Malabares und Couchsurfing

Argen­ti­ni­en, Febru­ar 2014.

Ich weiß gar nicht genau, wie so viel Zeit an mir vor­bei­zie­hen konn­te, ohne dass ich es bewusst mit­be­kom­men hat­te. Argen­ti­ni­en ist das Land, das mich damals auf­nahm, als es mich zum ers­ten Mal in die Fer­ne zog. Und jetzt bin ich zurück. Nach 8 Jah­ren.

Ich will einen Freund von damals über­ra­schen, ihn in der Bar besu­chen, in der er damals mit mir Tan­go getanzt hat. Doch dort sagt man mir, dass er gera­de erst vor fünf Minu­ten gegan­gen wäre und sich schla­fen gelegt hät­te. Ich sol­le in zwei Stun­de noch­mals vor­bei­kom­men, da wäre er dann sicher da. Ich ver­las­se das Lokal und über­le­ge, ob ich tat­säch­lich zwei Stun­den war­ten soll­te. Wäh­rend ich die Stra­ße ent­lang gehe und dar­über nach­den­ke, was ich in der Zwi­schen­zeit machen könn­te, fällt mein Blick auf einen Mann, der an einer Kreu­zung mit Keu­len jon­gliert. Er steht vor den Autos, die an der roten Ampel auf die Wei­ter­fahrt war­ten, zeigt kurz sei­ne Kunst­stü­cke, läuft dann mit sei­nem Hut von Fahr­zeug zu Fahr­zeug, wo ihm manch ein Len­ker ein paar Cen­ta­vos hin­hält.

Ich set­ze mich in der Nähe auf eine Mau­er und beob­ach­te das Spek­ta­kel. Der jun­ge Mann läuft von einem Zebre­a­strei­fen zum ande­ren, je nach­dem wo die Ampel für die Autos gera­de auf Rot schal­tet. Er bemerkt mei­ne Anwe­sen­heit, lacht mich an. Wäh­rend er zwi­schen den Zebra­strei­fen hin- und her­läuft, wech­selt er im Vor­über­ge­hen immer wie­der ein paar Wor­te mit mir. Nach einer Wei­le setzt er sich neben mich auf die Mau­er und fragt, was ich so mache. Ich ant­wor­te, dass ich war­te­te.

Ich will ihn fra­gen, wo er Jon­glie­ren gelernt hat, weiß aber nicht, was Jon­glie­ren auf Spa­nisch heißt, wes­halb ein ein­fa­ches »Wo hast du das da… wie nennt man das… gelernt?« aus mir her­aus­kommt. Die Ant­wort des Stra­ßen­künst­lers ist sim­pel: »Mala­ba­res«. Ich ver­ste­he nicht sofort, was er meint. Schaue ihn schein­bar etwas ver­wirrt an. »Mala­ba­res nennt man das«, erklärt er mir gedul­dig, ein Freund habe es ihm bei­gebracht. Und dann lässt er ein Wort fal­len, das mich irgend­wie über­rascht: Er erzählt mir, dass er ein­mal einen US-Ame­ri­ka­ner über Couch­sur­fing gehos­tet und die­sen zum Jon­glie­ren mit­ge­nom­men hat­te. Ver­wun­dert sehe ich ihn an. Habe ich rich­tig gehört, sag­te er »Couch­sur­fing«?

Ich hat­te. Da sind sich jetzt also zwei Couch­sur­fer abseits der digi­ta­len Welt ein­fach so über den Weg gelau­fen. Und ich füh­le mich etwas dumm, denn – ich weiß nicht wes­halb – irgend­wie wäre mir nie in den Sinn gekom­men, dass die­ser jun­ge Mann, der sein Geld mit dem Her­um­wir­beln von Jon­glier­keu­len ver­dient, Couch­sur­fer sein könn­te.

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