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Rei­sen ist egoistisch

Rei­sen ist ego­is­tisch. Und doch hilft es mehr als man­che gut gemeinte Entwicklungshilfe.

Ich zahle keine Steu­ern. Ich bin in kei­nem segens­rei­chen Ver­ein. Ich rette keine nied­li­chen Krö­ten. Und ich unter­stütze noch nicht mal gut­ge­meinte Pro­jekte um süßen schwar­zen Kin­dern eine Schule zu bauen. Bin ich ein Arsch?

Ja. Denn es geht mir beim Rei­sen nicht darum, die Welt zu ver­bes­sern. Es geht mir nur um mich. Es ist kom­plett ego­is­tisch. Ich bin ein­fach zufrie­den­zu­stel­len: Habe ich eine gute Zeit und nie­man­dem geht es wegen mir schlech­ter – wunderbar.

Es macht auch Spaß, ande­ren zu hel­fen. Ich bin gene­rell eher freund­lich, und ver­su­che meine Hei­mat gedie­gen zu reprä­sen­tie­ren. Wenn Men­schen sich gut füh­len, macht auch mich das zufrie­den. Aber es ist im Rei­se­all­tag schwer, wirk­lich zu hel­fen: Zu über­wäl­ti­gend ist die Masse an Armen und Kran­ken, ich habe bis­her kei­nen Weg gefun­den das unter­schwel­lige schlechte Gewis­sen zu beru­hi­gen. Manch­mal gebe ich einem Kran­ken ein paar Cent, oder einem bet­teln­den Kind etwas zu essen. Klingt lächer­lich, und ist es auch.

Doch auch wenn es für mich kein ele­men­ta­rer Rei­se­grund ist, denke ich trotz­dem, dass ich einen Bei­trag leiste, der den Men­schen vor Ort mehr hilft als so man­ches nicht zu Ende gedach­tes NGO-Pro­jekt. (Ent­wick­lungs­hilfe-Bas­hing betreibe ich viel­leicht ein ander­mal (und: Ja, es gibt auch ganz viel sehr gute und wich­tige Pro­jekte!)). Aber warum jetzt eigentlich?

Ich gebe mein Geld aus, und zwar direkt in die Taschen der Men­schen, die gute Arbeit leisten.
Kein Cent geht ver­lo­ren im Unter­holz sinn­freier Büro­kra­tie. Ich esse dort, wo das Essen schmeckt, ich schlafe dort, wo ich das beste Preis-Leis­tungs­ver­hält­nis und wenig Kaker­la­ken finde. Ich unter­stütze die Tüch­ti­gen, weil ich das Gute will.

Ich för­dere den Tou­ris­mus in Län­dern, die noch wenig davon profitieren.
Viele waren vor mir da, noch mehr kom­men hin­ter­her. Ich ebne den Weg durch mein da sein.

Ich sage allen, dass ihr Land große Klasse ist.
Das fin­den sie nett.

Bin ich also ein akzep­ta­bler Arsch?

Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Martin says:

    Hallo,
    Ein schö­ner Kon­trast zur „sei ein guter Rei­sen­der“ Diskussion. ;-)
    Allein des­halb gefällt er mir schon. 

    Und ein Arsch in Dei­nem Sinne ist man natür­lich immer wie­der. Allein wenn man in Dik­ta­tu­ren reist oder Län­der, die Kom­mu­ni­ka­tion und Rechte in unse­rem Sinne ein­schrän­ken und sich dann „end­lich frei“ fühlt.

    Oder sein Gewis­sen mit ein paar Cents hier und auf­mun­tern­den Wor­ten dort beru­higt. Und ehr­li­cher­weise froh ist, dass man wie­der weg kann.

    Ja, Du bist ein durch­aus akzep­ta­bler und in die­sem Sinne nor­ma­ler Arsch/​Reisender ;-)

    Gruß,
    Martin

    1. Hi Mar­tin, danke! Ja, ich komme gerade immer wie­der an den Punkt wo ich denke: Leute, muss es ganz so pathe­tisch sein? :) Rei­sen ist toll – keine Frage, aber es ist kein Heilsbringer!

  2. CoolRook says:

    Markt­wirt­schaft im bes­ten Sinne mit zwei Gewin­nern, die Leute und du, man betrach­tet ansons­ten immer nur die Härte und das Nega­tive. Wenn mehr Leute rei­sen wür­den auf die­selbe Weise hilft das den Men­schen denk ich wirk­lich beträcht­lich. Du hast ja einen für deine Ver­hält­nisse nicht klei­nen Betrag über den Glo­bus ver­teilt. Wenn das viele machen kommt da was zusam­men. Und sie erhal­ten das Geld nicht als Bett­ler son­dern ver­die­nen es.

    1. klys says:

      hey, habe etwas in dei­nem blog gestö­bert, und finde es sehr inter­es­sant, was du schreibst! 1. lass dich kei­nes­fall von irgend­ei­ner daher­ge­lau­fe­nen wade beein­dru­cken (ich traf blinde, taube etc. die sich nicht abhal­ten las­sen zu reisen).
      2. wenn du fra­gen hast oder sonst mal lust hast dich aus­zu­tau­schen, schreib mir gerne ne mail: klys ät reisedepesche.de.
      3. das wird super!

  3. Franzi says:

    Ich muss auch sagen, dass du eigent­lich nen ziem­lich net­ter Arsch bist ;)
    Bin mir sicher, du hast schon so einige Men­schen auf dei­ner Reise glück­lich gemacht. Wenn auch nicht dau­er­haft, aber für einen kur­zen Moment auf jeden Fall!

  4. Ja ein guter Arsch! Einer der zudem noch tolle Bil­der macht und echt tolle Texte und Geschich­ten schreibt die einem auch Lust auf das eine oder andere Land machen! 

    Ich finds spitze – du weißt ja: WEITER SO! :)

  5. Alex der Schwede says:

    Sehr gut arti­kel. Ich finde klasse dass du mit der Ego­isms der Rei­sen begon­nen hast. Ich habe immer Pro­blemme mit Leute die sagen, man soll nicht nach Burma/​Lybien/​Turkmenistan fah­ren weil dein Geld geht in die Tachen die­ser Regie­run­gen. Es stimt nicht, ich gebe mein Geld zu der Leute, und aus­ser­dem ver­stehe ich bes­ser die Situa­tio­nen in sol­chem Lander…

    1. klys says:

      ja, stimmt. und ich mag es nicht, wenn leute den „ich-rette-ein-bißchen-die-welt“-vorwand benut­zen, um eine reise zu recht­fer­ti­gen (ob vor sich selbst oder anderen)…

  6. Josh says:

    Da schreibst du was wah­res, manch­mal ist man doch gerne ein Arsch wenn man sich gut dabei fühlt! End­lich mal wie­der ein Bei­trag! Scheinst Asien zu genies­sen, sonst wür­dest du sicher mehr Zeit zum Schrei­ben haben.;) liebe Grüsse

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