Bist du alt genug um dich an den Fall der Ber­li­ner Mauer zu erin­nern?

Wo warst du, als du von den Flug­zeu­gen im World Trade Cen­ter erfah­ren hast?

Ein ebenso epo­cha­les Ereig­nis war das Unglück von Tscher­no­byl 1986.

Ich war erst 7 und zu jung um die Atom-Kata­stro­phe zu ver­ste­hen. Um so mehr fas­zi­niert mich heute der größte nukleare Unfall und seine Fol­gen.

Ohne das Unglück von Tscher­no­byl wür­den wir in einer ande­ren Welt leben!

Gor­bat­schow nannte es sogar als Haupt­grund für das Ende der Sowjet­union. Schlim­mer noch als der enorme wirt­schaft­li­che Scha­den war das Systemversagen.

Stell dir mal vor Tscher­no­byl wäre nicht pas­siert und es gäbe die Sowjet­union heute noch.

Anschau­lich wer­den Feh­ler im sowje­ti­schen Sys­tem in der gut gemach­ten HBO Mini-Serie „Cher­no­byl“ (2019) dar­ge­stellt. (läuft in Deutsch­land auf Sky)

Aber um Tscher­no­byl wirk­lich zu ver­ste­hen, musst du den Unglücks­ort besu­chen. Das ist auf einer Ost­eu­ropa-Reise ein­fach und unge­fähr­lich. Hier erfährst du wie und warum.

Tscher­no­byl Karte mit Route der Tages­tour – IN GROSS

Tscher­no­byl Karte: Über­sicht über die Sperrzone

Auf der Karte siehst du in blau die Route einer Tages­tour von Kiew nach Tscher­no­byl. Das in lila ist die 30-Kilo­me­ter-Sperr­zone und das rote die 10-Kilometer-Sperrzone.

Tscher­no­byl Tour: Kiew Tages­aus­flug mit Führung

Eine Mög­lich­keit Tscher­no­byl zu sehen ist ein Tages­aus­flug von der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew. Das gehört zum Stan­dard-Pro­gramm von rund einem Dut­zend Touranbietern.

Es gibt auch keine legale Alter­na­tive die Sperr­zone indi­vi­du­ell zu besu­chen. Nur die Tour­anbie­ter kön­nen dich bei den Check­points für einen Besuch anmelden.

Wenn du die rund 85 Euro für eine Tages­tour bezahlst, musst du dich dann aber auch um gar nichts küm­mern. Selbst das Mit­tag­essen ist bei den meis­ten Tou­ren inklusive.

Die Tou­ren fin­den mit weni­gen Aus­nah­men täg­lich statt. Weil Tscher­no­byl immer belieb­ter wird, musst du mit immer mehr ande­ren Tour­grup­pen rechnen.

Prak­ti­sche Infos zu den Tou­ren fin­dest du am Ende des Artikels.

Tou­ris­ten am Orts­ein­gang von Tschernobyl

Strah­lung in Tscher­no­byl: Ist ein Besuch gefährlich?

Der große Vor­teil einer Tour ist natür­lich, dass dein Füh­rer Bescheid weiß, wo die Radio­ak­ti­vi­tät gefähr­lich hoch ist.

Der größte Teil der Sperr­zone ist heute unbe­denk­lich. Es gibt aber nach wie vor einige radio­ak­tive Hot­spots, die man mei­den sollte.

Dazu gehö­ren Moos­flä­chen und Pilze, die Radio­nu­klide beson­ders stark auf­neh­men. Aber auch ganze Gebiete sind noch kon­ta­mi­niert, wie der „rote Wald“ nahe dem Reaktor.

Wenn du die ver­mei­dest ist selbst ein mehr­tä­gi­ger Besuch unge­fähr­lich. Die Strah­len­menge bei einem Flug nach Kiew ist höher als in einem Tag in der Sperrzone.

Im Kul­tur­pa­last der Geis­ter­stadt Prypjat

Pryp­jat besu­chen: Die Geis­ter­stadt bei Tschernobyl

Die grö­ßere Gefahr sind die lang­sam bau­fäl­li­ger wer­den­den Gebäude. Offi­zi­ell ist das Betre­ten zwar ver­bo­ten, aber das stört nie­man­den – zum Glück!

Die Geis­ter­stadt Pryp­jat ist näm­lich das eigent­li­che High­light des Aus­flugs. Für eine kurze Exkur­sion gehen wir durch den ver­las­se­nen Kul­tur­pa­last und durch eine Schule.

Vor dem Reak­tor­un­fall war Pryp­jat quasi ein Sili­con Val­ley der Sowjet­union. Nur Mus­ter­bür­ger durf­ten in der Modell­stadt 3 Kilo­me­ter vom Atom­kraft­werk wohnen.

