Wenn jemand, der es gewohnt ist, in 0–8‑15-Hotels oder Her­ber­gen abzu­stei­gen und das Zim­mer erst­mal auf Bett­wan­zen und ande­res Getier zu che­cken, in einem 5‑S­ter­ne-Hotel in der Schweiz lan­det, ist das schon etwas ganz Außer­ge­wöhn­li­ches. Und etwas, das man sich ganz ab und zu schon mal gön­nen darf.

W wie Win­ter und weiß

Ich sit­ze fast allein im Wag­gon der Schwei­zer Bahn, die mich von Basel über Bern nach Thun brin­gen soll. Ja, Thun, nicht Thur, das soge­nann­te Tor zum Ber­ner Ober­land und 90.000-Einwohner-Stadt am Thu­ner­see. Ganz all­mäh­lich ver­wan­delt sich die Land­schaft vor dem Fens­ter von leicht gezu­ckert in etwas ein­ge­schneit. Nichts ver­leiht einem grau­en Win­ter­tag einen fried­li­che­ren Touch als die­ser Hauch von Schnee, und wenn dann noch die Lich­ter in den Häu­sern ange­hen, könn­te mei­net­we­gen ruhig län­ger Win­ter sein.  Vom Thu­ner Bahn­hof geht es ins Hotel Bea­tus in Mer­li­gen, direkt am Thu­ner See, wo ich die ers­te Nacht ver­brin­ge. Der fast vol­le Mond steht genau über dem 5‑S­ter­ne-Palast und passt so per­fekt ins Bild wie die Gemäl­de und Pas­tell­tö­ne in mei­nem rie­si­gen Zim­mer mit megakusche­li­gem Bett und Bal­kon überm See. Wie soll ich danach jemals wie­der mit Kaker­la­ken eine Holz­hüt­te tei­len?

Dar­über wer­de ich mir spä­ter Gedan­ken machen. Am liebs­ten wür­de ich in die sam­te­nen roten Ses­sel vorm Kamin in dem klei­nen, mit Bücher­re­ga­len gefüll­ten Auf­ent­halts­raum sin­ken oder den Spa tes­ten, doch statt­des­sen ist Action ange­sagt. „Neue alpi­ne Musik“. Unter dem Titel „Lausch“ prä­sen­tiert ein bekann­tes Schwei­zer Duo, Bar­ba­ra Schirm­er und Chris­ti­an Zehn­der, mit­hil­fe von Hack­brett, Trüm­pi (eine Maul­trom­mel) und Ober­ton­ge­sang ein Kon­zert, an das sich mei­ne Ohren nur lang­sam gewöh­nen. Wäh­rend ich beein­druckt lau­sche, was Chris­ti­an Zehn­der mit sei­ner Stim­me anstellt und wie er jodelt und dazu das Akkor­de­on schwingt, sin­nie­re ich dar­über, was in unse­ren Ohren wirk­lich schön klingt. Meist sicher Töne, Musik oder Stim­men, die uns ver­traut sind. Bei der neu­en alpi­nen Musik muss ich manch­mal an die jau­len­den Bedui­nen-Gesän­ge in der Wüs­te von Oman den­ken. Dann wie­der scheint der Sän­ger mit sei­nen „Hos“ eine Her­de wild gewor­de­ner Hun­de anzu­trei­ben. Am span­nends­ten wird es, wenn er sei­ne Lip­pen durch leich­tes Fin­ger­klop­fen wie eine Zieh­har­mo­ni­ka spielt. Ein biss­chen ver­rückt sind die ja schon, die Schwei­zer.

Eis­kal­ter Wake-up-call

Der Gedan­ke mit den Ver­rück­ten Schwei­zern soll noch nicht zu Ende gedacht sein. Nach einer Nacht in den weichs­ten, wärms­ten Federn, in die man mich jemals gebet­tet hat, folgt am frü­hen Mor­gen nicht etwa eine kal­te Dusche, son­dern Bar­fuß­lau­fen durch den Gar­ten mit unver­bau­tem See­blick. Das nennt sich ‚Kneip­pen‘. Raus aus den wei­chen Puschen und eine Run­de über den Weg, den eine hauch­dün­ne Schnee­schicht bedeckt. Mei­ne Fuß­soh­len und Zehen füh­len sich schon nach weni­gen Sekun­den ein­ge­fro­ren an, doch ich möch­te glau­ben, dass die Tor­tur irgend­wie gut für mei­ne Gesund­heit ist, wie die Schwei­zer sagen. Sie soll den Kreis­lauf anre­gen und die Durch­blu­tung för­dern. Die ganz Muti­gen stür­zen sich gleich in den See zum Früh­schwim­men, aber um mich da rein­zu­krie­gen, müss­te man mir schon sehr vie­le wei­te­re Näch­te im Bea­tus ver­spre­chen.

Statt­des­sen ver­schwin­de ich Ruck­zuck wie­der im War­men – im Sol­bad im Gar­ten, von dem die Dämp­fe des hei­ßen Was­sers in die kla­re Mor­gen­luft auf­stei­gen. Dort las­se ich mir auf den Jacuz­zi-Stä­ben den Rücken mas­sie­ren und schaue zu, wie die auf­ge­hen­de Son­ne die Berg­gip­fel auf der ande­ren See­sei­te rosa anmalt. Ich lich­te die Aus­sicht kame­ral­os wie­der und wie­der ab, spei­che­re sie irgend­wo tief in mir und las­se zum lei­sen Plät­schern des Was­sers auch mei­ne letz­ten Sor­gen mit dem Dampf ins Blaue zie­hen. Ob die vie­len Herr­schaf­ten um mich her­um, die vor dem Bad ihre gol­de­ne Rolex oder Dia­man­ten abge­legt haben und sich jedes Jahr direkt für zwei Wochen ein­bu­chen, auch die­sen einen Moment so genie­ßen kön­nen wie ich?

Lei­se rie­selt der Schnee, laut bim­melt die Glo­cke

Von Thun geht es tie­fer hin­ein in die Ber­ge, nach Schön­ried ob Gstaad ins Ermi­ta­ge Hotel. Auch fünf Ster­ne. Die­ses Mal gibt es statt pas­tell­far­be­ner Zim­mer­wän­de holz­ge­tä­fel­te, statt See­blick vom Bal­kon Berg­blick, und statt eines Restau­rants sie­ben schmu­cke Stu­ben mit unter­schied­li­chen Mot­tos.

In der Küche zau­bert Chef­koch Ben­ja­min Hor­mann exqui­si­te Köst­lich­kei­ten auf die Tel­ler. Und wäh­rend die plau­dern­den Gäs­te in urigs­ter Schwei­zer Gemüt­lich­keit einen Gang nach dem ande­ren ser­viert bekom­men und sich danach am Nach­tisch­buf­fet – sowohl unglaub­lich viel Käse als auch Süß­spei­sen wer­den auf­ge­fah­ren – den Rest geben, fal­len drau­ßen die ers­ten neu­en Schnee­flo­cken. Doch die fin­det kaum einer so span­nend wie die eine Mil­li­on fun­keln­den Swa­rov­ski-Stei­ne der Hotel­bar, die noch dazu stän­dig ihre Far­ben wech­seln. Da ist schnell ver­ges­sen, dass ein Drink an der Bar unge­fähr so viel kos­ten kann wie ich nor­ma­ler­wei­se für drei Näch­te in einem mehr oder weni­ger kaker­la­ki­gen Hotel auf mei­nen Aben­teu­er­rei­sen zah­le: ab 50 Euro auf­wärts!

Es gibt nichts Schö­ne­res, als am frü­hen Mor­gen unter einem strah­lend blau­en Him­mel durch den Schnee run­ter ins klei­ne Gstaad zu lau­fen, vor­bei an ver­ein­zel­ten Berg­hüt­ten, umge­ben von Gip­feln.

Der Ort erstreckt sich mit weni­gen Häu­sern in einem Tal, und wer mag, kann sich im Muse­um der Land­schaft Saa­nen die ver­schie­dens­ten Schwei­zer Kuh­glo­cken aus ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten anschau­en und vor­füh­ren las­sen, wie sie klin­gen und wie die Fre­quen­zen am Com­pu­ter auf­ge­zeigt wer­den. Auf den Schwei­zer Almen die­nen die Glo­cken noch immer dazu, die Her­den zusam­men­zu­hal­ten. In der Regel bekommt das Leit­tier die Glo­cke um den Hals gehängt. Bewegt es sich, bim­melt die Glo­cke, was wie­der­um den ande­ren Tie­ren bei der Ori­en­tie­rung hilft. Einer der größ­ten Glo­cken­gie­ßer aus der Regi­on Saa­nen war Karl Schop­fer, der von 1851 bis 1922 leb­te und des­sen sta­bi­le Glo­cken heu­te noch zu bewun­dern sind. Auf eini­gen davon befin­den sich Abbil­der von Hei­li­gen, denn man nahm das mit den Glo­cken so ernst, dass sie sogar getauft wur­den. Im Nach­hin­ein beka­men sie den Namen des Hei­li­gen.

Von der Grot­te in die Sau­na

Wenn es auf Mit­tag zugeht, gibt es nichts Lecke­re­res als einen Besuch der Käse-Grot­te der Mol­ke­rei Gstaad ober­halb des Dor­fes. Frü­her befand sich dort ein Was­ser­re­ser­voir, nun wol­len mehr als 3000 Käse­lai­be bestaunt wer­den. 25 Meter unter der Erde sind sie auf decken­ho­hen Holz­re­ga­len wie wert­vol­le alte Bücher plat­ziert – ein wah­res Monu­ment für den Käse. Der ältes­te Käse in der Grot­te ist angeb­lich 150 Jah­re alt und soll noch immer genieß­bar sein! Pro­bie­ren darf man ihn lei­der nicht. Nie habe ich mehr Käse auf einen Hau­fen gese­hen, und nie hat mich der Geruch nach Käse­fü­ßen weni­ger gestört.

Der schöns­te Ort, um all die Käse-Kalo­rien natür­lich ganz ohne Bewe­gung aus­zu­schwit­zen, ist eine der zehn Sau­nen oder eins der Dampf­bä­der des Ermi­ta­ge. Von einer Sau­na führt der Blick direkt auf die ver­schnei­ten Berg­gip­fel, in der Damen­s­auna lie­ge ich allein unter der dun­kel­blau­en Decke, an der unzäh­li­ge klei­ne Ster­ne fun­keln. Der Gedan­ke „Das soll­test du öfter machen“ kommt kurz auf, doch ich schwit­ze ihn schnell aus. Weiß ich doch genau, dass so viel Per­fek­ti­on, so viel Schön­heit und Luxus, nicht lan­ge aus­zu­hal­ten sind. Wie soll ich spä­ter über ein Erleb­nis berich­ten, bei dem wirk­lich nichts schief­ge­lau­fen ist? Es ist wie ein Roman mit zwei glück­li­chen Haupt­fi­gu­ren, die sich lieb­ha­ben und nie­mals von Wol­ke sie­ben stol­pern. Aber ich habe das Glück, dies genau drei Tage lang schät­zen zu kön­nen, weil ich rau und eckig gewohnt bin und zu rau und eckig zurück­keh­ren wer­de. Und dafür bin ich enorm dank­bar.

Die Rei­se wur­de unter­stützt von der Pres­se­group Win­ter­stet­ter PR GmbH mit Unter­brin­gung im Hotel Bea­tus in Mer­li­gen und dem Ermi­ta­ge Hotel in Schön­ried ob Gstaad.

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Antwort

  1. Avatar von Anna

    Das sieht traum­haft aus – Win­ter­won­der­land!
    Lie­be Grü­ße,
    Anna

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