Liebes Zagreb,

irgend­wie kann ich dich immer noch nicht ein­schät­zen. Du willst so gar nichts mit Russ­land und dem Bal­kan zu tun haben. Auf die EU freust du dich aber auch nicht. Und das ein­zi­ge was mir klar gewor­den ist, ist dass du nach all den vie­len Tren­nun­gen der letz­ten Jahr­hun­der­te nach dir selbst suchst.

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Also besinnst du dich auf dei­ne alte gla­goli­ti­sche Schrift, die bevor das kyril­li­sche durch­ge­setzt wur­de. Rich­test durch Tito zer­stör­te kroa­ti­sche Natio­nal­hel­den wie­der auf und ver­ehrst katho­li­sche Pries­ter, die dem Tito Regime Wider­stand leis­te­ten.

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Eigent­lich könn­test du auch ein paar Aus­stel­lungs­stü­cke in das Muse­um der zer­bro­che­nen Bezie­hun­gen ein­rei­chen.

Ein Stück für die osma­ni­sche Herr­schaft, von der ich kaum noch etwas in der Stadt spür­te.

Ein Detail aus der öster­rei­chisch-unga­ri­schen Epo­che. Mit dem du mich recht über­rascht hast, ich hat­te tat­säch­lich nur mit einem sozia­lis­ti­schen Zagreb gerech­net.

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Und eini­ge Erin­ne­rungs­ge­gen­stän­de aus der ehe­mals jugo­sla­wi­schen Zeit. Als dei­ne Ein­woh­ner noch nach Tri­est zum Shop­pen fuh­ren, um die neus­te ita­lie­ni­sche Mode zu erwer­ben oder für Kon­zer­te nach Wien und Buda­pest pil­ger­ten.

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Bestaunt hab ich dei­ne Jahr­hun­der­te alten Tra­di­tio­nen mit ihren Geschich­ten, die wirk­lich noch heu­te leben­dig sind. Den Kano­nen­schuss zum Bei­spiel täg­lich um 12Uhr, der im Mit­tel­al­ter ein­ge­führt wur­de, weil alle Kir­chen zu unter­schied­li­chen Zei­ten Mit­tag läu­te­ten.

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Oder den Latern­an­zün­der in der Ober­stadt, der gute 200 Gas­la­ter­nen zur Däm­me­rung immer noch hän­disch ent­facht.

Und dei­ne roman­ti­sche Namens­ge­bung, der zu Fol­ge eine Magd aus dem Brun­nen auf dem Ban-Jelačić-Platz für einen vor­bei zie­hen­den durs­ti­gen Rit­ter Was­ser schöpf­te (zagrabi­ti: schöp­fen). Die bei­den sich natür­lich sofort in ein­an­der ver­lieb­ten und aus ihren Nach­kom­men die Sied­lung des heu­ti­gen Zagrebs ent­stand.

Die ein­heit­li­chen roten Schir­me auf dem Markt­platz, die von den Far­ben der tra­di­tio­nel­len Tracht her­ge­lei­tet sind.

Und dass du Ende Mai bereits mit Erd­beer­stän­den voll­ge­stellt bist.

Zagreb MarktZagreb MarktDie Trach­ten­frau­en sind aber nur noch Tou­ris­ten­at­trak­ti­on.

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Mich hat wohl ein­fach die­se Fül­le an Geschich­ten an einem Tag völ­lig über­wäl­tigt. Das Zagreb Bild, was ich vor­her im Kopf hat­te passt so gar nicht zu dem, wie du eigent­lich bist.
Das ist aber gut so. Des­we­gen war ich ja da und des­we­gen komm ich wie­der.

Ich wünsch dir erst­mal alles Gute für den neu­en Schritt mit der EU, auf den eini­ge dei­ner Nach­bar­län­der im Übri­gen nei­disch sind, und auf ein bal­di­ges Wie­der­se­hen.

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Antworten

  1. Avatar von Fräulein Julia

    Zagreb! Ich habe mich ja schock­ver­liebt in die­se Stadt letz­te Woche, nach­dem ich zuvor knapp drei Wochen über den Bal­kan gereist war. Eine wahn­sin­ni­ge Aus­wahl aller kroa­ti­schen Trach­ten fin­det man übri­gens im Volks­kun­de­mu­se­um, aber viel­leicht wuss­test du das ja auch schon 🙂

    1. Avatar von Marianna

      Wow, schock­ver­liebt! Ganz so gings mir nicht 😉
      Dan­ke dir für den Tipp mit dem Muse­um. Warst du auch im Muse­um der zer­bro­che­nen Bezie­hun­gen? Das fand ich groß­ar­tig.

      LG

  2. Avatar von Maria-Bettina Eich

    Wun­der­schö­ne Geschich­te!

  3. Avatar von sandra on the go

    I like this blog:-)
    Gree­tings from Nor­way!

    1. Avatar von Alexandros Tsachouridis
      Alexandros Tsachouridis

      Yes, me too – and becau­se the girl took very good images, I send it for­ward to my fri­ends in Ser­bia 😉

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