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Optisch prallen Welten aufeinander am Playa de los Lances: Am oberen Ende des gut hundert Meter breiten Strandes glänzen die Glasscheiben des Waikiki in der Sonne. Innen ist der Beach Club weiß gestrichen und mit Hängepflanzen dekoriert, davor sitzen Gäste unter Strohschirmen im Sand und nippen an ihren Getränken. Kein ungewöhnlicher Anblick.
Wäre da nicht die Plattenbausiedlung.
Im Hintergrund erheben sich drei Mehrfamilien-Wohnwürfel mit hellgrauen Fassaden. Bunt sind einzig die Handtücher auf den Wäscheleinen, die einige Bewohner von Fenster zu Fenster gespannt haben. Tristesse royal, anderswo im Problemviertel am Stadtrand zu finden. Hier stehen die farblosen Bausünden am Strand.
Kite-Surfen? Danke, nein.
Ich bin allein in Tarifa. Zuerst hat es mich ans Meer gezogen. Von hier aus kann man Afrika sehen, nur 14 Kilometer trennen Spanien von Marokko. Ständig lösen sich Haarsträhnen aus meinem Zopf und flattern mir wild ins Gesicht. Tarifa ist Europas Kite-Surf-Hauptstadt, auf den Wind war ich halbwegs gefasst. Und was könnte ich hier nicht alles unternehmen! Kite-Surfen lernen, mit der Fähre nach Marokko übersetzen, mit dem Bus nach Gibraltar, Sevilla oder Cádiz fahren, jede Nacht in den Clubs und Bars in der Altstadt feiern.
Nichts davon habe ich geplant, mein Anspruch an diesen Urlaub könnte niedriger nicht sein. „Im Café sitzen und lesen“, sage ich, wenn jemand fragt, was ich so vorhab diese Woche, „und zwei Stunden später immer noch. In einem anderen Café. Vielleicht.“
Allein in Tarifa und voll in meinem Element
Fürs Erste möchte ich nicht einmal Gesellschaft, und das ist noch relativ neu. Allein gereist bin ich schon oft. Bewusst allein geblieben nicht. Jahre hat mich das gekostet, aber seit ich zum ersten Mal ohne Begleitung aufgebrochen bin, habe ich gelernt, mir selbst genug zu sein. Mehr noch: Heute brauche ich das Alleinsein, auch – und gerade – unterwegs.
Stundenlang laufe ich mit Musik im Ohr am Strand entlang, der vor mir liegt wie eine Wüste. Der Wind bläst mir phasenweise kalt entgegen, die Sonne brennt auf die Gänsehaut an meinen Armen. Über den Dünen kreisen die Kites, ich schaue ihnen von der abgelegenen „Waves Beach Bar“ aus zu.
Es fehlt mir an nichts.
Hinter der Puerta de Jerez verbirgt sich die Altstadt. Die weißen Häuser leuchten gegen den ewig-tiefblauen Himmel an. Ich stromere durch die Gassen mit diesem Blick für Details, der mir zu Hause in Hamburg oft fehlt, vorbei an Straßenschildern aus bunten Fliesen, Orangenbäumen und Wandtafeln mit den Angeboten der Obsthändler. Ich verbringe Stunden auf einer Bank am Plaza La Paz und lese.
Ohne Angst, irgendetwas zu verpassen.
In der Morgensonne gehe ich zum Busbahnhof und fahre schließlich doch mit dem nächstbesten Bus nach Cádiz. Ich erlaufe mir die Stadt, ohne Plan und ohne Eile, vom Bahnhof durch die schmalen Gassen im Zentrum bis zum Strand.
Und bin voll in meinem Element.
Schlussendlich bleibe ich nicht lange allein, denn plötzlich ist da Aneke. Holländerin, wilde Locken, wache Augen, ebenfalls allein in Tarifa – und mir so ähnlich, dass unsere Begegnung hier fast kein Zufall sein kann. Mit Plänen hält sie es genau wie ich. So landen wir bei einer spontan gebuchten Whalewatching-Tour, beobachten Pottwale und Delfine, trinken abends Wein auf den kleinen Plätzen in der Altstadt und lassen uns tagsüber zusammen ziellos durch die Stadt treiben.
Nichts ist fehl am Platz
Zum Beispiel durch die Plattenbausiedlung, die ihren Charme von der anderen Seite aus entfaltet. Hier haben die Geschäfte bonbonfarbenen Fassaden. In der kleinen Drogerie gibt es alles und nichts, aber auf jeden Fall einen kurzen Plausch mit der Verkäuferin, aus den Cafés mit den bunten Markisen dringen Musik und lautes Gelächter, der Obst- und Gemüsehändler unterhält sich angeregt mit Anwohnern.
Zum Sonnenuntergang füllt sich das Waikiki. Im Abendlicht wirken die Plattenbauten dahinter nicht mehr ganz so kalt. Ohne sie würde hier etwas fehlen.
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