Gletscher, Gipfel und Guanakos

»Je mehr eine Land­schaft uns im Inners­ten berührt,
des­to leben­di­ger und nach­hal­ti­ger prägt sich das Bild in unse­re Erin­ne­rung ein.«

Wil­liam H. Hud­son

Pata­go­ni­en umweht, neben dem stren­gen West­wind, der Hauch von Ent­de­cker­rei­sen. Küh­nen Aben­teu­ern. Denn hier lehrt die Natur den Men­schen immer wie­der Demut. Süd­ame­ri­kas Süden ist nichts für Schön-Wet­ter-Tou­ris­ten: Das Kli­ma gleicht einer lau­ni­schen, unbe­re­chen­ba­ren Diva. Schnee, Regen, Son­ne und Wind­bö­en kön­nen sich an einem ein­zel­nen Tag abwech­seln. Und genau das macht dann den Reiz aus: Dem Wet­ter ein Schnipp­chen schla­gen, jeden Tag mit der kind­li­chen Hoff­nung auf einen mil­den Tag auf­wa­chen. Und wenn alles nichts hilft, dann ist es die Her­aus­for­de­rung, dem bar­schen Kli­ma zu trot­zen und die Füße am Abend mit einem stol­zen Lächeln auf den Lip­pen zu wär­men.

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Wenn Clau­dio, unser Gui­de, von den Ent­de­ckern, See­fah­rern und Berg­stei­gern erzählt, die sich dem har­schen Kli­ma Pata­go­ni­ens aus­setz­ten, wird Geschich­te leben­dig. Vor mei­nen Augen zie­hen Pfer­de­ka­ra­wa­nen mit Jagd­hun­den vor­bei, euro­päi­sche Kolo­ni­sa­to­ren tref­fen auf India­ner. Schif­fe wer­den wie eine Nuss­scha­le durch meter­ho­he Wel­len geschleu­dert. Die Ber­ge zwin­gen die zähes­ten Klet­te­rer der Welt in die Knie. Pro­pel­ler­flug­zeu­ge stür­zen in Glet­scher­seen.

Dra­men, die in einer unbe­kann­ten Welt eben gescha­hen.

Obwohl Pata­go­ni­en eine immense Flä­che umfasst (über 1.000.000km², im Ver­gleich: Deutsch­land bedeckt ca. 350.000 km²), leben hier nur etwa 2 Mil­lio­nen Men­schen. Es ist eine der am dünns­ten besie­del­ten Regio­nen unse­res Pla­ne­ten. Viel­leicht ist dies einer der Grün­de, wes­halb die Geschich­te sich auch heu­te noch so leben­dig anfühlt: Der Mensch hat nur ein klei­nes Are­al bezwun­gen und kul­ti­viert, die Natur dik­tiert den pata­go­ni­schen Rhyth­mus und lässt sich nicht domes­ti­zie­ren.

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Im Schatten des Fitz Roy Massivs

Die pata­go­ni­sche Pam­pa, eine sprö­de Step­pen­land­schaft, beein­druckt durch ihre Ein­tö­nig­keit. Über das tro­cke­ne Gestrüpp fegt der Wind bei­na­he unge­bremst hin­weg. Die Wol­ken neh­men sur­rea­le For­men an, ab und zu galop­pie­ren Gua­na­ko­her­den ele­gant über die Step­pe. Ansons­ten aber kann das Auge ruhig in die Fer­ne bli­cken und irgend­wo zwi­schen Hori­zont und Stra­ße schwei­fen die Gedan­ken ab.

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Und plötz­lich ste­hen sie da. Mas­siv. Majes­tä­tisch. Meis­ter­wer­ke der Natur:

Die Anden.

Einer der ers­ten Sied­ler am Fitz Roy Mas­siv war der däni­sche Aben­teu­rer und Schrift­stel­ler Andre­as Madsen, der sich im Jah­re 1903 am Ran­de von El Chal­tén nie­der­ließ, sich ein Haus aus Holz und Gua­na­ko­ex­kre­men­ten bau­te und von der Jagd leb­te. Von ihm stammt auch der Satz: „Der Fitz Roy ist jener Berg, den Gott auf die Erde stell­te, um den Stolz der Men­schen zu bre­chen und ihnen die äußers­te Gren­ze ihrer Mög­lich­kei­ten auf­zu­zei­gen.”

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Und auch heu­te noch gilt der 3406 Meter hohe, bei­na­he ver­ti­ka­le Koloss aus Gra­nit zu den mar­kan­tes­ten und anspruchs­volls­ten Ber­gen der Welt. Wenn auch nicht mehr unbe­zwun­gen.

Himmelblau, Azurblau, Graublau

Es ist ein ganz beson­de­rer Moment, als ich das Kna­cken des Peri­to Moreno Glet­schers zum ers­ten Mal wahr­neh­me. Ehr­fürch­tig lau­sche ich dem Glet­scher, der schein­bar immer in Bewe­gung ist, als wäre dies kein Eis, son­dern ein leben­di­ges Wesen. Das ers­te Mal in mei­nem Leben sehe ich einen Glet­scher und stel­le fest: Eis ist nicht weiß, es ist auch nicht durch­sich­tig, es ist blau. Him­mel­blau, Azur­blau, Baby­blau, Dun­kel­blau, Grau­blau. Sol­che Momen­te umgibt immer ein wenig Magie; plötz­lich habe ich wie­der Kin­der­au­gen. Pure Ener­gie getra­gen von Neu­gier.

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Es ist ein guter Tag: mehr­fach kalbt der Glet­scher, gigan­ti­sche Eis­blö­cke bre­chen her­aus und stür­zen mit unge­heu­rer Gewalt in den Lago Argen­ti­no. In die­sen Momen­ten scheint die Zeit für einen Moment still­zu­ste­hen: Die Natur demons­triert den Schau­lus­ti­gen ihre Kraft. Der Mensch kann nur mit offe­nem Mund stau­nen.

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Hörner und Türme

Immer wenn ich die Baum­gren­ze ver­las­se, füh­le ich ein woh­li­ges, gleich­zei­tig leicht ner­vö­ses, Krib­beln im Bauch. Die Sicht wird frei, Abhän­ge sau­gen den Blick unmit­tel­bar in die Tie­fe, der Wind for­dert den eige­nen Kör­per zum Kräf­te­mes­sen her­aus. Die letz­te Stun­de des Auf­stiegs zum Las Tor­res Aus­sichts­punkt im Natio­nal­park Tor­res del Pai­ne (Chi­le) führt über einen Geröll­hang zur Morä­ne, von wo die drei berühm­ten Tür­me aus der Nähe begut­ach­tet wer­den kön­nen. Die Eupho­rie trägt mich hoch und im Wind­schat­ten eines gro­ßen Fel­sens ver­su­che ich, mir die­sen Anblick ein­zu­prä­gen.

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Am Ende

Magel­lan­stra­ße, Bea­gle-Kanal, die süd­lichs­te Stadt der Welt: Es klingt bei­na­he kit­schig, wenn hier eine Pata­go­ni­en­rei­se ihr Ende nimmt. Ushua­ia liegt am süd­lichs­ten Zip­fel Süd­ame­ri­kas, am Hafen wer­den mons­trö­se Con­tai­ner­schif­fe bela­den, See­mö­wen sau­sen kräch­zend durch die kla­re Luft. Im Hin­ter­grund ste­hen mas­si­ve Ber­ge mit wei­ßen Hau­ben. Mit einem Kata­ma­ran fah­ren wir den Bea­gle-Kanal ent­lang und ich stel­le mir vor, wie sich der jun­ge Charles Dar­win gefühlt haben muss, als er in den 1830er Jah­ren an Bord der HMS Bea­gle hier ent­lang fuhr (übri­gens war der Kapi­tän der HMS Bea­gle ein gewis­ser Robert Fitz Roy).

Trotz des eisi­gen Win­des ste­he ich die gesam­te Fahrt über gebannt auf dem Deck des Schif­fes. Ich ver­su­che, die Ein­drü­cke der ver­gan­ge­nen Wochen zu sor­tie­ren, sie mir bild­lich her­vor­zu­ru­fen, um sie als leb­haf­te Erin­ne­run­gen zu kon­ser­vie­ren. Es ist immer eine süße Melan­cho­lie, die mich in sol­chen Momen­ten erfasst:

Pata­go­ni­en, Du hast mich, wie vie­le vor mir, tat­säch­lich im Inne­ren berührt.

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Vie­len Dank an Wikin­ger-Rei­sen für die Ein­la­dung nach Pata­go­ni­en und Feu­er­land.


Antworten

  1. Avatar von Charlotte

    Da kann ich euch nur zustim­men. Vor allem die Pin­gui­ne sind mega süß. Dan­ke für den tol­len Bei­trag. Grü­ße aus Sankt Chris­ti­na

  2. Avatar von Amelie

    Wooow super Bil­der, tol­ler Bei­trag. Hat mich an mei­nen letz­ten Urlaub in Meran erin­nert. LG

  3. Avatar von Sabrina (todayis)

    Unglaub­lich ein­zig­ar­ti­ge Bil­der. Pata­go­ni­en scheint rich­tig schön zu sein 🙂

  4. Avatar von Frank

    Ich kann Eure Begeis­te­rung abso­lut nach­voll­zie­hen. Wir sind auch gera­de zurück aus Pata­go­ni­en. Auch uns hat die­se Land­schaf­ten in ihren Bann gezo­gen und wir wer­den ganz bestimmt bald wie­der dort­hin rei­sen!

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