Elternzeit oder eine neue Handtasche? – Was ist uns wichtiger?

Viele Abende sassen Daniel und ich schon an unserem Esstisch. Haben unsere Gedanken schweifen lassen. Über unsere Reise. Über Elternzeit. Über uns. Was auf dieser Reise wohl mit uns passiert. Als Familie. Als Individuum. Teils waren wir freudig. Teils ängstlich. Teils voller Respekt. Teils voller Euphorie. Aber immer mit einem Funkeln in den Augen. Jeder Menge Vorfreude im Herzen. Und einem Urgefühl an Vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Man muss es einfach ausprobieren. Unsere Elternzeit.

In nur einem Jahr soll es los gehen. Unser Abendteuer. Unsere Elternzeit. 1 Jahr Südamerika.

LIFE-for-FIVE-Elternzeit-Selfie von Papa Daniel mit seiner ältesten Tochter

Wirklich erst in einem Jahr? Eigentlich hat es schon längst begonnen. Unser Abenteuer. Gedanken, und Gefühle die wir in Verbindung mit unserer Reise haben fangen an uns zu verändern. Auch diese Veränderungen wollen wir mit euch teilen. Hochs und Tiefs, Freuden und schönen Gedanken aber auch Zweifel und Sorgen, die wir als Familie erleben während der Zeit unserer Reiseplanung.

Vor allem dominiert gerade eine Thema unsere Gedanken. Ein Thema, dass uns nicht mehr los lässt: 

Wie viele materielle Dinge benötigen wir denn tatsächlich auf Reisen? Eines ist bereits klar, wir werden unseren Besitz reduzieren müssen. Und überhaupt: Wie viele Dinge benötigt man im Leben, um glücklich zu sein? Was ist uns wirklich wichtig?

 

LIFE-for-FIVE-Elternzeit- Papa mit zwei Töchtern kuschelnd in Hängematte

Dazu möchte ich hier ein paar Gedanken teilen. Gedanken, die tief aus meinem Herzen sprechen und etwas in unserer Vergangenheit wühlen.

Wir kommen beide aus einem eher wohlhabenden Elternhaus. Zuneigung wurde in Form von eben diesen materiellen Dingen ausgedrückt. Jedes Jahr stapelte sich eine neue Skiausrüstung zum Baseballschläger, dem Einrad, den Inlineskates, dem Paddelboot, dem Surfbrett und dem anderen Freizeitequipment. Unsere Kleiderschränke waren bis unter die Decke voll gestopft mit Markenklamotten. Mit 16 stand der Roller vor der Tür, mit 18 das Auto. Uns fehlte es an nichts. Meinte man. Vor allem unsere Väter. 

Das gekaufte Glück über diese unzähligen Geschenke hielt meist nur für kurz. Vieles landete in einer Ecke, dem Keller oder wurde einfach verschenkt.

Mein Vater konnte es nicht verstehen, warum ich trotz all seiner Grosszügigkeit oft unglücklich war. Ich hatte doch alles. Ja. Das stimmt. Ich hatte die neuste Levi`s und die teuersten Skier. Aber ich hatte etwas ganz Entscheidendes nicht. Meinen Vater. Er verbrachte wenig Zeit mit mir. Arbeitete unter der Woche in einer anderen Stadt, und am Wochenende pflegte er unseren Garten und das Haus. Zeit war es, die mir fehlte. Gemeinsame Zeit mit meinem Vater. Meine Mutter verlor ich leider als ich 4 Jahren alt war. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bevor unsere erste Tochter zur Welt kam, haben Daniel und ich ebenfalls viel Geld in materielle Dinge investiert. Im Keller stapelten sich – wie in unserer Kindheit – die unterschiedlichen Freizeitgegenstände. Gegenstände, die eher den Staub als die Natur sahen. Wir hatten nämlich keine Zeit. Keine Zeit für uns. Für unsere Partnerschaft, für unsere Freunde, für unsere Familien. 

LIFE-for-FIVE-Elternzeit- Daniel und Tina auf einem Stand-Up-Paddel

Wir arbeiteten. Viel. Sehr viel. Beide in Werbe- und Designagentur in München. Tag und Nacht. Oft auch am Wochenende. Wir realisierten nicht die Spirale, deren Sog uns nicht mehr los liess.

Erst die Schwangerschaft mit unserer ersten Tochter riss uns aus dieser Endlosschleife. Ich weiss noch genau, wie ich heulend vor meinem Mann stand, in der einen Hand den positiven Schwangerschaftstest, und in der anderen Hand ein Bündel Geld. Ich war Tod unglücklich, mir meine heiss ersehnte neue Skiausrüstung jetzt nicht mehr kaufen zu können, und stammelte unter Tränen irgend etwas wie: «Hier, nimm das Geld, jetzt kannst du davon einen Kinderwagen kaufen…!» Daniel sperrte sich erstmal in der Küche ein um das auf sich wirken zu lassen… 

Anfangs dachte ich noch, ich könnte weiter machen wie davor. Aber unser ungeborenes Baby zeigte mir sehr deutlich, dass dieses Leben, gespickt von teuren, schönen Gegenständen, Arbeitsstress und einem dauerhaften Mangel an Zeit endgültig vorbei sein muss. 

LIFE-for-FIVE-Elternzeit-Frühchen wir im Inkubator mit Flasche gefüttert

Unser Baby. Sehr abrupt war ich auf einmal Mama. Und irgendwie auch nicht. Mit nur 1900 Gramm kämpfte sie sich auf der Frühchenstation ins Leben. Es war schrecklich, dieses kleine hilflose Wesen, umgeben von Kabeln und piepsenden Monitoren. Stunde für Stunde sassen wir bei ihr. Starrten in den Brutkasten. Abertausende Gedanken schossen uns durch den Kopf. Ein Wechselbad der Gefühle. Vor allem auch Schuldgefühle. Wie konnten wir so egoistisch sein und nur an Beruf, Karriere und Kaufwahn denken. Ohne Rücksicht auf das kleine Wesen, dass ich unter meinem Herzen trug?

Das erste Lebensjahr unserer Tochter hat uns viel gelernt. Wir wohnten auf einem kleinen Bauernhof in einer 30qm Wohnung mit Kochnische. Etwas abseits der Stadt auf einem Berg. Es war einsam. Sehr einsam. Und Still. Um uns herum Schafe und Berge. Und ein kleines Baby, dass viel Zeit brauchte. Zeit um in dieser Welt an zu kommen. Zeit zum Aufholen von all den wichtigen Wochen, die es nicht mehr in meinem Bauch sein konnte. Zeit um ins Leben zu starten. Und wir wollten ihr diese Zeit geben. Bei ihr sein. Sie stützen und lieben. Von ganzem Herzen.

Wir fingen so langsam an zu verstehen, was uns glücklich macht.

LIFE-for-FIVE-Elternzeit-Mama mit Baby schlafend auf einem Sessel

Dank unserer bescheidenen Behausung konnten wir nur wenige der Baby-Produkte kaufen, die die Werbung, oder andere Eltern versuchten uns schmackhaft zu machen. «Ihr braucht das unbedingt. Ohne das geht es gar nicht…!» 

Und ob! Unser Baby hat trotz fehlendem Lauflernwagen, Klotrainer, elektrischer Wippe und  Bugaboo überlebt. 

Liebe, Zuneigung, Rücksicht, Verständnis. Und jede Menge Zeit. Für kein Geld der Welt zu kaufen. Aber genau das waren die entscheidenden «Dinge», die uns als Familie zusammengeschweißt haben.

Wir waren oft erschöpft aber wir waren glücklich. In einer 30qm Wohnung. Umringt von Schafen. Frei von überflüssigem Besitz. Frei von verstaubten Dingen die diese Welt nicht braucht. Frei im Kopf. 

Endlich hatten wir es verstanden! Glück kann man nicht kaufen!

LIFE-for-FIVE-Elternzeit-Mama Tina und die beiden Mädels mit dem SpaceCamper auf einem Parkplatz am Bodensee

Aber warum wühle ich so in der Vergangenheit, wenn es doch darum geht von unseren Reisevorbereitungen zu erzählen? 

Weil wir eines Abends uns selber gefragt haben, warum der Wunsch nach einer solchen Reise und Auszeit so gross ist. Warum wir uns entschlossen haben, unsere Wohn- und Staufläche von 100 qm Wohnung auf 8 qm Bus (→ unser SpaceCamper) zu reduzieren. Uns von vielen materiellen Dingen zu trennen. Was erstmal Verlust und Ungewissheit bedeutet. Aber auf der anderen Seite ein ganz grosser Gewinn ist. Der Gewinn der gemeinsamen Zeit. Der gemeinsamen Erlebnisse und Abenteuer. Wertvolle Elternzeit für unsere Familie, die uns niemand mehr nehmen kann.

Glück ist für uns Zeit mit der Familie zu verbringen!

LIFE-for-FIVE-Elternzeit-Mama Tina mit ihrer ältesten Tochter auf einem Klettergerüst

Klar brauchen wir gewisse materielle Dinge, um unser Leben, unseren Alltag und unsere Reise zu organisieren. Ganz ohne Konsum funktioniert diese Welt einfach nicht. Wir versuchen seit einiger Zeit aber sehr bewusst, nachhaltig und reflektiert zu konsumieren. Wie das genau aussieht, erzähle ich euch gerne in einem weiteren Blogpost. Es gibt noch so viel zu entdecken!

LIFE-for-FIVE-Elternzeit- Mama kuschelt mit Neugeborenem und Tochter

Vielleicht hattest du auch schon ähnliche Gedanken über die Elternzeit? Ähnliche Bedürfnisse? Sehnsüchte, die dazu drängen in die Realität umgesetzt zu werden? Wir würden uns freuen darüber zu erfahren. Oder vielleicht willst du uns deine Meinung zu unseren Gedanken mitteilen? Dann schreib uns doch einfach, oder hinterlasse einen Kommentar. Wir sind über einen Austausch jeglicher Art dankbar!


Antworten

  1. Avatar von Marlene Unterhofer
    Marlene Unterhofer

    Wow. Eine atem­be­rau­ben­de Ver­schlan­kung, die ihr eurem Leben da ver­passt. Nur das Nötigs­te. Ein vul­gä­rer T5. Und genug Kne­te um damit ein Jahr lang ohne Geld­ver­die­nen durch Latein­ame­ri­ka zu tuckern. Wenn ihr die Luft aus euren brei­ten Rei­fen mit Alu­fel­gen raus­lasst, könn­tet ihr viel­leicht tat­säch­lich auf Augen­hö­he mit den Locals kom­men. Aber ohne Luft im Rei­fen wird das Fah­ren ›abseits der Tou­ris­ten­pfa­de‹ etwas schwie­rig. Leu­te, steht dazu: ihr seid wohl­ha­bend, könnt euch einen lan­gen urlaub leis­ten. Aber back to basic seid ihr des­we­gen noch lan­ge nicht.

    1. Avatar von Tina Güntner & Daniel Rödel

      Hal­lo Mar­le­ne,
      Wir dan­ken dir für dei­ne kla­ren Wor­te. Es gibt vie­le Arten zu Leben, vie­le Arten zu Den­ken, vie­le Arten zu Rei­sen. Neid, Miss­gunst und Arg­wohn sind für uns hier fehl am Platz. Jeder soll­te die Frei­heit besit­zen, Träu­me zu haben und Träu­me zu leben. Tole­ranz, Respekt und die Rück­sicht­nah­me, nicht vor­ei­lig zu urtei­len gefal­len uns dabei schon viel bes­ser.
      Falls du für uns noch wei­te­re Vor­schlä­ge hast, wie wir wei­ter­hin den Locals auf Augen­hö­he begeg­nen kön­ne, freu­en wir uns von dir zu lesen.

  2. Avatar von Julia

    Dan­ke für die­sen ein­drück­li­chen Blick in eure Gedan­ken­welt. Ich ver­ste­he euch so gut! Gera­de wenn es um Kin­der (und ins­be­son­de­re Babies) geht, ist das mit dem Kon­sum noch extre­mer, fin­de ich. Natür­lich wol­len alle nur das Bes­te für ihre Kin­der und schwupps ist die Bereit­schaft (viel) Geld aus­zu­ge­ben riiiii­ie­sig. Es wird ja von allen Sei­ten sug­ge­riert, was man alles unbe­dingt braucht, damit es dem Nach­wuchs auch ja gut geht. Wir haben einen gro­ßen Teil des ers­ten Lebens­jah­res unse­rer Toch­ter in 8 rol­len­den Qua­drat­me­tern gelebt und hat­ten auch sehr vie­le der ver­meint­lich unver­zicht­ba­ren Baby-Acces­soires nicht. Wir haben kaum Spiel­zeug ein­ge­packt und unse­re Toch­ter war abso­lut glück­lich und zufrie­den mit dem, was es rings um unse­ren Bus zu ent­de­cken gab, wenn wir alle paar Tage ein Stück­chen wei­ter gefah­ren sind. Und wir hat­ten viel viel Zeit mit­ein­an­der und gemein­sam Din­ge erlebt, die uns ein Leben lang blei­ben wer­den. Ich wün­sche euch noch vie­le schö­ne Rei­se­mo­men­te und lese wei­ter ger­ne im Blog mit 🙂

    1. Avatar von Tina Güntner & Daniel Rödel

      Lie­be Julia, die Gedan­ken spru­deln manch­mal ein­fach so aus einem her­aus. Natür­lich haben wir uns lan­ge über die­sen, und auch ande­re Arti­kel unter­hal­ten, da sie sehr per­sön­lich sind. Hat­ten Beden­ken, ob es das Rich­ti­ge ist, sie zu ver­öf­fent­li­chen. Für uns mitt­ler­wei­le ganz klar: Ja! Das Inter­net ist voll von schil­lern­den Rei­se­be­rich­ten, die das Schö­ne, oder ver­meint­lich »Schö­ne« in den Vor­der­grund stel­len, und nie von den schwie­ri­gen Zei­ten und Gedan­ken berich­ten. Aber so ist das Leben. Mit all sei­nen Höhen und Tie­fen! Bei eurer Rei­se mit dem VW-Bus und Klein­kind gab es bestimmt ab und zu auch Situa­tio­nen, wo man sich am liebs­ten Augen und Ohren gleich­zei­tig zuhält, und lei­se in sei­nem Kopf ein beru­hi­gen­des Lied­chen träl­lert 🙂
      Fin­de ich übri­gens super, dass ihr so etwas gemacht habt! Mit den gan­zen Mate­ri­el­len Din­gen kann ich dir nur zustim­men. Unse­rer Jüngs­ten geht es ähn­lich wie eurer Toch­ter damals.Der Bus und die span­nen­de Umge­bung um den Bus sind per­fek­te Aben­teu­er-Spiel­plät­ze.
      Lie­be Grüs­se aus Argen­ti­ni­en
      Tina

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