2

22 Erkenntnisse aus 4 Jahren Langzeitreise

Vor 4 Jah­ren bin ich auf eine ein­jäh­rige Welt­reise auf­ge­bro­chen. 48 1/2 Monate spä­ter bin ich immer noch unter­wegs. Was habe ich auf mei­ner Lang­zeit­reise gelernt?

Über das Reisen

1. Das Schlimmste was auf Reisen passiert, ist nicht besonders schlimm

Rei­sen ist gefähr­lich? Ich kann Dir gar nicht mehr sagen, was das Schlimmste war, was mir in 4 Jah­ren Dau­er­reise pas­siert ist.

War es eine Lebens­mit­tel­ver­gif­tung in Ban­gla­desch, eine Ran­ge­lei in Laos, ein gebro­che­ner Zeh in Viet­nam, ein gebro­che­nes Herz in Peru, ein toter Kindle in Belize, ein defek­ter Bild­schirm in Kam­bo­dscha oder einer von meh­re­ren Diebstählen?

Was immer das Schlimmste war, es hätte auch daheim pas­sie­ren können.

2. Reisen ist unglaublich einfach

Du musst die Infos in die­sem Blog nicht lesen, Du weisst schon alles. Zum Rei­sen in Asien und Latein­ame­rika musst Du näm­lich gar nichts können.

Die Infra­struk­tur ist super und es gibt Rei­se­füh­rer für jeden Win­kel. Du musst auch nichts pla­nen, weder Busse noch Über­nach­tun­gen vor­her buchen. Du gehst ein­fach zur Strasse mit den Guest­hou­ses und bekommst ein Zim­mer – immer!

Rei­sen ist kinderleicht.

3. Reisepläne sind im Prinzip nutzlos

Du musst nicht pla­nen und Du kannst auch gar nicht pla­nen. Du kannst zwar vor­her Rei­se­füh­rer wäl­zen und Rei­se­blogs stu­die­ren, wie ein Teufel.

Aber: Kein Schlacht­plan besteht den ers­ten Feind­kon­takt und kein Rei­se­plan besteht den ers­ten Kon­takt mit neuen Freun­den, neuen Lebens­wei­sen, neuen Vor­lie­ben und einer neuen Wert­schät­zung für das Rei­sen selbst.

Sei fle­xi­bel und plane nur das Nötigste.

4. Reisen muss nicht teuer sein, wenn Du reich an Zeit und flexibel bist

Zeit ist eine Wäh­rung! Du kannst auf einer Reise genauso Zeit gegen Geld tau­schen, wie auf der Arbeit.

Wenn Du 1 Monat Zeit hast um ganz Süd­ost­asien zu sehen, dann kos­tet das 2.000 Euro und Du brauchst danach erst­mal Urlaub. Wenn Du Dir viele Monate Zeit nimmst, dann kos­tet ein Monat 500 Euro und weniger.

Rei­sen kann güns­ti­ger als Deine Miete daheim sein.

hatyai_mosque

Hat Yai, Thailand

5. Es geht um Erlebnisse und nicht um Listen zum Abhaken

Ich bin viel­leicht der lang­samste Lang­zeit­rei­sende der Welt. Trotz­dem habe ich eher das Gefühl etwas zu ver­pas­sen, wenn ich zu kurz an einem Ort bin, als wenn ich „zu lange“ an einem Ort bin.

Es geht beim Rei­sen nicht darum mög­lichst schnell eine „Bucket List“ abzu­ar­bei­ten. Der Weg ist, wie es so schön heißt, das Ziel und die bes­ten Erleb­nisse kannst Du nicht planen.

Mach lang­sam, damit die Geschich­ten Dich fin­den können.

6. Die wenig besuchten Orte sind oft aus gutem Grund wenig besucht

Der Traum eines „ech­ten“ Rei­sen­den ist „off the bea­ten path“ zu gehen, abseits der Tou­ris­ten­pfade. Mach das ruhig, aber bitte ver­passe die belieb­ten Rei­se­ziele nicht.

Wenn Du lange genug reist, kommst Du von ganz allein immer wie­der in wenig besuchte Gebiete. Es ist meis­tens viel schwie­ri­ger die ande­ren Tou­ris­ten zu fin­den, als ihnen zu entkommen.

„Off the bea­ten path“ musst Du wirk­lich nicht erzwingen.

7. Eine Langzeitreise ist kein Urlaub

Rei­sen heißt nicht am Strand lie­gen oder an der Hotel­bar sit­zen. Rei­sen kos­tet viel Zeit und Auf­merk­sam­keit. Rei­sen ist ein Vollzeitjob.

Wenn Du einen Reise-Burn­out ver­mei­den willst, musst Du lang­sam rei­sen und viele Pau­sen machen. Du kannst auch nicht gleich­zei­tig Rei­sen und pro­duk­tiv arbei­ten, zumin­dest ich kann das nicht.

Gönn Dir vom Rei­sen auch mal einen Urlaub!

8. Je mehr Du gesehen hast, desto mehr willst Du sehen.

Die Welt ist groß und viel­fäl­tig. Je län­ger Du reist, desto grö­ßer scheint sie zu wer­den. Du stellst erst auf Rei­sen fest, wie wenig maß­stabs­ge­treu Deine innere Welt­karte war.

Es braucht Jahr­zehnte um die ganze Welt zu sehen. Und wenn Du alles gese­hen hast, musst Du gleich wie­der von vorne anfan­gen, weil sich die Welt heute so schnell verändert.

Rei­sen wird nicht so schnell langweilig!

georgetown_people

George­town, Malaysia

Über Menschen

9. Menschen sind unglaublich freundlich und grundsätzlich gut

5 Minu­ten Tages­schau und Du denkst die Welt ist schlecht und gewalt­tä­tig. 5 Minu­ten mit einem bei­nahe x‑beliebigen Men­schen irgendwo auf der Welt und Du denkst wir sind alle Brü­der und Schwestern.

Die Men­schen mit dem ein­fachs­ten Leben sind oft die herzlichsten.

10. Auf einer Reise bist Du nie allein

Auch wenn Du solo unter­wegs bist, Du musst nie ein­sam sein. Es sind zu jedem Zeit­punkt unglaub­lich viele Indi­vi­du­al­rei­sende in aller Welt unterwegs.

Nach einer gemein­sa­men Bus­fahrt, hast Du manch­mal einen Rei­se­part­ner für die nächs­ten Wochen oder für den Rest des Lebens. Wenn Du län­ger an einem Ort bleibst, kommst Du mit Ein­hei­mi­schen in Kontakt.

Du bleibst nur dann allein, wenn Du es so willst.

11. Europäer? Amerikaner? Australier? Wir sind alle Westler

In Deutsch­land scheint es so, als gäbe es große Unter­schiede zwi­schen einem Polen und mir. In Asien oder Latein­ame­rika sehe ich nur noch Gemeinsamkeiten.

Meine Freun­din ist aus den USA und trotz­dem ist unser kul­tu­rel­ler Hin­ter­grund fast iden­tisch, ver­gli­chen mit Asia­ten und Latinos.

Und zu guter Letzt sind wir alle Erdenbürger.

kokong_kids

Ko Kong, Kambodscha

12. Was wir für ein Naturgesetz halten, ist für andere Menschen völlig absurd und anders herum

In den USA wirst Du für ein Bier in der Öffent­lich­keit ver­haf­tet und in man­chen mus­li­mi­schen Län­dern steht auf Bier die Todes­strafe. Wir sind gerne braun­ge­brannt, aber die meis­ten Men­schen ver­su­chen mög­lichst blass zu sein.

Viele kul­tu­relle Regeln und Gesetze sind belie­big und in den meis­ten Län­dern wuselt man sich um Regeln, wie um die vie­len Schlaglöcher.

Es gibt ganz sicher nicht den einen, rich­ti­gen Weg etwas zu tun. 

13. Deutsche, Österreicher und Schweizer sind überall

Wir deutsch­spra­chi­gen D/A/CH-ler sind zwar nur ca. 100 Mil­lio­nen. Aber wir haben im glo­ba­len Ver­gleich fast die meis­ten Urlaubs­tage und fast das höchste ver­füg­bare Einkommen.

Noch dazu sind wir neu­gie­rig und über­all gerne gesehen.

Du kannst in den letz­ten Win­kel von Tim­buktu fah­ren und am Nach­bar­tisch spricht jemand deutsch.

14. In Deutschland, Österreich und Schweiz geht es uns sehr gut.

Uns geht es in D/A/CH so gut, wie nur ganz weni­gen ande­ren Men­schen auf der Welt.

Es ist Teil unse­rer Kul­tur gemein­sam zu jam­mern und die nega­tive Seite zu suchen. Iro­ni­scher­weise ist unser ein­zig guter Grund zu jam­mern das schlechte deut­sche Wetter.

Fast jeder andere Mensch auf der Welt würde sofort mit Dir tauschen.

15. Familie und Freunde sind fast überall auf der Welt das Allerwichtigste

Ande­rer­seits: Die meis­ten Men­schen wür­den es ziem­lich schnell bereuen mit Dir zu tau­schen. Grund ist unser stark aus­ge­präg­ter Individualismus.

Die meis­ten Men­schen betrach­ten Groß­fa­mi­lie und Freunde als das höchste Gut und fin­den Indi­vi­dua­lis­mus so erstre­bens­wert, wie einen Stein im Schuh.

Es gibt den ame­ri­ka­ni­schen und es gibt den deut­schen Traum. Es gibt den indi­schen und es gibt den boli­via­ni­schen Traum.

Jede Kul­tur hat ihren eige­nen Traum.

kokong_hammock2

Ko Kong, Kambodscha

Über Werte

16. Reisen ist die absolute persönliche Freiheit

Du kannst Dich auf Rei­sen neu erfin­den, jeden Tag. Nie­mand weiß, wer Du bist. Du kannst ohne Wider­stand neue Rol­len aus­pro­bie­ren, bis Du eine fin­dest, die Dir passt.

Du bist wahr­schein­lich in einer Rolle gefan­gen. Dein Umfeld hat gewisse Erwar­tungs­hal­tun­gen auf­grund Dei­ner Vergangenheit.

Erst wenn Du Abstand von Dir nimmst, kannst Du Dich finden.

17. Mit Dir selbst klarzukommen ist die wichtigste Fähigkeit

Du kannst auf Rei­sen vor fast allem davon­lau­fen. Aber anders als im All­tag kannst Du nicht mehr vor Dir selbst davonlaufen.

Wenn die gan­zen bei­nahe minüt­li­chen Ablen­kun­gen weg­fal­len und der erste Kul­tur­schock abklingt, bist Du plötz­lich mit Dir und Dei­nen Gedan­ken allein.

Kenne und liebe Dich selbst, je frü­her desto besser.

18. Du musst keine Sachen kaufen

Kon­sum macht glück­lich, es ist der rote Faden unse­res Zeit­al­ters. Aber mal unter uns: Kon­sum macht nicht glück­lich oder wenn doch ist es nicht der ein­zige Weg. Ich kaufe nur noch das Aller­nö­tigste und bin glück­li­cher als vorher.

Wir brau­chen nicht immer den neu­es­ten Scheiss. Mein Ruck­sack ist immer noch der von vor 4 Jah­ren, mein Lap­top auch.

Das hat nichts mit Man­gel und Ent­beh­rung zu tun, mir fehlt es an nichts.

terrengganu_chair

Tereng­ganu, Malaysia

19. Du gewöhnst Dich an fast alles

Der erste 40-Stun­den-Zug zum Auf­takt mei­ner Reise nach Mos­kau war noch so ein­drucks­voll, dass ich einen Arti­kel dar­über geschrie­ben habe.

Der zehnte 40-Stun­den-Zug/­Bus ein oder zwei Jahre spä­ter war schon längst Reise-All­tag und nicht der Rede wert.

Der Bus ist über­voll und ein paar Stun­den zu spät? Zu harte oder zu wei­che Matratze? Bei extre­men Ver­kehr Rol­ler fah­ren? Dauer-Hup­kon­zert? Hock­toi­let­ten? Gar kein Klo? Na und?

Du musst kein Zen-Meis­ter um Dich an fast alles zu gewöhnen.

20. Mit Sonne und gutem Essen ist das Leben doppelt so schön

Meine Geduld fällt von mir ab, wie ein wel­kes Blatt im Herbst, wenn ich die Sonne ein paar Tage nicht sehe oder wenn ich wochen­lang Bakso und Soto essen muss.

Ich messe mei­nen Reich­tum in Son­nen­strah­len, in schar­fem Curry und in Som Tam Papaya Sala­ten. 15°C ist der neue Gefrier­punkt und auf Jah­res­zei­ten kann ich gerne verzichten.

Es ist eine Frage von Prioritäten.

21. „Eines Tages“ ist heute

Ben­ja­min Frank­lin meinte: „Viele Men­schen ster­ben mit 25 aber wer­den erst mit 75 beerdigt“.

Du hast Träume? Gut! Das heißt Du lebst noch. Aber Träume sind nicht zum träu­men da son­dern zum leben.

Mor­gen ist der zweit­beste Tag, um Deine Träume zu ver­wirk­li­chen. Der beste ist heute.

22. Bier und Käsekuchen gibt’s fast überall

Das heißt fast über­all ist Heimat.

srilanka_beers

Negombo, Sri Lanka

Bock auf Rei­sen? Was hin­dert Dich daran?

