Um mich herum war alles bunt und laut. Ich stand an einer Bar und trank eine Coke. Dann bestellte ich mir ein küh­les Bier. Meine Frau umarmte mich von hin­ten. Wir lach­ten und fei­er­ten. Es spielte laut Musik und wir stan­den auf einer Tanz­flä­che. In einer Hand hielt ich meine Frau und in der ande­ren mein Bier.

Ein Beck's auf Palau

Ich kam mir vor, wie in einer ande­ren Welt. Doch ich hal­lu­zi­nierte. Ich war immer noch in der ech­ten und reel­len Welt – gefan­gen auf einem Boot mit­ten im Pazifik.

Die Sonne hatte längst ihren Höhe­punkt erreicht. Ich war geschwächt, wie noch nie zuvor in mei­nem Leben. Meine Haut war tro­cken. Ich bemerkte, dass ich nicht mehr schwitzte. Mein Kör­per benö­tigte jeden ein­zel­nen Trop­fen und sog die letz­ten Trop­fen Flüs­sig­keit aus mei­nen Orga­nen, wie ein tro­cke­ner Schwamm. Der Durst trieb mich lang­sam in den Wahnsinn.

Meine Träume ris­sen ab. Etwas ver­wirrt blickte ich auf den Hori­zont. Ich bemerkte eine Kon­tur. Eine hoff­nungs­volle und lebens­ret­tende Kon­tur. Ist es wirk­lich? Nein…! Einen Moment lang über­kam mich eine unfass­bare Freude. Geret­tet! Ich wollt einen Freu­den­schrei her­aus sto­ßen, doch noch im sel­ben Moment zwang ich mich, pes­si­mis­tisch zu den­ken: „Arnold, wach auf! Das ist nur eine Ein­bil­dung! Du drehst durch! Reiß dich zusammen.“

Eine Insel in Sicht

Ich gab mir selbst eine ordent­li­che Back­pfeife. Ich ver­spürte kei­nen Schmerz mehr. Ich spielte mit dem Gedan­ken mich… Aber wie und vor allem womit?

Völ­lig geschwächt lehnte ich mich wie­der zurück, ließ mich von der Strö­mung wei­ter ins Unge­wisse trei­ben und war­tete auf den nächs­ten Tag­traum – den Tod.

Unge­wiss wie wie lange ich auf dem Boot noch leben sollte. Eine Nacht? Viel­leicht würde ich das Mor­gen­grauen nicht mehr erle­ben. Ich merkte, wie meine inne­ren Organe ihre letz­ten Was­ser­re­ser­ven abga­ben. Was werde ich machen, wenn ich am nächs­ten Tag noch am Leben bin? Daran wollte ich nicht den­ken. Wäh­rend meine tro­ckene Zunge sich am Gau­men fest­klebte, krampfte mein Magen.

Ich musste wohl ein­ge­schla­fen sein. Ein blick in den blauen Him­mel. Da war sie wie­der! Eine krei­schende Möwe umkreiste mein Boot.

Eine kreisende Möwe

Und dann schon wie­der! Diese Hal­lu­zi­na­tio­nen. Direkt vor mir sah ich eine Insel, die den unend­lich lan­gen Hori­zont unter­brach. Ist es wirklich?
Nein, es ist wirk­lich eine Insel!!! Ohne Zwei­fel!

Insel 1

Ich fing an zu wei­nen vor Freude. Eine ein­zige Träne ent­floh mei­nen Trä­nen­drü­sen. Wohl der letzte Trop­fen aus mei­nem Kör­per. Ich merkte, wie mein Kör­per lang­sam begann zu dehy­drie­ren. Sei stark Arnold! HALT DURCH ARNOLD! Schoss eine Stimme durch mei­nen Kopf und ich wusste, dass ich nicht auf­ge­ben durfte.

Insel 2

Mein Boot trieb direkt auf ein vor­ge­la­ger­tes Riff zu. Ich nutzte die Gele­gen­heit und band mein Boot an einer Koralle fest, die durch die Ebbe an der Was­ser­ober­flä­che her­vor­stand. Anschlie­ßend sam­melte ich meine letz­ten Kräfte und sprang ins Was­ser – Land! Ein ent­fach­ter Fun­ken Hoff­nung in mir gab mir einen instink­ti­ven Über­le­bens­wil­len. Klar den­ken konnte ich schon seit einer Weile nicht mehr.

Woher ich die Kräfte besaß, mich auf die Insel zu schlep­pen, wusste ich nicht. Mein Wille war stär­ker als der Tod. Unter einer Palme fand ich fri­sche Kokos­nüsse im Sand. Ich öff­nete sie mit mei­ner Machete – Wasser!

Unter der Palme

Gie­rig trank ich eine Kokos­nuss nach der ande­ren. Ich ver­spürte eine Lebens­freude, die ich noch nie in die­ser Art und Weise ver­spürt hatte.

Palme

Tag 5 und 6

Die kom­men­den zwei Tage ver­brachte ich auf der klei­nen Insel im Pazi­fik. Ich hatte abso­lut keine Ahnung, wo ich gestran­det war. Und die anfäng­li­che Hoff­nung, gefun­den zu wer­den schwand auch all­mäh­lich dahin.

