Trekking deluxe

Nationalpark Torres del Paine • W‑Route • Dauer: 5 Tage • Distanz: 91,6 km • Gehzeit: 38 h

Tag 1 • Distanz 11 km • Geh­zeit: 4 h • Start: Refu­gio Pai­ne Gran­de • Ziel: Refu­gio Grey

Die mehr als 2.000 Meter senk­recht aus dem kar­gen pata­go­ni­schen Boden auf­ra­gen­den Tür­me des Tor­res del Pai­ne Mas­sivs geben nicht nur dem Gebir­ge sei­ne unver­wech­sel­ba­re Sil­hou­et­te, son­dern auch dem Natio­nal­park Tor­res del Pai­ne im chi­le­ni­schen Teil Pata­go­ni­ens sei­nen Namen. Doch sind es nicht nur die­se gigan­ti­schen grau­en Tür­me, die die­sen Natio­nal­park zum unbe­strit­ten schöns­ten und beein­dru­ckends­ten Süd­ame­ri­kas machen.

Das lau­ni­sche pata­go­ni­sche Wet­ter ist jetzt, in den war­men Som­mer­mo­na­ten, noch am ehes­ten kal­ku­lier­bar. Aber auch hor­ren­de Prei­se und strö­men­de Men­schen­mas­sen sind in die­ser Jah­res­zeit nicht zu ver­mei­den. Hotels und Ein­rich­tun­gen mit einem hohen Stan­dard machen die­sen Natio­nal­park auch für kom­fort­su­chen­de und groß­zü­gig zah­len­de Besu­cher zu einem Anzie­hungs­punkt. Mehr als 200.000 Besu­cher jähr­lich spre­chen Bän­de. Und auch wir sind nicht allei­ne.

An der Admi­nis­tra­ti­on, an die wir in über­füll­ten Bus­sen des Natio­nal­parks gekarrt wer­den, ste­hen wir etli­che Minu­ten Schlan­ge, bis wir den üppi­gen Ein­tritts­preis bezah­len dür­fen. Obli­ga­to­risch ist auch ein kur­zer Ein­füh­rungs­film, der uns in einem extra dafür vor­ge­se­he­nen Raum, drei­spra­chig unter­ti­telt, prä­sen­tiert wird.

Noch­mal grei­fen wir tief in die Tasche, um mit einem Kata­ma­ran über den See Pehoé an die Stre­cke der W‑Route beför­dert zu wer­den. Der Kata­ma­ran ist zum Bers­ten gefüllt. Rei­he um Rei­he wer­den die bun­ten Trek­king-Ruck­sä­cke bis in den Him­mel auf­ge­sta­pelt. Ver­schie­dens­te Spra­chen, grel­le Funk­ti­ons­klei­dung, unbe­fleckt und tadel­los, die neus­te Tech­nik, extra für die­sen Tag ange­schafft – all dies umgibt uns wie in einem Alb­traum. 40 Minu­ten lang.

P1230975_1500x1125

Am nörd­li­chen Ende des Sees Pehoé stei­gen wir aus. Es ist Mit­tag. Ein Groß­teil der Besu­cher ver­ab­schie­det sich nun in das Refu­gio Pai­ne Gran­de, das am See thront. Für sie scheint der heu­ti­ge Tag bereits been­det. Roll­kof­fer wer­den über den Schot­ter­weg gezo­gen.

Vor uns und Lui­sa, unse­rer Beglei­tung für die nächs­ten Tage, lie­gen noch 11 km bis zum Refu­gio Grey. Dicker pata­go­ni­scher Dunst liegt feucht in der Luft. Der Weg schlän­gelt sich durch eine schma­le Schlucht. Und auch wir kämp­fen uns durch eine undurch­sich­ti­ge karg bewach­se­ne Berg­land­schaft, bis wir die klei­ne nebel­ver­han­ge­ne Lagu­na Los Patos errei­chen. Die Vege­ta­ti­on wird dich­ter. Nach einem kur­zen Wald­ab­schnitt kün­di­gen ver­ein­zelt hell­blau leuch­ten­de Eis­bro­cken in dem vor uns lie­gen­den See Grey das High­light des heu­ti­gen Stre­cken­ab­schnit­tes an.

