Auf Bärensafari in Transsilvanien

Ver­setz­ten wir uns ein­mal in die Lage eines gewöhn­li­chen Braun­bä­ren. Etwa eins zwan­zig hoch, zwei Meter lang, dun­kel­haa­rig, Sin­gle, biss­chen eigen­sin­nig. Wir nen­nen ihn Vio­rel, typisch rumä­nisch.

Stel­len wir uns also vor, Vio­rel sitzt eines son­ni­gen Mor­gens irgend­wo im Wald süd­lich von Braşov in Trans­sil­va­ni­en. Er hat gera­de gefrüh­stückt, ver­mut­lich Wühl­mäu­se, lah­me Eich­hörn­chen aber vor­nehm­lich Wur­zeln. Er muss auf sei­ne Linie ach­ten, denn er hat ein paar Pfun­de zu viel auf den Rip­pen. Vio­rel sitzt also rum, lässt sich die Son­ne auf den Pelz schei­nen, kratzt sich am Hin­tern und puhlt in den Zäh­nen. Ihm geht’s gut, nichts stört.

rumaenien2

Plötz­lich hört er weit unten im Tal ein Geräusch: “Uuuuuiiiiii, Uuuuuiiiii!”. Er spitzt sei­ne Bären­oh­ren und ahnt Böses. Die Rufe kom­men näher, lang­sam zwar aber ganz sicher. “Uuuuuiii Uuuuiiii!” unter­bro­chen von Geläch­ter und Gequat­sche. Äste kna­cken. Men­schen. Na super. Vor­bei mit der Ruhe. Vio­rel lässt resi­gnie­rend den Kopf nach unten sacken, atmet schwer. Süß, wie sie immer wie­der ver­su­chen, ihm mit solch däm­li­chem Rum­ge­schreie zu ver­ja­gen.

rumaenien4

Vio­rel hat jetzt zwei Mög­lich­kei­ten. Er könn­te sei­ne Bären­show abzie­hen. Vol­les Pro­gramm: Lis­tig durchs Gehölz stromern, die Men­schen ein­kes­seln, Sprint, auf die Hin­ter­bei­ne stel­len, brül­len, angrei­fen, mit den Pran­ken Hals­schlag­adern auf­rei­ßen, Gedär­me aus Bauch­höh­len rup­fen, die bes­ten Bis­sen auf­fres­sen, rülp­sen, nach Hau­se gehen.

rumaenien5

Frü­her hat er das öfter gemacht. Da war er noch jün­ger und tat den Men­schen ger­ne den Gefal­len. Heu­te nicht mehr. Vio­rel ist viel zu faul, auf­zu­ste­hen. Sei­ne Bei­ne sind ein­ge­schla­fen und er sitzt gera­de in so einer rich­tig schö­nen Kuh­le, in die sein Hin­tern per­fekt rein­passt.

Nein, heu­te nicht. Sol­len sie ruhig wei­ter­schrei­en und sich freu­en, dass er zumin­dest die Nacht zuvor ein paar Spu­ren im Schnee hin­ter­las­sen hat.

rumaenien3

Mitt­ler­wei­le ist es Abend. Der Wald ist wie­der ruhig, die Men­schen haben sich ver­zo­gen. Vio­rel hat den Nach­mit­tag über geschlum­mert und ein paar Kapi­tel im neus­ten Stieg Laar­son gele­sen. Er setzt sei­ne Bril­le ab und reibt sich die Augen. Es grum­melt im Bauch. Zeit für Abend­essen.

Piz­za! Sein Las­ter. Des­halb kriegt er auch sei­nen Speck an den Hüf­ten nicht run­ter. Egal. Piz­za gibt’s meis­tens in den gro­ßen Müll­con­tai­nern am Stadt­rand. Vio­rel tapst also in Rich­tung Tal. Er macht hin­ter einer alten Eiche Halt und genießt den Blick auf die Lich­ter von Braşov. Mmmhhhh … und er freut sich auf sein fet­ti­ges Mahl.

rumaenien6

Nicht weit von ihm, so 15, 20 Meter, hält ein Auto. Der Motor geht aus, die Schein­wer­fer auch und die Fens­ter nach unten. Geflüs­ter, Geki­cher. Hört sich an wie die zwei Vögel von heu­te Vor­mit­tag. Das Auto fährt wei­ter, ein Meter, zwei Meter, und hält wie­der. Vio­rel sieht die bei­den ganz genau. Eine Frau und ein Mann. Bei­de um die 30. Und wie sen­sa­ti­ons­geil die in sei­ne Rich­tung star­ren … Sehen kön­nen sie ihn nicht. Echt jetzt? Nicht mal abends las­sen sie ihn in Ruhe?

„Unan­ge­neh­me Zeit­ge­nos­sen“, denkt sich Vio­rel. Fah­ren am Stadt­rand ent­lang, wie Kin­der­schän­der auf Opfer­su­che, nur um ihn zu sehen. Nein, das muss er sich jetzt nicht geben. Er macht kehrt und läuft zurück in den Wald. Dann eben kei­ne Piz­za. Ist auch bes­ser für die Linie.

Erschienen am



Antworten

  1. […] wie­der ein wenig kon­kre­te­res Fern­weh : „Rei­se­de­pe­schen“ nimmt uns mit nach Trans­syl­va­ni­en und war dort auf […]

  2. Avatar von Fabian Scharf
    Fabian Scharf

    Die­sen Monat sel­ber erst Vio­rel in den Kar­pa­ten gesucht und nicht gefun­den. Schö­ner Bei­trag und eine völ­lig unter­schätz­te Gegend…

    Grü­ße

  3. Avatar von Timo Sommer

    Armer Vio­rel. So hel­fen wir ihm aber dabei schlank zu blei­ben 😉
    Tol­le Idee.. hast du denn auch einen Bären auf dei­ner Rei­se zu Gesicht bekom­men ?

    Vie­le Grü­ße Timo
    http://www.headformylife.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert