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Sind Reiseboykotte sinnvoll?

Rei­se­boy­kotte wie für die Tür­kei wer­den immer häu­fi­ger. Aber sind sie denn über­haupt sinn­voll? Die Ant­wort wird dich viel­leicht überraschen.

Du fragst dich, ob es ok ist in die Tür­kei zu rei­sen?

5 Mil­lio­nen Deut­sche beant­wor­te­ten diese Frage 2019 mit ja und mach­ten Urlaub in der Türkei.

Kein Wun­der, die Tür­kei hat auch 2020 viel zu bie­ten:

  • tolle Strände
  • diverse Kul­tur
  • lecke­res Essen
  • güns­tige Preise
  • gutes Wet­ter, selbst in der Neben­sai­son.

Aber muss man die Tür­kei nicht boy­kot­tie­ren, wegen ihrer Poli­tik?

Wenn du mich fragst ist ein Tür­kei-Tou­ris­mus-Boy­kott sinnlos.

Ich habe mir einige Gedan­ken dazu gemacht, denn ich war einer jener 5 Mil­lio­nen deut­schen Türkei-Besucher.

Lass uns über Rei­se­boy­kotte reden.

Die Tür­kei hat viel zu bieten

Worum geht es bei Reiseboykotten?

Es wird für immer mehr Län­der zu Rei­se­boy­kot­ten auf­ge­ru­fen. 90% von mehr als 146 Rei­se­boy­kot­ten fan­den in den letz­ten Jah­ren statt.

Bei sol­chen Zah­len muss man ja davon aus­ge­hen, dass Rei­se­boy­kotte ein sinn­vol­les Mit­tel sind um wich­tige Ziele zu errei­chen, oder?

Die ein­fa­che und prag­ma­ti­sche Frage nach der Erfolgs­quote von Rei­se­boy­kot­ten scheint über­ra­schen­der­weise fast nie­mand zu stellen.

Wenn es gar nicht um den Erfolg eines Boy­kotts geht, worum also dann?

Es geht darum „Hal­tung zu zei­gen“. Mit ande­ren Wor­ten, es geht um Gesinnungsethik.

2000 Jahre altes demo­kra­ti­sches Par­la­ment in Patara

Gut vs Schlecht: Haltung oder Folgen?

Es gibt zwei große Moraltheorien:

  1. Kon­se­quen­tia­lis­mus
    Sind die Fol­gen mei­nes Han­delns gut oder schlecht?
  2. Gesin­nungs­ethik
    Sind meine Hand­lun­gen selbst gut oder schlecht?

Im Rest die­ses Arti­kels geht es nicht um Hal­tung, son­dern nur um die Fol­gen unse­res Handelns.

Ich bin nun mal ein Kon­se­quen­tia­list. Mich inter­es­siert was eine Hand­lung bewirkt, nicht ob sie „gut gemeint“ ist.

Ein Gesin­nungs­ethi­ker braucht außer­dem keine Gründe um zu sagen, eine Reise in die Tür­kei sei mora­lisch falsch. Was will man da diskutieren?

Braut­paar in Antalya

Wir­ken Boy­kotte überhaupt?

Wie viele Boy­kotte ver­än­dern über­haupt etwas zum Positiven?

Der auch unter Foo­dies bekannte Öko­nom Tyler Cowen schreibt in sei­nem lesens­wer­ten Buch An Eco­no­mist gets Lunch* (S. 173):

„Boy­kotte sind eine mora­lisch popu­läre Hal­tung. Aber sie sind oft nicht effek­tiv. Viele Boy­kotte sehe ich als Gele­gen­heit um sich gut zu fühlen.“

Boy­kotte waren in der Ver­gan­gen­heit laut Cowen beson­ders dann erfolg­reich, wenn:

  1. Das Ziel des Boy­kotts eine gute Repu­ta­tion hatte
  2. Das Ziel des Boy­kotts bereits unter Umsatz­ein­bu­ßen leidet

Über 1. lässt sich strei­ten, aber 2. stimmt auf kei­nen Fall für die Türkei.

Es kamen im Jahr 2019 laut Wiki­pe­dia gut 51 Mil­lio­nen inter­na­tio­nale Tou­ris­ten in die Tür­kei, mehr als jemals zuvor. Die Tür­kei ist eines der zehn belieb­tes­ten Rei­se­ziele der Welt.

Boy­kotte tref­fen Men­schen, die im Tou­ris­mus arbeiten

Wirken Reiseboykotte überhaupt?

Rei­se­boy­kotte sind ein Spe­zi­al­fall unter den Boy­kot­ten. Wir Rei­sende boy­kot­tie­ren ja gar nicht den Ver­ur­sa­cher eines Pro­blems, son­dern Stell­ver­tre­ter, die gar nichts dafür können.

Stell dir vor, wir boy­kot­tie­ren ein Unter­neh­men wegen schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen. Das Unter­neh­men lei­det wirt­schaft­lich unter dem Boy­kott und kann die gewünschte Ver­än­de­rung selbst durchführen.

Anders ist es im Tou­ris­mus. Unter einem Rück­gang würde die tür­ki­sche Regie­rung kaum lei­den. Es trifft haupt­säch­lich die Men­schen, die im Tou­ris­mus arbeiten.

Der Boy­kott könnte der Regie­rung sogar in die Hände spie­len. „Der Wes­ten hat uns im Stich gelas­sen“ ist eine Aus­sage Erdo­gans, die durch Boy­kotte bestä­tigt wird.

Auch das Ziel von Rei­se­boy­kot­ten ist unklar. Wel­che Ver­hal­tens­än­de­rung soll erreicht wer­den? Eine neue Außen­po­li­tik? Ein Rück­tritt der Regie­rung? Klingt extrem unrea­lis­tisch, oder?

Der wohl effek­tivste Tou­ris­mus-Boy­kott der jün­ge­ren Geschichte fand 2006 in Myan­mar statt. Bis heute ist unklar, ob der Boy­kott mehr Scha­den als Gutes ange­rich­tet hat.

Tou­ris­ten­schiff in Ölüdeniz

Fazit & Tipps zu Reiseboykotten

Die Fak­ten­lage scheint recht ein­deu­tig zu sein: Rei­se­boy­kotte brin­gen nichts.

Rei­se­boy­kotte kön­nen sogar schlecht sein, durch grö­ßere Iso­la­tion und wirt­schaft­li­che Schä­den bei den Fal­schen. Siehe dazu die­sen Arti­kel zu Rei­se­boy­kot­ten.

Ich betei­lige mich des­halb nicht an Rei­se­boy­kot­ten, außer in Län­dern wo ein auto­kra­ti­sches Régime direkt von Tou­ris­ten pro­fi­tiert, z.B. in Nordkorea.

Deine Ent­schei­dung kann ich dir aber nicht abneh­men. Abhän­gig von dei­nen Vor­lie­ben kannst du für jedes Land einen poli­ti­schen Grund fin­den, um nicht zu reisen.

Infor­miere dich und treffe deine eigene Wahl für oder gegen ein jewei­li­ges Rei­se­boy­kott. Aber bitte denke auch an die posi­ti­ven Effekte des Reisens.

Istan­bul ist gefähr­lich schön

Sicherheit in der Türkei & anderen Ländern

Die Frage nach der Sicher­heit hat mit Rei­se­boy­kot­ten gar nichts zu tun. Natür­lich soll­test du nicht in für dich unsi­chere Län­der reisen.

Wenn du in der Ver­gan­gen­heit auf tür­kisch Erdo­gan kri­ti­siert hast, dann soll­test du aktu­ell bes­ser von einer Reise in die Tür­kei absehen.

Mehr zur aktu­el­len Sicherheitslage:

Was hältst du von Rei­se­boy­kot­ten? Sinn­voll oder nicht?

Cate­go­riesTür­kei
  1. Bärbel says:

    Danke für den Bei­trag. Da hast du sicher Recht. Meine Ent­schei­dung man­che Län­der nicht zu berei­sen hat viel mehr den Hin­ter­grund, dass ich mich selbst als Frau in sol­chen Län­dern nicht frei fühle und des­halb das Land nicht als Rei­se­ziel akzeptiere. 

    Ich kann nicht nach Indien rei­sen und ich kann auch nicht nach Saudi Ara­bic rei­sen, weil ich mich dort nicht mehr frei bewe­gen kann. Ebenso ist Afrika kri­tisch und genauso Thai­land . Sowieso komm ich mir in Ent­wick­lungs­län­dern sehr dane­ben vor, wenn ich auf dem Weg zum Flug­ha­fen an den Slums und an den vie­len Bars mit zwie­lich­ti­gen „Ange­bo­ten“ vor­bei komme.
    Fazit. Also reise ich haupt­säch­lich in die west­li­che Welt.

    Viele Grüße, Bärbel

    1. Florian says:

      Hi Bär­bel,

      Indien, naher Osten und mit Abstri­chen Afrika ver­stehe ich. 

      Für Thai­land lege ich aber meine Hand ins Feuer auch und gerade als allein­rei­sende Frau. Natür­lich habe ich keine Erfah­run­gen aus ers­ter Hand, aber von mei­ner Frau und sehr viele Bekannten.

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