P1230977_1500x1125 P1240018_1500x1125 P1240031_1500x1125 P1240047_1500x1100

Die eisi­gen Bro­cken wer­den grö­ßer und zahl­rei­cher. Vor uns liegt nun der Glet­scher Grey, der die west­li­che Sei­te des Natio­nal­parks ein­nimmt. Die Grö­ße des Glet­schers ist nicht aus­zu­ma­chen. Wir sehen qua­si nur die Spit­ze des Eis­bergs, von Dunst umge­ben, am Ende des Sees, bis weit über unse­re Sicht­wei­te hin­aus wach­send. Wei­te­re 1,5 Stun­den leich­ten Aufs und Abs lie­gen noch vor uns. Gegen 17 Uhr errei­chen wir das Refu­gio Grey. Ein Wald vol­ler bun­ter, dicht anein­an­der ste­hen­der Zel­te begrüßt uns.

Ein Fuchs schnüf­felt umher und sucht an den Zel­ten der Besu­cher nach etwas Fress­ba­rem. Die Grup­pe jun­ger Rei­sen­der mit Gui­de, vor der wir am Glet­scher noch das Wei­te such­ten, ruht sich in den Lie­ge­stüh­len vor ihrer Unter­kunft aus. Gute Duschen, war­mes Was­ser – auch das Cam­pen hier hat sei­nen Preis. Gekocht wer­den soll in der eigens dafür vor­ge­se­he­nen „Küche“. Ein bestuhl­ter Raum, des­sen Inne­res wir vor lau­ter Dampf kaum erken­nen kön­nen. An lan­gen Bier­ti­schen kochen die Cam­ping­ko­cher hier neben­ein­an­der ihr Abend­süpp­chen.

P1240140_1500x1125

Tag 2 • Distanz: 22,6 km • Geh­zeit: 8 h • Start: Refu­gio Grey • Ziel: Cam­pa­men­to Ita­lia­no

Das Refu­gio Grey liegt bereits am nord­west­li­chen Ende der W‑Route. Wir lau­fen jedoch eine wei­te­re hal­be Stun­de Rich­tung Nor­den, um zum Aus­sichts­punkt Grey zu gelan­gen. Von hier aus eröff­net sich eine wei­te­re Sicht auf den Glet­scher Grey.

Der Nach­teil einer W‑Route liegt natür­lich dar­in, dass man ins­ge­samt drei Stre­cken­ab­schnit­te dop­pelt lau­fen muss. Also lau­fen wir nun die gest­ri­gen 11 Kilo­me­ter bis zum Refu­gio Pai­ne Gran­de wie­der zurück. Jedoch ver­zie­hen sich die Wol­ken und das duns­ti­ge Wet­ter weicht einem blau­en Him­mel und Son­nen­schein. So genie­ßen wir noch­mal die Aus­sicht auf den Lago Grey und den Glet­scher.

Hin­ter der Lagu­na Los Patos zeich­nen sich nun schnee­be­deck­te Gip­fel ab, deren Anblick uns ges­tern noch ver­wehrt blieb. Erneut durch­lau­fen wir die schma­le Schlucht in ihren kar­gen Erd­tö­nen, um nach fünf Stun­den Geh­zeit am Anle­ge­punkt des Kata­marans am Lago Pehoé anzu­kom­men. Noch lie­gen wei­te­re 8 km vor uns.

P1240151_1500x1125 P1240166_1500x1125 P1240184_1500x844 P1240256_1500x1125 P1240266_1500x844 P1240291_1500x844 P1240331_1500x844 P1240368_1500x844

Auf rech­ter Hand ergießt sich hier der klei­ne und leuch­tend blaue See Skotts­berg. Auf lin­ker Hand erhebt sich in der Ent­fer­nung das über 3.000 Meter hohe Mas­siv des zer­klüf­te­ten Cer­ro Pai­ne Gran­de. Wir lau­fen durch ein gespens­ti­sches Meer aus ver­kohl­ten Bäu­men. Ein schwar­zes Loch, das vor uns klafft. Und das inmit­ten saf­tig grü­ner Land­schaf­ten. Ein unacht­sa­mer Besu­cher hat hier 2005 einen Groß­brand ver­ur­sacht, der 10% des gesam­ten Parks ver­nich­te­te.

