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Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Durch den Amazonas (3)

Und so kam ich dann end­lich nach Vene­zue­la. Die Pass­kon­trol­le ver­lief unter omi­nö­sen Umstän­den. Irgend­ein Motor­rad­fah­rer hat unse­re Rei­se­päs­se ein­ge­sam­melt und wir wur­den in ein klei­nes Hin­ter­zim­mer geführt. Dort saß ein Mann mit einer Bein­in­fek­ti­on und genoß gera­de ein Fuß­bad, wäh­rend sei­ne Frau irgend­was in der offe­nen Küche vor­be­rei­te­te. Kei­ne Ahnung was da abging, aber das war sowas wie die Grenz­be­hör­de.

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Auf jeden Fall haben wir nach 20 Minu­ten unse­re Päs­se wie­der­be­kom­men. Von eben jenem Motor­rad­fah­rer. Alle abge­stem­pelt. Ohne je einen Men­schen in Uni­form gese­hen zu haben. Will­kom­men in Vene­zue­la. Ich hat­te Süd­ame­ri­ka erreicht. End­lich war die Bahn frei. 8000 km nach Uru­gu­ay lagen vor mir. Ich streif­te mei­ne Tram­per­uni­form über und mach­te mich nach drei Mona­ten auf See end­lich wie­der an den Ort, den ich so schmerz­lich ver­misst hat­te: Die Stra­ße. Ein gan­zer Kon­ti­nent lag vor mir. Ich fühl­te mich unglaub­lich frei und war zu allem bereit.

Mit Ein­bruch der Dun­kel­heit erreich­te ich Caru­p­a­no. Eine ver­siff­te Küs­ten­stadt. Anschei­nend Pira­ten­hoch­burg. Der Strand war eigent­lich ganz schön, wenn man die Schiffs­wracks und Auto­rei­fen igno­rier­te. Ich druck­te mir mei­ne Rou­te im Inter­net­ca­fé aus und mach­te mich auf mei­nen Weg. Nacht­tram­pen. So ganz begriff ich den Weg nicht. Ver­lau­fen. Ein Auto hält an und winkt mich rein. Was ich denn hier mache und über­haupt. Gro­ße Empö­rung… wir dre­hen um und lan­den in einem der ille­ga­len Strand­häu­ser. Da lief gera­de eine Fami­li­en­fei­er. Die Bude war rap­pel­voll und ich wur­de allen vor­ge­führt. Es gab etwas Was­ser und dann wie­der zurück ins Auto. Mei­ne Fah­rer schimpf­ten etwas mit mir, mein­ten ich könn­te hier ja nicht tram­pen, Nachts und es sei so gefähr­lich, dass sie mich zum Bus­bahn­hof brin­gen wür­de, wo ich gefäl­ligst die gan­ze Nacht blei­ben soll­te. Da war es wohl sicher.

Gesagt, getan. Ich kam am Bus­bahn­hof raus. Ein Schritt vor und zwei zurück. Ging dann auch brav rein. Schau­te mir die gan­ze Sze­ne­rie für 10 Minu­ten an und lief dann etwas ange­säu­ert wie­der Rich­tung mei­ner Stra­ße. Was bil­den die sich eigent­lich ein? Ich bin wochen­lang auf See und soll hier nun war­ten, wo doch der Weg frei nach Uru­gu­ay ist? Pah! Ich bekam einen Lift mit einer Grup­pe Rus­sen, die Kapi­tä­ne von Con­tai­ner­schif­fen waren und fand mich bald in der Dun­kel­heit am Stadt­en­de wie­der. Da sam­mel­ten mich dann drei Vene­zue­la­ner auf und brach­ten mich zwei Orte wei­ter. Die waren super nett. Wir hat­ten zwar kei­ne gemein­sa­me Spra­che, aber irgend­wie funk­tio­nier­te das. Und es gab Wein­brand. Ich blieb die Nacht bei Ihnen und zum Son­nen­auf­gang fuh­ren sie mich noch zu einer gro­ßen Kreu­zung ca. 50 km ent­fernt. Die Ami­gos habe ich auf jeden­falls in mein Herz geschlos­sen.

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Mei­ne Vene­zue­la Tour  ging recht flott von stat­ten. 42 Stun­den brauch­te ich, bis ich an der bra­si­lia­ni­schen Gren­ze war. Ein­mal quer durch. Zwi­schen­drin wur­den mir Kin­der in die Hand gedrückt, das Mili­tär zwang mich in einem Bus mit zu fah­ren und ich konn­te ers­te Beob­ach­tun­gen zum Bestechungs­sys­tem in Süd­ame­ri­ka machen. Dann war ich auch schon in Bra­si­li­en. Von hier ging es run­ter an den Ama­zo­nas. Von Man­aus nach Sant­arem nahm ich eine Fäh­re. Eine von ins­ge­samt drei Situa­tio­nen, wo ich für mei­nen Trans­port bezahlt habe. Der Alter­na­tiv­weg war eine 2000 km lan­ge Dschun­gel­stra­ße, deren Exis­tenz alles ande­re als gesi­chert galt. Ich habe spä­ter einen Tram­per­kol­le­gen in den USA ken­nen­ge­lernt, der die­se Stra­ße 3 bis 4 mal getrampt ist. Er mein­te etwas von zwei Autos pro Tag. Jetzt wo ich weiß, dass die­se Stra­ße exis­tiert, wür­de ich auf jeden­fall den Alter­na­tiv­weg neh­men. Aber damals war das alles zu unsi­cher. Und die Fahrt auf der Fäh­re war auch ein Aben­teu­er für sich. Mei­ne schon bezahl­te Fäh­re hät­te ich fast ver­passt, weil ich noch Fisch essen gegan­gen bin am Hafen.

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Der Tran­sama­zo­ni­ca High­way war das nächs­te High­light. Und ich hat­te schon wochen­lang auf die­se Stra­ße hin­ge­fie­bert. Ich hab eine Schwä­che für beson­de­re Stra­ßen, vor­al­lem wenn die schwie­ri­ger zu befah­ren sind. Da wur­de ich nicht ent­täuscht. Beson­ders bei Regen wan­delt sich die Tran­sama­zo­ni­ca zu einer char­man­ten Matsch­pis­te, die auch für eine ordent­li­che Hip­pie-Schlamschlacht tau­gen wür­de. Freun­de von mir steck­ten dort drei Tage mit einem LKW fest. Durch die Hügel und den feh­len­den Grip müs­sen die LKW´s war­ten, bis es wie­der tro­cken wird. Sont besteht kei­ne Chan­ce da wie­der raus zu kom­men. Hat auch sei­ne Vor­tei­le. In den drei Tagen wur­de gefischt und sie koch­ten gemein­sam mit ande­ren gestran­de­ten Tru­ckern.

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Ca. 10 Tage brauch­te, um ein­mal durch Bra­si­li­en durch­zu­kom­men. Viel ist in die­sem Abschnitt pas­siert. Wenn ich tram­pe, dann füh­re ich gewöhn­lich ein detail­lier­tes Log­buch, mit Orten, Auto­mar­ken und minu­ten­ge­nau­en Zei­ten, wann ich wo stand und wann ich mit­ge­nom­men wur­de. Beim Lesen des Logs, kann ich mei­ne kom­plet­te Rei­se rekon­stru­ie­ren. Auf mei­nem eige­nen Blog ver­fas­se ich manch­mal „Aus dem Logbuch“-Artikel. Die Bei­den aus Bra­si­li­en sind mir beson­ders gut gelun­gen. Lese ich sel­ber immer wie­der ger­ne. Wenn ihr also tie­fer in mein Leben auf der Stra­ße rein­schau­en wollt, dann kann ich euch Teil eins und Teil zwei wärms­tens emp­feh­len.

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Und so hab ich das durch­ge­zo­gen. Bra­si­li­en war eines mei­ner vie­len Tran­sit­län­der. Ich war nicht an der Copa­ca­ba­na und hab mir auch sonst kei­ne Tou­ri­at­trak­tio­nen ange­schaut. Das ver­ste­hen man­che zwar nicht, aber ich sag immer, wenn jemand soviel Weg zurück­legt, wie ich, dann geht es gar­nicht anders, als dass man an vie­len Sachen ein­fach vor­bei­rauscht. Ich sehe ja trotz­dem noch genug Land und vor­al­lem Leu­te (durch das Tram­pen!). Tou­ris­mus war nie Teil der Expe­di­ti­on. Mein Ziel war schließ­lich Uru­gu­ay und dort mei­nen guten Freund Ralf tref­fen. Genau drei Mona­te nach­dem ich aus Deutsch­land auf­ge­bro­chen war, kam ich end­lich an… in Uru­gu­ay. Zwei Mona­te soll­te ich dort blei­ben und so ziem­lich jede Ecke abtram­pen. Ein eigen­ar­ti­ges Land. Aber eine wirk­li­che Per­le…

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EXTRA
Tram­per­uni­for­men

Ste­fan ist kein nor­ma­ler Tram­per, son­dern folgt der rus­si­schen Tra­di­ti­on des Sport­tram­pens. Er und sein Freund Ralf haben hier­zu den ers­ten Sport­tram­per­club West­eu­ro­pas gegrün­det, die Deut­sche Tramp­sport Gemein­schaft. Sei­ne Aus­rüs­tung besteht größ­ten­teils aus selbst­ge­mach­tem Equip­ment, von rus­si­schen Tram­pern für den Sport ent­wi­ckelt und opti­miert. Neben dem Ruck­sack ist die Tram­per­uni­form das Herz­stück sei­ner Aus­rüs­tung . Ein maß­ge­schnei­der­ter Over­all in auf­fal­len­dem Design für die bes­se­re Sicht­bar­keit beim Nacht­tram­pen. Sei­ne zwei­te Haut und Teil des Selbst­ver­ständ­nis­ses der Sport­tram­per. Die Uni­form für den Tram­per ist so etwas, wie die Kut­te für den Biker.


Leipzig-Alaska-Karte

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Antworten

  1. […] Gan­zen Arti­kel auf ‚Rei­se­de­pe­schen‘ lesen […]

  2. Avatar von Herbert Stelzer via Facebook

    Zuerst schön sau­ber und dann schön dre­ckig! 😀

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