Warum ich zu Weihnachten in Oman mal kurz implodiert bin

Es gibt Momen­te im Leben, mit denen rech­net man nicht. Die pas­sie­ren ein­fach. Sie wan­zen sich in Zeit­lu­pe an einen ran, drü­cken einem kurz die Faust in die Magen­gru­be, dann ins Gesicht. Zum Abschied quet­schen sie das klei­ne Herz und dann hau­en sie ab. Ver­krü­meln sich und las­sen einen mit einem beschis­se­nen Gefühl zurück.

In Niz­wa hat­te ich so einen Moment. Gera­de noch wie Bol­le gefreut, den Lu Lu Hyper­mar­ket (sic!) ent­deckt zu haben, fal­le ich kurz nach Betre­ten der schö­nen Shop­ping­welt in Schock­star­re. Denn neben allen Din­gen, die man sich so vor­stel­len kann, gibt es dort etwas, womit ich ganz bestimmt nicht gerech­net habe. Es fängt an mit einer gan­zen Armee aus Weih­nachts­bäu­men, denen ich direkt hin­ter dem Ein­gang plötz­lich gegen­über ste­he. Wäh­rend ich mir im Wei­ter­ge­hen noch ver­wun­dert den Kopf nach ihnen ver­dre­he, sto­ße ich kurz danach auf das nächs­te Übel. Ein paar Gän­ge wei­ter tür­men sich ver­schie­de­ne Sor­ten Weih­nachts­ge­bäck. Die Krö­nung fin­de ich im Kühl­re­gal: Christ­mas Cakes mit dickem Zucker­guss, Ren­tie­ren und klei­nen Weih­nachts­män­nern on top.

Plötz­lich habe ich einen Kloß im Hals, muss mir ein klei­nes Trän­chen ver­knei­fen und das auf­stei­gen­de Heim­weh unter Kon­trol­le brin­gen. Ich lie­be Weih­nach­ten. Ich kor­ri­gie­re: Ich lie­be die Idee von Weih­nach­ten und den einen oder ande­ren Aspekt die­ser Idee, der tat­säch­lich auch in der Rea­li­tät und nicht nur in mei­nem Kopf statt­fin­det. So, jetzt ist es raus. Hin­zu kommt, dass ich noch nie von Weih­nach­ten getrennt war. Noch nie! Und fast hät­te ich es geschafft, all das zu ver­drän­gen, aber Lu Lu hat Lu einen Strich durch die Rech­nung gemacht. Von etwas getrennt zu sein, um es dann noch­mal schön unter die Nase gerie­ben zu bekom­men – das war mir in dem Moment irgend­wie zu viel.

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Eine Wei­le schlei­che ich um die Rega­le her­um, über­le­ge kurz, ob ich ein paar Rial in das Gefühl von Weih­nach­ten inves­tie­ren soll, las­se es dann aber blei­ben. Es wäre ein­fach nicht das­sel­be. Denn im Grun­de ist das doch auch gar nicht das, wor­um es eigent­lich geht. Weih­nachts­bäu­me, Süßig­kei­ten und Geschen­ke im Über­fluss. In Wirk­lich­keit geht es doch viel mehr um die Zeit, die man mit der Fami­lie oder Freun­den hat. Ein Anlass im Jahr, an dem man zusam­men­kommt und ein paar gemüt­li­che Stun­den mit­ein­an­der ver­bringt. Ich kann mich trös­ten, weil ich weiß, dass ich das gleich im Janu­ar nach­ho­len wer­de und das hilft mir, die Fas­sung wie­der­zu­er­lan­gen. Die Eltern kom­men sicher auch mal allein klar in der Gemüt­lich­keit zu Hau­se. Ich hof­fe es zumin­dest.

Wir haben auf jeden Fall einen auf­re­gen­den und so ganz ande­ren Weih­nachts­tag und völ­lig unver­hofft sind wir auch am Abend nicht allein, son­dern ver­brin­gen ihn mit unse­ren Freun­den auf Zeit. Ansons­ten beglei­tet mich Weih­nach­ten auch auf fast allen wei­te­ren Etap­pen unse­rer Rei­se. Selbst im Wüs­ten­camp wer­de ich mit einem die­ser Bäu­me kon­fron­tiert. Ein trau­ri­ges Exem­plar mit lila-blin­ken­der Lich­ter­ket­te, das unbe­ach­tet in irgend­ei­ner Ecke steht. Im Hotel in Sur dudelt den gan­zen Tag zusätz­lich ame­ri­ka­ni­sche Weih­nachts­mu­sik und im Al Bus­tan Palace – ich glaub, das ist das teu­ers­te Hotel in Oman – ist der Baum so groß, dass er nicht mal auf das ver­damm­te Bild passt. Da war es mir aber auch schon egal.

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Und Sil­ves­ter? Das inter­es­siert mich zum Glück nicht wei­ter und des­halb ist es auch nicht schlimm, ein­fach ins Bett zu gehen. Und das, obwohl irgend­wo in der Nähe in unse­rem klei­nen, ver­schla­fen Fischer­dorf eine Par­ty im Gan­ge ist. Das lässt sich nicht über­hö­ren. Die fet­ten Bäs­se brum­men, beglei­tet von Lachen und fröh­li­chem Geplap­per, durch den Abend, bis zu unse­rem Haus, dann über die Mau­er und machen es sich neben uns im Gar­ten gemüt­lich. Mein Fuß fängt unkon­trol­liert an zu wip­pen und es fehlt nicht viel, um auf­zu­ste­hen und da rüber zu gehen. Rüber zu einer Fei­er von der ich nicht weiß, wer und war­um.

Was wür­de pas­sie­ren? Nach allem, was ich in den letz­ten Tagen in Oman erlebt habe, wür­de uns sicher nie­mand abwei­sen. Wahr­schein­li­cher ist, dass wir inner­halb von 3 Sekun­den umringt von den Par­ty­gäs­ten mit­ten auf der Tanz­flä­che ste­hen. Wir zie­hen nicht los, denn wir wol­len uns nicht selbst ein­la­den. Am nächs­ten Abend erfah­ren wir, dass es eine indi­sche Hoch­zeit war bzw. noch immer ist, denn die Par­ty geht wei­ter. Noch zwei Tage und Näch­te. Unge­fähr.

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Antwort

  1. Avatar von Nadine

    Woww, wie schön… Ich wür­de mir hier nach den 8 Jah­ren in Marok­ko schon mal ein paar Weih­nachts­sa­chen wün­schen… Aber Marok­ko ist da echt mit zurück…

    LG aus Mar­ra­kesch,

    Nadi­ne

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