Immer näher kom­men wir dem gezack­ten Mas­siv, auf des­sen lin­ker Sei­te nun wie unwirk­lich ein fast qua­dra­tisch wir­ken­der Fels­bro­cken zu sehen ist. Gegen 18 Uhr errei­chen wir über eine klapp­ri­ge Hän­ge­brü­cke unser Ziel, das Cam­pa­men­to Ita­lia­no. Eini­ge Besu­cher sit­zen hier neben ihren Ruck­sä­cken. Zel­te sind nicht zu sehen. Die Stim­mung scheint gedrückt.

Ein Natio­nal­park­mit­ar­bei­ter kommt auf uns zu und erklärt uns kurz, dass die­ser Cam­ping­platz, einer der weni­gen kos­ten­lo­sen des Natio­nal­parks, geschlos­sen ist. Ein Umstand, der uns jetzt zur Haupt­sai­son nicht ein­leuch­ten möch­te. Wir wer­den gebe­ten, das nächs­te Refu­gio in 6 km Ent­fer­nung auf­zu­su­chen. Mehr als 22 km lie­gen bereits hin­ter uns. Jetzt noch, es däm­mert bereits, wei­te­re 6 km zu lau­fen, erscheint uns gänz­lich unmög­lich.

Wir ent­fer­nen uns eini­ge Meter und bau­en unser Zelt auf. Wei­te­re Besu­cher schlie­ßen sich uns an. Als die Park­wäch­ter das bun­te Heer aus Zel­ten ent­de­cken, scheint es bereits zu spät, um ein­zu­grei­fen. Wir dür­fen blei­ben.

P1240439_1500x1125 P1240448_1500x1125 P1240475_1500x844

Tag 3 • Distanz: 20,5 km • Geh­zeit: 9 h • Start: Cam­pa­men­to Ita­lia­no • Ziel: Refu­gio Los Cuer­nos

Wir sind in der Mit­te des ›W’s ange­kom­men. Vom Cam­pa­men­to Ita­lia­no wol­len wir nun durch das Val­le Fran­cés bis zum Aus­sichts­punkt am Cam­pa­men­to Bri­tá­ni­co. Unse­re Ruck­sä­cke las­sen wir mit einem etwas mul­mi­gen Gefühl am Cam­pa­men­to Ita­lia­no zurück, wel­ches wir nach 6 Stun­den und 15 km wie­der errei­chen wer­den.

Der Weg führt uns durch Wald und mat­schi­ge Abschnit­te steil nach oben. Das letz­te Stück zie­hen wir uns unter eini­gem Kraft­auf­wand an eigens dafür vor­ge­se­hen Tau­en den mat­schigs­ten und auch steils­ten Abschnitt nach oben. Die­sen Weg mit den Ruck­sä­cken zu bewäl­ti­gen erscheint uns gera­de voll­kom­men unmög­lich. Oben ange­kom­men, eröff­net sich vor uns ein sagen­haf­ter Blick auf das grü­ne Tal Fran­cés, die uns ein­krei­sen­de Berg­land­schaft und den See Nor­denskjöld. Das Mas­siv des Cer­ro Pai­ne Gran­de erhebt sich nun in sei­ner gan­zen Pracht vor uns.

Ein anstren­gen­des Auf und Ab ent­lang eines schma­len Kamms führt uns zu einem mil­chi­gen Fluss. Dicke Eis­schich­ten thro­nen nun meter­dick auf den Gip­feln der Ber­ge. Immer wie­der hören wir tosen­de Lawi­nen und das lau­te Kna­cken des Eises. Gigan­ti­sche Schnee­wol­ken, wel­che die Gip­fel ver­schwin­den las­sen, machen uns deut­lich, wel­che Kräf­te dort oben wir­ken. Der Weg endet auf einer gro­ßen Lich­tung ver­trock­ne­ter Bäu­me. Die Son­ne brennt. Die skur­ril gezack­ten Gip­fel erhe­ben sich nun an allen Sei­ten.