Angebundenes Boot

Die meiste Zeit ver­brachte ich im Schat­ten der Pal­men. Oder wenn die Sonne nicht mehr so warm war, baute ich an mei­nem klei­nem Unter­schlupf. Wäh­rend­des­sen hatte ich immer eine Angel­schnur im Was­ser. Aber die Fische woll­ten ein­fach nicht anbei­ßen. So blieb mir nichts ande­res übrig, als mich von den Kokos­nüs­sen zu ernäh­ren. Ich machte mir Gedan­ken, wie die Pal­men hier wohl ent­stan­den waren. Es muss­ten Kokos­nüsse auf die selbe Art hier her gelangt sein, wie ich. Gestran­det. Meh­rere Kilo­me­ter über das Meer getrie­ben, bis sie hier auf der ein­sa­men Insel im Sand wur­zeln schlu­gen. Doch für wie lange sollte ich hier Wur­zeln schlagen?

Tag 7

ARNOLD? ARNOLD!…“ Immer und immer wie­der hörte ich mei­nen Namen. „ARNOLD!“ Ich schüt­telte ungläu­big mit dem Kopf. Es kam mir vor, als würde das große, unend­lich weite Meer wie­der mal mir einen Streich spie­len wol­len. Oder war es jetzt schon so weit, dass ich anfing aus Ein­sam­keit durch­zu­dre­hen? Hal­lu­zi­na­tio­nen? Ja, ich bin geschwächt, hung­rig und die Sonne machte mir wirk­lich zu schaf­fen. Wahr­schein­lich war es ein Son­nen­stich! „ARNOLD! Sind Sie Arnold?“ Woher kom­men diese Rufe? Jetzt sind es ganze Sätze! Sie klin­gen so echt! „Ja, ich bin Arnold!“, flüs­terte ich vor mir her. Jetzt ist es so weit – Ich führte Selbstgespräche.

Gestrandet

Ich warf einen kur­zen Blick durch das Gestrüpp auf das Ufer. Als ich dann etwas sah begann ich schnel­ler zu atmen, mein Herz fing an zu rasen!
Ich konnte mei­nen Augen nicht glauben.
Ein Boot!!!

Ich sprang auf, rannte run­ter zum Strand.
Sind sie Arnold?“, kam erneut die laute, kräf­tige Stimme.
JA! Arnold! Ich bin Arnold!“ krächzte ich vor Freude.

Man hatte mich gefun­den! Ich konnte es nicht glau­ben! Ich lachte, ich weinte, ich war außer mir vor Freude! Mir wurde schwin­de­lig, meine Beine wur­den schwach, ich brach zusammen.

Drei Tage nach mei­nem Ver­schwin­den, so erzählte man mir, begann man ver­geb­lich nach mir zu suchen. Das ganze Archi­pel Palau wurde durch­fors­tet – Ver­ge­bens. Ich war wie vom Meer ver­schluckt. Kei­ner hätte geahnt, dass ich bereits 1.300 Kilo­me­ter weit weg, auf einer ein­sa­men, klei­nen Insel, kurz vor Guam, ums Über­le­ben kämpfte. Die Küs­ten­wa­che wurde dort auf mein Boot auf­merk­sam und wollte nach dem Rech­ten schauen. So ent­deck­ten sie mich – Das Grauen hatte ein Ende!

Ich kam zur Unter­su­chung in ein Kran­ken­haus, denn ich musste wie­der zu Kräf­ten kom­men. Meine Frau wurde kurz nach mei­ner Ent­de­ckung nach Guam geflo­gen. Nie zuvor war ich so froh, sie nach mei­nem län­ge­ren Fischer-Aus­flug wie­der in meine Arme zu schlie­ßen. Wir waren wie­der vereint.

Möwe

Bald dar­auf fing ich wie­der mit dem Fischen an. Täg­lich fuhr ich hin­aus, so, als wäre nichts gewe­sen. Nur einen Unter­schied gab es: ich hatte mehr Was­ser und ein paar Schei­ben mehr Brot im Gepäck. Doch jetzt, 8 Jahre nach dem unver­gess­li­chen Erleb­nis, lebe ich wie­der auf den Phil­ip­pi­nen. 2009 machte ich end­gül­tig Schluss mit mei­ner Arbeit als Fischer. Ich bekam kaum Geld und die Palau- Regie­rung wollte mir auch nicht mehr den Sprit für das Boot bezah­len. So blieb mir nichts ande­res übrig, als zurück zu gehen in mein wun­der­schö­nes Hei­mat­land – Philippinen.

Diese Geschichte basiert auf einer wah­ren Begebenheit.

 

Cate­go­riesPalau
Renate & Artis

Gemeinsam bildet das junge Paar den Namen RenArtis. Für 12 Monate wollten sie mehr sehen, als Kühe, Bauernhöfe und flaches Land, wie sie es aus der Heimat gewohnt sind. Große Pläne hatten sie: Asien, Süd- und vielleicht sogar Mittel-Amerika! Und was ist mit Afrika? Man könnte doch... In Asien sind sie stecken geblieben. Der Kontinent fasziniert. Und weil sie noch jung und auf den Geschmack des Reisens gekommen sind, bleibt ihnen für den Rest noch alle Zeit der Welt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert