Pokhara: Wo Nepals zweitgrößte Stadt am schönsten ist

»Mein Lieb­lings­ort ist Pokha­ra.“

Seit ich als Deutsch­leh­re­rin in Kath­man­du arbei­te, höre ich die­sen Satz sehr häu­fig. Sobald die nepa­le­si­schen Schüler:innen gelernt haben, „Lieb­lings-“ vor Sub­stan­ti­ve zu set­zen und sobald sie dann auch über ihren „Lieb­lings­ort“ spre­chen kön­nen, bezeich­nen gut 90 Pro­zent von ihnen Pokha­ra als eben­je­nen. Ich wun­de­re mich dar­über nicht mehr. Und wun­de­re mich eben doch: Die Begeis­te­rung für die zweit­größ­te Stadt des Lan­des, die mir hier im Klas­sen­raum (und mehr­heit­lich auf Rei­se­blogs) ent­ge­gen­strömt, kann ich nur mit Ein­schrän­kun­gen tei­len. Mein Lieb­lings­ort in Nepal ist Pokha­ra jeden­falls nicht – und das muss ich wohl ein biss­chen bes­ser erklä­ren.

Pokhara, DER Urlaubsort

Zunächst ein­mal: Pokha­ra samt Umland hat etwas mehr als 310.000 Ein­woh­ner und liegt 200 Kilo­me­ter west­lich von Nepals Haupt­stadt Kath­man­du. Eine ein­zi­ge Stra­ße ver­bin­det die bei­den Städ­te – der Prith­vi High­way, eine stark repa­ra­tur­be­dür­fig­te Pis­te, auf der sich Tag für Tag unzäh­li­ge Fahr­zeu­ge, dar­un­ter jede Men­ge Tou­ris­ten­bus­se, anein­an­der vor­bei­schie­ben. Im Schnitt dau­ert die Bus­fahrt von Kath­man­du aus sie­ben Stun­den. Besucher:innen rei­sen aber nicht nur aus Kath­man­du an. Vie­le kom­men auch aus Rich­tung Süden, nach­dem sie zum Bei­spiel den Chit­wan Natio­nal­park an der Gren­ze zu Indi­en besucht haben. Pokha­ra liegt direkt am Phe­wa Lake (auch „Fewa“ geschrie­ben), dem zwei­größ­ten See des Lan­des. Von hier aus star­ten außer­dem zahl­rei­che kür­ze­re und län­ge­re Treks ins Anna­pur­na-Mas­siv. Auch des­halb ist die Stadt fes­ter Pro­gramm­punkt jeder Nepal-Rund­rei­se.

Phewa See

Trekking Angebot in Pokhara

Für Ein­hei­mi­sche und vor allem für Haupt­stadt­be­woh­ner scheint die Stadt indes­sen der Inbe­griff von Urlaub und Aus­zeit, von Abschal­ten und Erho­lung zu sein. Und genau da liegt für mich der Hase im Pfef­fer.

Pokhara Lakeside: Hauptsache touristisch zweckmäßig

Ja, sicher­lich: Ver­gli­chen mit dem Kath­man­du­tal, die­sem anstren­gen­den, völ­lig zuge­bau­ten Bal­lungs­raum mit sei­nen 2,5 Mil­lio­nen Ein­woh­nern, ist sie nahe­zu beschau­lich. Aber wer jetzt glaubt, man kön­ne dort über­all in Ruhe durch pit­to­res­ke Stra­ßen schlen­dern, wer glaubt, Pokha­ra sei so eine rich­ti­ge Urlaubs­stadt, ein Kur­ort gera­de­zu, der irrt. Auch Pokha­ra ist voll, auch dort gibt es Stau und Hup­kon­zer­te, auch dort hat man erst mal Mühe, ech­te Rück­zugs­or­te zu fin­den.

Zwei­mal war ich mitt­ler­wei­le für je vier Tage in der Stadt und bei­de Male habe ich sie ein wenig rat­los wie­der ver­las­sen. Denn so schön und lau­schig, wie ich sie mir vor­ge­stellt hat­te, fand ich sie ganz ein­fach nicht. Durch das Zen­trum zieht sich eine elen­dig lan­ge Ein­kaufs­mei­le, in der es haupt­säch­lich Kash­mir- und Trek­king-Klei­dung und ansons­ten immer den­sel­ben Tou­ris­ten­nip­pes zu kau­fen gibt. In der­sel­ben Stra­ße, deren ers­ter Abschnitt am Ufer des Phe­wa-Sees ent­lang­führt, befin­den sich etli­che Bars und Restau­rants. Oft sind sie groß und unge­müt­lich wie Bahn­hofs­hal­len. In den Sei­ten­stra­ßen rei­hen sich Hotels anein­an­der, von denen man vie­le kaum von­ein­an­der unter­schei­den kann.

Bettenburgsiedlung ohne Gesicht

Nepal erhofft sich in naher Zukunft wesent­lich mehr Gäs­te, des­halb wer­den immer mehr Hotels gebaut: Bei mei­nem letz­ten Besuch in Pokha­ra im Som­mer 2019 waren es auch die Bau­stel­len, die dem Stadt­zen­trum vie­ler­orts jeg­li­che Idyl­le raub­ten. Außer­dem befin­det sich nahe der Stadt ein inter­na­tio­na­ler Flug­ha­fen im Bau. 2021 soll er sei­nen Betrieb auf­neh­men und den Trib­hu­van Inter­na­tio­nal Air­port in Kath­man­du, den bis­lang ein­zi­gen inter­na­tio­na­len Flug­ha­fen des Lan­des ent­las­ten.