P1240492_1500x1125 P1240514_1500x844 P1240516_1500x1125 P1240544_1500x844 P1240550_1500x1125 P1240553_1500x916 P1240561_1500x1125

P1240621_1500x1125 P1240622_1500x1125

Die Anstren­gun­gen des Hin­wegs sind jedoch nichts im Ver­gleich zu dem, was uns jetzt erwar­tet. Eine wei­te­re hal­be Stun­den ist es noch bis zum Aus­sichts­punkt, wel­che wir halb gehend, halb auf allen Vie­ren klet­ternd hin­ter uns brin­gen. Am Aus­sichts­punkt ange­kom­men, erhe­ben sich die Ber­ge nun in vol­ler Schön­heit auf drei Sei­ten vor uns. Die son­der­bar geform­ten Gip­fel einer ein­ma­li­gen Sil­hou­et­te. Auf der vier­ten Sei­te liegt uns das brei­te grü­ne Tal zu Füßen, in deren Mit­te der mil­chi­ge Fluss rau­schend zu hören ist.Wir sehen die Rück­sei­te des Tor­res des Pai­ne Mas­sivs und bekom­men eine leich­te Ahnung von dem, was uns am fünf­ten Tag unse­rer Wan­de­rung erwar­tet.

P1240571_1500x844 P1240638_1500x1125

Der lan­ge rut­schi­ge Weg zurück zum Cam­pa­men­to Ita­lia­no ist noch nicht das Ende des heu­ti­gen Tages. Wei­te­re 6 km sind es noch bis zum Refu­gio Los Cuer­nos, unse­rem Ziel für den drit­ten Tag. Auf fla­cher grü­ner Wie­sen­land­schaft umrun­den wir das Mas­siv Cuer­nos del Pai­ne. Eine wei­te­re Stun­de lau­fen wir unter der bren­nen­den Son­ne ent­lang des in der grü­nen Land­schaft erfri­schend blau leuch­ten­den Sees Nor­denskjöld, der jetzt in unmit­tel­ba­rer Nähe vor uns liegt.

Im Hin­ter­grund ragen ver­eis­te Gip­fel in den Him­mel. Der stil­le See bie­tet eine will­kom­me­ne Abküh­lung für unse­re müden Füße. Nach einer wei­te­ren hal­ben Stun­de errei­chen wir das Refu­gio Los Cuer­nos. Wir genie­ßen die noch star­ke Nach­mit­tags­son­ne am See. Nach dem heu­ti­gen Tag erscheint mir das Refu­gio unwirk­lich luxu­ri­ös. Inmit­ten die­ser wil­den Natur­schön­hei­ten erwar­tet dem zah­len­den Gast hier mehr als nur will­kom­me­ner Kom­fort.

Das Refu­gio ist gefüllt mit gut zah­len­den, altern­den Gäs­ten. Neben mir auf der Ter­ras­se erbli­cke ich einen Zigar­re rau­chen­den Mann mit ergrau­tem Haar. Sei­ne hage­re Frau nippt an einem Glas Rot­wein. Eini­ge Plät­ze wei­ter plauscht ein Herr gera­de mit dem Gui­de sei­ner Grup­pe. Auf der gekühl­ten Bier­fla­sche ›Aus­tral‹ in sei­ner Hand prangt exakt das Bild des Berg­mas­sivs, auf wel­ches er gera­de ent­spannt blickt. Sogar die Per­spek­ti­ve stimmt, stellt die­ser freu­dig fest. Ich erkun­di­ge mich – nai­ver­wei­se – nach dem Preis eines Bie­res, und zie­he es dann lie­ber vor, im Zelt eine Por­ti­on Instant­nu­deln zu ver­spei­sen.

