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Sicherlich eins der letzten großen Abenteuer und Traum eines erfahrenen Backpackers: einmal den Kongo befahren mit allen seinen Tücken und Unberechenbarkeiten.
Schon vor meinem Abflug habe ich die Option den Fluss Kongo herunter zu fahren in Erwägung gezogen, dann aber aufgrund der Visaformalitäten und des ungewissen Zeitpunkts der Einreise das Abenteuer begraben und mich nicht weiter damit beschäftigt. Ein Traum blieb es dennoch.
Als ich dann am Nyiragongo Dirk und Dieter traf und sie mir von ihrem »Plan« erzählten, den Kongo zu bezwingen, gab ich mir knapp 24h Bedenkzeit, nämlich genau die Zeit für den Auf- und Abstieg am Nyiragongo. Danach stand fest, dass ich mich dem Abenteuer anschließen werde. Zwei Hürden standen nur noch im Wege: mein Visa für die DR Kongo war mit 14 Tagen zu kurz und ich hatte noch keinen Flug nach Kisangani. Es sollten nervenaufreibende Tage werden.
Die Leiden der Administration
Wie es oft im Leben eines Reisenden ist, sind spontane Entscheidungen oft die besten, aber bringen manchmal auch eine Menge Arbeit mit sich.
Der Tag des Abfluges nach Kisangani ist nun endlich gekommen. Ich habe zwar noch keinen Reisepass und keinen Flug, aber die Motivation, es noch rechtzeitig zu schaffen. Pünktlich zum Eintreffen der ersten Immigrations-Beamten sitze ich schon auf der Wartebank im Vorgarten und werde auch glatt gefragt, ob ich dort übernachtet habe. Dann geht alles sehr schnell und wie versprochen halte ich kurze Zeit später meinen Reisepass samt Visum in der Hand. Ich eile nun fix zum Büro der kongolesischen Fluggesellschaft CAA, um meinen Flug zu buchen. Freudestrahlend verlasse ich eine Weile später das Büro.
Kein Weg zurück
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Kurz nach 10 steige ich zusammen mit Dieter und Dirk auf drei Mototaxis und ab geht die Fahrt zum Flughafen. Dort werden wir von einer Passagierbetreuerin von CAA durch den sehr chaotisch scheinenden Prozess des Eincheckens begleitet. Chaotisch auch nur deshalb, weil sie auf unseren Namen anscheinend noch mehr »Gepäck« buchen und sich somit ein Zubrot durch Luftfracht verdienen. Nur sollte das nicht auffallen und so gibt es ein riesiges Gewusel um uns herum und mein Boarding Pass braucht auch etwas länger.
Die Sicherheitskontrolle beschränkt sich auf ein freundliches Lächeln. Dafür nehmen die Beamten der Migrationsbehörde DGM ihre Pflichten sehr ernst und verhören mich zu unseren Reiseplänen. Die Beamten verstehen nicht ganz, warum wir nicht das Flugzeug nach Kinshasa nehmen, das ginge doch viel schneller und komfortabler. Wo sie Recht haben, haben sie Recht.
Die Damen des Gesundheitsamtes nehmen ihre Aufgaben ebenfalls sehr gründlich wahr. Nicht nur Gelbfieber, sondern auch Meningokokken und andere Impfungen stehen auf ihrer Checkliste. Glücklicherweise bestehen unsere Impfpässe auch diese Prüfung.
Kisangani: verblasste Schönheit
Stanleyville muss eine wunderschöne Stadt gewesen sein. Im Flughafen aus den 1970er Jahren können wir noch Elemente von Holzvertäfelung und Kronleuchtern bestaunen. Manches Asphaltstück sehnt sich nach besseren Tagen zurück und gibt meist gegen die Verwüstung der Straßen auf. Die Flusspromenade lässt noch an vielen Parkbuchten, Treppen und der ein oder anderen Mauer erkennen, dass die glanzvollen Tage gezählt sind und es einmal reges automobiles Treiben auf den Straßen gab. Die Innenstadt hat noch ehemalige Prachtbauten, die sich leider einer Verwahrlosung ausgeliefert sehen. Mit viel Phantasie sieht man im heutigen Kisangani noch die einstige Pracht mit Palmenalleen und schön angelegten Flaniermeilen.
