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Lombok lag als Ziel schon länger vor meinem inneren Auge. Dreieinhalb Jahre zuvor hatte ich am Strand von Gili Trawangan gelegen und sehnsüchtig auf die Insel geblickt, die vom Vulkanmassiv des Rinjani gekrönt wird. Doch meine Reise war damals kurz vor ihrem Ende. Es war wie so oft: Ich musste zurück, obwohl ich noch so viel mehr sehen wollte, und schwor mir, wiederzukommen.
Als ich Lombok erreichte, lagen sechs Monate in Indien hinter mir, viereinhalb davon hatte ich im Himalaya verbracht. Ich hatte Pässe bezwungen, war in entlegene Winkel vorgestoßen und hatte endlose Busfahrten auf mich genommen. Ich hatte Einsamkeit ausgestanden und immer neue Grenzen eingerissen. In Varanasi hatte mich die Mail von Abdul erreicht, der überlegte, mich in Asien zu besuchen. Ich stellte ihm Sri Lanka, die Philippinen und Indonesien zur Wahl. Seine Wahl fiel auf Indonesien. Die verbliebenen 10 Tage nutzte ich, um die über 4000 Kilometer bis nach Kerala im Süden Indiens vorzustoßen und einen für mich ganz wichtigen Ort in Goa zu besuchen. Lange Zeit war dies mein Ankerplatz:
Nun war ich auf der Suche nach einem neuen Hafen.
Der Maniker borgt vom Morgen, sagte mir kürzlich ein Freund. Als ich Bali erreichte, hatte ich bereits einen gehörigen Kredit aufgenommen; was nun folgen sollte, knüpfte genau da an. Eigentlich sprach alles dafür, alle viere von mir zu strecken und mir eine wohlverdiente Auszeit an einem Palmenstrand zu gönnen. Dagegen sprachen 14 Tage. So lange würden Abdul und mir gemeinsam bleiben. Also fuhren wir direkt mit der Fähre von Padangbai nach Lembar an der Südwestküste Lomboks. Von dort aus reisten wir weiter nach Kuta, ganz im Süden der Insel. Ich nahm den Ort zunächst nur auf der Durchreise wahr. Die zwei Tage vergingen wie im Flug. Wir erkundeten die Küstenstraßen östlich und westlich auf Scootern und waren überzeugt, dass es sich lohnen musste, allein hier zwei Wochen zu verbringen.
Abdul blickt versonnen auf die zauberhafte Bucht von Mawun; der Baba steht Kopf…
Ich wollte noch einmal zurückkehren, um dieses wunderbare Fleckchen Erde ausgiebig zu erkunden. So ließ ich meinen großen Rucksack in unserem gemütlichen Homestay. Meine Intuition sollte mich nicht im Stich lassen.
Die 14 Tage hatten wir genutzt, um den Rinjani zu besteigen und eine epische Bootsfahrt nach Sumbawa, Komodo, Rinca und Flores zu unternehmen. Wir hatten die zwei Wochen vollständig ausgereizt. Nach einem weiteren Abstecher auf Gili Trawangan, war ich glücklich darüber, wieder nach Lombok zurückzukehren. Alle Welt fuhr nach Trawangan, um es für Neujahr richtig krachen zu lassen. Ich schien der einzige Tourist zu sein, der die Insel verließ. Der Gedanke gefiel mir. Endlich kroch ich wieder aus dem Touristenkokon heraus.
Meine Rückkehr zum Diyah Homestay sorgte zunächst für etwas Konfusion. Nachdem ich mich der langen Haare und des Bartes entledigt hatte, war ich nicht wiederzuerkennen. Erst ein Foto von mir in alter Pracht sorgte für Klarheit.
Den Silvesterabend verbrachte ich zu ausgezeichneter Musik in einer kleinen Bar am Strand. Ich begrüßte das neue Jahr tanzend. Ich bereute keine Sekunde, Trawangan verlassen zu haben. Ich mochte im Moment ein wenig einsam sein. Aber ich fühlte mich befreit. Ich konnte atmen. Es roch nach Abenteuer.
Von Anfang an begeisterten mich die Freundlichkeit der Sasak und die reiche Natur der Insel. Die täglichen Fahrten auf dem Scooter versetzten mich in einen Rausch. Durch den Dschungel und entlang der wunderschönen Buchten und Stränden zu fahren, die von wilden, felsigen Steilküsten eingerahmt werden, war niemals ermüdend.
Ich genoss die totale Freiheit, dorthin zu fahren, wo immer es mir beliebte. Häufig erkundete ich neue Strecken, wagte mich auf tückische Pisten. Ich folgte nur meinem Instinkt. Manchmal hörte ich Musik oder sang aus vollem Herzen. Ich habe mich niemals so wild und frei gefühlt wie in den Wochen auf diesem atemberaubenden Eiland, das von der Macht der Vulkane, der Urgewalt des Ozeans, den rauen Stürmen und dem Monsun immer neu geformt wird. Die Insel ist reich an Ressourcen, Kunsthandwerk, edlen Stoffen, Mineralien, Früchten und Gewürzen. Im Inselinnern gedeiht der Dschungel. Wasserbüffel ziehen noch immer die meisten Pflüge. Mit ausgeklügelter Landschaftsarchitektur haben die Sasak Reiskulturen geschaffen, die in ihrer Pracht der natürlichen Schönheit der Insel kaum nachstehen.
Die Surferboys
Die erste Zeit im Homestay war ziemlich irritierend. Das lag an den Surferboys, die hier mit ihren ausländischen Freundinnen abgestiegen waren. Sie stammten aus Lombok oder waren von Bali aus übergesiedelt. Dort sind die Kuta-Cowboys, die den völlig überlaufenen Kuta Beach bespielen, zu einem bekannten Phänomen geworden. Die Szene in Kuta auf Lombok ist wesentlich überschaubarer.
Zunächst sah ich sie jeden Abend in großer Runde zusammensitzen und dachte mir nichts weiter dabei. Zu lauter Musik betranken sie sich in Windeseile. Billiger Reiswein als Getränk der Wahl. Alle teilen sich ein Glas – besser kann man Gruppendruck nicht erzeugen. Jeder wartet auf den nächsten Shot. Ex und hopp. Manchmal besorgen die Frauen Wodka oder Rum. Selten gehören auch Magic-Mushroom-Shakes zum Programm. Danach geht es zu einer der Bars im Ort. Irgendwo wird immer eine Party gefeiert.
Die Jungs arbeiten in Surfshops, verleihen Boards und bieten Touristen ihre Dienste als Surflehrer an, bevorzugt Frauen. In der näheren Umgebung finden sich eine ganze Reihe hervorragender Surfspots. Der Einstieg ist harmlos. Surfen ist für jeden eine intensive Erfahrung. Die Fahrten zu den Buchten sind von Traumkulissen veredelt, die Jungs sind total locker, reißen Witze. Sie kennen die schönsten Ecken der Insel.
