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Eine Sorte Schokoladenkekse

Fast war der See im Boot grö­ßer als der See unter’m Boot. Mit Voll­speed und gro­ßen Bug­wel­len düs­ten wir gera­de über den Lago Atit­lan. Alles, wor­auf unse­re Exis­tenz beruht, trief­te bereits vor Näs­se: Wir selbst und unse­re Ruck­sä­cke. Wie sie in dem Boot­see an unse­ren Füßen umher­schwam­men, wirk­ten sie viel leich­ter, als sonst auf unse­ren Rücken. Kurz vor Son­nen­un­ter­gang erreich­te unser Boot San­ta Cruz.

0.BoatRiding

 

 

 

0.Boats_Arriving

San­ta Cruz ist ein klei­nes Dorf am Lago Atit­lan. Oder viel­mehr eine klei­ne Häu­ser­an­samm­lung zwi­schen See­ufer und Berg­fuß. Da der See dem Berg immer näher rückt, ist dazwi­schen nicht viel und immer weni­ger Platz. Neben dem Boots­an­le­ger und den weni­gen Häu­sern gibt es hier einen klei­nen Kiosk, der Ana­nas, Was­ser­me­lo­ne und eine Sor­te Scho­ko­la­den­kek­se ver­kauft. Glück­li­cher­wei­se lecke­re Scho­ko­la­den­kek­se. Außer­dem etli­che schein­bar unbe­nutz­te blaue Boo­te im Was­ser und eine beein­dru­cken­de Viel­falt an Flo­ra und Fau­na. Pflan­zen haben Far­ben und Spin­nen haben Bei­ne, die mich immer wie­der auf’s Neue beein­druck­ten. Hier woll­ten wir uns für ein paar Tage nie­der­las­sen. Zumin­dest so lan­ge, bis wir all unser Hab und Gut wie­der getrock­net hat­ten.

0.Plants_Colors

 

0.Sundwon_Stegguy

Noch nie hat­te ich einen See mit so star­ken Wel­len gese­hen. Da sich die­se auch kein Ein­hei­mi­scher erklä­ren kann, besagt die Legen­de, dass der Wind die See­le eines Prin­zen ist, der über das Was­ser fegt – auf der Suche nach sei­ner Prin­zes­sin, die einst bei einem Boots­un­fall ken­ter­te. Die Wel­len sind jeden Tag anders, aber immer wild. Zumin­dest für einen See. So wild, dass man denkt, man sit­ze am Meer. Nur ver­schwin­det das Was­ser nicht ein­fach dort hin­ten irgend­wo am Hori­zont. Es tür­men sich rie­si­ge Vul­ka­ne rings um das See­meer auf. Deren Spit­zen immer wol­ken­be­han­gen sind, sogar wenn der Rest des Him­mels kla­res Blau trägt. Auch wenn sie mitt­ler­wei­le inak­tiv sind, wirkt es so, als wür­den die Vul­ka­ne doch noch ein biss­chen damp­fen.

0.Swing

Sie sehen nicht nur sur­re­al schön aus, sie haben auch einst den See Atit­lan geformt. Denn bevor das Was­ser kam, war er ein Kra­ter, der eine der ältes­ten Maya­stät­ten beher­berg­te. Daher kann man auch heu­te noch Maya Rui­nen auf sei­nem Grund ertau­chen. Zudem sor­gen die Vul­ka­ne für durch­ge­hen­den Früh­ling. Denn sie fan­gen alle Wol­ken mit ihrem Regen ab, die sich dem See auch nur nähern. Abends kann man neben einem beein­dru­cken­dem Son­nen­un­ter­gang auch oft ein Blitz­licht­ge­wit­ter in den Vul­ka­nen beob­ach­ten – ganz ohne Don­ner, Regen und Angst.

0.Writing

All das und noch eine Prie­se unbe­schreib­li­che Mys­tik kre­ieren eine beson­de­re Stim­mung um den See. In der Luft liegt eine Magie, die jeden Ankömm­ling sofort ent­spannt und ihn nicht mehr los lässt. Von der Ankunft an bannt der See den Blick eines Jeden. Als könn­te jeden Moment Nes­sie in ihm auf­tau­chen. Soll­te es pas­sie­ren, wür­de es nie­mand ver­pas­sen. Denn jedes Auge klebt unun­ter­bro­chen auf ihm – am Tag mit Licht, am Abend ohne. Ohne es bewusst zu mer­ken, wird jedes Haus, jedes Fens­ter, jeder Stuhl nach dem See aus­ge­rich­tet. Men­schen, die hier woh­nen erzäh­len alle die glei­che Geschich­te: Weni­ge Minu­ten nach ihrer Ankunft, wuss­ten sie, sie wür­den hier für immer blei­ben wol­len – und stor­nier­ten ihren Rück­flug. Egal, ob das 25, 12 oder 2 Jah­re her ist.

