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Mit dem Oldtimer durch Marche

Eine Schön­heit nach der ande­ren fährt auf der Piazza Enrico Mat­tei, dem Markt­platz Aqu­al­ag­nas, vor. Ich komme aus dem Stau­nen gar nicht mehr her­aus: ein Avis TA 14, aus dem Jahre 1947, gefolgt von einem Avis TA 21-Cabrio, Bau­jahr 53, einem traum­haf­ten creme­far­be­nen Bent­ley, einem schnit­ti­gen Alfa Romeo Spi­der und dem Kult­auto schlecht­hin, dem VW-Bulli T1. Die Old­ti­mer sind top in Schuss und lie­be­voll gepflegt. Samt schnie­ker Chauf­feure werde ich die nächs­ten zwei Tage durch die Region Mar­che, zu deutsch Mar­ken, fah­ren. Bei Drive in Style las­sen sich die Vin­tage Cars buchen, mit oder ohne Fah­rer. Das ist sicher­lich kein Schnäpp­chen, zahlt man für eine Zwei­ta­ges­aus­flug mit dem Bent­ley schnell 980 Euro. Ein beson­ders Fahr­ver­gnü­gen und eine Reise mit viel Stil sind jedoch garantiert.

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Mar­ken ist eine Region in Mit­tel­ita­lien, umge­ben von der Emi­lia-Roma­gna, der Tos­kana, Umbrien, den Abruz­zen und der Repu­blik San Marino im Nor­den. Als Urlaubs­re­gion ist Mar­ken, bis auf ein paar Städte an der Adria-Küste, wie Pesaro, Fano und Ancona, noch weit­hin unbe­kannt und wird ange­sichts der schil­lern­den Nach­barn schnell über­se­hen. Zu Unrecht! Fernab aus­ge­tre­te­ner Tou­ris­ten­pfade las­sen sich in Mar­che ursprüng­li­che und authen­ti­sche Ort­schaf­ten, eine wun­der­volle Land­schaft, beein­dru­ckende Fes­tungs­an­la­gen, Kir­chen und Aus­gra­bungs­stät­ten, sowie eine aus­ge­zeich­nete Küche ent­de­cken, die den Ver­gleich mit den angren­zen­den Genuss-und-Tou­ris­tik-Hoch­bur­gen nicht zu scheuen brau­chen. Ideal für Indi­vi­dual-Rei­sende, Ent­de­cker und Genießer!

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Mein Road­trip führt mich von Aqu­al­agna, der Trüf­fel­haupt­stadt und Start­punkt, zuerst nach Cagli. Die kleine Stadt liegt auf einer Hoch­flä­che am Monte Betrano. Vom Tor­rione, dem Haupt­turm, Über­bleib­sel einer Befes­ti­gungs­an­lage aus dem 6. Jahr­hun­dert, habe ich einen traum­haf­ten Aus­blick über die Dächer Cag­lis. Trotz über­schau­ba­rer Bewoh­ner­zahl, ver­fügt die 8862-See­len-Stadt über eine impo­sante Kathe­drale und ein wun­der­ba­res klas­si­zis­ti­sches Thea­ter aus dem 19. Jahrhundert.

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In Cagli lässt es sich auch her­vor­ra­gend spei­sen. Direkt im his­to­ri­schen Stadt­kern liegt das Ris­tor­ante la Gio­conda. Wenige Stu­fen füh­ren hinab in den rus­ti­ka­len Gewöl­be­kel­ler. Dezent und stil­voll deko­rierte Tische laden vor offe­nem Mau­er­werk zum Ver­wei­len ein. Bereits zur Mit­tags­zeit lie­ben die Ita­lie­ner ein aus­ge­dehn­tes Mahl, samt Ape­ri­tivo und Wein. Kein Wun­der, dass die Slow Food-Bewe­gung ihren Ursprung in Bella Ita­lia hat. In dem sechs­gän­gi­gen Menü wer­den typi­sche, loka­len Spe­zia­li­tä­ten prä­sen­tiert. So kommt fast jeder Gang mit einer Note Trüf­fel daher, den Mar­che ist Trüf­fel­hoch­burg. Beglei­tet wer­den die Köst­lich­kei­ten aus der Küche mit her­vor­ra­gen­den, regio­na­len Weinen.

Nach die­sem aus­gie­bi­gen Mahl lehne ich mich ent­spannt in die Pols­ter des Avis zurück und lasse mich von mei­nem Fah­rer über die kur­ven­rei­chen Stra­ßen zum klei­nen Fluss Bosso, unweit von Cagli, chauf­fie­ren. Hier bekomme ich eine schnelle Ein­füh­rung in die Kunst des Flie­gen­fi­schens. Diese Lei­bes­übung ist genau das rich­tige um das nahende Mit­tags­tief zu über­win­den. Lei­der bin ich kein Natur­ta­lent, son­dern stelle mich äußerst unge­schickt an. Es bedarf auch ein wenig mehr Übung um die Tech­nik zu beherr­schen. Blitz­schnell lässt Mauro Bar­b­acci, mein Lehr­meis­ter, die Angel­schnur samt Köder über das Gewäs­ser flie­gen. Seine Bewe­gun­gen sind kon­zen­triert und äußerst ele­gant. Bei ihm kann man Kurse im Flie­gen­fi­schen bele­gen. Min­des­tens zwei Tage sollte man dafür einplanen.