Am Abend sitzen sie zusammen. Viele Frauen lassen im Rausch alle Hemmungen fallen. Sie fühlen sich begehrt – die Jungs sind echte Männer. Viele sind tätowiert. Sie gerieren sich als Outlaws. Tupac bombt aus den Bässen. Nichts erinnert an das Ghetto. Und doch ist ein tiefer Graben spürbar. Einige Jungs haben gelernt, selbst Musik zu produzieren. Stolz präsentieren sie ihre eigenen Kreationen. Es gibt sogar eine eigene Hymne für die Reggae-Kultur der Insel: „Lombok I love you“. Die Jungen fahren Skateboard. Die Alten geben sich hart. Jeder verfügt über ein Repertoire flotter Sprüche. Vom knallharten Typen bis zum romantischen Gitarrenspieler ist alles dabei. Die Frauen sitzen fasziniert in der Runde. Hier gibt es das Abenteuer, von dem sie gehört haben. Die Jungs setzen auf Komplimente, dann wieder auf laszive Anzüglichkeiten. Sie haben offenbar eine lockere Einstellung zum Leben: man lebt nur einmal. Sie erfüllen den Frauen jeden Wunsch. Im Partyrausch entwickelt sich oft mehr daraus. Manchmal bleibt es beim One-Night-Stand, nicht selten entsteht eine Beziehung für den Urlaub oder noch mehr.
Am Morgen warten wieder die Wellen. Am Abend die nächste Eroberung, die nächste Party, der nächste Rausch. Ein wildes, anstrengendes Leben. Ein schmaler Grat. Das war es, was mich mit ihnen verband. Auch wenn sich mein Drahtseilakt ganz anders ausdrückt. Sie strebten zur westlichen (Sub)Kultur; ich suchte nach dem, was sie hinter sich lassen wollten: einem einfachen, naturnahen Leben. Doch eigentlich galt es die goldene Mitte zwischen beidem zu finden.
Gelegentlich folgte ich ihrer Einladung und setzte mich für eine Stunde dazu. So auch an diesem Abend vor einem Surfshop in Kuta. Was dann geschah, ließ mich auf Distanz gehen: Ein schmächtiger Junge tanzte völlig überdreht vor der Gruppe und machte seine Späße. Im nächsten Moment sackte er ohne Körperspannung in sich zusammen. Vermutlich war er völlig betrunken. Ich weiß nicht, ob er zuvor etwas Beleidigendes gesagt hatte. In jedem Fall hatte er die Wut eines finster dreinblickenden Kollegen auf sich gezogen. Der war deutlich älter und kräftemäßig haushoch überlegen. Der Muskulöse rannte auf ihn zu und rammte dem Wehrlosen brutal und mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Der Junge verlor sofort das Bewusstsein. Er blutete wie ein Schwein. Erst nach Minuten kam er wieder langsam zu sich. Der Schlag hätte ihm für immer die Lichter ausblasen können. Es kam zu einem Tumult. Unkontrolliert ergoss sich das Adrenalin. Rudelbildung. Archaische Gewalt lag in der Luft. Blut kochte hoch. Für einige gab es kein Limit. Sie würden sich totschlagen, wenn keiner dazwischen ging. Es gab keine Chance für mich, als Außenstehender zu vermitteln. Hätte ich es noch weiter drauf angelegt, hätte ich nur alle Aggressionen auf mich gelenkt. Mit Mühe konnten die halbwegs Vernünftigen die Schläger davon abhalten, dass alles im Wahn versank.
Ich hörte fortan immer wieder von Schlägereien. Meistens geht es dabei um Frauen. Denn die Jungs sind nicht so unschuldig, wie es manchmal scheint, wenn sie sich mit Bob-Marley-Floskeln die Zeit vertreiben. Was als harmloser Spaß mit den Frauen beginnt, entwickelt sich oft zu gegenseitiger Abhängigkeit. Die Frauen kehren wieder, sie machen Geschenke, sie bezahlen Unterkunft, Essen, Alkohol. Sie haben Macht. Sie erzählen ihren Freundinnen von ihren Erlebnissen. Seit es Direktverbindungen aus Australien gibt, kommen manche nur für das Wochenende. Die Jungs richten sich in diesem Leben ein. Es ist ein Leben im Jetzt. Was morgen ist, scheint egal. Ein Leben, das gierig macht.
Sie werden immer professioneller. Sie fangen an, gezielt nach Frauen zu suchen, die ihnen ein besseres Leben ermöglichen und holen sie mit dem Auto und pumpenden Bässen am Flughafen ab. Bald sind es mehrere Frauen. Es wird schwieriger, die Besuche zu koordinieren, es entstehen verschiedene Identitäten. Sie lernen es, sich perfekt auf die jeweilige Frau einzustellen, pflegen Kontakte über Handy und soziale Netzwerke. Sie stehen in immer stärkerer Konkurrenz zueinander. Die Frauen auch. Zu Hause warten ihre Ehefrauen, mit denen sie häufig viel zu früh verheiratet wurden. Liebe spielte selten eine Rolle. Eine Scheidung würde für beide die gesellschaftliche Ächtung bedeuten.
Das Frauenbild auf der Insel unterscheidet sich massiv von dem, was die Frauen aus der westlichen Welt verkörpern. Die Ehefrauen sind durch Tradition und Religion auf eine Rolle festgelegt, aus der sie kaum ausbrechen können. Sie können es sich gesellschaftlich kaum leisten, auf eine dieser Partys zu gehen. Ich habe eine einzige Frau kennen gelernt, die einen ähnlichen Lebenswandel pflegte wie die Jungs. Die Touristinnen könnten gegensätzlicher kaum sein. Sie fühlen sich wie im Paradies. Sie haben Urlaub und sind auf individuelles Vergnügen aus. Sie können ihre Sexualität ausleben. Sie haben Geld. Sie sind unfassbar frei und selbstbewusst. Entsprechend groß ist ihre Attraktivität. Den Ehefrauen geht es ganz anders: Sie müssen mitansehen, wie sie betrogen werden und können nichts dagegen tun. Sie erfüllen ihre Pflichten und wissen, dass sich ihre Ehemänner mit anderen Frauen austoben.
Natürlich kann man nicht alle in einen Topf werfen. Manchmal verlieben sich die Jungs tatsächlich. Das Gleiche gilt für die Frauen. Für viele ist es nicht mehr als ein Spiel, andere meinen es ernst. Eines dieser Paare lernte ich kennen: sie war schon lange mit ihm zusammen und kannte seine Schattenseiten ganz genau. Sie hatte sich immer wieder erweichen lassen, immer neues Geld geliehen, Seitensprünge verziehen, neues Vertrauen geschenkt. Auch er versuchte das Unmögliche – das Leben als Gigolo an den Nagel zu hängen. Zumindest ein Teil von ihm. Der andere sabotierte jeden Versuch. Es war unendlich schwer. Schließlich gab ihm die Gruppe Halt. In gewisser Weise war sie seine Familie, in der klare Hierarchien herrschen. Es gibt keinen leichten Weg heraus. Er war kein schlechter Mensch. Ich fand ihn sogar sympathisch, obwohl ich wusste, dass zwei sehr gegensätzliche Seiten in ihm steckten. Ich konnte beide Pole verstehen. Sie waren Ergebnis seiner Sozialisation. Und die Versuchungen lauerten überall: falsche Freunde, Drogen, Provokationen, Ex-Freundinnen, die sich nehmen, was sie wollen, die wissen, wie man manipuliert. Daraus entstand eine Beziehung voller Extreme: furchtbare Enttäuschungen, bedingungslose Liebe, Zweifel, Wut, Hass, Trauer, Schmerz. Ich bewunderte ihren unbedingten Willen und die Kraft, wiederkehrende Enttäuschungen und Misstrauen auszuhalten und ihm immer wieder zu verzeihen; doch genauso unverständlich erschien mir, warum sie an ihm festhielt, nachdem er ihr so viel Schmerz zugefügt hatte. Hatte sie nicht etwas Besseres verdient? Aber sie liebte ihn.