1986 wurde die Stadt nach dem Unfall eva­ku­iert und die Uhren sind ste­hen­ge­blie­ben. Du gehst heute vor­bei an Sowjet-Pro­pa­ganda und einem nie eröff­ne­ten Ver­gnü­gungs­park. Der ganze Ort ist ein Museum.

Will­kom­men in Pryp­jat, Bevöl­ke­rung 0. Stell dir vor, dass nach dem Ende der Mensch­heit ein­mal alle unsere Städte so aus­se­hen werden.

Rie­sen­rad in der Geis­ter­stadt Prypjat

Tscher­no­byl heute: Bil­der vom Sieg der Natur

Min­des­tens ebenso inter­es­sant wie Urban Explo­ra­tion in den Gebäu­den ist das viele Grün außer­halb. Die Natur hat sich Pryp­jat längst zurückerobert.

Schon der zen­trale Platz vor dem Kul­tur­pa­last erin­nert an einen End­zeit­film. Bäume wach­sen hier nach mehr als 30 Jah­ren durch die Flie­sen und aus dem Asphalt.

Die ehe­mals brei­ten Parade-Stra­ßen in Pryp­jat sind nur noch ein­spu­rig befahr­bar. Links und rechts wuchert dich­ter Wald. Manch­mal kannst du aus dem Bus­fens­ter ein Gebäude ausmachen.

Wir sehen keine Tiere, aber es soll hier viele Elche, Wölfe, Wild­schweine und Rehe geben. Die Rest-Strah­lung ist kein so gro­ßer Feind wie der Mensch außer­halb der Sperrzone.

Moos strahlt am meis­ten, aber auch nicht viel

Friede Freude Eier­ku­chen in Tschernobyl?

Im Ver­lauf der Tour stellt sich nicht nur wegen der vie­len Natur ein Ein­druck von Harm­lo­sig­keit ein. Ich weiß nicht, was ich erwar­tet habe, aber Friede Freude Eier­ku­chen eher nicht.

Ein­mal ste­hen wir Schlange am Sel­fie-Spot direkt vor dem hava­rier­ten Reak­tor. Der Gei­ger­zäh­ler zeigt sich selbst hier sehr müde. Er schlägt auf der Tour nur ein­mal, beim Vor­bei­fah­ren am roten Wald aus.

Auch dank der laxen Sicher­heits­vor­schrif­ten kommt kein Gefühl von Gefahr auf. Die Mili­tärs ste­hen gelang­weilt rum. Für Tau­sende von hier leben­den Arbei­tern ist die Sperr­zone sowieso Alltag.

Es hilft auch nicht, dass wir mit einer gro­ßen Gruppe von 30 Leu­ten in einem Rei­se­bus unter­wegs sind. Immer wie­der sehen wir andere Tour­grup­pen, obwohl wir ver­su­chen ihnen aus dem Weg zu gehen.

In vie­len der Gebäude emp­fan­gen uns Still­le­ben mit schön dra­pier­ten Gas­mas­ken oder Kin­der­pup­pen. Die Sperr­zone wirkt so eher wie die dis­ney­fi­zierte Insze­nie­rung einer Katastrophe.

Anste­hen für Sel­fies vor dem Reak­tor 4

Ist eine Tscher­no­byl Tour Katastrophentourismus?

Aber ist es schlimm, wenn die Sperr­zone um Tscher­no­byl heute eher harm­los ist? Soll­ten wir uns nicht freuen, dass selbst so ein Super-GAU viel weni­ger blei­bende Schä­den hin­ter­lässt als erwartet?

Besu­cher in Tscher­no­byl sind Teil des welt­wei­ten Kata­stro­phen­tou­ris­mus. Aber wem scha­det der Tou­ris­mus in Tscher­no­byl? Der von Krieg und Wäh­rungs­krise gebeu­tel­ten Ukraine sicher nicht.

Sind die Liqui­da­to­ren die Leid­tra­gen­den, weil sie am heu­ti­gen Sel­fie-Spot ihre Gesund­heit für den Bau des Sar­ko­phags ris­kiert haben? Oder haben sie genau für diese Unbe­schwert­heit hero­isch gekämpft?

Tscher­no­byl ist sehr pola­ri­sie­rend. Wenn du mich fragst ist das Unglück ein Mahn­mal gegen Lügen und gegen das Spa­ren bei der Sicher­heit. Es ist ein Fanal für eine gute Sicherheitskultur.

