Lost Places und die schönsten Strände am Cabo de Gata

Hel­ler Staub wir­belt durch die Luft. Der Wind weht den Sand zwi­schen den lee­ren Häu­sern vor sich her. Unter mei­nen Schrit­ten knar­ren die Holz­plan­ken der Veran­da, als in der Fer­ne plötz­lich drei Rei­ter in Sicht kom­men. Lang­sam tra­ben die drei auf der Dorf­stra­ße in mei­ne Rich­tung. Es ist fast Mit­tag und die Son­ne brennt heiß vom Him­mel her­ab.

In mei­nem Kopf erklingt eine Melo­die von Ennio Morico­ne. Ich bin mit­ten drin in der Welt  der guten alten Wes­tern. Wie im Film hängt das Fens­ter des Gemischt­wa­ren­la­dens, an dem ich stau­nend vor­bei­schlen­de­re, schon halb aus den Angeln. Das glück­li­che Grin­sen will ein­fach nicht aus mei­nem Gesicht ver­schwin­den. Die Cow­boys sind mitt­ler­wei­le auf dem Dorf­platz vor dem Saloon ange­langt. Auch wenn die Lai­en­schau­spie­ler ver­mut­lich kei­nen Oscar für ihre holp­ri­ge Dar­stel­lung gewin­nen wür­den, bin ich völ­lig hin und weg.

Im Saloon stellt sich dann raus, dass die Bar­da­me, die sich gera­de noch mit ange­leg­tem Gewehr hin­ter dem Tre­sen eines läs­ti­gen Gas­tes erwehrt hat, aus mei­nem Nach­bar­dorf stammt. Schnell kom­men wir ins Gespräch. Wäh­rend mei­ne Augen auf den zahl­rei­chen Fotos an den Wän­den Charles Bron­son, Clint East­wood und Yul Bryn­ner erbli­cken, erzählt sie mir von all den Hol­ly­wood­pro­duk­ti­on, die hier in den sech­zi­ger Jah­ren gedreht wur­den. Sogar Till Schwei­ger hat hier in der Wüs­te von Alme­ria schon den Lucky Luke gespielt.     

 

Doch irgend­wann muss ich Fort Bra­vo, das Wes­tern­dorf in der Wüs­te, wie­der ver­las­sen. Im Stall wie­hert ein Pferd, ein Marl­bo­ro Mann rei­tet mür­risch drein­bli­ckend an mir vor­bei. Dann bin ich wie­der drau­ßen. In dem klei­nen Ort Taber­nas bin ich näm­lich noch mit Cris­ti­na ver­ab­re­det. Pas­send in wüs­ten-beige geklei­det, fah­ren wir stan­des­ge­mäß im Jeep über holp­ri­ge Pis­ten in einen ande­ren Teil des Desier­to Taber­nas. Cris­ti­na erklärt all die­se bizar­ren und wun­der­li­chen Fels­for­ma­tio­nen, die Mut­ter Natur hier her­vor­ge­bracht hat und ich stau­ne über die­se unbän­di­gen Kräf­te der Erde, die die­se Land­schaft gestal­tet haben.

 

 

Am nächs­ten Mor­gen wecken mich die ers­ten Son­nen­strah­len, die ich im Gesicht spü­re. Der Duft von Jas­min lockt mich in den Gar­ten. Insek­ten schwir­ren schon früh zwi­schen den Blü­ten der Oran­gen­bäu­me und Jas­min­sträu­cher umher. Cars­ten, der Besit­zer des Cor­ti­jo del Sar­mi­en­to, kommt mir mit einem Korb frisch gepflück­ter Oran­gen ent­ge­gen. Die sind für den Saft zum Früh­stück! Das Cor­ti­jo ist näm­lich ein altes Land­haus in der Nähe von Mojá­car,  das Cars­ten und Yvonne vor ein paar Jah­ren zu einem gemüt­li­chen Bed and Break­fast umge­baut haben. Mit­ten in der Natur, mit Blick auf die Sier­ra Neva­da. Jetzt vor dem Früh­stück taucht die Son­ne Anda­lu­si­ens die hüge­li­ge Land­schaft um mich her­um gera­de in die­se unwirk­li­chen Far­ben. Ein Schim­mer von Rosa, gemischt mit etwas Röt­li­chem und dazwi­schen die­ses gold­gel­be Licht. Wie ein gigan­ti­scher Schein­wer­fer beleuch­ten die Son­nen­strah­len die schnee­wei­ßen Wän­de.

 

 

Alme­ria ist so ganz anders als das Anda­lu­si­en, das ich bis­her gese­hen habe. Eine fast ver­ges­se­ne Ecke im Süden Spa­ni­ens. Yvonne schwärmt vom Cabo de Gata, einem Natur­park der sich von Mojá­car bis in die Nähe der Stadt Alme­ria erstreckt. Und den will sie mir heu­te zei­gen. Gleich nach dem Früh­stück fah­ren wir los. Der mitt­ler­wei­le zum Glück geschütz­te Land­strich wird von unzäh­li­gen Hügeln und klei­nen Schluch­ten durch­zo­gen, die am Meer in einer zer­klüf­te­ten wild­ro­man­ti­schen Küs­te enden.

Der ers­te Strand, den wir errei­chen ist die Playa de los Muer­tos. Von oben bli­cke ich hin­ab auf den brei­ten Sand­strand, der wei­ter hin­ten an einer Fels­wand endet. Vor lan­ger Zeit soll man dort eine Höh­le mit Ske­let­ten ent­deckt haben, angeb­lich Pira­ten, die ihre Toten hier begra­ben haben sol­len.  Und so hat man dem Strand dann die­sen Namen gege­ben, playa de los muer­tos, Strand der Toten.

 

 

Wir fah­ren ein­mal um die Mesa de Rold­an, einen erlo­sche­nen Vul­kan­kra­ter her­um zur nächs­ten Bucht. Einst befand sich hier ein­mal ein ech­tes Koral­len­riff. Doch das ist vie­le Jahr­tau­sen­de her. Hin­ter dem Dörf­chen Agua Amar­ga führt ein Weg durch ein aus­ge­trock­ne­tes Fluss­bett, dann ste­hen wir end­lich an der Steil­küs­te.

 

 

Um zur Cala de Enme­dio, die nun unter uns liegt, zu gelan­gen, müs­sen wir aber noch den Hügel umrun­den. Jetzt geht es nur noch zu Fuß wei­ter. Auf einem schma­len Tram­pel­pfad über Stock und Stein. Der Weg schmiegt sich an den Fel­sen ent­lang und ver­schwin­det in der Land­schaft. Schon nach der ers­ten Bie­gung füh­le ich mich wie in der Wei­te einer ein­sa­men Step­pe. Ver­schwun­den sind Städ­te, Men­schen, All­tags­sor­gen. Hier ist nur Natur. Und heu­te noch jede Men­ge Wind. Mei­ne Gedan­ken schwei­fen vor sich hin, wäh­rend ich einen Fuß vor den ande­ren set­ze. Jedes Mal wenn ich auf­bli­cke, sieht der klei­ne Berg vor mir wie­der anders aus.

 

 

Und dann ste­he ich am Strand. An den Sei­ten der klei­nen Bucht ragen die Klip­pen weiß wie Krei­de und sehr steil in den blau­en Him­mel. Es sieht so wun­der­schön aus! Wenn es auch nur ein biss­chen wär­mer wäre, wür­de ich mich sofort ins Was­ser schmei­ßen, so schön klar und hell­blau leuch­tet das Mit­tel­meer hier. Doch es ist win­dig und lei­der auch ziem­lich kalt. Ich begnü­ge mich also lie­ber damit, den Wel­len zu zuse­hen, wie sie stür­misch ans Ufer brau­sen.

 

 

Auf unse­rem Weg durch das Cabo de Gata zeigt Yvonne mir noch vie­le ein­sa­me und ver­las­se­ne Höfe am Weges­rand. Man­che Gebäu­de sind nur wirk­lich noch Rui­nen. Längst lebt hier nie­mand mehr und nur die Grö­ße der Gebäu­de erin­nert dar­an, dass dies ein­mal ein Ort vol­ler blü­hen­dem Leben gewe­sen sein. Viel­leicht stan­den hier ein paar Esel im Stall und Zie­gen auf der kar­gen Wie­se vor der Tür, Wäsche flat­ter­te im Wind. Eine der schöns­ten Rui­nen ist der Cor­ti­jo del Frai­le hin­ter dem Dorf Alb­ari­co­ques. Wenn man den Leu­ten aus der Gegend glau­ben schenkt, hat sich hier ein­mal ein ech­tes Dra­ma abge­spielt. Der Besit­zer des Cor­ti­jos woll­te sei­ne Toch­ter zwangs­ver­hei­ra­ten. Doch sie lieb­te einen ande­ren und ver­such­te mit ihm zu flie­hen. Das Ende ist blu­tig. Der gro­ße spa­ni­sche Dich­ter Feder­i­co Gar­cia Lor­ca hat über die­sen Vor­fall eine bewe­gen­de Erzäh­lung geschrie­ben: Bodas de Sang­re, Blut­hoch­zeit.  Und Regis­seur Ser­gio Leo­ne hat das Gehöft so sehr beein­druckt, dass er hier „The Good the Bad and the Ugly“ gedreht hat.

 

 

Als wir spät am Abend ins Cor­ti­jo zurück­kom­men, liegt wie­der die­ses beson­de­re Licht über der Land­schaft. Mojá­car liegt vor uns, oben auf einem Hügel. Wei­ße Häus­chen, von den letz­ten Strah­len der Son­ne erleuch­tet, schmie­gen sich dort eng an die Fel­sen. In den alten Gas­sen des klei­nen Ortes hän­gen bun­te Blu­men an den schnee­weiß getünch­ten Wän­den. Aber das sehe ich schon gar nicht mehr, denn ich fal­le ein­fach nur noch tod­mü­de ins Bett.

 

 

Auf Ein­la­dung von Cor­ti­jo el Sar­mi­en­to,  Cami­no de Gatar 2, 04638 Mojá­car (Alme­ría) 

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