Sie war seine Chance auf ein anderes Leben. Das jetzige würde er nicht mehr lange durchhalten können. Sie wurden beide ständig über ihre Grenzen hinausgeführt. Auch sie tat ihm weh. Manchmal waren richtig glücklich zusammen, doch oft befanden sie sich in einer sadomasochistischen Beziehung, die sie beide kaputt machte. Ruhephasen kannten sie kaum. Es ging vom Himmel in die Hölle und wieder zurück. Noch immer kämpfen sie – ich hoffe, dass sie dafür belohnt werden!
Es gibt andere Jungs, die tief in Gewalt und Drogen abgerutscht sind und denen ich nicht zur falschen Zeit am falschen Ort begegnen wollte. Manchmal konnte ich kaum fassen, dass Frauen solch schäbige Typen aushielten. Ich will sie nicht als Täter oder Opfer stilisieren. Wahrscheinlich sind sie beides. Ich bin nicht in ihren Schuhen gelaufen. Ich kann nur erahnen, woher sie kommen und welchen Reiz die moderne Welt auf sie ausüben muss. Ist erst mal eine gewisse Grenze überschritten, gibt es kaum ein Zurück. Sie haben mit den tradierten Regeln radikal gebrochen. Wer gehört hat, welche Strafaktionen Punks in Aceh erdulden mussten, bekommt eine Ahnung davon, welch mächtige Feinde man sich mit solch einem Lebensstil beim Staat und unter Strenggläubigen machen kann. Und nicht zuletzt kamen die Verlockungen von außen: Drogen. Touristinnen. Rap. Lifestyle. Werbung. Geld. Das sind heimtückische Versuchungen. Bis heute will ich mir kein abschließendes Urteil anmaßen. Ich mag bedauern, dass Traditionen verlorengehen, aber ich kann die Jungs nicht verurteilen. Am Ende gibt es trotz aller Differenzen Züge an ihnen, die auch mich prägen. Sie wollen selbstbestimmt leben und lieben. Dass sie dabei oft völlig übers Ziel hinausschießen, ist ein anderes Thema.
Manchmal habe ich die Jungs gesehen, wenn die Frauen wieder abgereist waren und man ihre ganze Erschöpfung und Trauer sehen konnte. Viele waren nicht die harten Typen, als die sie sich gaben. Sie wollten glücklich sein und wussten nicht wie. Wie so viele von uns Jungen, die angesichts der rasanten Veränderungen unserer Zeit mehr denn je zwischen alter und neuer Welt zerrissen sind.
Doch diese Entwicklung ist höchstens ein Vorbote einer gewaltigen Welle, die auf Lombok zurollt.
Ojang und die Hochzeiten
Nach einer Woche kehrte im Homestay wieder mehr Ruhe ein. Die meisten Surferboys waren weiter gezogen. Ich begann, ein inniges Verhältnis zu meiner Gastfamilie aufzubauen – besonders zu Ojang. Das war umso erstaunlicher, weil er zwar ein paar Brocken Englisch sprach, davon aber wenig Gebrauch machte und überhaupt nicht interessiert war, sich den Touristen anzupassen. Umso erfreuter war er, dass ich mich ernsthaft für die Kultur der Sasak interessierte.
Von Beginn an kleidete ich mich in traditionellen Sarongs. Ich grüßte die Einheimischen mit einem »salam aleykum!«. Das sogte zwar bisweilen für etwas Irritation, wurde jedoch niemals als despiktierlich aufgefaßt.
Als Ojang mich nach einer Woche einlud, an einer Hochzeit seines Clans teilzunehmen, war ich begeistert.
Am späten Vormittag fuhr Ojang mit mir zu dem Teil seiner Familie, der weiter im Landesinneren wohnt. Er fuhr im Schneckentempo. Offenbar war ich ein Ehrengast, und es machte ihm ebenso viel Freude wie mir, die positiven Reaktionen auf den Falang in traditioneller Feiertracht aufzunehmen.
Wir erreichten das kleine Dorf über eine schmale Straße. In der Regenzeit verwandelten sich diese nicht asphaltierten Wege in wahre Schlammpisten.
An den Reaktionen der Dorfbewohner ließ sich ablesen, dass ich einer der wenigen westlichen Besucher war, die je hierhergelangten. Im Haus der Familie wurden mir Tee, Kaffee, unglaublich scharfes, aber ebenso schmackhaftes Essen und Tabak von den Feldern angeboten. Trotz der Sprachbarriere und der Tatsache, dass mir abgesehen von ein paar vertrauten Gesichtern alle fremd waren, fühlte ich mich gut.
In einem riesigen Fass wurden Unmengen von Reis zubereitet, zum Rühren wurde eine Schaufel benutzt.
Die Frauen waren fleißig damit beschäftigt, immer neue Leckereien zuzubereiten. Die improvisierte Bühne für das Brautpaar war schon reich geschmückt. Es wurde für den späten Nachmittag erwartet.
Kaum waren wir angekommen, begann es wie aus Eimern zu schütten. Unermüdliche Helfer befreiten die aufgespannten Plastikplanen vom Wasser, bevor sie rissen.
Ojang vertrieb sich die Zeit mit einem Nickerchen. Die ganze Hochzeitsgesellschaft wartete nun auf das Ende des Regens und die Ankunft des Brautpaars. Mein Freund Wahab, dessen Schwester verheiratet wurde, kümmerte sich um die gewaltige Musikanlage, die in einer ohrenbetäubenden Lautstärke scheppernd traditionelle Musik abspielte.
Ich war für die Gäste ein Faszinosum. Doch keiner schien den Gedanken zu hegen, dass ich hier fehl am Platz war. Das Starren war pure Neugier. Ich war glücklich, endlich einmal einer Hochzeit in Asien beizuwohnen.
Nun folgte der Höhepunkt. Wahab platzierte mich inmitten seiner männlichen Familienmitglieder. Alle waren festlich geschmückt. Die meisten trugen neben dem Sarong einen schwarzen Frack und eine Gebetsmütze. Wahab gab mir seine. Da saß ich nun in angemessener Festkleidung inmitten der gläubigen Muslime und fragte mich, ob ich wirklich hierher gehörte.
Die Familie des Bräutigams erschien und nahm auf der Straße Aufstellung. Nachdem sie eingeladen worden war, setzten sie sich unserer Gruppe gegenüber. Es begann eine Art ritueller Dialog zwischen den Patriarchen der beiden Familien. Nach und nach ging es in ein Schachern um den Brautpreis über. Eine Holztruhe mit wertvollen Stoffen, ein kleines Holzschwert und Bargeld wechselten von der Familie des Bräutigams zur Familie der Braut. Ich hatte den Eindruck, dass die genaue Geldsumme schon vorher ausgemacht worden war. Trotzdem wanderte Geld hin und her, Enttäuschung zum Ausdruck gebracht, nachverhandelt, weiteres Geld überreicht und teilweise wieder zurückgegeben. Am Ende waren alle zufrieden.
Ich war beeindruckt, dass man mich unmittelbar an der Übergabe der Mitgift teilnehmen ließ. Die Hochzeit war zwar ein muslimisches Fest, doch viele Elemente zeigten andere Einflüsse. Dafür sprachen Farben, Tanz, Musik und Ausgelassenheit. Der Dress des Brautpaars wies hinduistische Züge auf, die von Bali hierher geschwappt sein mussten.
Tradition schien immer noch stärker als Orthodoxie zu sein. Einzig Alkohol war Tabu. Nachdem die Mitgift ausgehandelt worden war, erschien eine Musikkapelle. Die Trommler befanden sich in Trance und spielten mitreißende Rhythmen.
Das Brautpaar posierte mit Gästen auf der bereitgestellten Bühne.
So plötzlich der Höhepunkt des Festes erreicht war, so schnell verebbte er wieder. Ich kehrte mit Ojang zum Homestay zurück. Auf der Rückfahrt war ich immer noch sehr gerührt. Ich konnte nicht fassen, was ich da gerade erleben durfte.
Die Insel war lange Zeit von einer ganz besonderen Mischreligion bestimmt: Ihre Anhänger sind die Waktu (Wetu) Telu. In dieser Religion, die es ausschließlich auf Lombok gibt, mischen sich Naturreligion, hinduistische Glaubensvorstellungen mit dem Sufismus, einer mystischen und toleranten Strömung des Islam. Ihr Enstehen wird auf die Missionierung durch Sufis aus Ostjava mit Beginn des 16. Jahrhunderts zurückgeführt. Die Sufis sind die islamischen Mystiker. Sie streben danach, die Kluft zwischen sich und Gott zu überbrücken; sie sind das Gegenstück zum Dogma des orthodoxen Islam, der zentral auf die unüberwindbare Distanz zwischen Mensch und Gott baut.
Die Waktu Lima sollen um die Wende zum 17. Jahrhundert in einer zweiten Welle von Missionaren aus Sulawesi zum Islam bekehrt worden sein. Während die Waku Telu hauptsächlich im Norden, Westen und Süden der Insel lebten, war ihr Siedlungsgebiet im Zentrum und Osten der Insel. Mit den Sasa Boda gibt es auf Lombok noch eine sehr kleine dritte Gruppe von buddhistischen Sasak, die niemals missioniert wurden.
Mitte der 1960er Jahre begannen sich die Gegensätze zwischen Waktu Telu und Waktu Lima zu verschärfen. Die Telu hatten sich zum Despoten Sukarno bekannt, der nationalistische, religiöse und kommunistische Ideale miteinander vermengte. Nach der Machtübernahme durch Präsident Suhato 1965 standen die Waktu Telu mit ihrer Sympathien für weitreichende Landreformen auf der falschen Seite. Wie so häufig, wenn ein Despot gestürzt wird, traten die religiösen, sozialen und ethnischen Konflikte wieder deutlich zu Tage. Waktu Lima-Anhänger sahen nun die Heiraten der Waktu Telu nicht mehr als gültig an, weigerten sich, von ihnen geschlachtetes Fleisch zu essen und brandmarkten sie als Kommunisten und »Ungläubige«. Viele ihrer Moscheen wurden abgebrannt und viele konvertierten aus Angst vor weiteren Übergriffen.
Der Tempel in Lingsar ist einzigartig. Es gibt sowohl einen für Hindus als auch für Waktu Telu heiligen Bereich.
Heute bezeichnet sich kaum noch ein Sasak öffentlich als Waktu Telu, obwohl die Einflüsse unverkennbar sind. Die auf wenige tausend Bekennende zurückgegangenen Gemeinschaft lebt hauptsächlich in Bayan, im Norden der Insel und in abgelegenen Dörfern in den höhergelegenen Regionen um den Rinjani und in einigen Dörfern im Süden. Sie nehmen weniger am wirtschaftlichen Leben teil und gleichen sich äußerlich an, indem sie freitags in die Moschee gehen. Die Waktu Lima sind heute auf der gesamten Insel dominierend, nur im Westen lebt eine größere Minderheit hinduistischer Balinesen.
Seit dem 19. Jahrhundert spielen die »Tuan Guru« eine entscheidende Rolle bei der Missionierung der verbliebenen Waktu Telu. Sie pilger(te)n zur Hadj nach Mekka und viele blieben danach noch jahrelang im heutigen Saudi-Arabien und Ägypten und trafen auf die »reine Lehre des Islam«, die sich erheblich von dem unterschied, was sie aus Lombok kannten. Nach ihrer Rückkehr betrachten sie besonders die Waktu Telu mit ihrer Ahnen- und Naturverehrung als einen synkretistischen Kult, der beseitigt oder von unislamischen Elementen gereinigt werden muss. Die Waktu Telu glauben an eine beseelte Geisterwelt und an »Dewi Anjani«, die Göttin des Vulkans Rinjani.
Die »Tuan Guru« gründeten Pesantren (islamische Internate), Madrassahs (Koranschulen) und neue Moscheen und konzentrierten sich auf die Missionierung im Norden der Insel. Sie gründeten religiöse Netzwerke und wurden zu einer immer stärkeren politischen Größe auf Lombok. Ohne ihre Rückendeckung kam kein Politiker mehr zu Macht. Gleichzeitig etablierten sie eigene Machtzirkel, die Gesundheitsversorgung, Bildungsreinrichtungen und Sicherheitsfragen innerhalb der lokalen Gemeinschaften in ihre Hand nahmen und nach ihren Vorstellungen umsetzten. Dabei stützten sie sich auch auf das Adat-Recht, eine Art Gewohnheitsrecht, das in Indonesien als Parallelstruktur neben staatlichem Recht und religiösen Rechtsnormen besteht und Einfluss auf sämtliche Bereiche des täglichen und zeremoniellen Lebens nimmt.
Doch dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Heute stehen auch die Waktu Lima unter großem Druck, orthodoxer zu werden. Aus den Golfstaaten und Saudi-Arabien fließt viel Geld nach Lombok. Auf der »Insel der tausend Moscheen« entstehen im Moment immer gewaltigere Gotteshäuser. Gerade der Neubau in der Hauptstadt Mattaram ist gigantisch. Zum anderen spielen die kostenlosen Koranschulen eine bedeutende Rolle. Der Staat ist korrupt, die öffentliche Schuldbildung für viele Familien zu teuer. In diese Bresche springen die religiös geprägten Schulen. Die Gefahr einer massiven Einflussnahme auf die Wertebildung der Kinder besteht. Gerade die Wahhabiten Saudi-Arabiens propagieren eine strikte Form des Islam. Sie wollen die Scharia als Rechtssystem. Sie lehnen die Vielfalt des Islam ab, insbesondere den (in ihren Augen unislamischen) Sufismus. Dennoch muss man diese Strenggläubigen deutlich abgrenzen von militanten Gruppen wie Boko Haram, Abu Sajaf, Al Quaida oder dem IS. Andererseits ist unstrittig, dass radikale Gruppierungen von Saudi-Arabien und den Golfstaaten unterstützt werden.
Der Begriff »Dschihad« wird unterschiedlich ausgelegt. Er kann den militärischen Kampf gegen Andersgläubige meinen, aber genauso den inneren Kampf gegen die eigenen Versuchungen, vom Pfad der »reinen« Lehre abzukommen.
Es wäre sehr bedauerlich, wenn den Menschen auf Lombok ihre Toleranz einbüßen sollten. Noch kann man davon freilich nicht sprechen. Doch es gibt andere Regionen Indonesiens, in denen der Islam bereits deutlich strenger ausgelegt wird. In Aceh auf Sumatra herrscht die Scharia. Wir sehen zurzeit stärker denn je, was radikales Gedankengut in allen Religionen anrichtet – egal ob es sich um Evangelikale, Hindu-Nationalisten oder Islamisten handelt. Nur in Verständigung zwischen den Religionen kann Zukunft liegen.