Wenn ein Boe­ing Mana­ger einem Ange­stell­ten sagt, dass er einen Bau­feh­ler beim 737 Max ver­heim­li­chen soll, dann muss ohne zu Über­le­gen die Ant­wort kom­men: „Das ist ja wie bei Tschernobyl!“

Tscher­no­byl unter­schei­det sich in dem Punkt nicht von Ausch­witz oder Hiro­shima. Je mehr Leute in die Sperr­zone kom­men um so bes­ser. Wir müs­sen uns an das Unglück und die gemach­ten Feh­ler erinnern.

Gas­mas­ken in einer Schule in Prypjat

Todes-Opfer: Wel­che Fol­gen hatte Tschernobyl?

So schlimm Tscher­no­byl auch war. Bei einem Besuch lernst du, dass sich viele Mythen um die größte Nukle­ar­ka­ta­stro­phe ran­ken. Ich war vor­her fest über­zeugt Tscher­no­byl hätte zu Miss­bil­dun­gen geführt und zu Hun­dert­tau­sen­den Todesopfern.

Laut offi­zi­el­len Zah­len sind 31 Men­schen direkt durch Tscher­no­byl umge­kom­men. Nur Opfer aus dem Jahr 1986 zu zäh­len ist natür­lich Blöd­sinn. Wenn du alle Fol­ge­op­fer bis heute mit­zählt, sind es meh­rere Hun­dert Todes­fälle.

Die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion geht von 4.000 Todes­op­fern aus. Das sind Hoch­rech­nun­gen über Todes­fälle durch Strah­len­fol­gen bis 2065, vor allem Krebs. Die Lang­zeit­fol­gen waren nicht so gefähr­lich, wie man zuerst ange­nom­men hatte.

Green­peace kommt in einer eige­nen Hoch­rech­nung auf viel mehr Todes­op­fer, näm­lich 93.000. Über­trie­bene Zah­len und erfun­dene Hor­ror­ge­schich­ten über angeb­li­che Fehl­bil­dun­gen haben laut WHO mehr Men­schen­le­ben gekos­tet als die Strah­lung selbst. Psy­cho­so­ma­ti­sche Angst war die schlimmste Gesund­heits­folge von Tschernobyl.

Über­rascht? Das war ich aller­dings auch, als ich mich wegen unse­rem Besuch mit Tscher­no­byl beschäf­tigte. Tscher­no­byl war sehr schlimm, aber nicht annä­hernd so schlimm, wie es oft dar­ge­stellt wird.

Nicht die Strah­lung war das Haupt­pro­blem von Tscher­no­byl, son­dern die Angst davor. Das ist nicht nur geschicht­lich inter­es­sant. Strah­len­angst ist auch heute noch ein gro­ßes Pro­blem bei der Lösung unse­rer Kli­ma­krise.

Reak­to­ren 1–4, erst 2001 wurde Reak­tor 3 abgestellt

Unfall-Ursa­chen: Wie ist Tscher­no­byl passiert?

RBMK-Reak­to­ren wie Tscher­no­byl hat­ten um Kos­ten zu spa­ren 3 schwer­wie­gende Baufehler:

  1. posi­ti­ver Blasenkoeffizient
  2. Gra­phit­spit­zen am Bremsstab
  3. keine Sicher­heits­hülle

Eine unvor­be­rei­tete Nacht­schicht sollte für einen „Sicher­heits­test“ alle auto­ma­ti­schen Not­fall­sys­teme abschal­ten. Dann wurde sie unter Dro­hun­gen gezwun­gen alle Brems­stäbe aus­zu­fah­ren. Durch Bau­feh­ler 1 kam es zu einer selbst ver­stär­ken­den Leistungssteigerung.

Als die Leis­tung rasch stieg betä­tigte die Kraft­werks-Crew die Not­ab­schal­tung. Statt zu brem­sen, ver­stärk­ten die ein­fah­ren­den Brems­stäbe wegen Bau­feh­ler 2 die Leis­tung aber noch auf das Hun­dert­fa­che. Nie­mand wusste von dem Bau­feh­ler, weil er absicht­lich geheim­ge­hal­ten wurde.

Das Kühl­was­ser ver­puffte explo­si­ons­ar­tig und ließ den ton­nen­schwe­ren Reak­tor in die Luft schie­ßen. In einer zwei­ten Knall­gas-Explo­sion wurde der Reak­tor dann in der Luft zer­ris­sen. Radio­ak­ti­ves Kern­ma­te­rial wurde wegen Bau­feh­ler 3 in die Umge­bung ver­teilt und der schmel­zende Reak­tor­kern lag offen. Hier ist der genaue Ablauf des Tscher­no­byl-Unfalls.

Hätte es einen die­ser Bau­feh­ler nicht gege­ben, egal ob 1, 2 oder 3, dann wür­den wir den Namen Tscher­no­byl heute nicht kennen.

Sowjet Pro­pa­gan­da­pos­ter zum Mai­fei­er­tag in Prypjat

Sicher­heits­kul­tur: Kann sich die Kata­stro­phe wiederholen?

Die Cher­no­byl-Fern­seh­se­rie geht zwar auch auf die Bau­feh­ler ein, aber vor allem geht es den Machern um die Feh­ler im sowje­ti­schen Sys­tem. Mit einer guten Sicher­heits­kul­tur hätte die Kata­stro­phe ver­mie­den wer­den können.

Im Vor­der­grund steht in der Serie Valery Legasov. Der Lei­ter des Unter­su­chungs­ko­mi­tees wollte Bau­feh­ler 2 mit der Not­ab­schal­tung nach dem Unfall bekannt machen, um ähn­li­che Unfälle in Zukunft zu verhindern.

Selbst in der Glas­nost-Ära der Sowjet­union führte das zur Äch­tung und zum vor­zei­ti­gen Ende sei­ner Kar­riere. Er hat sich am zwei­ten Jah­res­tag von Tscher­no­byl das Leben genommen.

Die Sicher­heits­kul­tur der Sowjet­union war grot­ten­schlecht. Wer ein Pro­blem ansprach, wurde selbst zum Pro­blem gemacht. Es war wich­ti­ger für Feh­ler nicht ver­ant­wort­lich zu sein, statt Feh­ler zu vermeiden.

Tscher­no­byl pas­sierte also nicht nur wegen den Bau­feh­lern. Aber ohne die drei Bau­feh­ler eines rus­si­schen RBMK-Reak­tor hätte die Kata­stro­phe von Tscher­no­byl nicht pas­sie­ren können.

In einem deut­schen AKW wäre das nicht pas­siert und die deut­schen Mei­ler sind noch uralte Designs aus den Sech­zi­ger Jahren.

Kin­der­gar­ten vom auf­ge­ge­be­nen Ort Kopatschi

„Cher­no­byl“ TV-Serie & andere Empfehlungen

Du planst noch keine Reise in die Ukraine? Schau erst­mal die fünf­tei­lige HBO-Serie „Cher­no­byl“. Von den Wer­tun­gen auf IMDB ist das mitt­ler­weile die beste TV-Serie aller Zei­ten.

Die Fern­seh­se­rie ist halb­wegs rea­lis­tisch, aber es gibt einige Hol­ly­wood-Dra­ma­ti­sie­run­gen. Zum Bei­spiel wird bei den Sze­nen im Kran­ken­haus nahe­ge­legt, dass eine Strah­len­er­kran­kung anste­ckend sei, sogar für unge­bo­rene Babies. Strah­len­op­fer wer­den aber nicht selbst radio­ak­tiv. All­ge­mein sind die Strah­len­fol­gen stark über­trie­ben dar­ge­stellt.

Wenn du über das wahre Tscher­no­byl lesen willst, nimm dir das 2019 erschie­nene Buch Mid­night in Cher­no­byl* vor. So viele Fak­ten wie der New York Times Best­sel­ler hat kein ande­res Buch zusam­men­ge­tra­gen. Dank meh­re­ren Jahr­zehn­ten Abstand zum Unfall ent­hält das Buch auch vor­mals geheime Infos. Mid­night in Cher­no­byl gibt es auch als Hör­buch*.

Über­haupt nicht emp­feh­len kann ich den B‑Movie Hor­ror­film „Cher­no­byl Dia­ries“. Die erste Hälfte ist noch ok, aber die zweite Hälfte lang­wei­li­ger Hor­ror und respekt­los gegen­über den tat­säch­li­chen Opfern von Tschernobyl.

Mehr Infos über Tscher­no­byl heute fin­dest du im tol­len Rei­se­be­richt von Wal­ter Rüegg. Er hat mit einer klei­nen Exper­ten­gruppe sogar den Kon­troll­raum des Reak­tors 4 besucht. Als Kern­phy­si­ker kann er die Vor­gänge in Tscher­no­byl mit Exper­ten­wis­sen erklären.

Und hier ist der Text, der mich vor ein paar Mona­ten zu mei­nem Besuch moti­viert hat: In Tscher­no­byl gibt es nichts zu befürch­ten (eng­lisch)

Das rie­sige Duga Radar liegt auf der Standardroute

Tscher­no­byl Tour von Kiew: Prak­ti­sche Infos

Die Tages­tour von Kiew dau­ert wirk­lich den gan­zen Tag bis min­des­tens 21 Uhr. Mach die Tour bes­ser nicht an dem Tag, an dem du abends noch einen Rück­flug erwi­schen musst.