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0.Steg_Schaukel

Die Frei­heit, die in die­sem Ever­green-Blick liegt ist wun­der­bar. Die ent­spann­te Magie die­ses Ort ist über­wäl­ti­gend. Men­schen kom­men her aus genau die­sem Grund. Men­schen leben hier aus genau die­sem Grund. Sie machen sich die Ent­span­nung des Ortes zu eigen, denn sie kommt aus dem Ort, nicht aus ihnen selbst.

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Über­all am See sind gemüt­li­che Ecken zum Sit­zen, klei­ne Ste­ge zum Lie­gen oder geschütz­te Buch­ten zum Schwim­men. Doch die Ur- sowie die Neu-Ein­hei­mi­schen haben sich nicht nur die Ent­span­nung, son­dern auch die Orte zu eigen gemacht. So wol­len all die­se Orte der Ent­span­nung auch bezahlt wer­den. Man kann zwar in der Ecke sit­zen, auf dem Steg lie­gen und in der Bucht schwim­men – aber nur, wenn man dort auch kon­su­miert. Wir fin­den kei­nen Ort, an dem wir ohne Limo­na­de ent­span­nen dür­fen.

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Wer nicht à la car­te im Restau­rant oder Hotel speist, kann nur Ana­nas, Was­ser­me­lo­ne und eine Sor­te Scho­ko­la­den­kek­se ver­spei­sen. Nach zwei Tagen kennt der Kiosk­mann bereits mei­ne hal­be Lebens- und mei­ne Kom­pres­si­ons­strumpf­ge­schich­te. Alles la car­te ist lie­be­voll und köst­lich zube­rei­tet, doch teu­er und kon­sum­trei­bend. Was wie­der­um mei­ne Ent­span­nung tor­pe­diert. Denn für mich bedeu­tet dies auch Gemüts­ge­trie­ben­heit, Zeit­lo­sig­keit, Kon­sum­ver­zicht. Das Gemüt treibt ganz gut beim Wan­dern, Yoga machen, Nichts­tun. Uhr­zei­ten muss ich zwei wis­sen: Um 15 Uhr ent­schei­den, ob ich um 19 Uhr essen möch­te. Aber stän­dig muss ich mei­ne Geld­bör­se aus dem Zim­mer holen.

0.Dog

0.Sea_Bed

Als ich mit leich­ter Geld­bör­se und tro­cke­nem Ruck­sack in das noch tro­cke­ne Boot stei­ge, den­ke ich trotz­dem: Von hier neh­me ich ein Stück mit. Denn die Magie in der Luft hat all mein Hab und Gut getrock­net. Viel­leicht kom­me ich sogar noch ein­mal zurück. Denn genau die­se brau­chen mei­ne Sachen spä­tes­tens nach die­ser Boots­fahrt wie­der. Und ich auch ein biss­chen. Gut, dass man die­se Magie nie­mals mate­ria­li­sie­ren kann.

 

 

Dan­ke La Igua­na Per­di­da für die Ein­la­dung an die­sen mys­ti­schen Ort.

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Antworten

  1. Avatar von Micha

    Wir waren letz­ten Win­ter zwei Mona­te dort – sehr schön dort, wirk­lich, ja sogar irgend­wie magisch. Aber nach eini­gen Wochen kann man die Augen vor den Schat­ten­sei­ten des Tou­ris­mus dort nicht ver­schlie­ßen (das gilt vor­al­lem für San Mar­cos und etwas weni­ger für San Pedro). Eben wie über­all, wo die Orte bei Tra­vel­lern schon lan­ge als *schön* bekannt sind…

    1. Avatar von Lena

      Da hast du sehr Recht, es gibt immer wie­der Orte, die ohne die Tou­ris­mus­in­va­si­on noch viel schö­ner wären. Aber dei­ne zwei Mona­te Über­win­te­rung waren bestimmt toll. Was habt ihr gemacht, außer See­gu­cken? 🙂

  2. Avatar von Traveling Shapy

    Oh ja Lago Atit­lan ist wirk­lich was beson­de­res, ich war die­ses Jahr erst. Jedoch werd ich mit ziem­li­cher Sicher­heit nächs­tes Jahr noch ein­mal hin, dies­mal mit mehr Zeit !

    Vie­le Grü­ße

    Mat­thi­as

    1. Avatar von Lena

      Oh toll! Je öfter man wie­der­kommt, umso mehr kann man viel­leicht Atitlans Ent­spannt­heit auf­sau­gen. Viel Spaß dabei!

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