Wir flo­gen nach Athen ohne über­haupt zu wis­sen, wie es von dort aus wei­ter­ge­hen sollte. Ansprü­che hat­ten wir keine im Gepäck. Wir woll­ten tags­über in die Sonne und abends Oli­ven essen. Die Kykla­den boten sich an, nichts als Son­nen­schein war zumin­dest vorhergesagt.

Wir betra­ten ein Rei­se­büro im abend­li­chen Athen und kamen mit einem prall­ge­füll­ten Umschlag wie­der raus. Darin steck­ten viele Fähr­ti­ckets: Piräus – Paros – Naxos ‑Ira­klia – Piräus.

Kykla­den: Früh­jahr auf Paros und Naxos

Wir lie­ßen bald das Insel­le­ben von Paros und Naxos auf uns wir­ken, was zu die­ser Jah­res­zeit kaum statt­fand. Men­schen sah man wenige, nur der Wind tobte in den engen Gas­sen und diri­gierte den ein­sa­men Tanz des lie­gen­ge­blie­be­nen Lau­bes. Wir streif­ten durch das weiße Laby­rinth der Alt­städte und tran­ken dort Espresso, wo wir ein Café mit offe­nen Türen ent­deck­ten. Es war son­der­bar, wie leer die Inseln waren.

Uns beküm­merte das wenig, schließ­lich über­wo­gen die Vor­teile unse­rer früh­jähr­li­chen Rei­se­zeit. Da war das ange­nehme Klima: T‑Shirt Wet­ter mit griff­be­rei­tem Pulli, für „wenn die Sonne weg ist“. Es waren ja immer­hin auch genug Restau­rants geöff­net, dass wir nie zwei­mal in die glei­che Taverna muss­ten. Abends nutz­ten wir ohne­hin am liebs­ten die Koch­ni­schen unse­rer Unter­künfte. Die Oli­ven rich­te­ten wir immer groß­zü­gig mit Schafs­käse auf einem extra Tel­ler an. So plät­scher­ten die Tage ste­tig vor sich hin, wie der karge Was­ser­strahl des Dorf­brun­nens. Ganz und gar nicht unangenehm.

Ira­klia – ein­same Insel im Mittelmeer

Auf Ira­klia gip­felte das Gefühl der Abge­schie­den­heit. Mit­ten in der Nacht lief unsere träge Fähre im schma­len Insel­ha­fen ein. Man muss sich das mal vor­stel­len: Die weni­gen Lich­ter einer Insel auf der ohne­hin nur 141 Ein­woh­ner leben, fun­kel­ten vor uns in der Nacht­schwärze. Einer davon, unser Gast­ge­ber Niko, holte uns in der Fins­ter­nis ab. Wir nah­men in sei­nem Auto Platz und stie­gen keine 2 Minu­ten spä­ter wie­der aus.

Wie die meis­ten Insel­be­woh­ner wohnte Niko in der klei­nen Sied­lung Agios Geor­gios beim Hafen. Er war gewiss kein Mann vie­ler Worte, den nächt­li­chen Small-Talk mit uns zwei auf­ge­kratz­ten Tou­ris ver­mied er so gut es ging. Er zeigte uns das Zim­mer in einem Anbau ober­halb des Hau­ses. Von der Ter­rasse aus konn­ten wir hinab in die Bucht bli­cken und unse­rer Fähre noch zuse­hen, wie sie kehrt machte und behä­big in die Nacht entschwand.

Am Mor­gen stieg ich die Treppe unse­res Anbaus auf dem Haus­dach hinab, um Niko zu suchen. Ich sah ihn im Gar­ten, er war gerade dabei einen moto­ri­sier­ten Rasen­mä­her zu star­ten. Immer wie­der zog er beherzt an der Star­ter-Schnur, bis der Motor schließ­lich auf­zuckte, eine tief­schwarze Wolke aus­stieß und laut knat­terte. Ich tippte ihm von hin­ten auf die Schul­ter, weil er mich bei dem Lärm nicht mehr hören konnte. Er erschrak kurz, drehte den Motor wie­der ab und sagte: „Do you want breakfast?“

In den kom­men­den Tagen stellte sich her­aus, dass Niko kaum Worte benö­tigte, um ein unver­gleich­li­ches Wohl­wol­len aus­zu­strah­len. Er wirkte von Grund auf her­zens­gut. Als sei Groß­zü­gig­keit selbst­ver­ständ­lich, nichts was erlernt und mit Wor­ten unter­füt­tert wer­den müsste.

Ein ruhi­ger Tag in Agios Georgios

Wir bra­chen zu einem Rund­gang durch die Sied­lung auf. Außer ein paar Häu­sern und lee­ren Gas­sen gab es aller­dings nichts anzu­se­hen. Gele­gent­lich schlapp­ten Insel­be­woh­ner an uns vor­bei, grüß­ten freund­lich und gin­gen ihrem Tage­werk nach. Unten am Hafen schwappte das Was­ser gedul­dig in klit­ze­klei­nen Wel­len an Land, ein paar Fischer­boote wogen fried­lich am Steg. Es gab hier zwei Taver­nas, die genauso geschlos­sen waren, wie die weni­gen Feri­en­zim­mer im Ort. Ich könnte wet­ten, dass von den 144 Ein­woh­nern nicht ein­mal die Hälfte hier war.

Wir began­nen zu über­le­gen, wie wir hier über­haupt an Nah­rung kom­men sol­len. Diese grund­sätz­li­che Frage musste geklärt wer­den. Wir könn­ten ja nicht stän­dig Niko bit­ten uns etwas zu kochen. Seine Unter­kunft hatte zwar ein Restau­rant, aber da war nichts, kein Koch, keine Gäste, die Stühle lehn­ten quer an den Tischen. Eine Frau ver­wies auf ein klei­nes Haus in der Nähe, als ich fragte ob es denn hier irgendwo einen „super­mar­ket“ gebe.

Wir tra­ten an das Haus heran, des­sen Ein­gang nur durch eine Art Vor­hang bedeckt war. Tat­säch­lich befand sich in dem Raum dahin­ter ein klei­ner Laden, inklu­sive Kühl­fach für Gemüse und Käse. Auf dem Boden stan­den rie­sige Eimer vol­ler Oli­ven. Ein Mann saß an einem mas­si­ven, unauf­ge­räum­ten Holz­tisch an der Wand. Als wir unsere Ein­käufe vor­brach­ten wog er das Gemüse, rech­nete Preise im Taschen­rech­ner auf und strich schließ­lich jeden Arti­kel aus einem hand­schrift­lich geführ­ten Bestands­buch aus.

Wir lie­fen über leere Stra­ßen wei­ter nach Liv­adi, dem klei­nen Strand­ab­schnitt im öst­li­chen Ira­klia. Ein gro­ßes Café wurde erkenn­bar. Offen. Der Betrei­ber saß alleine an einem der Tische und spielte Tetris am Lap­top. Lohnt es sich über­haupt den Laden auf­zu­schlie­ßen? „Irgend­wer kommt immer“, ant­wor­tete er und sor­tierte wei­ter kon­zen­triert seine Tetris-Blö­cke. Wer hier wohnt hat keine hohen Erwar­tun­gen an die Tage.

Wan­dern umge­ben von Wasser

Meh­rere Wan­der­wege füh­ren in sämt­li­che Win­kel des klei­nen Ira­klia. Am zwei­ten Tag wan­der­ten wir bis ans andere Insel­ende zur Tropf­stein­höhle Agios Ioan­nis. Der rund 7 km lange Weg dort­hin führte über einen schma­len Pfad, wel­cher direkt in die steile Klippe ein­ge­las­sen war. So hat­ten wir freien Blick in die tiefe Bucht, aus der das Tosen der zer­schel­len­den Wel­len aufstieg.

So schön das Set­ting auch war, irgend­et­was löste Unbe­ha­gen aus: Es fühlte sich son­der­bar an hier zu wan­dern. Viel­leicht lag es am Gefühl der Iso­la­tion auf die­ser klei­nen Insel, eine milde Form von Platz­angst über­mannte mich. Wir waren abge­schnit­ten vom Welt­ge­sche­hen, umge­ben von der End­lo­sig­keit des tief­blauen Was­sers. Von die­sem para­die­si­schen Gefäng­nis könn­ten wir aus eige­ner Kraft nie mehr weg­kom­men. Was, wenn die Fähre nicht mehr kommt? Was, wenn die­ser kleine Super­markt nicht mehr öffnet?

Natür­lich war dies eher ein düs­te­res Gedan­ken­ex­pe­ri­ment, als eine tat­säch­li­che Sorge. Ich war spä­ter gewiss in der Lage die Abge­schie­den­heit zu genie­ßen. Dass so eine Ein­same-Insel-Erfah­rung noch mög­lich war bei uns in Europa, fas­zi­nierte mich.

Wir lern­ten  nur einen ganz klei­nen Teil Grie­chen­lands ken­nen auf unse­rer Früh­lings­tour über die Kykla­den. Das unüber­sicht­li­che Land mit sei­nen unzäh­li­gen Inseln und Land­zun­gen muss man sich Stück für Stück erschlie­ßen. Mal sehen in wel­che Rich­tung wir das nächste Mal aufbrechen.

 

Cate­go­riesGrie­chen­land
  1. Hallo Herr Schmitz,

    wieso depri­miert sie der Text? Ich denke wir tei­len die Auf­fas­sung, dass diese Inseln gerade im Früh­jahr traum­haft schön sind. Wir haben es jeden­falls sehr genos­sen. Schief­ge­lau­fen ist übri­gens auch nichts.

    Freund­li­che Grüße

  2. Klingt ja eher depri­mie­rend. In Wirk­lich­keit ward Ihr in der schöns­ten, der grüns­ten, der blü­hends­ten Zeit auf Naxos und Ira­klia, nach der sich die meis­ten Besu­cher die Fin­ger lecken. Weiß nicht, was da schief gelau­fen ist. Ich ver­mute es ist eine gene­relle man­gelnde Grie­chen­lan­d­er­fah­rung, aber die lässt sich in der Tat erar­bei­ten… viel Erfolg dabei. Es lohnt sich.

    Das sagt jemand, der heute hier lebt und davor sein hal­bes Leben in meh­re­ren Urlau­ben pro Jahr hier ver­bracht hat. Und der nir­gendwo anders leben möchte. Obwohl er sehr viel reist, http://mirnix.info .

    Da auf Ira­klia ca. 70 Men­schen stän­dig leben, sind zwei Läden immer offen, die wür­den ja sonst ver­hun­gern. Und auf Naxos ist ganz­jäh­rig ordent­lich Betrieb.

    Noch ein Tip mit sehr ergie­bi­gen Infor­ma­tio­nen über Naxos: http://azalas.de

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