Es ist schwer, Bilder von Kisangani zu machen, denn fast jeder fühlt sich, auch wenn er nicht auf dem Bild ist, angegriffen und man wird dann auch mal von der Polizei aufgegriffen.
Die von den kriegerischen Auseinandersetzungen gebeutelte Stadt am Kongo Fluss erholt sich nur langsam.
Die Wagenia-Wasserfälle in unmittelbarer Nähe von Kisangani sind noch eine Attraktion. Die Fischer haben hier die volle Kontrolle übernommen. Wir beschließen mit einem fernen Blick die Wasserfälle zu betrachten und die einzigartige Korbfischerei auszulassen.
Abends streifen wir durch die Stadt um uns an einem der Straßenstände etwas zu Essen holen, bevor wir durch die fast dunkle Stadt zurück zum Hotel schlendern.
Die Qual der Wahl: Das Boot
Alles was schwimmt könnte für dieses Abenteuer in Frage kommen. Durch meinen Guide in Goma habe ich einen Kontakt zu Mama Louise bekommen. Hausfrau, Geschäftsfrau und im Tourismusgeschäft involviert. Eine gute Seele in Kisangani, viel wissend und engagiert. Sie reserviert uns die erste Option, um nach Kinshasa zu kommen: einen großen Schubboot-Verband auf dem wir ein Zelt auf dem Achterdecke aufschlagen hätten können und dann in der Kapitänsloge den Tag verbracht hätten. Diese Fahrt sollte zwei Wochen dauern, aber ich denke mal drei bis vier Wochen sind realistischer.
Option 2 ist ebenfalls ein Schubboot, welches uns nach Lisala bringen könnte. Diese Option vereinbaren wir dann auch, weil uns wahrscheinlich bis Kinshasa todlangweilig werden würde und wir auch noch eine Landquerung im Kongo einbauen wollen. Die Fahrt soll vier Tage gehen und nach Verhandlungen 66 $ pro Person kosten. Unser Zelt können wir hier auf dem Schubfloß aufgebaut und bekommen sogar noch ein Auto als Unterschlupf.
Was uns an Option 1 und 2 etwas stört: es ist gerade erstmal Donnerstag und die Boote sollen Montag oder Dienstag losfahren. Wie sicher dieser Abfahrtstermin ist, steht für uns in afrikanischen Sternen. Kisangani vor Augen und die limitierten touristischen Möglichkeiten wird uns sicher bald langweilig werden und wertvolle Zeit rinnt uns durch die Finger.
Wir schauen uns deshalb nach weiteren Optionen um. Etwas aussichtslos ist unsere Suche schon und wir laufen einfach entlang des Kongo auf der Suche nach etwas schwimmfähigen.
Freitag Nachmittag stoßen wir auf eine Baleinière, ein kleines Handelsschiff. Schon fast voll beladen wollen die Herren am nächsten Morgen in See stechen und bis Bumba fahren. Option 3 ist geboren. Schlafplatz kann die Kapitänskajüte sein, unser Zelt an den Übernachtungsplätzen oder einfach auf der Ladung. 30 $ pro Person soll uns der Spaß nach kleinen Verhandlungen kosten. Die Kajüte 10 $ pro Person extra. Die Fahrzeit wird mit drei bis vier Tagen angegeben.
Wir ziehen uns in unser Stamm-Café Meera in der Nähe der Post zurück und beraten unsere Optionen. Die Entscheidung fällt auf Option 3. Auch wenn etwas spontan, überhastet und mit offenen Fragen, gefällt uns das Vorhaben immer besser, da wir Kisangani verlassen können und vorwärts kommen.