Mir steht die Vorstellung nahe, dass es mehrere Wege zu Gott gibt – falls es ihn denn gibt. Diesen Gedanken vertreten auch die Sufis. Häufig wurde ich wegen meiner muslimischen Kleidung gefragt, ob ich Moslem sei. Ich antworte, dass es für mich nur einen Weg zu Gott gibt – über das Herz. Der Mystiker sucht Gott in sich selbst.
Auf der zweiten Hochzeit setzte ich mich für einige Zeit zu einer Gruppe, die etwas abseits saß; eine besonders fröhliche Dame kannte ich schon von meinem letzten Besuch, als sie mich immer zum Tanzen animieren wollte.
Mir schien als würde die kleine Gruppe von den anderen mißtrauisch beäugt. Als einzige kauten sie eine Mischung aus Betelnuß, Kalk und Tabak. Da ich in Indien aus unerfindlichen Gründeln niemals »pani« probiert hatte, wollte ich mir die Erfahrung nicht entgehen lassen, was zu Belustigung und einiger Irritation bei den anderen Hochzeitsgästen führte – als hätte ich mich mit den »Ewiggestrigen« zusammengetan. Ein Mann aus der Gruppe, eindeutig in der Tradition der Sufis stehend, zog mich Richtung Tanzfläche.
Nach einiger Überredungskunst wagte ich mich ans Tanzen. Zunächst im Versuch, die ausgeklügelten Tanzbewegungen meines »Partners« zu imitieren, bis er mir die Tanzfläche mit den engagierten Tänzerinnen überließ. Allerdings ist es unmöglich, traditionelle Tänze zu erlernen, wenn man sich an Niemanden orientieren kann und dabei 100 Augenpaare jeden Schritt unter die Lupe nehmen. Das kostete mich gehörige Überwindung und meine wilden Auftritte wurden mit einer Mischung aus Belustigung und Respekt aufgenommen.
Ein besonderes Kapitel sind die Musikkapellen, die von einer Hochzeit zur anderen tingeln. Zu ihnen gehören junge Tänzerinnen, die in ihren abgeschnittenen Jeans, aufreizenden Blusen und stark geschminkt, inmitten der traditionell gekleideten Hochzeitsgäste, geradezu pornographisch wirken. Die Musik weist immer noch viele traditionelle Elemente auf, doch je mehr Geld der Hochzeitsgesellschaft zur Verfügung steht, desto moderner wird die Musik. Reggae- und Disco-Anklänge sind durchaus erwünscht. Das erzeugt bisweilen einen scharfen Kontrast: auf der einen Seite die junge Kapelle mit den aufreizenden Tänzerinnen und dem unvermeidlichen Bob Marley als Deko auf der Trommel – auf der anderen Seiten die Hochzeitsgäste in ihren traditionellen Gewändern.
Auf der letzten Hochzeit blockierten wir mit 150 Hochzeitsteilnehmern den Highway. Lauter euphorisierte Menschen auf Scootern und Motorrädern, angeführt vom Brautpaar in einem Jeep und einem Transporter, auf dem eine gigantische Musikanlage mit Livemusikern unser Kommen ankündigte. Die Polizei konnte nur das allergrößte Chaos verhindern; hier herrschte der Clan. Angesichts solcher Erfahrungen wähnte ich mich manchmal wie in einem Traum.
In den nächsten Wochen kaufte ich mir regelmäßig neue Sarongs. Die Frauen, die Sarongs verkauften, bekamen schon leuchtende Augen, wenn sie mich sahen. Einer ist aus schwarzer Seide mit einem Goldrand, der nur bei Hochzeiten getragen wird – dazu erstand ich den dazugehörigen traditionellen Frack, eine Art Schärpe und Tücher, die kunstvoll als Kopfbedeckung gebunden werden und lieh mir einen Dolch. Ich wurde nun bei jeder Gelegenheit zu Hochzeiten eingeladen. Am Ende wollte man auch mich verkuppeln. Ein wenig fühlte ich mich schon wie ein Teil der Familie.
Ich lebte in diesen Tagen im Jetzt. Mit jedem Tag fühlte ich mich in meinem Homestay mehr zu Hause. Das Homestay war Anziehungspunkt für viele spannende Reisende. Selten in meinem Leben habe ich dermaßen viele gute Menschen kennengelernt, so gute Gespräche geführt und fand so leicht zu den unterschiedlichsten Arten von Menschen. Ich war durchlässig wie ein Schwamm und sog alles in mich hinein. Ich war oft überdreht, manchmal drohte meine Stimmung zu kippen, doch es gelang mir, ein fragiles Gleichgewicht zu halten. Ich war glücklich wie selten.
Ich vertraute meiner Intuition und zeigte meine Gefühle offen. Mein Hauptbezugspunkt blieb die Gastfamilie. Ich war in einen Raum direkt neben der Familie gezogen und war nun mitten im Geschehen. Schon am Morgen zogen mich die strahlenden Gesichter in den Tag.
Ich wurde für meine Verhältnisse zu einem Frühaufsteher. Doch wenn ich gegen acht Uhr das Licht des Tages erblickte, war die Familie schon seit Stunden auf den Beinen. Sie erwachte mit dem Ruf des Muezzins um 4.30 Uhr. Mit dem Sonnenaufgang machte sich an die Arbeit auf dem Feld oder ums Haus. Wenn ich vor das Homestay trat, um die Nachbarn zu begrüßen, hatte jeder ein Lächeln für mich übrig. Die Familie staunte über die Atmosphäre, die ich mir in meinem Zuhause schuf.
Nachdem man mich gelegentlich bei einfachen Yogaübungen gesichtet hatten, nannten sie mich „Yoga“. Manchmal vertrauten sie mir ein Baby an. Als ich zwischenzeitlich meine Kreditkarte verloren hatte, stand ich nach vier Wochen mit der kompletten Miete für das Zimmer und den Scooter in der Kreide. Obwohl es sich schwierig gestaltete, an neues Geld zu gelangen, überraschte mich Ojang nach einem Besuch in der Stadt mit einer kompletten Garnitur neuer Kleidung – als Geschenk. Da sie wussten, dass ich kaum Bargeld hatte, durfte ich mich an ihrem Essen bedienen, wann immer ich wollte. Es waren solche Gesten, die mich fast zu Tränen rührten. So komisch es klingt: Neben kurzen Abstechern zum Schwimmen verbrachte ich gerade mal drei halbe Tage am Strand. Zu sehr genoss das seltene Gefühl, mich heimisch zu fühlen. Ich hatte mich richtig schön eingerichtet. Mein Prachtstück war ein wunderschöner Ganesha (der Hindu-Gott mit dem Elefantenkopf), der aus einem Baumstamm geschnitzt worden war.
Nun hatte ich neben meiner Bibliothek und dem Kochgeschirr sogar meinen eigenen Tempel. Morgens aß ich meinen obligatorischen Pfannkuchen und sammelte Hibiskusblüten für meinen Tempel. Den Tisch vor meinem Zimmer hatte ich außerdem mit Muscheln, Kerzen, Postkarten und einigen Sarongs dekoriert. Ich entzündete Räucherstäbchen, abends brannten Kerzen und immer lief Musik. Abends richtete ich für den Hund der Familie ein Nachtlager her.
Wieder einmal wurde deutlich, was für Energie in mir steckt, wenn es mir gelingt, das Gedankenkarussell in meinem Kopf zum Stillstand zu bringen und den Kampf zwischen den verschiedenen Anteilen in mir zeitweilig zu befrieden.
Gelegentlich begab ich mich auf psychedelische Reisen. Die Pilze wachsen während der Regenzeit in rauen Mengen. Die Zeit im Himalaya und die Erfahrungen am Rinjani und während unseres Boottrips waren für mich stark spirituell geprägt. Ich fühlte mich der Natur so nahe wie lange nicht mehr. Ich empfand tiefe Lebensfreude. Die Trips waren keine Partylaunen, sondern tiefe, bisweilen mystische Erfahrungen, Rituale. Es war meine Art, mich für das zu bedanken, was mir auf dieser Reise an Gutem widerfahren war, und dass es mir endlich gelang, Liebe anzunehmen und an andere zu verschenken, ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Dieses Bedürfnis kam aus meinem Innersten. Ich erinnerte mich der Toten, die ich geliebt hatte und ließ eine Kerze für sie brennen. Manchmal saß ich während dieser Astralreisen auf meinem gemütlichen Lager, das ich mir jedes Mal neu vor meinem Zimmer arrangierte, und fühlte mich in der Gluthitze der tropischen Nacht und der Kerzen wie ein Schamane. Auch innerlich glühte ich. Der Baba in mir jauchzte.
Manchmal betrachtete ich den tropischen Himmel und fühlte mich in der Zeit zurückversetzt, in einen Erfahrungshorizont, der Bestand hatte, bevor uns die Wissenschaften die Welt scheinbar erklärt haben, und den wir verloren hatten. Ich versuchte mich in meine Vorfahren hineinzuversetzen, die gerade aus ihrer Höhle traten. Die Gewalt der Elemente berauschte und ängstigte sie. Ein Zustand jenseits des Denkens. Pures Sein. Dann fiel es mir leicht zu vergessen, wie sehr wir uns von unserem natürlichen Seinszustand entfernt haben. Dorthin zog es mich zurück.
Expeditionen
Besondere Erfahrungen waren auch meine Ausflüge in den Südwesten der Insel. Es waren Expeditionen ins Unbekannte, Grenzüberschreitungen im besten Sinne. Nur wenige Kilometer ostwärts endet das touristisch erschlossene Lombok.
Jenseits gab es noch drei Surfspots, die gelegentlich von abenteuerlustigen Surfern angesteuert wurden, und eine Handvoll teurer Resorts. Es war schwierig, Englisch sprechende Einheimische zu finden. Es gibt reichlich Gelegenheit, sich zu verfahren. Gleich bei meiner ersten Tour verlor ich radikal die Orientierung und landete am Ende an zwei atemberaubenden Orten, an denen ich der einzige Mensch weit und breit war.
Manchmal fuhr ich 10 Stunden auf dem Scooter. Immer weiter. Keine Limits. Dann musste ich stundenlang in der Dunkelheit zurück fahren. Es war ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite ergriff mich ein Gefühl der Fremde, das ich in dieser Intensität selten gespürt hatte, andererseits war es das Ausleben meines Entdeckertriebs, was mich in einen wahren Freudentaumel versetzte.
Auf einer Tour gelangte ich in ein Dorf, das so abgelegen war, dass hier seit Jahren kein Ausländer mehr vorbeigekommen war. Entsprechend waren die Reaktionen der Kinder.Sie umringten mich und ich bedauerte, kein Indonesisch zu sprechen.
An einem einsamen Strand sah ich Einheimischen beim Verladen von Seaweed zu:
Dann wieder wurde ich von Hirten am Strand auf einen Wein eingeladen. In der Regenzeit konnte sich das Wetter innerhalb kürzester Zeit radikal verändern und heftige Regengüsse und Stürme fegten mich fast von der Straße. Oft konnte ich mich gerade noch irgendwo unterstellen. Wenn es gar nicht aufhörte zu regnen, blieb mir nur im strömenden Regen zurückzufahren. Millionen von Fröschen waren plötzlich auf den Straßen. Ich fuhr fast wie blind.
Der Ozean
Ein paar Mal ging ich Bodysurfen. Ich weiß genau, wie schnell ich dem Surf-Sport verfallen würde. Einmal in den Wogen, kriegt mich keiner mehr aus dem Wasser. Wellen sind mein Element. Die Urgewalt des aufgepeitschten Ozeans hat mich schon immer fasziniert. Es gibt kaum etwas, das mich so sehr berauscht wie das Spiel mit der Brandung; ein Spiel, das jederzeit kippen kann. Ein Gefühl, das mir meine Lebendigkeit intensiv vergegenwärtigt: Der Kick zwischen Ekstase und Panik, der pure Gegenwart und Konzentration erzwingt. Der Verstand steht still. Pures Sein. Ich liebe es, mich gegen den Sog der Welle zu stellen und pfeilschnell auf dem Kamm der Welle dem Strand entgegen zu rasen. Die Stunden vergehen wie im Flug. In einer Sekunde fühle ich mich völlig erschöpft, im nächsten von Energie durchströmt. Das gehört zu den machtvollsten und zugleich demütigsten Empfindungen, die ich kenne.
Die Lektionen waren eindrücklich: Ich brauchte allein 45 Minuten, um zu der Welle zu gelangen. Alle anderen waren mit dem Board draußen und blickten verwundert auf den komischen Kerl ohne Brett. Direkt vor dem Riff musste ich kämpfen, um nicht von der Brandung auf dem Riff zerschmettert zu werden – bis zur völligen Erschöpfung. Erst die Krämpfe zogen mich zum Strand zurück.
Dunkle Schatten am Horizont
Die Lebensbedingungen der Menschen verändern sich vielerorts in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Mit dem Tourismus hat auch die Gier auf der Insel Einzug gehalten. Landbesitzer in den touristisch erschlossenen Gebieten können der Versuchung kaum widerstehen, ihr Land zu verkaufen. Die Preise haben sich vervielfacht – und ein Ende des Real-Estate-Booms ist nicht in Sicht. In Sengigi an der Westküste ist dieser Prozess weitgehend abgeschlossen. An der Südküste hat der Ausverkauf längst eingesetzt. Im Hinterland der Küste entstehen luxuriöse Villen. Auf meinen Erkundungsfahrten sind mir immer wieder reiche Russen, Japaner, Australier oder US-Amerikaner begegnet, die nach einem Ort suchen, um ihren Traum zu verwirklichen. Das schafft natürlich Neid bei denen, die nicht davon profitieren und sich diese Entwicklung aus der Ferne ansehen müssen.
