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Zwischen Meer und Reisfeldern: Comporta im Alentejo

Der Alentejo, die Provinz zwischen Lissabon und der Algarve, galt früher schlicht als die Kornkammer Portugals. Hier passierte im Grunde nichts außer landwirtschaftlichem Anbau. 

Kork­ei­chen, Oli­ven­bäume und Getrei­de­fel­der prä­gen seit jeher das Bild der sanf­ten Hügel, die sich schein­bar end­los dem Hori­zont ent­ge­gen­stre­cken. In kul­tu­rel­ler Hin­sicht völ­lig unter­schätzt, kannte man ledig­lich die Pro­vinz­haupt­stadt Evora (seit 1986 UNESCO Welt­kul­tur­erbe). Den Ort Beja brachte man höchs­tens mit dem in den 60er Jah­ren erbau­ten Aus­bil­dungs-Flug­ha­fen für die west­deut­sche Luft­waffe in Ver­bin­dung. Eigent­lich fuhr man hier nur durch, um von Lis­sa­bon an die Algarve zu gelan­gen – oder eben umge­kehrt… früher.

Tat­säch­lich hat sich Por­tu­gals größte Pro­vinz in den letz­ten Jah­ren unglaub­lich gewan­delt. An die Stelle von Bau­ern­hö­fen und Wein­gü­tern tra­ten per­sön­lich geführte, kleine Gäs­te­häu­ser und Bou­tique-Hotels. Und auch ehe­ma­lige Klös­ter und Stadt­pa­lais beher­ber­gen heut­zu­tage nicht zuletzt 5‑Sterne Luxus­ho­tels mit ganz beson­de­rem Ambiente.

Doch trotz Pot­pourri an kul­tu­rel­len Sehens­wür­dig­kei­ten und viel­fäl­ti­gen Frei­zeit­mög­lich­kei­ten (dar­un­ter jeg­li­che Art von Was­ser­sport­ak­ti­vi­tä­ten, Wan­der­rou­ten, Moun­tain­bi­king, Bal­lon­fahr­ten etc.), steht der Alen­tejo nach wie vor eher aus­schließ­lich bei Por­tu­gal-Insi­dern auf dem Plan. Die meis­ten Gäste asso­zi­ie­ren mit dem Son­nen­land am Atlan­tik allen voran die Algarve und natür­lich die Lan­des­haupt­stadt Lis­sa­bon. Weit weni­ger ken­nen den Nor­den, das Douro-Tal oder Porto, die Wiege des Port­weins… was war da bitte schön vom Alen­tejo zu erwarten?

So ähn­lich erging es mir offen gestan­den auch, obwohl ich das Land seit nun­mehr über 4 Jahr­zehn­ten bereise. Ich hielt den Alen­tejo für alt­ba­cken. Und „Urlaub auf dem Bau­ern­hof“ ent­sprach mal so gar nicht mei­nen Vor­stel­lun­gen…. Umso neu­gie­ri­ger wurde ich, als ich vor weni­gen Jah­ren erst­ma­lig von Com­porta hörte, einer auf­stre­ben­den Region im nörd­li­chen Teil der Pro­vinz, nur ca. 1 Auto­stunde von Lis­sa­bon ent­fernt. The­ma­tisch sen­si­bi­li­siert, nahm ich plötz­lich immer mehr Berichte wahr. Die Lis­sa­boner Yup­pies hat­ten die Region bereits zu ihrem Wochen­end- und Som­mer-Hot-Spot erko­ren. Schon wurde von einem zwei­ten Ibiza gespro­chen. Und angeb­lich flog selbst Madonna in der Zeit, als sie in Lis­sa­bon lebte, regel­mä­ßig zum Rei­ten an die dor­ti­gen unbe­rühr­ten Strände… ich wollte mir selbst ein Bild machen und so führte uns unsere nächste Reise über die 3 „Cs“: Cas­cais (Lis­sa­bons Küs­ten), Com­porta (Alen­tejo) und Car­voeiro (Algarve).