Boarding complete?
Jetzt heißt es nur noch die Vorbereitungen für die Abfahrt treffen und einkaufen gehen. Als Proviant für vier Tage werden Corned Beef, Dosenfisch und Brot auserkohren. Ein Glas nußigen Brotaufstrich und Margarine gönnten wir uns auch; Kekse als Nachspeise. Wir kalkulierten Wasser für drei Tage, in der Hoffnung nicht zu lange unterwegs zu sein und unterwegs Nachschub zu finden oder uns Wasser abkochen zu lassen.
Samstag Morgen schleppen wir uns nun samt Vollverpflegung zum Boot. 8 Uhr war uns als Abfahrtszeit genannt worden. Wir sind also da. Die Kathedrale von Kisangani als schützende Ikone hinter uns, setzen wir uns erstmal und schauen dem Treiben zu. Es werden immer noch Waren aufgeladen bis sich 51 Tonnen über und unter Deck, auf seitlichen Pirogen und im Führerhaus inklusive Gängen stapelen. Die Kathedrale dient uns in erster Hinsicht als Energiespender. Die ganze Nacht gab es keinen Strom, sodass wir elektrischen Beistand gebrauchen können. Bis kurz vor Abfahrt sind unsere Akkus wieder gut geladen und fürs Abenteuer bereit.
Unsere Freunde der DGM besuchen uns am Schiff und nehmen noch unsere Daten und das Passagiermanifest auf. Um 12 Uhr legen wir »pünktlich« (es war ja noch Samstag) ab.
Tag 1 bis…wann war nochmal Ankunft?
12 Uhr Samstag geht es los. Wir machen es uns in unserer Kabine bequem und erklimmen das Dach der Fahrerkabine. Bewaffnet mit Sonnencreme und Fotoapparat, können wir die ersten, ungestörten Bilder von Kisangani und der Umgebung machen. Unser Boot erweist sich als Glücksgriff bezüglich Mitreisenden. Sie sind uns gute Fremdenführer und erklären uns die Geschichte der einzelnen Gebäude entlang des Flusses. Von kolonialen Altbauten, über kongolesisch-historischen Orten zu einzelnen Fabriken am Ufer. Neben diesen Sehenswürdigkeiten wird es schnell eintönig Urwald soweit das Auge reichte.
Für Abwechslung sorgen Dörfer und Siedlungen. Am ersten Tag schaffen wir 70 km und legen um 19 Uhr in völliger Dunkelheit kurz vor Yangambi an. Bis auf Pirogen, können die größeren Schiffe aufgrund von Untiefen nachts nicht navigieren und müssen anlegen.
Ein uns aus anderen Situationen bekanntes Klopfen aus dem Motorraum kündigt ungutes an. Am nächsten Tag legen wir nicht um 6 Uhr mit Sonnenaufgang ab, sondern wegen Motorproblemen erst um 7:30 Uhr. Kurz vor Mittag erneut zwei Stunden Zwangspause. Um 16:30 ist dann die Fahrt nach nur 47 km am Tag 2 vorbei. Kurz nach Isangi zweifeln wir langsam an einer Ankunft in Bumba und schauen uns nach nicht existierenden Optionen auf dem Landweg um. Dies sollte uns aber erspart bleiben, denn am Tag 3 laufen wir sehr früh aus. Begleitet von einem Freudentanz des Piraten, den von uns liebevoll so getauften Mitreisenden.
126 km bringen wir an Tag 3 hinter uns. Eine kurze Freude ist das immer mal aufblitzende Mobilfunknetz. Im lokalen Sprachgebrauch auch als Rebellennetz bezeichnet, mal da, mal nicht und immer sehr störrisch.
Am vierten Tag schaffen wir nicht ganz so viel, da wir unterwegs die meisten unserer Mitreisenden absetzen. Das Boot wird am letzten Abend nach 334 gesamten Kilometern sehr ruhig und leer.