Mor­gens um 8 Uhr ist Treff­punkt. Wir haben uns mit unse­rem Tour­anbie­ter am Mai­dan getrof­fen. Der große zen­trale Platz ist super per Metro zu errei­chen. Je nach Anbie­ter gibt es andere Treffpunkte.

Es sind 2 Stun­den Fahrt bis zur 30-Kilo­me­ter-Sperr­zone. Dort musst du am Check­point die Regeln unter­schrei­ben. Dann bekommst du ein Dosi­me­ter, das deine Strah­lung aufzeichnet.

Am Ende der Tour wird dann deine Strah­len­do­sis im Dosi­me­ter aus­ge­wer­tet. Außer­dem gibt es jedes Mal beim Ver­las­sen der Sperr­zone einen Strah­len­test. Trans­pa­rent ist das alles aber nicht.

Nimm eine Fla­sche Was­ser, einen Regen­schirm und lange Klei­dung mit. Lange Hosen soll­test du die ganze Zeit tra­gen. Lang­arm wird nur in der 10-Kilo­me­ter-Sperr­zone empfohlen.

Unsere lus­tige Tour­füh­re­rin in Tschernobyl

Wel­cher Tour­anbie­ter für den Tschernobyl-Ausflug?

Wel­chen Tour­anbie­ter du aus­wählst ist rela­tiv egal. Die fah­ren alle unge­fähr die glei­che Route ab. Achte dar­auf, dass das Mit­tag­essen in Tscher­no­byl nicht auch noch extra kostet.

Eine teure deut­sche Tour halte ich für unnö­tig. Das Eng­lisch auf unse­rer Tour war sehr gut ver­ständ­lich. Zusätz­lich kannst du einen Gei­ger­zäh­ler mie­ten – muss auch nicht sein.

Buche min­des­tens eine Woche vor­her. Wenn du nur wenige Tage vor­her buchst kön­nen Tou­ren aus­ge­bucht oder teuer sein. Die Tour­anbie­ter müs­sen außer­dem im Vor­feld deine Daten übermitteln.

Wenn du kein Urban Explo­rer bist, wird dir die Tages­tour aus­rei­chen. Mehr­tä­gige Tou­ren sind erheb­lich teu­rer. Du über­nach­test dann im Ort Tscher­no­byl 15 Kilo­me­ter vom AKW. Bei vier­tä­gi­gen Tou­ren kannst du sogar das AKW selbst besichtigen.

Wir sind mit dem ältes­ten Tscher­no­byl-Tour­anbie­ter Solo East gefah­ren. Die sind sehr zu emp­feh­len und mit einem 10% Rabatt ab 2 Per­so­nen auch preis­lich attrak­tiv. Du musst auch nur die Hälfte der Kos­ten vor­her anzahlen.

Meine Frau und ich haben die Tour und die Ukraine-Reise natür­lich selbst bezahlt, ohne Sponsor.

Reak­tor Replika im Tscher­no­byl Museum in Kiew

Emp­feh­lung: Tscher­no­byl Museum in Kiew

Selbst wenn du die Tscher­no­byl-Tour nicht machen willst, schau in das Tscher­no­byl-Museum in Kiew. Das bie­tet viele Infor­ma­tio­nen und Modelle. Der große Raum mit einer Reak­tor-Replika ist sehr gelun­gen, siehe Bild.

Kiew und die ganze Ukraine sind übri­gens ein tol­les Rei­se­ziel.

Fährst du nach Tscher­no­byl oder lässt du es lieber?

Dies ist mein Bei­trag zur Blog­pa­rade Schwar­zer Tou­ris­mus bei The Road Most Traveled.

Cate­go­riesUkraine
  1. Pingback:Kiew: Sehenswürdigkeiten für ein Wochenende - NELEWORLD

  2. Michael says:

    Der Ver­gleich mit der Hin­den­burg ist nicht wirk­lich passend. 

    Es wur­den ja trotz Cher­no­byl wei­ter AKWs gebaut und betrie­ben und es gab trotz moder­ner Tech­nik nur 25 Jahre nach Cher­no­byl einen wei­te­ren kata­stro­pha­len Unfall. Die hava­rier­ten Reak­to­ren in Fuku­shima waren modern. Japan, eine der füh­ren­den High­tech­na­tio­nen, ist selbst 8 Jahre nach der Kata­stro­phe noch weit von einer fina­len Lösung der mit dem Unfall ver­bun­de­nen Pro­bleme ent­fernt. (https://www.heise.de/tp/features/Fukushima-Roboter-beruehrt-erstmals-geschmolzenes-Material-in-Reaktor‑2–4312119.html).

    Die Aus­wir­kun­gen eines AKW-Unfalls wie in Fuku­shima oder Cher­no­byl sind nicht regio­nal begrenzt so wie der Absturz eines Zep­pe­lins oder Flug­zeugs. Bei bei­den Unfäl­len muss­ten Zehn­tau­sende Men­schen Ihre Hei­mat ver­las­sen und umge­sie­delt wer­den. Die von einem Unfall betrof­fe­nen Gebiete sind über Gene­ra­tio­nen nicht mehr für Men­schen gefahr­los als Lebens­raum nutzbar. 

    Es rei­chen ein bis zwei kata­stro­phale Unfälle in oder nahe einem Land wie Deutsch­land um große Teile des Lan­des unbe­wohn­bar zu machen. In die­sem Zusam­men­hang noch ein Zitat: „Wis­sen­schaft­ler des Max-Planck-Insti­tuts für Che­mie in Mainz haben anhand der bis­he­ri­gen Lauf­zei­ten aller zivi­len Kern­re­ak­to­ren welt­weit und der auf­ge­tre­te­nen Kern­schmel­zen errech­net, dass sol­che Ereig­nisse im momen­ta­nen Kraft­werks­be­stand etwa ein­mal in 10 bis 20 Jah­ren auf­tre­ten kön­nen und damit 200 mal häu­fi­ger sind als in der Ver­gan­gen­heit geschätzt“. (https://www.mpg.de/forschung/kernenergie-nuklearer-gau).

    Solange Tech­nik von Men­schen ent­wi­ckelt und betreut wird gibt es keine garan­tierte Sicherheit.

    1. Fuku­shima war ein schlim­mer Unfall, aber Wel­ten ent­fernt von Tscher­no­byl. Es gab 1 Todesopfer.

      Nach Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion hät­ten die Leute in der Umge­bung ein paar Tage nicht das Haus ver­las­sen sol­len. Die Eva­ku­ie­run­gen waren unnö­tig und haben viel Leid ver­ur­sacht.

      Fuku­shima war der Beweis dafür, dass selbst alte Reak­to­ren der ers­ten und zwei­ten Gene­ra­tion aus den Sech­zi­gern kei­nes­wegs wie Tscher­no­byl für rie­sige Umwelt­schä­den sorgen.

      Sollte man des­halb AKWs in durch Tsu­na­mis von 40 Meter Höhe gefähr­dete Gebiete bauen? Natür­lich nicht, so eine bescheu­erte Idee!

      Auch Fuku­shima ist ein guter Ver­gleich zur Hin­den­burg. Das AKW Fuku­shima Dai­i­chi wurde 1966 gebaut. Das war vor mehr als 50 Jahren!

      Wir fah­ren ja auch keine Autos aus den Sech­zi­gern ohne Knautsch­zone, Air­bag und Drei­punkt­gurt – außer zur Oldtimer-Rally.

      Aber wir reden hier von Deutsch­land und von moder­nen Reak­to­ren der 3+. und 4. Gene­ra­tion, in denen eine Kern­schmelze pas­siv ver­hin­dert wird.

      Begra­ben wir bitte die Hin­den­burg ein für alle­mal und damit auch die uralten Mei­ler aus den Sech­zi­gern, egal ob Tscher­no­byl oder westliche.

  3. Michael says:

    Hallo Flo­rian,

    „kannst du dir vor­stel­len, wie eine Ver­sie­ben­fa­chung bis Ver­zwan­zig­fa­chung von Wind­rä­dern und Solar­mo­du­len in Deutsch­land aus­sieht? Ich will mir das lie­ber gar nicht ausmalen.“

    … und ich möchte mir die Fol­gen eines mit Cher­no­byl ver­gleich­ba­ren Unfalls in einem dicht­be­sie­del­ten Land wie Deutsch­land gar nicht erst aus­ma­len. Auch wenn hier­zu­lande andere Reak­tor­ty­pen ver­wen­det wer­den, bleibt immer eine Rest­wahr­schein­lich­keit für einen schwe­ren Unfall. Selbst­ver­ständ­lich sind unsere Atom­kraft­werke selbst gegen solch „unwahr­schein­li­che“ Unfall­ur­sa­chen wie Erd­be­ben und Ter­ror mehr­fach abge­si­chert. Frage ist aller­dings ob eine sol­che Absi­che­rung auch wirk­sam umge­setzt und über Jahr­zehnte auf­recht­erhal­ten wird. Wer hätte denn z.B. mit dem unwahr­schein­li­chen Unfall in Fuku­shima gerech­net (Inter­es­san­ter Arti­kel dazu: https://www.zeit.de/2011/12/DOS-Atomkatastrophe/seite‑3). Neben dem Betrieb der Reak­to­ren sind auch noch Wie­der­auf­be­rei­tung und End­la­ge­rung der Abfälle als Gefah­ren­quelle zu nen­nen und wir soll­ten nicht ver­ges­sen, dass auch Uran nur eine begrenzte Res­source ist. Ich bin der Mei­nung dass letzt­end­lich nur rea­lis­tisch beherrsch­bare und rege­ne­ra­tive Ener­gie­quel­len eine wirk­lich nach­hal­tige Lösung für unse­rer Ener­gie­pro­blem sind.

    1. Stell dir vor wir hät­ten nach dem Absturz der Hin­den­burg gesagt: „Jetzt ist Schluss mit der Luft­fahrt. Flie­gen ist viel zu gefährlich!“ 

      Und dann hät­ten wir nie­mals ein moder­nes Flug­zeug gebaut, weil sich 1937 ein Was­ser­stoff-Bal­lon ent­zün­det hat. 

      Unge­fähr so läuft die Kern­kraft-Dis­kus­sion in Deutsch­land. Tscher­no­byl ist die Hin­den­burg der AKWs.

      Tech­no­lo­gi­sche Fort­schritte gibt es aber reichlich:
      1. So etwas wie Tscher­no­byl kann eben nicht in moder­nen Reak­to­ren passieren.
      2. Wir kön­nen in schnel­len Reak­to­ren den alten „Abfall“ als Brenn­stoff verwerten.
      3. Wir kön­nen Reak­to­ren mit pas­si­ver Küh­lung oder flüs­si­gem Kern bauen, in denen es nicht zur Kern­schmelze kom­men kann.

      Schau dir mal die AKWs der vier­ten Gene­ra­tion an. Reak­to­ren wie der DFR oder IFR sind „Atom­müll­fres­ser“ mit inhe­rän­ter Sicher­heit. Nie­mand hat vor die Hin­den­burg nachzubauen.

      Das ist kein Luxus­pro­blem. Ohne Kern­kraft wer­den wir nicht die Kli­ma­ziele schaf­fen – nicht in Deutsch­land und schon gar nicht in Län­dern wie USA, China und Indien. Das sagt auch der Welt­kli­ma­rat, der min­des­tens eine Ver­fünf­fa­chung der heu­ti­gen Kern­kraft-Leis­tung fordert.

  4. Sebastian says:

    Hallo Flo­rian,

    vie­len Dank für den inter­es­san­ten Beitrag.

    Aber: Als Phy­si­ker und Mensch muss ich dir bei einer Aus­sage widersprechen.

    „Strah­len­angst ist auch heute noch ein gro­ßes Pro­blem bei der Lösung unse­rer Klimakrise.“ 

    Der Satz sug­ge­riert, Atom­kraft sei die ein­zige Lösung, kli­ma­scho­nend Strom zu erzeu­gen. Das ist – sorry – Blöd­sinn! Wir haben heute mit Pho­to­vol­taik, Wind­ener­gie und vie­lem mehr Tech­no­lo­gien an der Hand, die pro­blem­los und bei ver­nach­las­sig­ba­rem Flä­chen­ver­brauch den Ener­gie­be­darf der Mensch­heit decken könn­ten. Was fehlt, ist nur der poli­ti­sche Wille, dies im gro­ßen Stil umzusetzen!

    Und noch etwas stößt mir auf:

    „Green­peace kommt in einer eige­nen Hoch­rech­nung auf viel mehr Todes­op­fer, näm­lich 93.000. Über­trie­bene Zah­len und erfun­dene Hor­ror­ge­schich­ten über angeb­li­che Fehl­bil­dun­gen haben laut WHO mehr Men­schen­le­ben gekos­tet als die Strah­lung selbst. Psy­cho­so­ma­ti­sche Angst war die schlimmste Gesund­heits­folge von Tschernobyl.“

    Das lese ich aus dem ver­link­ten WHO-Bericht so nicht her­aus. Viel­mehr ist die Rede vom „Psycho-social impact“ und „men­tal health“. Es wird expli­zit erwähnt, dass ein Aus­lö­ser die­ser Ängste die Umsied­lung der Men­schen war, was zum Ver­lust von Hei­mat, Job etc. geführt hat. Dies hat nach­weis­lich statt­ge­fun­den und ist keine „Hor­ror­ge­schichte“. Dar­über hin­aus ist es rich­tig, dass es eine Angst gibt, nach einer Strah­len­ex­po­si­tion eines Tages an Krebs etc. zu erkran­ken. Aber auch diese Angst ist real und nach­voll­zieh­bar. Es ist schließ­lich Fakt, dass es zu sol­chen Erkran­kun­gen kom­men kann.

