Das Mon­ta­fon fräst sich wie eine tiefe Fur­che durch Vor­arl­berg. Wer sich durch das kilo­me­ter­lange Tal bewegt, blickt links und rechts an epi­schen Berg­for­ma­tio­nen hinauf.

Fast instink­tiv möchte ich mich in diese Steil­wände hin­ein bewe­gen, den Drang auf­zu­stei­gen um von oben ins Tal zurück­zu­bli­cken, ver­spüre ich schon am Bahn­hof von Blu­denz. Die Infra­struk­tur liegt vor: Es gibt Klet­ter­steige, Gon­deln, Wan­der­wege, Bike-Trails und Pan­ora­ma­stra­ßen. Und weil die Wol­ken oft tief in den Berg­hän­gen lie­gen, scheint es, als führ­ten diese Wege gera­de­wegs in den Himmel.

Moun­tain­bike-Tour im Mon­ta­fon: Rund um den Itonskopf

Am Mor­gen bin mit Bike-Guide Chris­toph im Fahr­rad­ver­leih von Schruns ver­ab­re­det. Mir wird ein E‑Bike prä­pa­riert. Ich greife ein: ob wir nicht „nor­male Moun­tain­bikes“ neh­men könn­ten, frage ich. „Klar“, sagt Chris­toph, „wie du’s magsch“. Eine Ent­schei­dung, die mich nicht nur bis auf knapp 2000 Meter Höhe, son­dern auch an meine kör­per­li­chen Gren­zen füh­ren wird.

Chris­toph hat Sportöko­no­mie stu­diert und bewegt sich so sicher in die­sen Ber­gen wie andere in ihrem Vor­gar­ten. Dank bei­spiel­lo­ser Ath­le­tik und einer Kie­fer­kon­tur wie aus einem Vor­arl­ber­ger Gra­nit­fel­sen gemei­ßelt, wird er immer wie­der ange­ru­fen, wenn Models für die Bro­schü­ren des Tou­ris­mus­ver­ban­des gebraucht wer­den. Er erklärt mir ein paar Details zum Bike, wir fah­ren wir aus dem Ort hin­aus und es wird – steil.

Der tiefe Him­mel emp­fängt uns distanz­los an die­sem Mor­gen. Aus­ge­rech­net am Bar­tho­lo­mä­berg, dem Son­nen­bal­kon Mon­ta­fons, müs­sen wir die kom­plette Regen­mon­tur anle­gen. Ins­ge­samt wer­den wir 1250 Höhen­me­ter auf­stei­gen, die meis­ten davon fal­len direkt zu Beginn der Tour an.

Es geht wei­ter in Rich­tung Rells­eck, so steil bergan, dass ich mit der Geschwin­dig­keit eines Fuß­gän­gers unter­wegs bin. Manch­mal hebt mein Vor­der­rei­fen kurz vom Boden ab, weil ich mei­nen Kör­per­schwer­punkt nicht aus­rei­chend nach vorne ver­la­gere. Der Abschnitt ist gif­tig, lässt keine Pause. Nach jeder Abbie­gung der ernüch­ternde Aus­blick auf einen wei­te­ren Anstieg. Ich fühle mei­nen Puls am Hals und den Schweiß in der Bauch­falte. Mein Blick ver­engt sich. Ich kann nicht mehr spre­chen, auch wenn Chris­toph so ent­spannt daher plau­dert, als säßen wir noch beim Sektfrühstück.

Es ist an vie­len Stel­len der Tour mög­lich, ein­fa­chere Alter­na­tiv­rou­ten ein­zu­schla­gen. Chris­toph lässt mir die Wahl diese zu neh­men, doch ich sage ab. Heute suche ich die Her­aus­for­de­rung. Ich möchte gefor­dert wer­den, kon­di­tio­nell und tech­nisch meine Gren­zen erken­nen. „Du Kämp­fer“, ruft Chris­toph – wohl­wis­send, dass die­ser Wunsch am Itons­kopf zu erfül­len ist.