Erst nach meiner Rückkehr habe ich die Pläne zur Erschließung des Areals zwischen Kuta und Gerupuk recherchiert und bin auf den Mandalika-Masterplan gestoßen. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass die detaillierten Pläne meine schlimmen Befürchtungen noch übersteigen. Wieder wird ein exklusiver Traum für eine kleine Schicht von Reichen verwirklicht. Mit Golfplatz, dem Ferienclub Med, Luxusresorts, eigenem Sicherheitsdienst und privaten Villas. Es war derselbe Wahn, der Kambodschas Küste mit seinen Inseln bald in ein exklusives Paradies verwandeln würde. Inklusive Casinos, Tennisplätzen und Direktverbindungen in die großen Metropolen. Würde es für immer so weitergehen und am Ende alles auf dem Altar des Kommerzes geopfert werden? Es würde wie immer sein: ein kleiner Teil der Einheimischen würde profitieren und der Rest würde seine Heimat in Zukunft fast wie Fremde betrachten. Was für eine Ambivalenz: Die „Westler“ zerstören mittelfristig das, was sie suchen – ein erst vor Jahren erschlossenes Paradies; viele Einheimischen neiden genau das, was sie zerstört.
Die Preise für Baumaterialien haben deutlich angezogen. Besonders hart getroffen hat das die Besitzer der kleinen Restaurants und Geschäfte, die sich am Strand von Kuta angesiedelt hatten. Sie waren enteignet worden; man hatte ihre Existenz mit dem Bagger vernichtet und ihnen deutlich schlechteres Bauland zugewiesen – sonst gab es keine Entschädigung. Für viele war es schwierig oder unmöglich, die Kosten für ein neues Gebäude aufzubringen. Genau hier würde die »parking area« für das nächste Disneyland entstehen.
Die Menschen wenden sich immer stärker materiellen Werten zu. Statussymbole werden immer wichtiger. Es ist kein Zufall, dass sich viele meiner jungen Freunde mit Geld und Handys auf ihren Profilbildern in sozialen Netzwerken zeigen.
Einmal besuchte ich einen Antique Shop am Rande von Kuta – angezogen von den schönen Exponaten vor dem Geschäft. Die Preise waren für vermögende Touristen und Aussteiger ausgelegt. Ich kam mit dem Besitzer ins Gespräch. Die Gier sprang ihm fast aus den Augen. In seinem Mund glitzerten Goldzähne. Ich wollte gerade gehen, als mir ein Bild über seinem Schreibtisch auffiel. Die Landschaft kam mir sehr bekannt vor. Und ich lag richtig. Es war in einer abgelegenen Region des Südwestens aufgenommen worden. Der Mann berichtete mir, dass sein australischer Chef dort vor 20 Jahren Land gekauft hatte, das jetzt ein Vermögen wert sei. Ich verwickelte ihn in ein Gespräch über die Folgen dieser Spekulation mit Land, die vielleicht einzelnen nutzen mochte, für die Inselgemeinschaft aber eine Katastrophe war. Den großen Reibach machen meist große Konzerne. Oft werden dabei Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Chance, das Land im Sinne der nächsten Generation zu nutzen, wird immer mehr verspielt. Er erzählte mir, dass er selbst große Ländereien besaß, die er gerne verkauft hätte. Er war sich sogar schon mit einem Investor einig geworden. Eine Million Dollar hatte der geboten. Ich konnte die Dollarzeichen in seinen Augen aufblitzen sehen. Er hätte so gerne einen großen Jeep gekauft, all seine Träume verwirklicht. Doch seine Kinder hatten ihr Veto eingelegt und der Verkauf war nicht zustande gekommen. Ich lobte die Kinder für ihre Weitsicht. Er schaute ein wenig betreten drein, murmelte, dass sie vielleicht recht gehabt hatten, stieg auf sein edles Motorrad und brauste davon.
Ich führte viele solcher Gespräche. Das wirkte zwangsläufig ein wenig skurril: Da kommt einer aus der dekadenten Ersten Welt, nach der so viele streben, und kritisiert die Gier in der Dritten. Natürlich musste das absurd erscheinen. Aber wir haben bereits gesehen, wohin die Gier führt. Immer mehr Menschen erkennen, dass wir nicht glücklicher werden, sondern immer abhängiger vom schnellen Glück. Umso wichtiger schien es mir, dieser Haltung Ausdruck zu geben; ganz gleich, wo ich bin. Schließlich geht es um globale Fragen. Zugleich interessiert mich das Schicksal der Insel und seiner Bewohner sehr. Immer wieder frage ich mich, was ich und andere den Leuten, die überall das große Rad drehen, entgegensetzen können.
Doch noch sind wir nicht genug und diejenigen, die mit fiebrigen Augen diesen Fortschritt begrüßen, kennen noch nicht das Ende vom Lied. Wenn sie es hören können, werden viele Entwicklungen nur noch schwer umkehrbar sein. Die Profiteure werden sich mit Klauen wehren, irgendetwas von ihren neuen Pfründen wieder herzugeben. Die Insel steht vor einer Zerreißprobe: auf der einen Seite steht eine rasante Modernisierung und der Einzug der Massentourismus; auf der anderen ein Erstarken eines orthodoxen Islam mit ausgesprochen traditionellen Werten. Man muss kein Hellseher seien, um heftige Spannungen aufkommen zu sehen. 2002 und 2005 hatten sich diese Spannungen in Kuta auf Bali in verheerenden Bombenanschlägen entladen. Auch sonst ist die Parallele erschreckend. Diesselbe Firma, die einst Kuta auf Bali »entwickelt« hat, ist wieder am Werk. Das andere Kuta ist längst zum Inbegriff des Massentourismus geworden. Der Verkehrsinfarkt ist Realität, die schmalen Gassen wimmeln von aufdringlichen Geschäftemachern, die Prostitution blüht. Ein buntes Partyvolk torkelt im Vollsuff durch die Straßen, wenn sie nicht gerade die allgegenwärtigen Märkte plündern. Die Australier feiern hier ihren Spring Break. Man muss schon sehr genau hinsehen, um noch irgendeine Bebauungslücke zu entdecken, auf der nicht gerade ein neues Hotel entsteht. Das Nachtleben schillert in allen Farben, Technobässe vibrieren, Aufputschmittel werden vor den Diskotheken verkauft. Schrille Popmusik dominiert, grelle Leuchtreklamen blenden und die Fastfood-Ketten machen Kasse. Hard Rock Cafe hat sich angesiedelt. In jedem kleinen Supermarkt steht ein eigener Bankautomat.
Wenn ich dann wieder an Südlombok denke, das gerade aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und dem eine vorsichtige Entwicklung seine Seele bewahren könnte, möchte ich laut schreien. Noch immer kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Ort verloren geht, wie so viele vor ihm. Da tröstet mich auch nicht, dass der Traum vielleicht irgendwann ausgeträumt sein wird und wieder Ruhe einkehren wird. Auch dann würde es nie mehr werden, wie es einst war. Warum lässt man den Menschen nicht die Chance, das Tempo der Veränderung mitzubestimmen? Werden diese verfluchten Hunde denn nie satt? Mir wäre egal was sie tun, wenn sie nicht anderen den Raum zum Atmen nehmen würden.
Abschied
Mit welcher Selbstverständlichkeit Lombok mit seinen Menschen mein Herz erobert hat, war atemberaubend. Ich war überwältigt, dass es trotz fehlender Indonesisch-Kenntnisse möglich war, so tief in eine lokale Gemeinschaft einzutauchen – dem Herz der Insel. Mir widerfuhren jeden Tag herausfordernde, wundervolle und intime Erfahrungen. Ich hatte vor Wildfremden getanzt, das Unbekannte erforscht, war glücklich, nachdenklich, ekstatisch, melancholisch, berauscht – ich hatte das ganze Spektrum menschlicher Erfahrung erlebt. Zum Abschied veranstaltete ich ein kleines Grillfest. Als ich mich über die holprige Straße von meinem Zuhause wegbewegte, war ich traurig und glücklich zugleich. Es war die Zeit meines Lebens. Ich hoffe, ich kann irgendwann wieder vor dem Homestay stehen und mit einem Strahlen auf dem Gesicht unschuldig nach einem Zimmer fragen. Ich hoffe sehr, dass sich die Insel trotz all dieser bedrohlichen Entwicklungen etwas von ihrem Zauber erhalten kann. Vor allem den Menschen auf der Insel wünsche ich das!
Es war einer dieser Orte, die mich zum Bleiben eingeladen hatten. Mir erschien es so, als hätte ich mit all meinem Reisen, mit all meinem Erwarten, ja Sehnen, nichts anderes im Sinn gehabt, als hier anzukommen, mich zu setzen und Ruhe zu finden. Zugleich war mir bewusst, wie schwierig, ja fast unmöglich mein Wunsch war, so dass Freude und Trauer sich mischten. Mir wurde immer deutlicher bewusst, wie sehr das gleichzeitige Sehnen nach Aufbruch und Ruhe an einem Menschen zerren kann, bis er schließlich zu zerreißen droht. Denn noch trieb mich die Mage der Suche immer weiter.
Die Berichte von den Abenteuern des Babas und Abduls bei der Besteigung des Rinjani und während ihrer Bootstour nach Sumbawa, Komodo und Flores sind ebenfalls als Reisedepeschen veröffentlicht:
zum Feuergott: die Besteigung des Rinjani auf Lombok
Bootstour zu den kleinen Sunda-Inseln: Die Titanic, der Pirat und die Drachen
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Schöner Artikel! Wir waren von Lombok auch total begeistert und gerade die Strände um Kuta sind mit die schönsten die wir in vier Monaten in Südostasien gesehen haben . Toll, dass du auch so viele ungewöhnliche Erfahrungen gemacht hast! Da könnte ich direkt wieder losreisen…Viel Spaß weiterhin!
Vielen Dank! Die Südküste ist wirklich unglaublich. Ich vermisse Lombok und seine Menschen noch immer und träume mich regelmäßig dorthin. Liebe Grüße! Oleander
Wow, der Artikel ist ja ein halbes Buch, mit dem Inhalt mehrerer Bücher. Man kann ein klein wenig erahnen, welch intensive Erfahrungen du gemacht haben musst. Lombok steht auch bei mir auf der Liste der noch zu bereisenden Ziele, bis Bali bin ich schon gekommen und auch dort ist es – wenn man sich ausserhalb der vielen Touristenpfade bewegt – fast nicht zu vermeiden, die eine oder andere spirituelle Erfahrung zu machen – sofern man mit solchen Dingen etwas anfangen kann. Allerdings muss man nicht verreisen um einen spirituellen Weg einzuschlagen, man möchte es kaum glauben, aber ich mache derlei Erfahrungen oft genug im Auto auf dem Heimweg von der Arbeit … aber das ist ein anderes Thema.
Die gesellschaftlichen Abgründe die du schilderst, sind so oder so ähnlich in allen Gesellschaften zu finden, deren meist junge Mitglieder mit dem althergebrachten Lebensstil brechen und dem Abenteuer folgen – oder dem was sie dafür halten. Das ist in Deutschland nicht anders als in Indonesien. Schnell ist der Grat zwischen Selbstfindung und Selbstaufgabe in die falsche Richtung überschritten. Aber das passiert auch dem erzkonservativen Banker oder dem Workalolic. Nur dass deren Absturz mit dem Modewort des Burnout gesellschaftsfähig gemacht wurde – wer auf Drogen abstürzt ist dagegen ein Assozialer …
Wie auch immer, Indonesien ist für mich ein spannendes Pflaster und auch eines das mir Angst macht. Gerade die religiösen Spannungen können sich dort sicherlich sehr heftig entladen. Immer dann wenn Armut und Reichtum gegenüberstehen und sich skrupellose Machthungrige der Religion bedienen um ihren eigenen Stand zu festigen, wird es zwangsläufig heftig – in jedem Land.
Aber Indonesien wird mich hoffentlich bald wiedersehen und auch Lombok werde ich dann besuchen. Bis dahin bleibt mir eine Kombination aus der google Bildsuche, Wikipedia, Wikitravel, Sunda Spirit, Büchern und natürlich Blogs wie diesem hier um die größte Sehnsucht erträglich zu machen.
Liebe Grüße aus dem (erzkonservativen) Voralpenland
MaxHallo Max! Ein Hang zur umfangreichen Reportage ist mir kaum abzusprechen 😉 Mir war es wichtig, die Vielschichtigkeit der Insel, die ich kennenlernen durfte, darzustellen, zugleich auf Entwicklungen einzugehen, die ich immer wieder beobachten konnte/musste. Selbstverstaendlich kann man in Bali weiterhin spirituelle Erfahrungen machen und ich gebe Dir auch absolut recht, dass man keineswegs in die Ferne ziehen muss, um solche Erfahrungen zu machen. Etwas anders sehe ich den Vergleich zwischen Deutschland und Indonesien. Zwar sind es in der Tat aehnliche Entwicklungen die ablaufen, aber der grosse Unterschied ist doch, in welcher Geschwindigkeit sich diese Prozesse vollziehen. Der gesellschaftliche Wandel, der sich in Deutschland seit den 60ern vollzogen hat, vollzieht sich in Indonesien wie eine Eruption binnen weniger Jahre. Und das im Angesicht einer erheblich konervativeren Elterngeneration. In gewisser Hinsicht ist diese Rebellion wohl eher mit dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten in Zeiten der 68er und Hippies zu vergleichen, nur dass die moderne Welt sich noch wesentlich schneller dreht als damals.
Prinzipiell halte ich Indonesien fuer ein tolerantes muslimisches Land, Auswuechse wie in Aceh sind sicher die Ausnahme. Aber der Einfluss aus den Golfstaaten und Saudi-Arabien machen mir Sorge.
Dennoch ist wichtig, das Bild nicht zu verzerrt warzunehmen, die Radikalen sind eine Minderheit. In Marokko darf ich gerade wieder einen sehr toleranten und spannenden muslimischen Kulturkreis kennenlernen.
Dir viel Glueck und spannende Erfahrungen auf Deinen naechsten Reisen. Es lebe die Sehnsucht!
Liebe Gruesse ins Erzkonservative 🙂 Oleander
Danke für deine ausführliche Geschichte oleander! Meine Geschichte verlief sehr ähnlich, ich habe in Myanmar meine spirituelle Seite entdeckt und in homestays in Indonesien sowie in den Philippinen weiterentwickelt. Sogar das herum experimentieren mit Pilzen verlief bei mir sehr ähnlich. Es fällt mir sehr schwierig diese Entwicklung in Worte zu fassen, schön das du es geschafft hast. Du sprichst mir echt aus der Seele, großartig zu lesen das es anderen ähnlich erging.
Gib unbedingt bescheid wenn du in der nahe von der Schweiz bist, wäre sicher spannend sich zu treffen!
Hallo Sam! Vielen Dank fuer Deinen Kommentar! Freut mich sehr, dass Du Dich in der Reportage wiederentdecken konntest; ich hoffe, dass ich im Sommer mal einen Abstecher in die Schweiz machen kann, wird ohnehin Zeit, dass ich mich dort wieder blicken lasse. Einstweilen liebe Gruesse aus Marokko! Oleander
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