P1240650_1500x844 P1240654_1500x844 P1240684_1500x844 P1240696_1500x844 P1240721_1500x1125

Tag 4 • Distanz: 19,5 km • Geh­zeit: 9 h •  Start: Refu­gio Los Cuer­nos • Ziel: Cam­pa­men­to Tor­res

Wir ent­fer­nen uns von dem gezack­ten Mas­siv der Cuer­nos del Pai­ne. Die Per­spek­ti­ve ver­än­dert sich, bis es bald nicht mehr mit dem berühm­tem Bier­fla­schen­mo­tiv über­ein­stimmt. Durch eine wei­te fla­che Gras­land­schaft lau­fen wir am leicht geschwun­ge­nen Ufer des Sees Nor­denskjöld ent­lang. Die Vege­ta­ti­on wech­selt zwi­schen kar­ger Fels­land­schaft, grü­nen Wie­sen und nied­ri­gen Sträu­chern.

In der nicht enden wol­len­den Wei­te fun­keln blaue Lagu­nen und erhe­ben sich mäch­ti­ge Gip­fel. Ich hin­ge­gen habe einen Mords­hun­ger. Mei­ne Rech­nung ist nicht auf­ge­gan­gen. Um mein Gepäck so leicht wie mög­lich zu hal­ten, hat­te ich Fol­gen­des geplant: Zum Früh­stück in Was­ser auf­ge­lös­ter Hafer­schleim. Abends eine Packung Instant­nu­deln. Zwei Pake­te Kek­se soll­ten als Weg­zeh­rung im Lau­fe der Tage die­nen. Von denen war aber schon nach dem zwei­ten Tag kein Krü­mel mehr übrig. Der stei­le Auf­stieg zum Cam­pa­men­to Chi­le­no raubt mir mei­ne letz­ten Kraft­re­ser­ven. Mei­ne abend­li­che Por­ti­on Instant­nu­deln muss ich vor­zie­hen, um die fol­gen­den 5 km bis zum Cam­pa­men­to Tor­res zu bewäl­ti­gen.

P1240751_1500x1125 P1240765_1500x844 P1240770_1500x844

Dem Auf­stieg folgt ein Abstieg, ein Auf­stieg, ein Abstieg. Wir wan­dern nun in die Schlucht hin­un­ter, an der wir seit gerau­mer Zeit ent­lang­lau­fen. Unten am Fluss ange­kom­men, kann es eigent­lich nicht mehr weit sein. Die letz­te Etap­pe zieht sich jedoch bis ins Unend­li­che. Noch eine Kur­ve, noch ein Auf­stieg, noch ein Abstieg, noch mehr Wald – dann ist es end­lich geschafft. Das Cam­pa­men­to Los Tor­res liegt ver­steckt zwi­schen Bäu­men.

Eine Men­ge Wan­de­rer haben sich hier, am Fuße des Tor­res des Pai­ne Mas­sivs, ein­ge­fun­den. Sie haben das sel­be Ziel wie wir: Die senk­recht aus dem Erd­bo­den gestampf­ten Tür­me des Pai­ne im Licht der auf­ge­hen­den Son­ne zu bewun­dern. Heu­te gibt es auch zum Abend­essen kaum noch zu ertra­gen­den Hafer­schleim. Um 20 Uhr lie­gen wir in unse­ren Zel­ten. Der nächs­te Tag wird früh begin­nen.

P1240789_1500x844 P1240796_1500x785 P1240841_1500x1125 P1240861_1500x1125

Tag 5 • Distanz: 18 km •Geh­zeit: 8 h • Start: Cam­pa­men­to Los Tor­res • Ziel: eine hei­ße Dusche, ein Bett und gutes Essen

Wir ste­hen um 4.45 Uhr auf. Es ist dun­kel und erschre­ckend kalt. Es ist so kalt, dass man plötz­lich alles in Fra­ge stellt. Was zum Teu­fel machen wir hier über­haupt? Und wofür eigent­lich? Zum Aus­sichts­punkt des Tor­res del Pai­ne liegt eine 45-minü­ti­ge Klet­ter­par­tie vor uns. Natür­lich haben wir kei­ne Taschen­lam­pe dabei. Im Schein des Mon­des stol­pern, klet­tern und quä­len wir uns nach oben. Die Hän­de sind ein­ge­fro­ren und haben kaum noch die Kraft, sich fest­zu­kral­len. Es ist steil, rut­schig und eisig. Die kal­te Luft schmerzt in den Lun­gen, wel­che ange­strengt nach Luft jap­sen. In eini­ger Ent­fer­nung sehen wir moti­vier­te Klet­te­rer nach oben rasen. Sind wir etwa schon zu spät?

