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Schöner schlafen in der Schule

Habt ihr schon mal in der Schule geschla­fen? Bei mir pas­sierte das in mei­nen Jugend­jah­ren ziem­lich regel­mäs­sig an Kar­ne­val. Wenn wir zu lange gefei­ert hat­ten, lag die halbe Klasse am nächs­ten Tag koma­tös mit dem Kopf auf der Schul­bank bis das Klin­gel­zei­chen sie weckte. Ich bin Kölnerin.

Neu­lich habe ich wie­der in der Schule geschla­fen. Aber ganz anders. Rich­tig kom­for­ta­bel und vor allem total schön, ohne läs­tige Leh­rer und in einem gemüt­li­chen Ambiente.

Eine alte Schule als Hotel

Das Kava­liers­haus Schloss Blü­cher war frü­her eine Schule, genauer: eine „Teil­ober­schule“. Sie liegt in einem gro­ßen Gar­ten, umge­ben von alten, knor­ri­gen Eichen, einer mexi­ka­ni­schen Spitz­blatt­bu­che und Planta­nen. Das weit­läu­fige Gelände führt bis zum hotel­ei­ge­nen Bade­strand am Fin­ke­ner See. Das Beson­dere des Hotels: im gan­zen Gebäude sind Spu­ren sei­ner Geschichte erhal­ten und bewusst ins rechte Licht gerückt. Die Sui­ten sind rie­sig groß und hell, mit Desi­gner­lam­pen und wun­der­bar auf­be­rei­te­tem Holz­bo­den aus­ge­stat­tet. Ins­ge­samt gibt es 12, die ich mir alle anschauen durfte. Jedes Zim­mer ist anders und einige haben sogar eine kleine Küche und einen Ess­be­reich. Toll, wenn man mit Kin­dern unter­wegs ist, denke ich als ich mein Quar­tier beziehe.

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Eine Yoga­matte auf dem Zimmer

In mei­ner Suite erin­nern mich altes Mau­er­werk und geschickt in Szene gesetzte alte Farb­an­stri­che an den Wän­den daran, dass hier ein­mal Kin­der die Schul­bank gedrückt haben. Es hat so gar nicht den anony­men Touch von nor­ma­len Hotels. Ich spüre, dass hier jemand mit ganz viel Liebe zum Detail ans Werk gegan­gen ist. Und noch eine Über­ra­schung war­tet: im Schrank befin­den sich nicht nur die übli­chen Ver­däch­ti­gen wie Bade­man­tel und Pan­tof­feln; Es war­tet sogar eine Yoga­matte, die ich sofort auf dem schö­nen, restau­rier­ten Holz­bo­den aus­brei­tete, um mich nach der lan­gen Reise zu deh­nen und zu stre­cken. Bin mal gespannt wie ich in der ehe­ma­li­gen Schule schla­fen werde. Ich habe zwar schon als Schü­le­rin man­ches  mal im Klas­sen­zim­mer geschla­fen, aber eher aus Lan­ge­weile oder weil ich Kar­ne­val zu viel gefei­ert habe. Hier herrscht defi­nitv eine andere, sehr gemüt­li­che Atmosphäre.

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Lecker essen im Klassenzimmer

Im ehe­ma­li­gen Klas­sen­zim­mer der „Teil­ober­schule Fin­cken“ befin­det sich das Restau­rant, zum Teil noch aus­ge­stat­tet mit Ori­gi­nal­schul­bän­ken. Auf der Fens­ter­bank liegt ein altes Lineal und an den Wän­den hän­gen Fotos von damals. Chef­koch Gun­nar Mül­ler ist Slow-Food Anhän­ger. Seine Gerichte zau­bert er aus regio­na­len Zuta­ten, man­ches aus dem eige­nen Gar­ten und bio­lo­gisch ange­baut. Alles ist sehr, sehr lecker! . Bemer­kens­wert finde ich, dass man die­ses tolle Ambi­ente schon für 50 Euro pro Nacht/Person inklu­sive Früh­stücks­buf­fet buchen kann (Spe­zial)

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Grün, grün, grün sind alle meine Bilder

Jetzt ist aber genug gechillt, schließ­lich will ich auch etwas von der Umge­bung sehen. Und die hat etwas ganz Beson­de­res. Die kleine Ort­schaft Fin­ken liegt zwi­schen Müritz und Plauer See und wäh­rend ich Rich­tung Mürit­zer Natio­nal­park fahre ertrin­ken meine Augen in sat­tem Grün. Wo ich auch hin­schaue: grün! Manch­mal sehe ich über Kilo­me­ter kein Haus, kei­nen Zaun ‚kei­nen Men­schen. Nur Fel­der und Wäl­der und dar­über ein blauer Him­mel an dem weiße Wol­ken wie Federn trei­ben. Ich bin wirk­lich über­rascht, dass es in Deutsch­land sol­che Land­schaf­ten gibt!

