Schimpansen hautnah

Mei­ne letz­te Etap­pe in Tan­sa­nia, ist auch mei­ne bewe­gends­te: Eine Rei­se mit dem Boot in den Gom­be Steam Natio­nal­park am Tan­ga­ny­ika See. Das Ziel sind die Schim­pan­sen. Neben Aru­sha Natio­nal Park ist Gom­be mein zwei­ter Natio­nal­park in Tan­sa­nia, in dem ich eine Safa­ri zu Fuß mache und es soll eine traum­haf­te Begeg­nung mit dem nächs­ten Ver­wand­ten des Men­schen wer­den.

Die Geschichte der Schimpansen

Es fühlt sich an wie ein Roman, als ich zum ers­ten Mal im Rei­se­füh­rer den Arti­kel zum Natio­nal­park durch­le­se. Eine Geschich­te, wie sie eigent­lich nur aus­ge­dacht sein könn­te. Die jun­ge Jane Goo­dall reist als 26-jäh­ri­ge 1960 mit ihrer Mut­ter in den Park und beginnt ihre For­schun­gen zum Ver­hal­ten der Schim­pan­sen. Dar­aus ent­stand eine lebens­lan­ge Ver­bin­dung zwi­schen ihr, dem Park und den Schim­pan­sen.

Der Park selbst liegt direkt am Tan­ga­ny­ika See, dem zweit­tiefs­ten und ‑größ­ten See der Welt hin­ter dem Bai­kal­see in Russ­land. Kei­ne Stra­ßen füh­ren zum Park. Er kann nur in einem klei­nen höl­zer­nen Boot von Kigo­ma aus erreicht wer­den. Das klingt für mich sehr unge­wöhn­lich und auf­wän­dig. Kei­ne Rück­fal­l­e­be­ne, kei­ne alter­na­ti­ve Rou­te, nur der eine Weg.

Die Kamera ruht sich aus - Jane's Peak

Ich sit­ze nun aber ein­mal im Zug nach Kigo­ma und muss mich nun wirk­lich noch­mal damit beschäf­ti­gen. Die Rei­se zum Maha­le Natio­nal­park auf dem kos­ten­güns­tigs­ten Weg klingt nun noch haar­streu­ben­der und wird von Zei­le zu Zei­le teue­rer, als ich mich durch den Rei­se­füh­rer arbei­te. Hin­ge­gen wird der Gom­be Steam Natio­nal­park immer attrak­ti­ver und sei­ne Geschich­te immer anzie­hen­der. Mit genü­gend Zeit im Ruck­sack errei­che ich Kigo­ma und wer­de im doch etwas ver­steck­ten Infor­ma­ti­ons­zen­trum freund­lich emp­fan­gen. Man orga­ni­siert mir alle nöti­gen Infor­ma­tio­nen und erst­mal ein Bett im Gäs­te­haus.

Es kommt dann doch etwas anders, als ich zwei Bri­ten tref­fe und dann vom öffent­li­chen Boot auf ein pri­va­tes Boot umschwen­ke. Auch wenn das öffent­li­che Boot jeden Tag, außer sonn­tags, fährt, muss man zwei Mal über­nach­ten und lei­der auch zwei Mal den Park­ein­tritt zah­len und das geht mit 100$ pro Tag doch recht hef­tig ins Geld. Mit dem pri­va­ten Boot kann ich früh mor­gens hin­fah­ren und bin zum Son­nen­un­ter­gang wie­der zurück in Kigo­ma.

Ins dunkle Hinein

Die Nacht ver­brin­gen wir im Zelt in Strand­nä­he. Mor­gens um 5:30 weckt uns der Kapi­tän unse­res Boo­tes. Ein unge­wohn­tes Gefühl über­kommt mich, als wir um 6 Uhr im Stock­dun­keln zum Boot am Strand vor­drin­gen und ein­stei­gen. Im Mond­schein kön­nen wir gera­de noch so die Umris­se der fel­si­gen Küs­te sehen. Weit drau­ßen auf dem See schim­mern eini­ge Later­nen von Fischer­boo­ten. Unser Kapi­tän legt rou­ti­niert ab und steu­ert uns an Kigo­ma vor­bei in Rich­tung Gom­be Steam Natio­nal­park.

Mit den ers­ten Son­nen­strah­len erleuch­ten auch die Fischer­dör­fer ent­lang der Küs­te. Auf dem Weg pas­sie­ren wir eini­ge die­ser klei­nen Sied­lun­gen, bevor wir die Park­gren­ze errei­chen. Die ein­zig­ar­ti­ge Hügel­land­schaft zeigt sich von ihrer mor­gen­tli­chen Sei­te. In den hohen Hän­gen der steil anstei­gen­den Ber­ge, hängt die Gras­land­schaft noch in Wol­ken und Nebel, wäh­rend es etwas ober­halb der fel­si­gen Was­ser­li­nie die ers­ten Bäu­me in son­ni­ges Oran­ge taucht. Das Boot glei­tet über das glas­kla­re Was­ser und an eini­gen Stel­len, an denen die Fel­sen einem stei­ni­gen Strand wei­chen, wan­dern Pavia­ne auf und ab.

Mit dem Boot zum Nationalpark

Nach etwas über zwei Stun­den errei­chen wir das Besu­cher­zen­trum in der Park­mit­te. Mit einer gekonn­ten Wen­de legt unser Kapi­tän an und wir betre­ten den Natio­nal­park durch einen klei­nen Tor­bo­gen.

Die Begegnungen

Unser Hun­ger hält uns noch etwas im Besu­cher­zen­trum zurück und wir früh­stü­cken erst­mal. Nach der will­kom­me­nen Stär­kung klä­ren wir den Papier­kram und blät­tern die 100$ Ein­tritts­gel­der und 20$ für den Gui­de hin. Jetzt wol­len wir aber end­lich los und den Park erkun­den. Unser Gui­de bremst zuerst ein­mal unse­ren Enthu­si­as­mus und belehrt uns über die stren­gen Park­re­geln.

Doch dann geht es end­lich los. Ab in den Dschun­gel. Die ers­ten Meter noch auf dem Pfad und nach einem kur­zen Plausch mit unse­ren Chimp-Tra­cker bie­gen wir direkt ins Unter­holz ab. Die Son­ne und der mor­gend­li­che Nebel bil­den ein wun­der­schö­nes Duett, als sich die Son­nen­strah­len den Weg durch die Bäu­me bah­nen und Licht­strei­fen hin­ter­lässt.

Ersten Schritte im Gombe Steam Nationalpark

Mit Glück geseg­net brau­chen wir nicht lan­ge, um die ers­ten bei­den Schim­pan­sen in den Baum­wip­feln erah­nen zu kön­nen. Ich bor­ge mir kur­zer­hand ein Fern­glas von einer Film­crew und bestau­ne die Mut­ter und ihr Baby. Wäh­rend die bei­den in den Baum­wip­feln dösen, sind wir am Boden nicht ganz so allei­ne, wie man es von einem so abge­le­ge­nen Natio­nal­park erwar­ten könn­te. Defin­tiv weni­ger als im Seren­ge­ti-Natio­nal­park, aber die Film­crew und ihre Trä­ger machen schon den größ­ten Anteil aus. Effek­tiv sind es trotz­dem nur 11 Tou­ris­ten und Fil­me­ma­cher an die­sem Tag, die sich das Ziel gesetzt haben, etwas vor die Lin­se zu bekom­men.

Wir las­sen die Kame­ra­crew ihre Arbeit allei­ne ver­rich­ten und ren­nen schon fast durch das Dickicht dem Tra­cker hin­ter­her. Lia­nen, Wur­zeln und ein dich­tes Blät­ter­ge­strüpp for­dern mei­ne vol­le Kon­zen­tra­ti­on, um nicht mit irgend­ei­nem Kör­per­teil hän­gen zu blei­ben. Nach weni­gen Minu­ten errei­chen wir Fer­di­nand und Fad­je, wie sie sich in den Armen lie­gen und Kör­per­pfle­ge betrei­ben. In gebüh­ren­dem Abstand las­sen wir uns nie­der und beboach­ten das Gesche­hen. Wir sind auch hier wie­der nicht allei­ne. Kea­ton, ein jun­ger Schim­pan­se, legt sich im Hin­ter­grund in den Baum und schaut uns zu, wie wir die ande­ren bei­den beob­ach­ten.

Schimpansen: Ferdinand und Fadje bei der Körperpflege

Nach eini­ger Zeit ver­ab­schie­den sich alle drei von uns und ver­schwin­den schnell gefolgt vom For­scher­team im Dschun­gel. Wir ver­su­chen unser Bes­tes hin­ter­her­zu­kom­men. Den Berg run­ter, durch einen Fluß, eine Böschung hin­auf und noch schnell über ein paar Baum­stäm­me klet­tern und wir haben wie­der auf­ge­holt. In den hohen Bäu­men ver­steckt, zei­gen sie sich für eine Wei­le nicht mehr und wir nut­zen die Zeit, um beim Was­ser­fall am Ende des Tals vor­bei­zu­schau­en. Auf dem Rück­weg haben wir wie­der mehr Glück und kom­men haut­nah an die Schim­pan­sen her­an, die es sich auf dem Boden bequem gemacht haben und für das Fim­team zu posen schei­nen. Wir nut­zen unse­re letz­ten Minu­ten der erlaub­ten Stun­de mit den Schim­pan­sen für ein paar Fotos.

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Zum Schluß führt uns unser Gui­de noch zum Jane’s Peak. Als Jane Goo­dall zum ers­ten Mal in den Gom­be Steam Natio­nal­park kam, nutz­te sie die­sen Aus­sichts­punkt, um den Wald von oben zu beob­ach­ten und die Schim­pan­sen zu fin­den. An einem kla­ren Tag könn­te man bis in den Kon­go schau­en. Uns wird die­se Aus­sicht lei­der nicht gegönnt; dafür wer­den wir aber mit der so und so ein­ma­li­gen Aus­sicht belohnt. An die­sem his­to­ri­schen Ort endet unse­re Tour. Wir stei­gen lang­sam die stei­len Hän­ge wie­der hin­ab und fin­den im Besu­cher­zen­trum unser ersehn­tes Mit­tag­essen vor.

Jane's Peak im Gombe Steam Nationalpark

Die Mitfahrgelegenheit

Den Nach­mit­tag las­sen wir am doch etwas stei­ni­gen Strand aus­klin­gen, bevor uns Rama, unser Kapi­tän, wie­der zurück nach Kigo­ma bringt. An Bord haben wir noch Dok­tor Idy, den Wild­tier­arzt des Natio­nal­parks. Span­nen­der und infor­ma­ti­ver könn­te der Tag nicht enden. Sein Wis­sen zu jedem ein­zel­nen Schim­pan­sen, sei­nen Vor­lie­ben und Macken, gepaart mit span­nen­den Geschich­ten aus sei­nen letz­ten fünf Jah­ren im Park las­sen die Rück­fahrt wie im Flug ver­ge­hen. Als Dan­ke­schön für die Mit­fahr­ge­le­gen­heit beglei­tet mich Dr. Idy noch zur gera­de ein­ge­lau­fe­nen MV Liem­ba. Das Schiff kam gera­de aus Sam­bia wie­der und liegt im Hafen. Aus der Fer­ne kann ich den eins­ti­gen Stolz der deut­schen Mari­ne im Tan­ga­ny­ika See bewun­dern. Im ers­ten Welt­krieg mit Absicht von den Deut­schen ver­senkt, von den Brit­ten wie­der geho­ben, ist es heu­te eine Attrak­ti­on für Tech­nik Begeis­ter­te.

Ich ver­ab­schie­de mich von Dr. Idy und kann nun end­lich die Ein­drü­cke des Tages ver­ar­bei­ten. Span­nend in der Lite­ra­tur, ein­fa­cher als gedacht in der Anrei­se und atem­be­rau­bend, wenn man vor Ort ist, ist der Gom­be Steam Natio­nal­park für mich der gelun­ge­ne Abschied aus einem so abwechs­lungs­rei­chem Land – Tan­sa­nia.

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