Alte Archi­tek­tur wie im Kath­man­du­tal sucht man im Zen­trum von Pokha­ra jeden­falls ver­geb­lich. Die Stadt sieht ganz anders als Kath­man­du aus, auch weil sie viel sau­be­rer und auf­ge­räum­ter ist. Das ist ange­nehm. Einer­seits. Ande­rer­seits wirkt sie an vie­len Stel­len wie eine eilig aus dem Boden gestampf­te Bet­ten­burg-Sied­lung ohne Gesicht und ohne Geschich­te.

Der Autor Misha G. Schoe­ne­berg hat Pokha­ra  bei sei­nem Besuch ähn­lich erlebt. In sei­nem Buch „Sid­dha­r­ta High­way“ von 2017 beschreibt er die Lake­si­de Road, jene Ein­kaufs­stra­ße, wie folgt:

 Es ist die Fla­nier­mei­le die­ser welt-tota­len Tou­ris­mus-Indus­trie, die […] bis­her noch jeden Ort, den sie als Para­dies ver­kauft, schon zig-fach ver­ge­wal­tigt hat, bevor sie die Clowns und Colo­nels der Glo­bal Play­er aus den Her­ren­län­dern drü­ber­stei­gen lässt: Den von McDonald’s, den aus Ken­tu­cky, die Kaf­fee­rös­ter, die Fuji-Sushi aus Japan. Alle Mul­tis sind schon da!

Pokha­ra vol­ler McDonald’s, KFC und Star­bucks? Auch mir fällt die­se Vor­stel­lung nicht schwer. Schon jetzt prägt tou­ris­ti­sche Zweck­mä­ßig­keit nahe­zu jedes Gebäu­de im Zen­trum. Und mit dem Hip­pie-Mek­ka, das die Stadt in den Sieb­zi­ger Jah­ren ein­mal war, hat sie heu­te über­haupt nichts mehr gemein.

Pokharas zahlreiche Vorzüge

Man könn­te sagen: Es ist es alles Städ­ti­sche, was mir an die­ser Stadt nicht gefällt.

Aber Pokha­ra ist ja nicht nur Fla­nier­mei­le, nicht nur Restau­rants und Hotels, nicht nur Lake­si­de Road. Der Trumpf die­ses Ortes, der immer ein paar Grad wär­mer als Kath­man­du ist, ist sei­ne ein­ma­li­ge Lage am Phe­wa-See und am Fuße des Hima­la­yas. Sie schenkt ihm die Viel­falt und Schön­heit, die er in sei­nem Zen­trum ver­mis­sen lässt. Ist der Him­mel wol­ken­los, kann man die Gip­fel des Anna­pur­na-Mas­sivs von den Ter­ras­sen der Gebäu­de aus empor­ra­gen sehen. Beson­ders auf­fäl­lig ist der Machapucha­re. „Fish­tail“ nen­nen die Ein­hei­mi­schen den fast 7000 Meter hohen Berg. Mich erin­nert sein Gip­fel immer an ein Stück­chen Toble­ro­ne.

Machupuchare Gipfel PokharaMachapuchare

Wun­der­schön ist Pokha­ra mit­ten auf dem Phe­wa Lake, der von grü­nen Hügeln ein­ge­rahmt ist und erstaun­lich tür­kis im Son­nen­licht glit­zert. Eine Bade­stel­le hat er, so weit ich weiß, lei­der nicht. Aber Boot fah­ren kann und soll­te man auf ihm, ent­we­der leiht man selbst eines aus oder man lässt sich von einem Boots­füh­rer hin­über­s­chip­pern. Auf einer klei­nen Insel mit­ten im See steht ein Tem­pel, Barahi-Tem­pel mit Namen, und in der Fer­ne krei­sen immer ein paar Para­gli­ding-Schir­me vor Berg­pan­ora­ma umher.

Mein Lieblingsort in Pokhara? Sarangkot!

Am aller­bes­ten aber gefällt mir Pokha­ra von oben. Bei der World Peace Pago­da, die man nach einer etwa ein­stün­di­gen Wan­de­rung vom Phe­wa-Ufer aus erlangt, lie­gen einem der See, die Stadt und das end­lo­se Grün, das sie umgibt, zu Füßen. In Sar­ang­kot, einem ein­ge­mein­de­ten Dorf auf 1500 Metern Höhe, ist der Blick auf die Ber­ge, den Phe­wa-See und die Stadt noch spek­ta­ku­lä­rer.

World Peace Pagoda Pokhara

Und schließ­lich gibt es abseits des Zen­trums doch eini­ge Sehens­wür­dig­kei­ten, die sich loh­nen und die man noch dazu auch zu Fuß oder mit dem Fahr­rad errei­chen kann: Die längs­te Höh­le Nepals etwa, die Gup­teshwor Maha­dev Cave. Oder den Bind­hya­ba­si­ni-Tem­pel, eine der ältes­ten hei­li­gen Stät­ten im Pokha­ra­tal.

So haben sie am Ende doch recht, die Urlau­ber und Ein­hei­mi­schen, die immer wie­der sagen: Pokha­ra ist schön und viel­sei­tig und unbe­dingt eine Rei­se wert. Man kann hier wan­dern, Rad fah­ren, Boot fah­ren, para­gli­den, trek­ken und tan­zen.

Stimmt, all das kann man in Pokha­ra. Und das Stadt­zen­trum? Nun, das kann man sich spa­ren.

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Antwort

  1. Avatar von Ramadan
    Ramadan

    Wie ist das denn mit den Ver­si­che­run­gen wäh­rend so einer Rei­se ?

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