Wie ich die ELBE ent­lang­fuhr und mei­ne Hei­mat neu ent­deck­te. Eine Sehn­suchts­rei­se 

Ein Strom, der in Schlei­fen durch mär­chen­haf­te Auen fließt. Gän­se­ru­fe und das Rascheln von Schilf. Die Elbe ist ein Sehn­suchts­ort, einer der letz­ten über wei­te Stre­cken noch frei flie­ßen­den Flüs­se Mit­tel­eu­ro­pas. 

Trai­ler von Laris­sa Rausch

Bei Neu Ble­cke­de rückt der Rad­weg wie­der näher an die Elbe her­an. Buch­ten, Alt­arme, klei­ne Seen, Wie­sen und Schilf, so weit das Auge reicht. Es fängt an zu tröp­feln. Frö­sche qua­ken, Zeit für ihr Abend­kon­zert. Ein Reh äst links vom Deich auf einer Wie­se, es hebt auf­merk­sam den Kopf, alle Mus­keln ange­spannt. Die Elbe hat ihr Abend­kleid ange­legt, es ist fast schwarz. Ich kom­me an einer Schaf­her­de vor­bei, auf die ein Hüte­hund auf­passt. Ein weit­läu­fi­ges Are­al am Deich ist mit einem Zaun abge­steckt. Der Hund bleibt nachts bei sei­ner Her­de drau­ßen, als Schutz gegen Wöl­fe. 

Rüter­berg, Foto © Mano­lo Ty

In Stie­pel­se ste­hen hohe Lin­den und Kas­ta­ni­en­bäu­me vor den Elb­häu­sern, aus einem Gar­ten tönen lau­te Rufe. Offen­bar hat sich das hal­be Dorf zum Fuß­ball­gu­cken ver­sam­melt, der Fern­se­her steht hin­ter einer geöff­ne­ten Spros­sen­tür. Ich ver­la­ge­re mein Gewicht im Sat­tel, weil ich nicht mehr sit­zen kann. Die Fluss­land­schaft, von der ich nie genug bekom­men kann, hält mich bei der Stan­ge. Der Mäu­se­bus­sard, der über den gemäh­ten Wie­sen kreist, der Hase, der mir auf dem Deich ent­ge­gen­hop­pelt. Und in Kon­au begrüßt mich das Klap­pern der Stör­che. Ich bin froh, als ich mei­ne Unter­kunft, den Hof der Fami­lie Trilk, gefun­den habe. Ich weiß nicht, wann ich das letz­te Mal kör­per­lich so erschöpft war. Zu müde, um rich­tig hung­rig zu sein, knab­be­re ich Stu­den­ten­fut­ter. Ich bin auch zu müde, um nur eine Zei­le zu schrei­ben. Bald hüllt mich der Elbe­tief­schlaf ein.

Wus­trower-Elb­nie­de­rung, Foto © Mano­lo Ty

Die Was­ser­ober­flä­che drau­ßen auf dem Strom ist gerif­felt. An den Buh­nen bil­den sich klei­ne Stru­del, als ob Nym­phen ver­spielt in die Tie­fe tau­chen. Mal sehen, was am Grund die Fluss­göt­tin macht. Zwi­schen den Buh­nen liegt ein Sand­strand unter Wei­den, an dem ich gan­ze Tage ver­brin­gen könn­te. Eine Schwarz­pap­pel streift mit ihren her­ab­hän­gen­den Ästen das Schilf. Ich leh­ne mein Rad an ihren Stamm mit der zer­furch­ten Rin­de, der aus­sieht wie aus dem Elbe­sa­gen­land. Schwarz­pap­peln kön­nen 150 Jah­re alt wer­den, in Deutsch­land sind sie sel­ten. Sie brau­chen intak­te Fluss­au­en und feuch­te Böden und geben Hun­der­ten von Arten Lebens­raum: dem Pap­pel­blatt­kä­fer, dem Gro­ßen Pap­pel­bock, dem Pap­pel­schwär­mer und ande­ren Insek­ten, Vögeln, Fle­der­mäu­sen und klei­nen Säu­ge­tie­ren. 

Rüh­städt, Foto © Mano­lo Ty

Die­ser Baum hat alles gese­hen, die Grenz­sol­da­ten, die Bau­ern beim Heu­ma­chen, die Sta­chel­draht­rol­len direkt am Fluss. Viel­leicht hat er der Elbe zuge­wis­pert: „Was soll das nur?“ Aber was wir Men­schen an ihrem Ufer ver­an­stal­ten, inter­es­siert die Elbe nicht. Dass sie 40 Jah­re lang Gren­ze war, dafür kann sie nichts. Sie strömt ein­fach und strömt und nimmt die Ver­gan­gen­heit mit. Das hat etwas Ver­söhn­li­ches. 

Möd­lich, Foto © Mano­lo Ty

Ein schwarz-wei­ßer Schmet­ter­ling schau­kelt über die Wie­se, ein paar Meter ent­fernt stol­ziert ein Storch an mir vor­bei, ziel­stre­big den Deich hin­auf. 

Ein Aus­zug aus dem Buch RAD, LAND, FLUSS* von Alex­an­dra Schlü­ter mit Fotos von Mano­lo Ty:

*Affi­lia­te Link, wir ver­die­nen ein paar Cent dazu, euch kos­tet es aber nicht oben drauf.

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  1. Avatar von Florian
    Florian

    Ich wuss­te nicht, dass die Elbe so schön ist. Als jemand, der aus dem Süden Deutsch­lands kommt, hat es sich auch nie für mich erge­ben, den Fluss zu sehen. Aber die Bil­der und vor allem die Clips haben mich jetzt echt umge­hau­en. Dan­ke für den tol­len visu­el­len und lite­ra­ri­schen Ein­blick!

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