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Alte Buchen im Müritz-Nationalpark

Der Müritz-Natio­nal­park ist bekannt für seine Buchen­wäl­der, die seit 2011 den UNESCO-Welt­na­tur­erbe Sta­tus haben. In den Wei­ten die­ser Wald-und Seen­land­schaft bekomme ich ein Gefühl dafür, wie damals wohl die Urwäl­der Deutsch­lands aus­ge­se­hen haben mögen. Ich stapfe zwi­schen alten Bäu­men über moo­sige Pfade, rie­che Erde und Feuchte, sehe Farne, Wald­blu­men und….Mücken. Was man mit ein biss­chen Glück noch sehen kann sind: Rot­hir­sche, Dam­wild und Wasch­bä­ren sowie jede Menge Vögel, See-und Fisch­ad­ler, Kra­ni­che und Rohrdommeln.

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Zum Teu­fel mit den Vorurteilen

Mit­ten im Natur­schutz­ge­biet Ser­r­ahn, einem Teil des Müritz-Natio­nal­parks finde ich noch ein zünf­ti­ges Plätz­chen für Kaf­fee und Kuchen. Hier lebt Kris­tina mit ihren drei Söh­nen. Idyl­lisch ist es hier, aber auch ein­sam. Nicht mal Han­dy­emp­fang gibt es. Ganz schön mutig finde ich. Aber wenn man schon mit­ten im UNESCO-Welt­na­tur­erbe lebt muß man die­sen Preis wohl zahlen.

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Jeden Mor­gen fährt Kris­tina ihre Kin­der ein paar Kilo­me­ter bis zur Land­strasse, wo sie den Bus zur Schule neh­men.  Kris­tina sagt sie liebe die­ses zurück­ge­zo­gene Leben. Im Win­ter füt­tert sie Klei­ber, Buch­fin­ken und Kern­bei­ßer. Manch­mal kom­men auch Rehe bis zur Ter­rasse, oder ein Dachs schaut vor­bei. Frü­her ist sie viel gereist, war in Asien unter­wegs. Doch irgend­wann wollte sie zurück zu den Wur­zeln, in ihr Eltern­haus. Ihre Mut­ter ist schon 1955 ins Forst­haus ein­ge­zo­gen, als Ehe­frau des Förs­ters. Und obwohl so iso­liert hatte die Fami­lie immer wie­der Besuch von Men­schen aus der gan­zen Welt. Ein Viet­na­mes schrieb hier sein Dok­tor­ar­beit. Auch heute bekommt Kris­tina Besuch aus aller Welt, dies­mal von Flücht­lin­gen, die inzwi­schen ihre Freunde gewor­den sind. Dann wird mul­ti­kulti-mäs­sig gekocht und gefeiert.

Wie­der ein­mal muss ich ein Vor­ur­teil revi­die­ren. Dachte ich doch, im Osten sei man ten­den­zi­ell eher aus­län­der­feind­lich. Das ist eben das Gute am Rei­sen: ich muss mir immer wie­der ein eige­nes, neues Bild machen und kann meine Vor­ur­teile getrost begra­ben. Das gilt eben nicht nur für Fern­rei­sen, son­dern auch für Rei­sen im eige­nen Land. Und da gibt es offen­bar noch viel zu entdecken!

Diese Recher­che wurde durch eine Pres­se­reise mög­lich gemacht. Danke!

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Gitti Müller

Mein erster Anfall von Fernweh hat mich 1980 ein Jahr lang als Backpackerin nach Südamerika geführt. Damals wog so ein Rucksack noch richtig viel und das Reisen war beschwerlich. Seitdem kann ich es einfach nicht lassen. Heute habe ich vor allem einen Laptop und meine DSLR im Gepäck. Als Fernseh-Journalistin und Ethnologin komme ich viel rum aber in Lateinamerika fühle ich mich einfach wie zu Hause. Damit ich auch in abgelegenen Andenregionen ein Schwätzchen mit den Leuten halten kann habe ich die Indianersprachen Aymara und Quechua gelernt.
Im Mai 2017 hat der Piper-Verlag mein Buch "Comeback mit Backpack - Eine Zeitreise durch Südamerika" herausgebracht (ISBN-10: 3890291422, 272 Seiten mit Fotos) Es erzählt von meinen Reisen in analogen und in digitalen Zeiten.

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