In Mawlamyine

Das Tor steht offen. Drin­nen befin­det sich eine völ­lig ver­rot­te­te Anla­ge für Hoch­sprung, Weit­sprung und Ham­mer­wurf. Viel­leicht noch mehr, was aber nicht mehr zu iden­ti­fi­zie­ren ist. Wenn hier die Eli­te des Lan­des trai­niert, wun­de­re ich mich nicht, dass ich noch nie etwas von einer bur­me­si­schen Olym­pia­mann­schaft gehört habe.

Auf der Hügel­ket­te, die den wich­ti­ge­ren Teil der Stadt am Was­ser vom Hin­ter­land trennt, ste­hen eini­ge wun­der­schö­ne Stu­pas und dem Ver­fall preis­ge­ge­be­ne Klös­ter.

Viel­ver­spre­chend scheint die Insel „Bilu Kyun“ im Fluss­del­ta zu sein, die man unter dem Namen Men­schen­fres­ser-Insel kennt. Mit der Fäh­re und in Beglei­tung mei­ner fran­zö­si­schen Zim­mer­nach­ba­rin vom Hotel geht es zur Insel. Dort ange­kom­men wer­den wir wie üblich von Rik­scha­fah­rern, Motor­rad­ta­xis und Kut­schern bela­gert, die sich ein­fach nicht mit unse­rer Aus­re­de, wir sind nur zum Bil­lard­spie­len her­ge­kom­men – da steht mit­ten im Sand ein Bil­lard­tisch – zufrie­den­ge­ben wol­len. Mit allen Tricks ver­su­chen sie, uns dazu zu brin­gen, ein authen­ti­sches Dorf zu besich­ti­gen, das natür­lich am ande­ren Ende der Insel liegt und nur mit Fah­rer zu errei­chen ist. Adri­en­ne, die hier ihren Urlaub ver­bringt, will sich natür­lich nichts ent­ge­hen las­sen, und es kos­tet mich eini­ge Mühe, sie davon zu über­zeu­gen, nicht ins soge­nann­te „authen­ti­sche Dorf“ zu fah­ren. Zu Fuß gehen wir kei­ne zehn Minu­ten, bis wir in einem tat­säch­lich authen­ti­schen Dorf ankom­men.

Über­all lächelt man uns zu und von allen Sei­ten wird gewun­ken. Unter den meis­ten Häu­sern, die hier fast alle auf Stel­zen ste­hen, erhal­ten wir Ein­bli­cke in den Arbeits­all­tag der Dorf­be­woh­ner. Vie­le im Dorf gehen tra­di­tio­nel­len Hand­werks­be­ru­fen nach. Rings um das Dorf sind Reis­fel­der, soweit das Auge reicht. Wir bekom­men bei einem Kokos­raspler Kokos­milch ange­bo­ten, Kin­der wol­len mit aufs Foto oder spie­len spon­tan „Wer hat Angst vorm wei­ßen Mann“ mit uns. Auch hier stei­gern sich die Kin­der zum Ver­gnü­gen in eine gespiel­te Angst vor uns Lang­na­sen hin­ein und ren­nen krei­schend und lachend vor uns weg, um kurz dar­auf wie­der so nahe wie mög­lich her­bei­zu­lau­fen, bevor sie die nächs­te „Angst­at­ta­cke“ packt und sie wie­der alle durch­ein­an­der davon­lau­fen. Das ange­neh­me an die­sem Spiel ist, man muss als Erwach­se­ner nichts zum Spiel­ver­lauf bei­tra­gen. Es ist ein ech­ter Selbst­läu­fer. Eine Grup­pe Kin­der führt uns über eine hal­be Stun­de durchs Dorf. Ich hän­ge die gan­ze Zeit gebückt an der win­zi­gen Hand eines klei­nen Mäd­chens in einem grü­nen Kleid mit Schlei­fen, das unun­ter­bro­chen vor Freu­de strahlt. Als wir unter einem Son­nen­dach Pau­se machen, wer­den wir von einem alten Mann mit Glat­ze und Son­nen­schirm in sein Haus ein­ge­la­den, in dem er mit sei­nem Bru­der lebt. Das Holz­haus ist ordent­lich gebaut. Wir stei­gen die Trep­pe hin­auf und tre­ten ein. Drin­nen ist alles sehr ein­fach. Eine klei­ne Kom­mo­de, ein klei­ner Tisch, zwei Stüh­le und ein Lie­ge­stuhl ste­hen dar­in. Auf dem Boden lie­gen Mat­ten und eini­ge kunst­voll gefer­tig­te Kis­sen. Der Mann stellt uns sei­nen gebrech­li­chen Bru­der vor, der im Lie­ge­stuhl sitzt. Er scheint im glei­chen Alter wie er selbst zu sein. Wir fra­gen nicht danach, doch er ver­rät es uns. Er ist 71 und sein Bru­der 76 Jah­re alt. Er sieht uns den Durst wohl an und ver­kün­det, sofort los­zu­ge­hen, um uns etwas zu trin­ken zu kau­fen. Dass wir uns mit Was­ser begnü­gen wol­len, inter­es­siert ihn nicht. Weni­ge Minu­ten spä­ter kommt er zurück und bringt uns Ener­gy-Drinks mit Stroh­hal­men mit. So sit­zen wir noch eine hal­be Stun­de, haben Gum­mi­bär­chen­ge­schmack im Mund und wer­den inter­viewt.

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