschi ist letz­tes Jahr zu einem mei­ner Lieb­lings­län­der gewor­den 🙂

    Vie­le Grü­ße
    Ber­na­dette

  3. Avatar von One Million Places

    Schö­ne Bil­der und ein schö­ner Bei­trag 🙂

    Zypern zu erkun­den hat uns rich­tig gut gefal­len. Die Insel ist sehr viel­sei­tig, sowohl im Nord­teil als auch im Süd­teil.

    Hier sind unse­re Rei­se­be­rich­te und wir wür­den uns natür­lich über einen Gegen­be­such sehr freu­en: https://one-million-places.com/reiseberichte/europa/zypern

    Vie­le Grü­ße
    Micha­el & San­dra

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