Zwi­schen­stopp an der Berg­hütte Rells­eck, ich fülle meine Was­ser­fla­sche auf. Die Dör­fer unten im Tal sind klein gewor­den, der Blick geht nun über die hohen Berge hin­weg. An kla­ren Tagen sieht man „bis rüber“ in die Schweiz. Doch mein Blick geht auch nach innen: die Berge, die Bikes, die Bewe­gung – dies alles bedeu­tet mir etwas.

„Wun­der­vol­les Land. Die Sil­vretta.“ hat Ernest Heming­way ein­mal in einem kar­gen Brief aus dem Mon­ta­fon berich­tet. „Das Herz war in Ord­nung“, emp­fand er beim Ski­fah­ren an die­sen Hän­gen und ich kann das nun nach­emp­fin­den. Ich atme tief ein, nehme noch einen Schluck und schaue den Wol­ken dabei zu, wie sie über den Grat zie­hen. Mein Herz ist in Ordnung.

Bis zur Alpe Latons, dem höchs­ten Punkt der Tour, wol­len wir durch­hal­ten, bevor wir etwas essen. Diese Anstiege ver­tra­gen sich nicht mit vol­lem Magen. Ich muss immer wie­der Kurz­pau­sen am Steil­hang ein­le­gen, aber auch diese kom­men mit einem Preis: Mein Ober­schen­kel krampft sobald ich vom Rad steige. Chris­toph lacht: „Mach‘ weni­ger Pausen.“

An der Alpe gibt es eine Jause, das foto­gene Wurst- und Käse­brett. Wir sit­zen durch­nässt unter dem Vor­dach, neben uns zwei Bau­ern, die ihre Kühe in den Som­mer­mo­na­ten hier oben hal­ten. „Was macht ihr heute?“ „Wir müs­sen auf die Kühe auf­pas­sen.“ Die Für­sorge hört bei den Tie­ren nicht auf: sie holen mir eine Fleece­de­cke aus der Stube, da ich vor Kälte zittere.

Über­for­de­rung am Single-Trail

Das letzte Drit­tel der Tour ist all das, was ein Moun­tain­bi­ker möchte. Im „Sin­gle Trail“ geht es steil bergab, tech­nisch anspruchs­voll, da der Weg eng und von Wur­zeln und Stei­nen gesäumt ist. Hier mag man sich bewei­sen, zei­gen, dass Bike-Tech­ni­ken, Koor­di­na­tion und Balance da sind. Nichts davon trifft auf mich zu. Ich stehe an einer Anhöhe und traue mich kaum los­zu­fah­ren. Für mich unvor­stell­bar hier ohne zu fal­len durchzukommen.

Als ich mich dann hin­ab­stürze, bin ich kaum noch in der Lage irgend­et­was zu kon­trol­lie­ren. Ich fahre viel zu schnell, meine Hände vibrie­ren an den Grif­fen, die Pedale sto­ßen immer wie­der gegen Hin­der­nisse. Meine Abfahrt ist reine Glücks­sa­che. Spä­ter haut es mich fast kopf­über aus dem Sat­tel, da ich vor lau­ter Stress beide Brem­sen in den Anschlag drü­cke. Mir bleibt nichts ande­res übrig als immer wie­der zu schie­ben. Nach und nach stel­len sich jedoch kleine Erfolgs­er­leb­nisse ein und ich habe, trotz der Schwie­rig­kei­ten, eine ver­dammt gute Zeit.

Am Ende der Tour steht eine Abfahrt auf asphal­tier­ter Straße. Wir rol­len zurück ins Tal, wo wir vor 8 Stun­den auf­ge­bro­chen waren.

Mein Puls kehrt auf Nor­mal­tempo zurück, Regen­trop­fen pras­seln fron­tal auf mein hei­ßes Gesicht. Die Anspan­nung löst sich im Fahrt­wind auf. Das Herz ist in Ordnung.

Cate­go­riesÖster­reich
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

  1. Anna says:

    Wow, die Bil­der sind so beein­dru­ckend! Das klingt nach einem Aben­teuer, ich bin froh, dass du es über­stan­den hast! Möge das Herz immer in Ord­nung sein ;) LG

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