Wir waren erfüllt von Erwar­tun­gen auf die­ser ers­ten Reise nach Nor­we­gen. Mit unse­rer Liebe für den wil­den Atlan­tik, für raue Küs­ten, abge­le­gene Orte und eigen­bröt­le­ri­sche Men­schen waren wir uns bei­nahe sicher, dass wir uns Hals über Kopf in die­ses Land ver­lie­ben würden.

Wir fan­den all dies und noch viel mehr. Ein­sam­keit und wütende Stürme, win­zige Orte und spröde Cha­rak­tere. Wir fühl­ten uns leben­dig und eins mit den Ele­men­ten und wünsch­ten uns, wir könn­ten für immer bleiben.

Runde. Ein Außen­pos­ten. Eine win­zige Insel an der Küste, etwas süd­lich von Åle­sund. Um nach Runde zu kom­men muss man zuerst 9 wei­tere Inseln über­que­ren. Auf Runde lan­det nur, wer wirk­lich dort­hin will.

Es sei denn, man weiß noch nicht ein­mal von der Exis­tenz die­ser Insel – fin­det sich dann aller­dings in einem die­ser nie­mals enden wol­len­den nor­we­gi­schen Regen­tage wider und sucht ver­zwei­felt nach dem nächst­ge­le­ge­nen Campingplatz.

Wir hat­ten nie zuvor den Namen „Runde“ gehört oder irgend­et­was ande­res über diese win­zige Insel gele­sen. Die Such­funk­tion mei­nes Han­dys ver­riet mir nur soviel: „Runde ist eine kleine Insel, bekannt for allem für die große Vogel-Popu­la­tion.“ Aha.

Bitte sag mir, wir zumin­dest nicht mehr weit fah­ren müs­sen, google maps! Gerade noch kurz vor der Ver­zweif­lung, musste ich nun kichern: Runde, die Vogel­in­sel, besitzt eine ein­zige Straße und sieht von oben ziem­lich genau so aus wie ein Vogel, der gerade über den Atlan­tik heim­ge­kehrt ist.

Ok, kleine Vogel­in­sel, Du scheinst Humor zu haben. Und so fuh­ren wir über neun Inseln, über­quer­ten die letzte Brü­cke und folg­ten der ein­zi­gen Straße bei­nahe bis an ihr Ende.


Es war spät­abends, wir waren erschöpft, müde und hung­rig. Zu unse­rem Glück war nicht nur eine kleine Holz­hütte für uns frei, es gab sogar einen klei­nen Shop um unsere Ver­pfle­gungs­mi­sere zu beenden.

Und als wir wenig spä­ter mit einem damp­fen­den Tel­ler Nudeln vor uns auf den Ozean direkt vor unse­rem Fens­ter blick­ten, hät­ten wir nicht zufrie­de­ner sein können.
Vor dem Fens­ter stand unser neuer Nach­bar und blickte neu­gie­rig hin­ein. Ein Möwe­rich. Vogelinsel.

Und schon beim Ein­schla­fen wuss­ten wir, dass wir nicht direkt am nächs­ten Mor­gen wei­ter­fah­ren würden.

Nach dem Mor­gen­kaf­fee lie­fen wir also schnell zurück zum Shop um unsere Hütte für eine wei­tere Nacht zu buchen. Inguna schaute uns trau­rig an. Eine Schul­klasse war auf dem Weg zur win­zi­gen Insel, und alle Holz­hüt­ten waren reser­viert… dann jedoch stahl sich ein Grin­sen in ihr Gesicht, als sie mehr flüs­terte: „but there might be something…“

Sie ver­schwand kurz im Hin­ter­zim­mer um sich mit Knut, ihrem Ehe­mann, abzu­spre­chen. Es dau­erte nicht lang, ehe sie wie­der vor uns stand und uns ver­schwö­re­risch erklärte, dass es nur weni­gen Leute vor­be­hal­ten war, an die­sem beson­de­ren Ort zu nächtigen…