Eine Grup­pe deut­scher Wan­de­rer, die ange­strengt atmend eine Pau­se ein­legt, mur­melt etwas von Fro­do und dem letz­ten schwe­ren Gang. Ich ver­su­che weg­zu­hö­ren und ein­fach immer wei­ter zu gehen. Schlep­pe mich wei­ter – halb tas­tend, halb klet­ternd – nach oben. Die klei­nen Grüpp­chen tei­len sich auf. In der Dun­kel­heit ist der rich­ti­ge Weg nicht mehr zu erken­nen. Noch unter schwar­zem Him­mel errei­chen wie den Aus­sichts­punkt. Nicht weni­ge haben ihre dicken Schlaf­sä­cke mit nach oben gebracht. Kei­ne schlech­te Idee, wie ich nun ein­ge­ste­hen muss.

Bib­bernd vor Käl­te war­ten wir. Die Tür­me lie­gen direkt vor uns. Ragen hin­ter einer klei­nen Lagu­ne unwirk­lich steil hin­auf in die dunk­le Nacht. Die Dun­kel­heit bricht auf, irgend­wo scheint die Son­ne auf­ge­gan­gen zu sein. Der Him­mel über uns ver­wan­delt sich in ein sanf­tes, schwa­ches Blau. Der See fun­kelt nun tür­kis. Eine gefühl­te Ewig­keit ver­geht. Über­all ist es nun bereits tag­hell.

Bis es die Son­ne end­lich über die Ber­ge schafft. Nun leuch­ten, kaum merk­lich, nur die äußers­ten Spit­zen der Tür­me in einem hel­len Rot. Immer wei­ter reicht die Röte, bis sie die Tür­me gänz­lich in ein spek­ta­ku­lä­res Rot hüllt. Die Käl­te, die Anstren­gung – Ange­sichts die­ses Anblicks scheint nun alles ver­ges­sen.

Weni­ge Minu­ten zei­gen die Tür­me, wofür sie berühmt und berüch­tigt sind. Das leuch­ten­de Feu­er­rot spie­gelt sich gol­den im See wider, ver­liert sich bis in das sanf­te Licht des anbre­chen­den Tages. Um 8 Uhr errei­chen wir erneut das Cam­pa­men­to Tor­res. Zwei Stun­den spä­ter gibt es Hafer­schleim-Früh­stück am Cam­pa­men­to Chi­le­no.

P1250004_1500x1125 P1250029_1500x1125 P1250057_1500x1125 P1250118_1500x844 P1250122_1125x1500 P1250173_1500x1125

Am Neben­tisch isst ein Paar gera­de eine Dose Thun­fisch gemischt mit einer Dose Kid­ney­boh­nen und einer Toma­te. Ein Fest­mahl in mei­nen Augen. Aus­ge­hun­gert kann ich kaum den Blick abwen­den; wer­de befremd­lich von dem schmau­sen­den Pär­chen ent­deckt. Wei­te­re drei Stun­den Fuß­marsch bis zur Lagu­na Amar­ga. Im Shop am Aus­gang des Parks gön­ne ich mir einen erbärm­li­chen Hot Dog und eine Cola. Es ist der bes­te Hot Dog, den ich je geges­sen habe.

Noch eine Bus­fahrt und wir wer­den wie­der herr­lich von unse­rer chi­le­ni­schen Couch­sur­fing-Fami­lie in Puer­to Nata­les emp­fan­gen. Wie immer ist das Haus gefüllt mit ande­ren Couch­sur­fern. Wie wir sind sie gera­de aus dem Park zurück­ge­kehrt oder machen sich bald auf, ihn zu besu­chen. Heu­te zau­bern wir allen und vor allem uns selbst einen wohl ver­dien­ten Gau­men­schmaus: Käse­spätz­le und eine gro­ße Por­ti­on Mousse au Cho­co­la­te zum Nach­tisch.

P1250179_1500x844

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Petra
    Petra

    So sehen die Tor­res also bei Son­nen­auf­gang auf, wenn der Him­mel klar ist … Atem­be­rau­bend! Wir haben die W‑Route Anfang Febru­ar 2014 in die­sel­be Rich­tung gemacht und bei uns haben sich die gnä­di­gen Her­ren früh­mor­gens lei­der ziem­lich (mit Nebel) bedeckt gehal­ten. Wenigs­tens haben wir sie über­haupt gese­hen, aber kein Ver­gleich zu euren Bil­dern. Das heißt für mich: wie­der­kom­men, irgend­wann. Dan­ke für den Rei­se­be­richt!
    Lie­be Grü­ße
    Petra

    1. Avatar von Morten und Rochssare
      Morten und Rochssare

      Vie­len Dank Petra,
      die Tor­res sind wirk­lich atem­be­rau­bend, aber die gan­ze W‑Route ist eine Augen­wei­de. Ein ein­zig­ar­ti­ger Trek durch Chi­les grü­nen Süden. Hof­fent­lich kannst du dir die Tor­res noch ein­mal in vol­ler Schön­heit vor Ort anse­hen.
      Lie­be Grü­ße

  2. Avatar von Janina
    Janina

    Hal­lo Zusam­men

    Vie­len Dank für den aus­führ­li­chen Bericht. Ich wer­de im Sep­tem­ber mit mei­nem Freund in den Süden Chi­les rei­sen und pla­ne eben­falls eine Trek­king Tour durch den Park. Habt ihr sonst noch Tipps, abge­se­hen davon genug Essen ein­zu­pa­cken? Wie viel an Aus­rüs­tung habt ihr sel­ber mit­ge­nom­men? Wür­det ihr noch eine ande­re Rou­te emp­feh­len?

    Vie­len Dank für alle Tips und Infos 🙂

    LG
    Jani­na

    1. Avatar von Morten und Rochssare
      Morten und Rochssare

      Hal­lo Jani­na,
      wir wün­schen euch erst ein­mal viel Spaß in Chi­le. Ihr wer­det die Zeit genie­ßen. Wir hat­ten für unse­re 5‑tägige Wan­de­rung alles dabei, was man zum Zel­ten so braucht (Zelt, Iso­mat­te, Schlaf­sack, Cam­ping­ko­cher und Geschirr). Natür­lich ein paar platz­spa­ren­de Lebens­mit­tel und etwas Was­ser. Die Flü­ße im Natio­nal­park wer­den von Glet­schern gespeist. Ihr könnt also pro­blem­los aus ihnen trin­ken.

      Die W‑Route ist der klas­si­sche Weg, der alle impo­san­ten Sehens­wür­dig­kei­ten des Parks abdeckt. Wenn ihr aber Zeit und Lust habt, dann ist viel­leicht die O‑Route etwas für euch. Dabei lauft ihr ein­mal um das Berg­mas­siv des Tor­res del Pai­ne her­um. Der Trek dau­ert etwa 7–8 Tage und abseits der W‑Route (sie ist in der O‑Route ent­hal­ten) trifft man kaum auf ande­re Wan­de­rer.

  3. Avatar von Timo Sommer

    die Bil­der sind unglaub­lich. Ich kann immer noch nicht glau­ben dass die­se Land­schaft real ist. Ich hof­fe ihr konn­tet euren Trip doch genie­ßen auch wenn es etwas schief ging mit der Kal­ku­la­ti­on fürs Essen.
    Vie­le Grü­ße Timo
    http://www.headformylife.ocm

    1. Avatar von Morten & Rochssare

      Dan­ke, Timo. Der Natio­nal­park Tor­res del Pai­ne ist außer­ge­wöhn­lich schön. Das ändert auch ein biss­chen Hun­ger nicht 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert