Hurtige Abenteuer

Kreuz­fahr­ten sind wie Kaf­fee­fahr­ten, nur ohne Heiz­de­cken-Tom­bo­la. Die meis­ten Pas­sa­gie­re sind in einem Alter, in dem es nicht mehr lohnt, sich über­trie­ben viel zu bewe­gen. Das Essen gibt’s in mund­ge­rech­ten Por­tio­nen und jeder Tag ver­läuft gleich: Bir­cher­müs­li um 8, Herz­ta­blet­ten gleich danach, Nicker­chen auf dem Pan­ora­ma­deck bis 11, „Ich könn­te hier den gan­zen Tag sit­zen und raus­gu­cken“, Mit­tag­essen, repeat. Im Schiff ein Meer aus sil­ber­ner Dau­er­wel­le. Deutsch­land, dei­ne sol­ven­ten Rent­ner.

Kli­schees, klar. So unver­schämt denk ich nun mal mit mei­nen 30 Len­zen. Jetzt bin ich auf einer sol­chen Ver­an­stal­tung und stel­le fest: gar nicht so übel. Hur­tig­ru­ten erfin­det die Per­so­nen­schiff­fahrt neu und bringt Bewe­gung in die schauk­li­ge Bude – mit Expe­di­tio­nen an Land und Fach­vor­trä­gen an Bord. Nur Schiff­chen fah­ren und raus­gu­cken is‘ nicht mehr. Per­fekt! Ich kann eh nicht lan­ge still sit­zen.

Fünf Tage schip­pe­re ich auf der MS Nordn­or­ge ent­lang der nor­we­gi­schen Küs­te, durch die Lofo­ten vor­bei an Finn­mark bis zur rus­si­schen Gren­ze, und durf­te schön was erle­ben: Schlit­ten fah­ren mit Hus­kys, eisi­ge Win­de am Nord­kap und eine Expe­di­ti­on nach Art der alten Ent­de­cker. Die Land­schaf­ten so bizarr und unwirk­lich, dass Euro­pa ganz weit weg scheint.

 

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Hur­tig­ru­ten sehen sich nicht als Kreuz­fahrt­un­ter­neh­men, son­dern als Post­schiff­fahrts­ge­sell­schaft mit Tra­di­ti­on und gro­ßem logis­ti­schen Wert für Euro­pas nörd­lichs­tes Volk. Seit 1893 ist die Flot­te in Betrieb, zunächst nur zwi­schen Trond­heim und Ham­mer­fest, heu­te auf 2.400 Küs­ten­ki­lo­me­tern von Ber­gen bis Kir­kenes. Die kom­plet­te Tour hin und zurück dau­ert zwölf Tage.

Ab 2016 bie­tet die Ree­de­rei neben dem regu­lä­ren Betrieb auch Expe­di­ti­ons­rei­sen an: Exper­ten hal­ten Vor­trä­ge über Natur und Geo­lo­gie oder über Geschich­te und Lebens­wei­se der nor­di­schen Völ­ker. Zwei bis drei Mal am Tag scheucht einen der Gong an Deck in die kna­ckig fri­sche Luft, wenn das Schiff einen mar­kan­ten Punkt pas­siert. Ein paar Infos sei­tens der Fach­leu­ten und wie­der rein. Essen steht auf dem Tisch. Wäh­rend der kur­zen Stopps in den ins­ge­samt 34 Häfen beglei­tet das Expe­di­ti­ons­team Aus­flü­ge in die Natur.

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Mar­tin Emhjel­len ist Teil die­ses Teams. Der Nor­we­ger mit dem Fai­ble für drau­ßen hat in Oslo und im aus­tra­li­schen Ade­lai­de Geo-Tou­ris­mus stu­diert. Seit zehn Jah­ren ist er zurück in sei­ner Hei­mat und arbei­tet seit­dem als Rei­se­füh­rer. Gemein­sam mit den ande­ren 16 Expe­di­ti­ons­lei­tern hat er das neue Aktiv-Pro­gramm zusam­men­ge­stellt. „Wir möch­ten in Zukunft auch ein jün­ge­res Publi­kum anzie­hen und viel Wis­sen über unse­re Hei­mat hier im Nor­den ver­mit­teln“, sagt Mar­tin über den neu­en Ansatz der Ree­de­rei. Bis­her sind über 50 Aus­flü­ge und Akti­vi­tä­ten im Pro­gramm, noch wei­te­re sind in Vor­be­rei­tung. Bei drei­en darf ich dabei sein.

Nächt­li­che Schlit­ten­hund­fahrt bei Trom­sø

ine knap­pe hal­be Stun­de außer­halb von Trom­sø liegt der Vill­marks­sen­ter, die Hei­mat von zahl­lo­sen freund­li­chen Alas­ka Hus­kys, die lie­bend ger­ne Tou­ris­ten schlit­ten­wei­se durch den Schnee zie­hen. Wenn es rich­tig fins­ter ist, also nach­mit­tags um drei, wird die Tour beson­ders magisch: Der Schnee knirscht unter dem schwe­ren Leder, auf dem ich durchs nacht­schwar­ze Nor­we­gen glei­te, die Lich­ter der ark­ti­schen Haupt­stadt fun­keln am Hori­zont und der lieb­li­che Geruch von Hun­de­schei­ße weht mir um die Nase. Extra anhal­ten für Num­mer zwei? Nein.

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The Artic Cathedral at Tromso. Late afternoon before sailing north, the daylight had faded quickly leaving a beautiful blue glow with the lights of the cathedral providing lovely reflections on the water.

Nord­kap 71° 10′ 16″ N

Nur eine hal­be Stun­de süd­lich des Nord­kaps fah­ren wir Hon­nings­våg an. Die Stadt wur­de erst kürz­lich zu „Nor­we­gens Som­mer­ort“ gekürt. War­um, weiß kei­ner. Es ist kalt und der Niko­laus wohnt angeb­lich auch in der Gegend. Im Hafen­was­ser tan­zen gol­de­ne Lich­ter, und selbst hier spielt jemand „Last Christ­mas“. Mir wird ganz weih­nacht­lich ums Herz. Mit dem Bus geht’s bis an den nörd­lichs­ten Punkt Euro­pas. Danach kommt nur noch das, dank Kli­ma­wan­del, nicht mehr ganz so ewi­ge Eis. Der Gui­de erzählt etwas über die Urein­woh­ner am Kap. Ver­ein­zel­tes Schnar­chen in Sitz­rei­he sie­ben und zwölf. Die Best Ager hal­ten Mit­tags­schläf­chen.

time to make a walk and enjoy the enviremont and the atmoshereNordkap2

Auf Amund­sens Spu­ren

Ham­mer­fest, der nörd­lichs­ten Stadt der Welt, fol­gen wir den Spu­ren des Polar­for­schers und nor­we­gi­schen Natio­nal­hel­den Roald Amund­sen. In tra­di­tio­nel­lem Gewand, alte Bestän­de der nor­we­gi­schen Armee, kra­xeln wir die Hügel unweit der Stadt hin­auf und schwen­ken oben stolz die Natio­nal­flag­ge. Danach gibt es Fleisch­klöß­chen und Pfann­ku­chen mit Mol­te­bee­ren-Kom­pott nach dem Ori­gi­nal­re­zept von 1910. Das alles pas­siert inner­halb von nur zwei Stun­den. Das Schiff hupt bereits, Abfahrt in fünf Minu­ten.

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Die Hur­tig­ru­ten lie­gen maxi­mal fünf Stun­den in einem Hafen. Der Zeit­plan ist straff, die Aus­flü­ge eng getak­tet: aus­stei­gen, ent­de­cken, ein­stei­gen, wei­ter. Bewe­gungs­the­ra­pie an fri­scher Luft ganz nach Plan. Das ist neu für mich. Nor­ma­ler­wei­se stol­pe­re ich wäh­rend mei­nen Rei­sen durch Welt, lass mich mona­te­lang trei­ben und fin­de mich ganz unver­hofft in einer Nuss­scha­le mit­ten auf dem Atlan­tik wie­der. Huch.

Klar wis­sen die Ver­an­stal­ter, dass das hier Aben­teu­er light ist. „In Zukunft hof­fen wir, auch Mehr­ta­ges­tou­ren anzu­bie­ten“, sagt unser Tour­gui­de Mar­tin. Die Tou­ris­ten stei­gen mit Sack und Pack aus, schla­gen sich mit dem Team ein paar Tage durch die Ber­ge, schla­fen in Hüt­ten und neh­men das nächs­te Schiff zum nächs­ten Stopp. Eine Hop-on-/Hopp-off-Expe­di­ti­on sozu­sa­gen. Das klingt doch super, aber bis dahin ist es noch ein Weil­chen.

Die aben­teu­er­lichs­ten Rei­sen der Hur­tig­ru­ten, quer über die Welt­mee­re, sind ein ganz ande­res Kali­ber. Tou­ris­ten fah­ren auf statt­li­chen Expe­di­ti­ons­schif­fen wie der MS Fram nach Spitz­ber­gen, Grön­land und sogar in die Ant­ark­tis – hin zu Orten, an denen der Mensch noch kei­ne tie­fen Spu­ren hin­ter­las­sen hat, in Gewäs­ser, die von kaum einer ande­ren Ree­de­rei befah­ren wer­den. Die Umstän­de sind wid­rig und im Vor­aus kann nicht alles durch­or­ga­ni­siert wer­den. Ich kann es förm­lich rie­chen, das klir­rend kal­te Aben­teu­er. Das ist Rei­sen nach mei­nem Geschmack.

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Doch nichts über­ei­len. Ich mach es mir jetzt erst­mal auf dem Pan­ora­ma-Deck gemüt­lich. Biss­chen raus­gu­cken und die eisi­ge Land­schaft bewun­dern solan­ge es noch hell ist. Gibt ja gleich schon wie­der ganz her­vor­ra­gen­des Essen! Und zu viel bewe­gen scha­det der Hüf­te. Bin ja auch kei­ne 20 mehr.

Herz­li­chen Dank an Hur­tig­ru­ten für die Unter­stüt­zung.

Bild Nr. 3: © Paul Ste­e­le
Bild Nr. 6, 7 und Kar­te: © Hur­tig­ru­ten

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Antworten

  1. Avatar von Laura Carmona

    Nor­we­gen ist immer ein Land es man kann ver­mis­sen. Ein Rei­se per Schiff ist wun­der­bar .dan­ke für die tipp

  2. […] von den Rei­se­de­pe­schen war mit Hur­tig­ru­ten auf den Fjor­den Nor­we­gens unter­wegs. Und brach­ten einen sehr schö­nen Bericht […]

  3. Avatar von einmalumdiewelt

    Umringt von Ren­tern hur­tig rei­sen. Klingt nach einem amü­san­ten Trip! Und Nor­we­gen ist ja sowie­so immer eine Rei­se wert…

  4. Avatar von Yarbrough

    Dan­ke für das Tei­len

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