Wir blick­ten erst sie, dann ein­an­der fra­gend an, was diese Ein­lei­tung wohl zu bedeu­ten habe. Wenige Minu­ten spä­ter ver­wan­delte sich unsere Neu­gier in ein irre brei­tes Grin­sen, das sich über unser bei­der Gesich­ter legte. Wir folg­ten Knut, als er uns zu unse­rem neuen Zuhause führte und konn­ten unser Glück kaum fas­sen: Wir wür­den tat­säch­lich in dem win­zi­gen Häus­chen woh­nen, das wir schon erblickt hat­ten, als wir am letz­ten Abend die Insel erreich­ten! Die kleine Hütte, von der wir beide sofort dach­ten, wie unfass­bar nied­lich sie doch war und wie traum­haft der Ort, von dem aus sie uns auf der Insel zu begrü­ßen schien.




Eben diese kleine Hütte, gebaut auf hüge­li­gen Stei­nen, den Stür­men des Atlan­tiks trot­zend. Diese kleine Hütte, die in ihrem frü­he­ren Leben das Lot­sen­haus der Insel Runde gewe­sen war. Diese kleine Hütte war es, in der wir unser Zuhause fan­den. Wir ver­brach­ten Stun­den in unse­rem „Gar­ten“ am Leucht­turm. Wan­der­ten auf den schwar­zen Stei­nen, lausch­ten dem unge­stü­men Meer, beob­ach­te­ten den stän­di­gen Wan­del von weiß zu tür­kis zu dun­kels­tem blau und zurück.

Die offene See vor uns, die schüt­zen­den Berge in unse­rem Rücken und mit­ten­drin unsere kleine per­fekte Hütte.

Bei­nahe beschei­den stand sie dort, völ­lig unwis­send ob ihrer Wich­tig­keit für die See­män­ner in alten Zei­ten – oder für uns in genau die­sem Moment.





Runde wurde für uns der eine kleine Ort in Nor­we­gen, den wir am meis­ten ver­mis­sen wür­den. Nicht die majes­tä­ti­schen Fjorde oder die ver­schnei­ten Berg­stra­ßen, ja noch nicht ein­mal die end­lo­sen Wei­ten der Fjell-Land­schaf­ten und Wäl­der, in wel­chen wir doch eben sol­che Selig­keit erfah­ren hat­ten. Wir träu­men uns zurück in diese beson­dere win­zige kleine weiße Holz­hütte am Meer. Auf die Vogel­in­sel, mit ihrer einen Straße, die direkt vor einer Berg­wand endet. Zurück zu ihren Vögeln, ihren Geräu­schen, ihrer Stille. Es ist eine Sehn­sucht, die wir eines Tages beant­wor­ten müs­sen, wenn wir ein wei­te­res Mal über neun Inseln fah­ren um den Vogel zu besu­chen, der den Atlan­tik über­quert hat.


Fotos: Con­stan­tin Ger­lach, Laura Droße; Worte: Laura Droße

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Laura Droße und Constantin Gerlach

Zwei Fotografen mit geteilter Liebe zum Norden. Neugier, Empathie und ein kreativer Drang treibt sie meist an wilde Ozeane, in verlassene Hochebenen und kleine Küstenstädte. Von Superlativen halten sie nichts, von der Natur dafür einiges, weshalb sie lieber seltener und langsam reisen, als Länder zu zählen. Vom Glück der Weite und des Unterwegsseins, von Begegnungen und Erfahrungen erzählen sie in visuellen Notizen auf ONTHENORWAY. Sie leben und arbeiten in Berlin als Fotografen, Grafiker + Texter, erkunden das Berliner Hinterland auf dem Fahrrad, gärtnern oder perfektionieren ihre Zimtschnecken-Backkünste.

  1. Günther Elser says:

    Es könnte nicht treff­li­cher geschrie­ben sein. Uns ging es ganz genauso. Ein­mal dort gewe­sen, zieht es einen immer wie­der dort hin. Es sollte ein­fach mehr Zeit zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Leucht­turm­wär­ter­haus haben wir aller­dings noch nicht genächtigt…oben waren wir aber jedesmal.

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