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Über der win­zi­gen Ort­schaft Piob­bico thront die Bran­ca­leoni Burg aus dem 13. Jahr­hun­dert, im Schat­ten des Monte Nerone. Benannt ist sie nach der Erbauer-Fami­lie, die hier bis ins 17. Jahr­hun­dert resi­dierte. Mehr als 130 Zim­mer gibt es zu bestau­nen, dazu eine große Kunst­samm­lung, impo­sante Fres­ken, Stuck an den Decken, eine Samm­lung von Ori­gi­nal-Kos­tü­men und Schmuck der noblen Fami­lie, sowie antike Farm­werk­zeuge. Zudem fin­det sich in den Gemäu­ern eine geo-palä­on­to­lo­gi­sche Samm­lung ers­ten Ran­ges, mit mehr als 5.000 Fos­si­lien, die bis zu 200 Mil­lio­nen Jahre alt sind.

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Genug Kul­tur­ge­nuss fürs erste, es ist wie­der an der Zeit sich um das leib­li­che Wohl zu sor­gen. Wir fah­ren berg­auf zu der Craft­beer-Braue­rei Col­lesi, die ele­gant in einer form­schö­nen Villa beher­ber­get ist. Auf den ers­ten Blick sehen die Fla­schen, die im Prä­sen­ta­ti­ons­raum auf­ge­reiht sind, wie Wein­fla­schen aus. Pracht­volle Eti­ket­ten unter­mau­ern den noblen Ein­druck.  Ins­ge­samt gibt sich die Bier­marke äußerst gedie­gen und stil­voll. Auch der Aus­blick, der sich mir bei der Ver­kos­tung über das Umland bie­tet, ist sagen­haft. Bei all dem opti­schen Schi­schi han­delt es sich jedoch nicht um platte Augen­wi­sche­rei – das Bier weiß zu über­zeu­gen. Die sechs ver­schie­de­nen Bier­sor­ten kom­men mal wür­zig, mal herb, dann wie­der fruch­tig oder süf­fig daher. Alle schme­cken mir gut, vor allem das Ambrata, ein unpas­teu­ri­sier­tes, amber­far­be­nes Bier, schön kräf­tig, in der Fla­sche gegärt.

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Die Nacht ver­bringe ich in einem der vie­len kom­for­ta­blen Feri­en­häu­ser, die über­all in Mar­ken zu mie­ten sind. Ruhig und idyl­lisch liegt mein Häus­chen inmit­ten saf­ti­ger Land­schaft auf einem Hügel. Im stil­voll deko­rier­ten Zim­mer falle ich nach dem ereig­nis­rei­chen Tag sogleich in einen tie­fen Schlummer.

Pünkt­lich um 8 Uhr mor­gens holt mich mein Fah­rer ab und chauf­fiert mich nach San­t’An­gelo in Vado. Die Ort­schaft ist auf den Res­ten einer römi­schen Sied­lung erbaut. Vor jedem anste­hen­den Neu­bau, muss erst geprüft wer­den, ob keine archäo­lo­gi­schen Schätze im Erd­reich ver­bor­gen sind. For­scher gehen davon aus, dass in und um San­t’An­gelo in Vado noch eine ganze Sied­lung im Ver­bor­ge­nen schlum­mert. Im Jahre 2001 wurde das Domus del Mito, ein 1.000 Qua­drat­me­ter gro­ßes, römi­sches Wohn­haus ent­deckt, das jetzt eine bedeu­tende Aus­gra­bungs­stätte ist. Jeder der vie­len Räume des anti­ken Baus ist mit fili­gra­nen Mosai­ken geschmückt, die noch in erstaun­lich gutem Zustand sind. Sie erzäh­len mythi­sche Geschich­ten. Bac­chus, der Gott des Wei­nes, und Kriegs­mo­tive schmü­cken die Män­nerzim­mer, denn sowohl das Wein­trin­ken, als auch das Krieg­füh­ren gal­ten als reine Män­ner­do­mä­nen, das Damen­zim­mer zeigt Medusa, sowie Blu­men, Tin­ten­fi­sche und das Swas­tika – einst Sym­bol für Sonne und Ener­gie, bevor die Nazis es, zumin­dest in Deutsch­land, nega­tiv belegt haben. Dazu tum­meln sich im Ess­zim­mer Mee­res­tiere, wie Lan­gus­ten und Morä­nen. Sie zeu­gen von der gro­ßen Macht und Bedeu­tung des Mee­res für die Bewoh­ner. Die Mosaike erfüll­ten eine Art Tep­pich­funk­tion. Deko­ra­tiv sind sie allemal.

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Auf dem Weg zum Mit­tag­essen schaue ich noch auf einen Sprung in dem klei­nen Dorf Mer­catello sul Metauro vor­bei. Schon mehr­fach wurde die Ort­schaft mit der Orange Flag des Tou­ring Club aus­ge­zeich­net. Die­sen Preis erhal­ten beson­ders schöne, ursprüng­li­che Orte, mit weni­ger als 15.000 Ein­woh­nern, die sich durch eine beson­dere Land­schaft, Tra­di­tion, Geschichte, Kul­tur und Kuli­na­rik aus­zeich­nen und somit einen beson­de­ren Qua­li­täts­tou­ris­mus garan­tie­ren. Von der beson­de­ren Küchen­kunst über­zeuge ich mich dann direkt bei Il Girone dei Golosi. Das rus­ti­kale Restau­rant liegt auf einer Anhöhe über dem Dorf. Der Auf­stieg führt vor­bei an duf­ten­den Wild­blu­men. In stil­vol­lem Ambi­ente spei­sen wir zwi­schen Stein­mau­ern und Vin­ta­ge­mö­beln ein lie­be­voll zube­rei­te­tes Menü. Ber­nado, der Küchen­chef, ver­wen­det aus­schließ­lich bio­lo­gisch ange­baute Pro­dukte aus Mar­ken. Sofort ver­liebe ich mich in seine Kom­po­si­tion aus Kicher­erb­sen, Sal­sic­cia und Rosmarin.

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Letz­ter Stopp Urbino. Durch die leb­hafte Stadt füh­ren ver­schlun­gene, enge Gas­sen. Kleine Cafés und Restau­rants laden zum Ver­wei­len ein. Urbino gilt als Wiege der ita­lie­ni­schen Renais­sance und zählt zum Welt­kul­tur­erbe. In ihrer Blü­te­zeit war die 15.292 Ein­woh­ner­stadt einst bedeu­ten­der als Rom. Urbino ist beson­ders für seine Archi­tek­tur und Kul­tur­ge­schichte bekannt. Unter dem Herr­scher Fre­der­ico da Mon­te­fel­tro, dem berühm­tes­ten För­de­rer von Kunst und Lite­ra­tur sei­ner Zeit, erreichte die Stadt im 15. Jahr­hun­dert ihren Höhe­punkt. Der Palazzo Ducale, der in der Stadt­mitte thront, legt auch heute noch Zeug­nis über diese Epo­che ab. In ihm befin­det sich die Gal­le­ria Nazio­nale delle Mar­che, eine der bedeu­tends­ten Samm­lun­gen der ita­lie­ni­schen Renais­sance. Als berühm­tes­tes Kunst­werk wird La Muta von Raf­fael aus­ge­stellt, das Por­trät einer jun­gen Dame.

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Im Old­ti­mer geht es zum tra­di­tio­nel­len Restau­rant Antico Furlo unweit von Aqu­al­agna. Hier zau­bert der ange­se­hene Küchen­chef Alberto Mela­grana ein Menü zu Ehren des Trüf­fels. Offe­nes Feuer im Kamin sorgt für woh­lige Stim­mung. Im roman­ti­schen Wein­kel­ler lagern die edels­ten Trop­fen, nebst rie­si­ger Schin­ken, die von der Decke hän­gen. Im Antico Furlo gibt es auch char­mante kleine Zim­mer und so bleibe ich über Nacht. Ein beson­de­rer Besu­cher, von zwei­fel­haf­tem Ruhm, war hier einst zu Gast. Dies berich­tet mir bereits Andrea, mein Fah­rer, auf dem Hin­weg. Mus­so­lini höchst­per­sön­lich näch­tigte im Antico Furlo. Sogar ein Zim­mer ist daher nach ihm benannt. Beim Früh­stück leis­ten mir ein paar Büs­ten von Il Duce Gesell­schaft. Über diese höchst merk­wür­dige Art der Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung sinne ich noch ein Weil­chen nach. Dann fährt mein Chauf­feur ein letz­tes Mal den Wagen vor und bringt mich zurück zu mei­nem Start­punkt, zum Markt­platz von Aqualagna.

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Ein spa­ßi­ger Road­trip in wun­der­schö­ner Land­schaft liegt hin­ter mir, vol­ler kul­tu­rel­ler und kuli­na­ri­scher Höhe­punkte. Das nächste Mal bringe ich ein wenig mehr Zeit mit, denn in Mar­ken lässt sich manch ein Schatz entdecken.

Vie­len Dank an Marche­holi­days für die Einladung.

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  1. Dani says:

    Das sind wun­der­schöne Fotos..die ein­deu­tig Lust auf eine Reise machen. Mich packt gerade so rich­tig das Fernweh. 

    Lg aus Sankt Jakob im Defereggental

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