Cate­go­riesWelt
  1. Alin says:

    Dein Text bringt mich zum Weinen…ich selbst konnte diese Erkennt­nisse nie in Worte fassen…aber genau so ist es, alles was du beschreibst..alles ist wahr…und das Fern­weh ist immer da…

  2. Uniqorn says:

    Wow, habe soeben dei­nen Bericht gele­sen und das Fern­weh hat sich noch mehr ver­stärkt. Ich finde das Zitat von Frank­lin sehr inspi­rie­rend. Wir sind auch gerade dabei, unsere Welt­reise zu pla­nen und sind grad wirk­lich sehr geflasht von dei­nem Bei­trag! Klingt als hät­test du wirk­lich zu dir selbst gefun­den. xo Candy & michi von http://www.uniqorn.eu

  3. Pingback:Reisen bildet… und führt zu tiefen Erkenntnissen | Lisa Unterwegs

  4. Lydia says:

    Danke für den anspre­chen­den Bei­trag Flo­rian. Da habe ich sofort Lust bekom­men zu rei­sen und ich stimme Dir in allem zu. Ich wün­sche Dir alles Gute und wei­ter­hin viele ein­zig­ar­tige Erlebnisse!

  5. Katrin says:

    Tol­ler Arti­kel! ich bre­che in einem Monat auf und habe gerade das Gefühl, dass ich noch sehr viel ler­nen kann.

  6. Wirk­lich beein­dru­ckend deine Erkennt­nisse! Wir kön­nen dir in vie­lem nur zustim­men!! Schön auch, dass du schreibst, dass es uns in Deutsch­land wirk­lich sehr gut geht. Man ver­gisst es lei­der viel zu oft. Aber wir jam­mern wirk­lich auf hohem Niveau, das muss man sich nur mal öfter ins Gedächt­nis rufen.
    Lie­ben Gruß,
    Anna & Vanessa

  7. Ilona says:

    Zu Nr. 13 muss ich etwas anfü­gen: Drei Wochen durch die Nor­man­die radeln – und wir frag­ten uns, warum man so oft weit und breit nir­gends andere Deutsch­spra­chige ange­trof­fen hat. Die fand man ver­ein­zelt an den Lan­dungs­strän­den und in Rouen und natür­lich geballt am Mont St. Michel, ansons­ten: Fahrt außer­halb der Ferien in die Nor­man­die, wenn ihr mal sonst nie­man­den Deutsch reden hören wollt.
    Über­all sonst: In Usbe­ki­stan und Marokko und natür­lich über­all sonst in Europa waren die Deutschen/Deutschsprachigen immer ganz vorne dabei.

  8. Norah says:

    „15°C ist der neue Gefrier­punkt.“ :) Ging mir genauso!
    Bin selbst erst seit kur­zem von einer Lang­zeit­reise zurück und habe unter­wegs die­sel­ben Erkennt­nisse gewon­nen. Danach brauchte ich aber auch erst­mal Urlaub ;) So viel Neues zu ler­nen, kann ganz schön viel Ener­gie kos­ten, lohnt sich aber allemal!

  9. Janine says:

    Ein tol­ler Bei­trag. Auch wenn ich bis­her noch keine 4,5 Jahre am Stück gereist bin, trage ich durch 1 Jahr Leben im Aus­land und die Urlaubs­rei­sen übers Jahr ver­teilt genau die sel­ben Erkennt­nisse in mir. 

    Spä­tes­tens seit Viet­nam und Kam­bo­dscha ist mir die Lust am Kon­sum sowieso ver­gan­gen. Weni­ger ist mehr und befreit! Wahr­schein­lich wün­schen sich die meis­ten armen Men­schen den­noch mehr Besitz in ihrem Leben. Gut, dass wir selbst ent­schei­den kön­nen, wie­viel zum glück­lich sein nötig ist. 

    Und ja. Die Welt ist schön und gut! Freue mich jedes Mal dar­über, wie wahn­sin­nig freund­lich und offen die Welt eigent­lich ist. Da fragt man sich wirk­lich woher all die Grau­sam­keit kommt. Schade, dass Macht, Geld, Poli­tik und auch Reli­gion sovie­les kaputt machen.

    Viele schöne Momente noch auf euren Reisen!

    1. Es ist wich­tig die Wahl zu haben zwi­schen Kon­sum und Kon­sum­ver­zicht. Wer ver­zich­tet, nur weil’s Geld nicht reicht, emp­fin­det das sicher nicht als befreiend. 

      Ist sicher auch eine Frage, wie man auf­wächst. Junge Malayen, mit denen wir gere­det haben, haben über­haupt nicht ver­stan­den, warum man ver­zich­ten sollte. 

      Man muss das den Kon­sum­wahn wohl erst erlebt haben um dann bewusst zu sagen „Nein, das brau­che ich nicht“. Hof­fent­lich ist noch was von der Welt übrig, bis das jeder gesagt hat ;)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert