»Whisky!« »Claro.«

Nach mei­nen zwei auf­re­gen­den Tagen im boli­via­ni­schen Hoch­land war ich wie­der zurück auf geteer­ter Stra­ße. Der Illu­si­on fol­gend, dies wür­de bis Coroi­co so blei­ben, star­te­te ich in den Tag. Wie immer aus der Stadt raus­lau­fen. Dies­mal Oruro. Auf dem Weg nach drau­ßen kam ich an einem Bus vor­bei. Ein paar Men­schen stan­den vor den offe­nen Gepäck­klap­pen und luden neben Kof­fern auch tote Schwei­ne aus. War anschei­nend der tote Schwei­ne Tag in Oruro. 20 Minu­ten Fuß­marsch spä­ter kam ich an einem Taxi vor­bei, was bis unter die Decke mit toten Schwei­nen bela­den war.

Tram­pen lief ganz gut, drei schnel­le Lifts zur Poli­zei­kon­trol­le hin­ter der Stadt, zwei ande­re Tram­per über­holt und dann noch einen LKW ange­hal­ten, der bis zu mei­ner nächs­ten Kreu­zung fuhr, von wo aus ich dann wie­der auf klei­nen Stra­ßen wei­ter­rei­sen soll­ten. Sehr zufrie­den saß ich im LKW und beob­ach­te­te gedan­ke­ver­sun­ken die Land­schaft. Ich hab noch über die letz­ten zwei Tage resü­miert und mir über­legt, was ich alles in den Blog­ar­ti­kel packe, als es auf ein­mal einen rie­sen Schlag tut. Ich war so erschro­cken, der LKW zieht sofort nach links. Mein Fah­rer hat Mühe ihn in der Spur zu hal­ten. Lin­ker Vor­der­rei­fen geplatzt. Wir hal­ten an, stei­gen aus, star­ren ungläu­big auf den kaput­ten Rei­fen. Mein Fah­rer fängt an zu tele­fo­nie­ren, ich hel­fe ihm noch die Rei­fen­tei­le von der Auto­bahn zu räu­men und lau­fe dann mal wei­ter. Kann noch dau­ern, bis der wie­der fährt. Zum Glück hielt das drit­te Auto an und nahm mich zu mei­ner Kreu­zung mit.

Danach folg­te erst­mal geteer­te Stra­ße. Welch Ent­span­nung. Ich sah mich schon gegen Mit­tag an der Death Road ankom­men und gegen Abend hin­ter La Paz sein. Durch ein paar Dör­fer ging es gut, dann starb der Ver­kehr. Ich hat­te einen Lift mit einem Last­wa­gen auf der Lade­flä­che. Die Jungs bogen auf ein­mal ab: Ich muss­te mich schnell bemerk­bar machen, damit ich nicht in die fal­sche Rich­tung fah­re. Habe über meh­re­re Ser­pen­ti­nen einen Berg erklom­men, ein paar Hun­de gesich­tet, mich gefragt, was die­se Hun­de hier im nir­gend­wo fres­sen und das Pan­ora­ma genos­sen. Nach 28 Minu­ten lau­fen hielt ein Nis­san an.

Atemberaubender Abstieg in das schönste Gebirge von Südamerika

Der Fah­rer war erst etwas stut­zig. Ich hab mal wie­der kein Wort ver­stan­den. Irgend­wie hab ich es aber doch ins Auto geschafft. Wir fuh­ren los. Dach­te er fährt in die nächs­te Ort­schaft oder so. Die Stra­ße führ­te berg­ab. Ich schät­ze wir waren auf 5000+ Meter. Bis ich Aus­stieg soll­ten wir auf unter 2200 sein. Die Stra­ße war.…ich kann es gar­nicht anders sagen.…der Ham­mer. Sie führ­te in säu­ber­lich geteer­ten Ser­pen­ti­nen hin­un­ter nach Qui­me. Wir über­hol­ten ein paar Bus­se und irgend­wann tat sich dann die­ser rie­si­ge, nicht enden wol­len­de Abgrund vor uns auf, den wir Stück für Stück mit dem klapp­ri­gen Auto bewät­lig­ten. Die­se Pas­sa­ge war schon der abso­lu­te Ham­mer. Aber ich wuss­te ja nicht, das mich noch das gesam­te Yun­gas Gebir­ga erwar­te wird. Ange­kom­men in Qui­me (die Stadt war noch nicht mal auf mei­ner Kar­te) fand sich eine wun­der­bar am See gele­ge­ne Klein­stadt mit Alpen­fee­ling und freund­li­cher Vege­ta­ti­on. Ich war ganz ent­zückt wie schön es auf ein­mal war. Wir waren nun mit­ten im Yun­gas Gebir­ge.

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Am Orts­en­de folg­ten wir einem klei­nen Schot­ter­weg und fuh­ren eine Tank­stel­le an. Auf die Fra­ge wie weit wir noch unter­wegs sei, ant­wor­te­te mein Fah­rer: „2 Stun­den mehr“. Bom­ben­lift also. Was mir aber dann erst klar wur­de, dass der klei­ne Schot­ter­weg kein Schleich­weg zur Tan­ke war, son­dern eher die Haupt­stra­ße für die nächs­ten 400km. Ich ahn­te vor­her schon, dass die­se Rou­te einen Haken hat. Und da war er. Aber wir fuh­ren in den Yun­gas und mei­ne Begeis­te­rung kann­te kei­ne Gren­zen.

Yun­gas ist eine Gebirgs­ket­te, die sich von tro­pi­schen 500 Metern rauf in die 4000+ Meter hohe Hoch­ebe­ne nach La Paz zieht. Es gibt den nörd­li­chen Yun­gas und den süd­li­chen Yun­gas. Bei­de Gebirgs­ket­ten wer­den von einem Fluß getrennt. Die Stra­ße ver­läuft prin­zi­pi­ell mit­ten am Berg. Das bedeu­tet, es geht ab und zu mal ein paar hun­dert Meter direkt neben dem Auto run­ter. Es ist wun­der­schön grün, man hat stän­dig eine atem­be­rau­ben­de Aus­sicht, ein biß­chen Todes­angst und.….es ist schwer zu beschrei­ben. Sagen wir ein­fach es ist so ziem­lich das schöns­te Gebiet, was ich bis­her in mei­nem Leben durch­quert habe.

Drei Stun­den kurv­te ich mit mei­nem Fah­rer und sei­nem Nis­san durch die Ber­ge. Zwi­schen­durch Poli­zei­kon­trol­le. Die wur­den natür­lich geschmiert. Kur­zer Small­talk, dann wei­ter. Eine Oma am Markt­platz die mit woll­te wur­de abge­wim­melt. Ein paar Ort­schaf­ten spä­ter wie­der eine Oma am tram­pen. Mein Fah­rer seufzt, frei nach dem Mot­te: „Nagut, ruff mit der Alten.“ Oma auf die Lade­flä­che gela­den und wei­ter­ge­fah­ren. Als wir anka­men hab ich mich für ca. 60 Cent mit soviel Essen aus­ge­stat­tet, wie ich tra­gen konn­te und lief mal wie­der los durch die Ort­schaft und ab über die nächs­ten Berg­päs­se. Dabei ist mir das Ers­te mal auf­ge­fal­len, dass ich hier ja mit­ten im Jungle bin. Bana­nen­pflan­zen, Oran­gen­bäu­me am Weges­rand, die zum pflü­cken ein­lu­den. Seit Mona­ten nur kar­ges Hoch­land und dann sowas. Und ich kann hier ja drau­ßen schla­fen!!

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Es folgt ein klassisch, wahnsinniger Nachtlift

Mei­ne Wan­de­rung dau­er­te auch erst­mal 2,5 Stunden…aber mit Genuss. Ver­kehr war ein biß­chen. Viel­leicht 4–5 Autos. Irgend­wann habe ich ein klei­nes ver­las­se­nes Stein­haus am Stra­ßen­rand im Gebüsch ent­deckt. Es soll­te mein Nacht­la­ger wer­den. Noch ein paar Voka­bel­lis­ten abge­schrie­ben, Ziga­ret­te geraucht, die Abend­toi­let­te begangen.…ich war bereit zu schla­fen und es war auch schon dun­kel. Aber ein Auto kam noch. Hand raus.…es hält an. Zwei Men­schen schau­en mich an. Offen­sicht­lich ein Taxi. Ich erklä­re, dass ich kein Geld für Trans­port habe. Anschei­nend kein Pro­blem für die Bei­den. „Wo geht’s denn hin?“ „Daun­d­Da.“ „Ist das ein Dorf oder eine Stadt?“ „Ein gro­ßes Dorf.“ „Kei­ne Ahnung wo das liegt, aber auf geht’s.“ Rein in die gute Stu­be. Und was hier folgt sind sol­che Nacht-Lifts, für die ich das Tram­pen lie­be.

Ers­te Beob­ach­tung: Der Bei­fah­rer war total dicht. Aber sowas von total dicht. Er konn­te sich kaum auf dem Sitz hal­ten, schwank­te immer hin und her, trak­tiert von den Kur­ven und Schlag­lö­cher. Ich hab ihn schon ins Auto kot­zen sehen und hielt mich bereit. Ers­te Theo­rie war, dass er auf einem Dorf­fest war und sich abge­schos­sen hat und nun nach Hau­se fährt. Dann obli­ga­to­ri­sche Pin­kel­pau­se. Kol­le­ge Besof­fen muss­te dann auch erst­mal schei­ßen gehen. Ich hat­te um Glück Klo­pa­pier dabei, zur Freu­de der gesam­ten Besat­zung.

Wir fuh­ren wei­ter. „EY Ami­go, mi Ami­go, Ey“, er ver­such­te mit mir zu reden, ich lächel­te zurück und er steck­te mir 30 Pesos zu, weil er dach­te ich hat­te kein Geld. Das war mir höchst unan­ge­nehm. Aber gut. Aus­sit­zen Ste­fan, Aus­sit­zen. Solan­ge das Auto fährt, ist alles gut. Wäh­rend ich noch über das Geld nach­den­ke, kipp­te die Stim­mung etwas. Mr. Betrun­ken hat­te mich in sein Haus ein­ge­la­den und der Fah­rer (Efrain) dis­ku­tier­te mit ihm. Das Gespräch ver­lief fol­gen­der­ma­ßen:

Efrain: „Schau doch mal. Er spricht sehr schlecht Spa­nisch und ver­steht nichts. Und du benimmst dich hier wie der Aller­letz­te, hast eine unschö­ne Spra­che und bist total betrun­ken. Was soll er denn jetzt von uns den­ken? Da kommt er in unser Land, er ist gebil­det, war auf der Schu­le, Uni­ver­si­tät und dann fin­det er dich hier.“

Suf­fi: „NEIN NEIN NEIN; das stimmt nicht, er ist mein Freund.“

Efrain: „Er ver­steht dich nicht.“

Suf­fi: „Mor­gen reden wir! Mor­gen!“

Nächs­ter obli­ga­to­ri­scher halt in einem ande­ren Dorf. Tan­ken. Efrain lief in irgend­ein Haus, kam mit einem Kanis­ter und einem Stück Gar­ten­schlauch wie­der. Anzap­fen und lau­fen las­sen. Tan­ken in Boli­vi­en eben. Suf­fi hat­te ich eine Ziga­ret­te ange­bo­ten, die rauch­te er gera­de mit mir und erklär­te, dass die Ziga­ret­ten sehr stark sind und er sich nicht an sei­nen Namen erin­nern kann (hat­te ihn vor­her mehr­mals nach sei­nem Namen gefragt). Efrain for­der­te ihn auf, doch drei mal Huhn für uns zu kau­fen, aber Suf­fi hat­te kein Geld mehr. Das hat­te ich ja. Wei­ter gings.

Wir kamen dann in den Ort wo Suf­fi wohn­te und da er mich min­des­tens 10 mal zu sich nach Hau­se ein­ge­la­den hat­te, war nun die Stun­de der Wahr­heit. Der Ort war höchst unsym­pa­thisch. Als Suf­fi Aus­stieg und sei­ne Sachen zusam­men­such­te, setz­te ich zum tak­ti­schen Aus­weich­ma­nö­ver an. „Schläfst du hier oder fährst du wie­der zurück?“, frag­te ich Efrain. „Nein nein, ich fah­re wei­ter?“ „Ach wei­ter, wohin?“ „Irup­a­na.“ „Ah.…..ja…weiter.….ähm.…hör mal Amigo.…er fährt weiter…vielleicht.…besser wenn ich mitfahre.…weil es ja näher an mei­nem Ziel ist, weißt du. Nicht böse sein, dan­ke für dei­ne Gast­freund­schaft, aber du brauchst Schlaf und er fährt ja weiter.…nech?“

Suf­fi ver­stand das, nach­dem Efrain noch etwas wei­ter­ge­hol­fen hat­te. Ich nahm vor­ne Platz, wir fuh­ren los, die Gesamt­stim­mung im Auto war Erleich­te­rung und Efrain war auch froh, dass ich nicht mit­ge­gan­gen bin. „No es mucha­cho.“, mein­te er nur. Das Ers­te was ich ver­such­te war, ihm die 30 Pesos anzu­dre­hen, aber er mein­te nur, ich sol­le mir davon essen kau­fen.

Alkohol und korrupte Polizei

Und dann ging die Nacht erst rich­tig los. Ers­te obli­ga­to­ri­sche Pin­kel­pau­se. Efrain hat­te noch eine hal­be Fla­sche Whis­ky und Cola, die mix­te er zusam­men, ver­si­cher­te mir, dass er ger­ne ein biß­chen trinkt, aber nicht so viel wie der Kol­le­ge. Danach erzähl­te er mir auch die Sto­ry, näm­lich dass die bei­den seit meh­re­ren Tagen unter­wegs waren und ein Auto in Are­qui­pa bei Chi­le ver­kauft haben. Ziga­ret­ten an, Whis­ky hin­ter die bin­de gekippt und los fuhr der Spaß­ex­press. Zu mei­ner guten Lau­ne trug außer­dem bei, dass ich end­lich ver­stan­den hat­te, wo er hin­fuhr. Näm­lich noch zwei Stun­den wei­ter in mei­ne Richung. BÄM!

Am ers­ten Ort war der Spaß aber schon wie­der vor­bei. Efrain hielt an, weil ein Rei­se­bus auf der Stra­ße stand und gera­de ein­park­te. Er macht die Lich­ter aus, ich frag­te ob er Feu­er will und er wim­mel­te mich nur ab: „Nono…psscht.…policia.“ Poli­zei­kon­trol­le. Aus Spaß wur­de ernst. Er war­te­te bis der Bus ein­park­te und fuhr los, um sich durch­zu­mo­geln. Lei­der war nicht genug Platz auf der Stra­ße. Wir muss­ten zurück­set­zen und einen ande­ren Weg fah­ren. Natür­lich war­te­ten die Kol­le­gen nun schon auf uns.

Efrain, Gringo.…Geld. Efrain schmier­te die Kol­le­gen, aber es war anschei­nend nicht genug. Er kam ins Auto und frag­te mich nach den 30 Pesos, die ich ger­ne für die­sen guten Zweck her­gab. „Lis­to“, bereit. Kann wei­ter­ge­hen. Da kam aber irgend­ei­ne pene­tran­te Frau ans Fens­ter und stell­te irgend­wel­che Fra­gen. Sol­che Art von Men­schen die immer in alles und über­all ihre Nase rein­ste­cken. Schwups, auf ein­mal hat­ten wir eine Frau mit Kind und einen alten Mann hin­ten drin sit­zen. Efrain war sicht­lich gestresst, für unru­hi­ger und wir soll­ten ca. eine Stun­de Umweg fah­ren.

Wei­ter gings also über die Berg­stra­ßen. Wir tran­ken, um die Ner­ven zu beru­hi­gen. „Whis­ky.“ Kom­man­do an mich. „Cla­ro.“ Einen für Efrain, einen für mich. Beim Ers­ten hat er noch moniert es sei zuviel, daher danach immer nur klei­ne Schlück­chen Whis­ky-Cola. Ich sah mich gezwun­gen mit ihm zu trin­ken, zu Sicher­heit aller Betei­lig­ten. Aber da die Nacht schon wie­der total am eska­lie­ren war, mach­te sich bei mir auch ein Scheiß-Egal Gefühl breit. Nach 4–5 Whis­keys hat­ten wir alle Pas­sa­gie­re hei­le nach Hau­se gebracht und fuh­ren wie­der in trau­ter Zwei­sam­keit wei­ter. Pro­blem war nur, dass Efrain anschei­nend genau­so wenig den Weg kann­te, wie ich.

Und wo wird geschlafen?

Pin­kel­pau­se. „Whis­ky.“ „Cla­ro.“ Ich war schon leicht beschwippst. Irgend­wann ging das Licht im Auto an und ich erkann­te, das Efrain anschei­nend schon ordent­lich einen sit­zen hat­te. Ob ich fah­ren kann? Ja, klar. Lei­der hab ich nie das Steu­er in die Hand bekom­men. War aber viel­leicht auch bes­ser so. Der Wagen setz­te regel­mä­ßig auf der schwie­ri­gen Stra­ße auf. Die stei­len Abhän­ge waren zum Glück auf­grund von Dun­kel­heit nicht zu sehen. Der letz­te Whis­ky war geleert, in einem Dorf frag­ten wir nach dem Weg und Efrain erkun­dig­te sich über kom­men­de Poli­zei­kon­trol­len. Wir hat­ten bei­de kein Geld mehr, er erklär­te mir, was ich sagen soll, ich ver­stau­te mei­ne Kame­ra (man weiß ja nie) und ange­spannt fuh­ren wir wei­ter. Zum Glück war es nur eine Patrouil­le und kei­ne fes­te Poli­zei­kon­trol­le. Und die erreich­te uns nie.

Wir unter­hiel­ten uns präch­tig und erreich­ten schließ­lich das besag­te gro­ße Dorf. Rat­los hiel­ten wir an, ich schnorr­te noch eine Ziga­ret­te bei Efrain. „Oder soll ich dich noch mit­neh­men in mein Dorf?“ Klingt nach Schlaf­platz. „Wie weit?“ „5 km“ „Cla­ro.“. Wir set­zen noch min­des­tens 10 mal auf, die Stra­ße wur­de immer schlech­ter und nach wei­te­ren 50 Minu­ten erreich­ten wir sein Dorf. Zu mei­ner Über­ra­schung hielt er am Markt­platz an und ließ mich raus. Ich hat­te noch nie Glück mit Schlaf­plät­zen, aber auch nie ein Pro­blem Nachts wei­ter­zu­tram­pen. Viel­leicht hängt das zusam­men. Ich ver­ab­schie­de­te und bedank­te mich recht herz­lich bei Efrain und lief in die Nacht.

Geschla­fen hab ich einen Ort wei­ter auf der Ter­ras­se eines klei­nen Gemein­de­hau­ses. Am Mor­gen ver­sam­mel­te sich eine Grup­pe klei­ner Kack­brat­ze an der Stra­ßen­sei­te und mach­ten ordent­lich Lärm. Ein Mäd­chen rief stän­dig irgend­was. Ich hat­te kei­ne Ahnung was. Dach­te mir aber, dass ihre Freun­din bestimmt nicht zu Hau­se ist und ob sie nicht mal end­lich die Schnau­ze hal­ten kann. Die gan­ze Nacht hat mich eine viel zu lau­te Mücke ter­ro­ri­siert, die ein­fach nicht essen woll­te und nun irgend­wel­che Kin­der die nach ihren Freun­den rufen. Irgend­wann hör­te ich dann nur „Grin­go.“ und mir wur­de klar, dass die wohl die gan­ze Zeit nach mir rufen. Mei­ne Tar­nung schien auf­ge­flo­gen. Aus­sit­zen Ste­fan. Die Kack­brat­zen ver­schwan­den als­bald. Zusam­men­pa­cken, übers Gelän­der klet­tern, ers­te Auto hielt an in die nahe gele­ge­ne Stadt.

Da war Markt und ich gönn­te mir erst­mal ein herr­li­ches Street Food Früh­stück, hielt über­all mal an, kauf­te etwas. Kuchen, Käse Empa­na­das und lecker gefüll­te Knö­del-Kar­tof­fel-Sym­bio­se. Lift raus aus der Stadt gefun­den. Zäh­ne geputzt. Und dann los­ge­lau­fen. Lau­fen war hier ganz und gar­nicht so toll, wie ich nach 30 Minu­ten fest­stel­len muss­te, als ich von oben bis unten zuge­staubt war. Ange­hal­ten hat auch nichts. Ins­ge­samt vier Stun­den Fuß­marsch soll­ten vor mir lie­gen. Immer vom Inter­es­se ange­trie­ben, was denn hin­ter dem nächs­ten Berg kommt und wie es da aus­sieht. Nach drei Stun­den hat­te ich schon zwei Liter Was­ser geleert. Unbarm­her­zig rausch­ten die gro­ßen und klei­nen Bus­se an mir vor­bei und wir­bel­ten immer mehr Staub auf.

Irgend­wann erbarm­te sich ein Taxi. Alte Lei­er, kein Geld für Transport…ja kannst mit­fah­ren. Letz­te Kreu­zung vor mei­nem Ziel­ort. Fisch zum Mit­tag geges­sen, neu­es Was­ser gekauft. Wei­ter­lau­fen. Lift in einem klei­nen Jeep mit vier Boli­via­nern ange­quatscht, mit­ge­fah­ren, fast Unfall gebaut, letz­te Stadt vor mei­nem Ziel­ort erreicht. Wei­ter­ge­lau­fen. Wie­der ein Taxi­lift mit zwei alten Her­ren und einem sehr sehr net­ten Taxi­fah­rer. Von dem Dorf wo wir hin­fuh­ren sei­en es drei Stun­den zu Fuß nach Coroi­co. Klingt gut dach­te ich. Los­ge­lau­fen und wie­der fast ein Taxi nach Coroi­co gekriegt, aber die sind wei­ter­ge­fah­ren.

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Der gefährlichste Lift der Welt auf der gefährlichsten Straße der Welt

Wäh­rend dem Lau­fen dach­te ich mir dann so, ich kann jetzt alles stop­pen, was mich näher bringt. Auch Motor­rä­der. Das Ers­te hielt nicht an. Dann kam ein Motor­rad­fah­rer in Tarn­klei­dung um die Kur­ve gebret­tert und hielt an. Yeah. Und was nun folgt, ist dann wohl der pas­sen­de Abschluss für die­se total ver­rück­te Yun­gas Tour.

Mein Lift war ein Poli­zist. Ich hät­te schon mer­ken sol­len, dass hier nicht alles mit rech­ten Din­gen zugeht, als er vom Motor­rad abstieg, anfing mit mir zu reden und wäh­rend­des­sen gegen sein eige­nes Motor­rad schiff­te. Manch­mal hab ich aber ne recht lan­ge Lei­tung. Er war mir auch etwas unsym­pa­thisch, aber ich kann so schlecht Lifts ableh­nen und dis­ku­tier auch nicht ger­ne mit Ord­nungs­be­hör­den. Also hin­ten druff. Nene, enger ran­rü­cken und arme um mei­nen Bauch schlin­gen. Das war nicht so homo­ero­tisch, wie es sich anhört.

Als wir los­fuh­ren und Aris mit mir anfing zu reden, bemerk­te ich, dass er ordent­lichst besof­fen war. Eigent­lich merk­te ich das schon, als wir Schlan­gen­li­ni­en fah­rend auf das ers­te Auto zuhiel­ten. Immer wenn er sich zu mir dreh­te und was sag­te, kam sein Motor­rad vom eigent­lich Kurs ab. Bag­ger, Bus­se, Jeeps.…naja was uns eben alles so ent­ge­gen­kam und rechts ging es dann meh­re­re hun­dert Meter run­ter. Schei­ße, was mach ich hier eigent­lich.

Hof­fent­lich fährt der nicht so weit, dach­te ich. Ers­te Pau­se. „Wohin geht’s denn?“ „Coroi­co.“ Schei­ße der fährt echt bis nach Coroi­co. Da sind wir min­des­tens noch ne Stun­de unter­wegs. Wie erklär ich ihm nur, dass ich nicht wei­ter mit­fah­ren will.….ach da geht’s schon wei­ter. Naja. Todes­angst. Irgend­wie wars auf sei­ne Art und Wei­se auch lus­tig. Ich hielt mich gut an ihm fest und dach­te mir nur, dass wir wenn dann zusam­men unter­ge­hen. Nächs­te Pau­se. Er will ein Sel­fie machen. Bezie­hungs­wei­se möch­te, dass ich ein Sel­fie mache.

Da kam dann mein Sel­fie­stick zum Ein­satz. Ich hol­te ihn aus dem Ruck­sack und erklär­te Aris, dass ich ihn als „Pre­sent“ in Argen­ti­ni­en von einem Fah­rer bekom­men hat­te. „Pre­sent“ ver­stand er, wur­de sofort hell­hö­rig. „Für mich ein Pre­sent“. Boli­via­ni­sche Poli­zei. Oh nein, jetzt will der auch noch ein Pre­sent haben. „Nein nein…“ Sel­fie gemacht. Wei­ter­ge­fah­ren. Nächs­te Pau­se. Das mit dem Pre­sent schien ihn nicht mehr los­zu­las­sen. Er woll­te mir sei­ne Poli­zei­ja­cke geben und ich soll­te dafür irgend­was mit ihm tau­schen. Hat­te aber nüscht. Sor­ry. Aber Jacke kannst du mir trotz­dem geben? Hab doch gar kei­nen Platz dafür und anzie­hen kann ich sie auch nicht. Ach ich soll die ein­fach irgend­was schi­cken, wenn ich wie­der in Deutsch­land bin? Ja, die Jacke kann ich ja mei­nem Papa schi­cken. Jaja, wir sind jetzt Poli­zei­brü­der. Wei­ter gings.

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Ich sag mal so, macht das NIE NIE NIE zu Hau­se nach. Aber ich habs über­lebt. Aris kam hei­le zu sei­ner Freun­din nach Coroi­co. Als wir anka­men stell­te er sein Motor­rad ab und das Ers­te was er sag­te: „Hier ich hol kurz mei­ne Freun­din, geh du mir mal ein Bier kau­fen bit­te.“ Nagut. Ich brauch­te auch drin­gend ein Bier. Also noch zwei Bier bestellt und mit Aris + Freun­din getrun­ken. Hat­te ande­re Grin­gos erspäht und bin immer mal raus und hab die nach pas­sen­den Hos­tels gefragt. Wäh­rend wir uns unter­hiel­ten, ist Aris Motor­rad noch­mal schon auf den Bord­stein gefal­len. Naja, alles vom Staat bezahlt. Er ist dann mit sei­ner Freun­din abge­düst. Ich hat­te zitt­ri­ge Hän­de, aber war end­lich in Coroi­co. Bereit die „Death Road“ zu tram­pen.

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Antwort

  1. Avatar von Lorenz
    Lorenz

    Baaa will wie­der zurück nach Boli­vi­en! Gei­ler Bericht!

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