    Viele Grüße,
    Sebastian

    1. Sorry Sebas­tian, aber da hast du dir ein paar Stroh­män­ner hingestellt:

      1. Nicht ein­mal ein Atom­lob­by­ist würde behaup­ten, dass Kern­kraft die ein­zige Lösung ist, kli­ma­scho­nend Strom zu erzeugen.
      2. Nicht ein­mal der über­zeug­teste Ver­fech­ter von Erneu­er­ba­ren würde von „pro­blem­los“ und „einem gerin­gem Flä­chen­be­darf“ spre­chen.

      Hier sind 3 Fak­ten über die deut­sche Energiewende:
      1. Die Spei­cher sind ein rie­si­ges Pro­blem, sowohl was die zeit­nahe Mach­bar­keit angeht als auch die Kosten.
      2. Bei 90% Reduk­tion des CO2 spricht die Leo­pol­dina-Stu­die bis 2050 von einer Ver­sie­ben­fa­chung der Wind­rä­der und Solarmodule.
      3. Wenn du 100% Erneu­er­bare willst wie bei der Stu­die der Bun­des­stif­tung Umwelt läuft das auf eine Ver­zwan­zig­fa­chung der Wind­rä­der und Solar­mo­dule hinaus.

      Wir ste­hen nach 2 Jahr­zehn­ten Ener­gie­wende noch ganz am Anfang. Das sind tech­no­lo­gi­sche Pro­bleme. Es fehlt nicht ein­fach nur poli­ti­scher Wille. 

      Kannst du dir vor­stel­len, wie eine Ver­sie­ben­fa­chung bis Ver­zwan­zig­fa­chung von Wind­rä­dern und Solar­mo­du­len in Deutsch­land aus­sieht? Ich will mir das lie­ber gar nicht ausmalen.

      Es gibt einen Sweet Spot zwi­schen den CO2-armen Ener­gie­er­zeu­gern Kern­kraft, Wind­kraft und Solar­kraft. Und der liegt nicht bei 100% Erneu­er­ba­ren. Das sollte dir als Phy­si­ker klar sein.

      Die beste Lösung der Kli­ma­krise ist auf Tech­nik-Tabus zu ver­zich­ten. Wir soll­ten uns an Län­dern wie Frank­reich, Schwe­den, Finn­land und Slo­wa­kei ori­en­tie­ren, die dank Kern­ener­gie viel erfolg­rei­cher bei der Ener­gie­wende sind als Deutsch­land. Auch der Welt­kli­ma­rat for­dert eine Ver­fünf­fa­chung der Kern­ener­gie bis 2050.

      Ja, die psy­cho­so­zia­len Pro­bleme sind ent­schei­dend. Dafür war die Eva­ku­ie­rung ein Aus­lö­ser, aber nicht der einzige.

      Da gibt es auch nichts „her­aus­zu­le­sen“. In dem WHO-Bericht von 2016 steht wortwörtlich:

      „Seve­ral inter­na­tio­nal stu­dies repor­ted that Cher­no­byl-affec­ted popu­la­ti­ons had anxiety levels that were twice as high than non-expo­sed popu­la­tion, and were more likely to report mul­ti­ple unex­plai­ned phy­si­cal sym­ptoms and sub­jec­tive poor health. To some ext­ent, these sym­ptoms were dri­ven by the belief that their health was adver­sely affec­ted by the dis­as­ter and the fact that they were dia­gno­sed by a phy­si­cian with a “Cher­no­byl-rela­ted health pro­blem”. Given that rates of men­tal health pro­blems increase after a dis­as­ter and may mani­fest years after the event, it is important to pro­vide access to men­tal health ser­vices in dis­as­ter-affec­ted areas on a long-term basis. 

      It is also extre­mely important to pro­vide ade­quate infor­ma­tion to the affec­ted popu­la­ti­ons and to pro­vide them with psy­cho­lo­gi­cal sup­port through spe­cial programmes.“

      Den letz­ten Satz mit der ade­qua­ten Aus­kunft über Strah­len­fol­gen soll­ten wir uns auch in Deutsch­land drin­gend hin­ter die Ohren schreiben. 

      Ja es gibt in den betrof­fe­nen Gebie­ten mehr Krebs­fälle – aber nicht annä­hernd in dem Maß, wie es in deut­schen Medien dar­ge­stellt wird. 

      Ich war scho­ckiert als ich im Laufe mei­nes Besuchs fest­stel­len musste, wie viele fal­sche Tscher­no­byl-Vor­ur­teile wir in Deutsch­land haben…

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