Comporta – Paradies zwischen Reisfeldern und Atlantik

Der tat­säch­lich kür­zeste Weg von Lis­sa­bon aus ist mit der Fähre von Setú­bal auf die vor­ge­la­gerte Halb­in­sel Troía. Von dort aus folgt man ein­fach der Straße ent­lang des Atlan­tiks gen Süden. Ein klein biss­chen erin­nert mich die Stre­cke an die Flo­rida Keys. Die zwei­spu­rige Fahr­bahn führt durch die ein­zig­ar­tige Dünen- und Watt­land­schaft des Natur­re­ser­vats der Sado-Mün­dung („Reserva Natu­ral do Estuá­rio do Sado“) – stets mit herr­li­chem Blick auf den Atlan­tik und/oder das Flussdelta.

Die Natur hat die­ses Gebiet reich beschenkt. Und so sind Reis­an­bau, Fische­rei und Salz­ge­win­nung tra­di­tio­nell für die Wirt­schaft der Region von gro­ßer Bedeutung. 

Die Fähre ver­kehrt stünd­lich in beide Rich­tun­gen. Die Kos­ten für die Pas­sage mit einem Pkw samt Fah­rer und zusätz­li­cher Per­son lie­gen aktu­ell bei 23,10€. Nicht gerade ein Schnäpp­chen, doch wer gerne auf dem Was­ser reist, wird die 30 minü­tige Über­fahrt samt Pan­orama genie­ßen. Hier, wo der Fluss Sado auf das Meer trifft, kann man häu­fig Del­fine sehen. Die Fischer haben ihnen den por­tu­gie­si­schen Namen „roazes-cor­vinei­ros“ gege­ben, weil sie gerne deren Netze zer­na­gen („roer“) und sich haupt­säch­lich von Raben­fi­schen („cor­vi­nas“) ernähren.

Hin­weis: Nicht ver­ges­sen, das Ticket vorab am Auto­ma­ten bzw. am Kas­sen­häus­chen zu kau­fen, auf der Fähre sel­ber kann man nichts mehr lösen!

Alter­na­tiv zur Fähre nimmt man die Auto­bahn (aus dem Nor­den oder Süden kom­mend) bis Alcá­cer do Sal. Die Land­schaft des Alen­tejo fern der Küste gestal­tet sich, je nach Rei­se­zeit, im Früh­jahr unsag­bar grün und im Spät­som­mer braun gebrannt. Doch eines bleibt immer gleich: Stör­che, wohin man auch schaut. Die ihre rie­si­gen Nes­ter in schwin­del­erre­gen­der Höhe vor­zugs­weise auf alten Back­stein­ka­mi­nen, Strom­mas­ten und Kirch­tür­men bauen und die zahl­lo­sen Reis­fel­der auf der Suche nach Frö­schen abstaksen… 

Entschleunigung ist der neue Luxus

Nach ca. 30 Minu­ten Auto­fahrt durch unend­lich weit erschei­nende Kork- und Pini­en­wäl­der Rich­tung Meer erreicht man schließ­lich Com­porta, eine Gemeinde mit nicht ein­mal 1.500 Ein­woh­nern. In den Ort­schaf­ten selbst herr­schen nach wie vor Tra­di­tion und Beschei­den­heit. Ein für Por­tu­gal so typi­sches Bild sind die Dorf­äl­tes­ten, wie sie auf dem Markt­platz oder in den Cafés sit­zend das lokale Gesche­hen beob­ach­ten…
Obgleich sich über die letz­ten Jahre mehr und mehr Besu­cher ein­fin­den, so sind hippe Nacht­clubs, attrak­tive Fla­nier­mei­len und gla­mou­röse Edel­bou­ti­quen nach wie vor abso­lute Fehl­an­zeige. Die gestress­ten Gäste schät­zen die hie­sige „Tran­quil­idade“. Ein­fach mal run­ter kom­men. Ent­schleu­ni­gen. Müßig­gang. Ein abso­lu­ter Kon­trast zur nahe­ge­le­gen, quir­li­gen Haupt­stadt. Hier sagen sich Fuchs und Gans gute Nacht und am nächs­ten Mor­gen geht die Sonne wie­der auf…

Doch natür­lich bleibt auch in Com­porta die Zeit nicht ewig ste­hen. Schon vor eini­gen Jah­ren haben inter­na­tio­nale Inves­to­ren­grup­pen die Region ent­deckt und arbei­ten flei­ßig an deren Erschlie­ßung. Neben moderns­ten Häu­ser- und Hotel­pro­jek­ten wird auch die Frei­zeit­ge­stal­tung berück­sich­tigt und so sol­len auf lange Sicht neben diver­sen Reit- und Was­ser­sport­an­ge­bo­ten, Angel- und Yoga­kur­sen auch ver­schie­dene Golf­plätze Rea­li­sie­rung fin­den.
Doch die Ent­wick­lung hat – wie immer und über­all – auch hier seine Schat­ten­sei­ten. Und so fürch­ten die Ein­hei­mi­schen, dass sie sich auf lange Sicht ihr Leben auf­grund stei­gen­der Preise nur schwer leis­ten kön­nen. Ein­mal mehr wird klar, wie wich­tig das Thema Nach­hal­tig­keit ist, um die Region in ihrem Ursprung zu erhal­ten und die Men­schen lang­fris­tig zu integrieren.

Ein Bei­spiel, wie das funk­tio­nie­ren kann, ist die Quinta do Com­porta, unse­rem Domi­zil für die nächs­ten Tage. Das 5‑Sterne Well­ness-Bou­tique Resort ent­stand in einer ehe­ma­li­gen Reis­fa­brik. Hier wurde unter einem stren­gen Nach­hal­tig­keits­kon­zept auf Basis vor­han­de­ner Mate­ria­lien eine wun­der­bare Kom­bi­na­tion aus Schlicht­heit und Ele­ganz geschaf­fen, unter­ge­bracht in teils authen­ti­schen Gebäu­de­tei­len. Im Her­zen des idyl­li­schen Natur­schutz­ge­bie­tes von Com­porta gele­gen, bie­tet sich den Gäs­ten ein Ort der abso­lu­ten Ruhe, gepaart mit jeg­li­chem zeit­ge­mä­ßen Komfort. 

Ein Auto ist in die­ser Region zwei­fels­ohne emp­feh­lens­wert, wenn­gleich das Hotel für kür­zere Stre­cken auch Fahr­rä­der bereitstellt.

Comporta – Feinsandstrand soweit das Auge reicht 

Vor­bei an groß­flä­chi­gen Reis­fel­dern und klei­nen Ansied­lun­gen gelangt man in nur weni­gen Minu­ten zur Küste. Der vom Hotel aus nächst gele­gene Strand ist der Praia de Car­valhal.
Mag die Algarve bekannt sein für ihre Bil­der­buch­strände und pit­to­res­ken Buch­ten, so scheint hier der Sand gar nicht mehr auf­zu­hö­ren. Denn der Praia de Car­valhal ist ledig­lich ein Teil­ab­schnitt des ins­ge­samt 60km lan­gen wei­ßen Fein­sand­stran­des, der sich von der Halb­in­sel Troía ohne jeg­li­che Unter­bre­chung bis run­ter nach Sines erstreckt. Begrenzt auf der einen Seite von end­lo­sen Pini­en­wäl­dern und auf der ande­ren vom tür­kis­far­be­nen Atlan­tik. Ein Para­dies für alle Strand­lieb­ha­ber und Was­ser­sport­be­geis­terte. Und für die Sinne. Schlie­ßen Sie ein­mal die Augen – kön­nen Sie den Salz­ge­ruch des Mee­res riechen…?

Der Alentejo ist Teil der globalen “Slow Food“ Bewegung

Nach all den visu­el­len und olfak­to­ri­schen Ein­drü­cken darf natür­lich auch das kuli­na­ri­sche Wohl nicht feh­len! Und so keh­ren wir ein, in eines der weni­gen Strand­re­stau­rants, die sich abso­lut har­mo­nisch in die Umge­bung ein­fü­gen. Grund­sätz­lich kann man in der Region sehr gut essen. Ken­ner behaup­ten, dass die por­tu­gie­si­sche Küche nir­gendwo viel­fäl­ti­ger und zugleich authen­ti­scher ist als hier (nahe­lie­gend, dass sich der Alen­tejo bereits im Jahr 2000 der glo­ba­len “Slow Food“ Bewe­gung ange­schlos­sen hat). Die maß­geb­lich ein­fa­chen Lokale bie­ten tra­di­tio­nelle por­tu­gie­si­sche Küche zu einem fai­ren Preis. Natür­lich zahlt man am Strand für den Meer­blick einen gewis­sen „Auf­preis“ – die blei­ben­den Erin­ne­run­gen daran sind letzt­end­lich aller­dings unbezahlbar.

Unse­ren letz­ten Abend las­sen wir im Sub­lime Beach Club aus­klin­geln. Das etwas exklu­si­vere Strand­lo­kal (eben­falls am Praia de Car­valhal gele­gen) hat erst im ver­gan­ge­nen Som­mer seine Pfor­ten geöff­net und gehört zum gleich­na­mi­gen Com­porta Coun­try Retreat & SPA, einem wei­te­ren 5‑Sterne Hotel in der Region, wel­ches sich wenige Kilo­me­ter ent­fernt, etwas abseits der Küste, auf einem 17 Hektar gro­ßen Wald­grund­stück weit­läu­fig verteilt. 

Tat­säch­lich erin­nert mich das Restau­rant vom Ambi­ente her ein wenig an die San­si­bar auf Sylt. Der Abend ist mild und so sit­zen wir mit den Füßen im Sand und einem Drink in der Hand an einem der Holz­ti­sche und beob­ach­ten den majes­tä­ti­schen Son­nen­un­ter­gang zum Klang von ange­neh­mer Chill-out-Musik der Strand­bar. Auch als es schon längst dun­kel ist, bleibt das Rau­schen der Wel­len, wie sie sanft am Strand aus­rol­len. Obwohl wir noch gar nicht weg sind, über­fällt uns schon jetzt „Sau­dade“, die typisch por­tu­gie­si­sche melan­cho­li­sche Weh­mut. Wir kom­men wie­der – até brêve!

Cate­go­riesPor­tu­gal
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Natalie Stefer

Natalie Stefer lebt in Köln. Als jahrelange Touristikerin liegt ihr das Reisen im Blut. Das Schreiben war ihr schon immer eine Herzensangelegenheit und so teilt sie Ihre Erlebnisse gerne in Form von Gast-Beiträgen.
Neben Aufträgen als Redenschreiberin arbeitet sie aktuell an ihrem ersten Buchprojekt.

  1. Lisa says:

    Hallo Nata­lie, wir waren die­ses Jahr auch in Por­tu­gal, aber an der Costa de Capar­cia. Wir haben aber auch einen Tages­aus­flug nach Cam­porta gemacht. Ein­fach nur wun­der­schön dort, tolle Land­schaf­ten und Strände. Was mir auch sehr gut gefal­len hat ist, dass die Strände nicht so über­füllt waren wie manch andere Ecken in Por­tu­gal. Außer­dem liegt Lis­sa­bon sowie die Costa de Car­par­cia nicht weit. Ein Aus­flug dort­hin lohnt sich also wirk­lich. Und wenn man eh in der Ecke ist, kann man sich auch mal über­le­gen für ein paar Tage an der Küste einen Surf­kurs zu machen. War wirk­lich super und mal was ganz ande­res! Kann es auch nur jedem emp­feh­len etwas neues aus­zu­pro­bie­ren :) Liebe Grüße

  2. Jens says:

    Hallo Nata­lie, ich kann Dir nur zustim­men: Com­por­tas Strände sind wirk­lich aus­ge­spro­chen schön, fein­san­dig, end­los, nur hier und da auf ein paar Meter über­füllt, sonst oft bei­nahe leer. Die bun­ten Strand­bars sind geschmack­voll ein­ge­rich­tet und Strand, Meer und die Berge der Serra de Arrá­bida am nörd­li­chen Ende der Bucht sind ein wah­rer Augen­schmaus. Wir lie­ben auch gerade die Fähr­über­fahrt von Setú­bal. Der Sado wirkt hier wie ein tro­pi­scher Strom und ja, wir haben die Del­fine schon ein­mal vom Fähr­boot aus beob­ach­tet. Das hast Du alles her­vor­ra­gend beleuch­tet, auch die neuen Hotel­hoch­bur­gen in Troia. Da wir in Lis­sa­bon leben, kom­men wir meist auf einen Tag am Strand her­über. Meinst Du, dass Euer Hotel, die Quinta do Com­porta, auch für einen Fami­li­en­auf­ent­halt mit klei­nen Kin­dern geeig­net wäre? Herz­li­che Grüße aus Por­tu­gal, Jens

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