Jede Tonlagenänderung des Motors, jede Drosslung der Geschwindigkeit weckt bei uns die Befürchtung, wieder eine Panne zu haben. Beunruhigend, für geübte Mechaniker sicherlich beruhigend, ist die Ersatzteilsammlung unter dem Bett in unserer Kabine.
Tag 5, Mittwoch, kann somit heranbrechen.
Länger muss man unserer Meinung nicht auf dem Schiff sein. In fünf Tagen kann man jede erdenkliche Situation erleben, Bücher verschlingen, sich an die Menschen und Geschichten an Bord anpassen und ausführliche Gespräche führen. Die Landschaft ändert sich nicht, auf Dörfer folgen Dörfer und der Ausblick wird nur durch Tageszeiten und Wetter verändert.
Sternenklar und gut gekühlt
Unser Glück verfolgte uns bis in die Nacht. Von Mathieu, dem Buchhalter des Schiffes, bekommen wir eine Matratze am ersten Abend gereicht. Als Teil der Ladung nutzen wir diese bequeme Alternative zu unseren Isomatten ausgiebig.
Die Nächte bleiben bis auf eine Ausnahme sternenklar und statt in der von Ungeziefer geplagten Kabine zu nächtigen, legen wir uns aufs Dach. Abends noch leicht zugedeckt, wird es in der Nacht kälter und wir schlafen wie im Traum unterm Sternenhimmel. In der Nacht besucht der Mond die Dunkelheit und am Morgen wachen wir vom Morgentau belegt auf. Die aufgehende Sonne trocknet aber schnell die Umgebung und ein neuer Tag kann beginnen.
Hunger und Durst
Wir haben uns gut für vier Tage eingedeckt. Mit etwas gutem Willen vertrauen wir auch auf kleine Snacks zwischendurch. Wir sollen nicht enttäuscht werden. Schon im ersten Übernachtungslager treiben wir Bananen und Erdnüsse auf. Am nächsten Morgen nach dem Ablegen werden wir von Frühstückspirogen »überfallen«. Sie bringen uns Manjok und Fisch. Eine geräucherte Schlange zum Snack durfte auch nicht fehlen. Ein Fuchs wird uns auch tod aufs Boot gebracht und mein Sitznachbar kaut den einen Nachmittag gemütlich auf Hähnchen, was aber eher nach Fledermaus aussieht.
Unsere freundlichen Mitreisenden und die Crew helfen an jedem Halt unseren Bananenhunger zu stillen. Verhungern werden wir auf dem Boot definitiv nicht.
Wasser wird hingegen dann schon langsam eng. Erst kurz vor Bumba gibt es in einem Ort wieder Wasser in Flaschen.
Das Lächeln der Menschen
Mit besten Erfahrungen mit Kongolesen werde ich aus diesem Abenteuer heraus gehen. Sie überraschen uns mit Freundlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft. Vom Ufer rufen uns die Kinder »Mundele« (»Weißer«) zu. Unsere Begleiter erzählen offen über ihr Leben und stellen interessiert Fragen über uns. An jeder Anlegestelle in die Dörfer begleiten sie uns, verhandelen am Markt unsere Einkäufe und bringen uns in direkten Kontakt als Übersetzer.
Am zweiten Tag, unserem Pannentag, erleben wir das ungeschönte Leben auf dem Land. Kinder spielen mit ungesehenem Elan Fußball, zeigen uns stolz ihren großen Platz. Frauen kochen am Ufer, während einige Männer die Fischernetze flicken. Nach dem Fußballspiel rennen die Kinder einfach die Böschung hinunter um sich im Kongo Fluss abzukühlen.
An anderen Orten üben sie Saltos im Wasser und planschen unbeschwert. Uns gegenüber können wir ihnen manchmal Angst ansehen, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen weißen Mann sehen. Am Abend des vierten Tages wird uns von der Dorfgemeinschaft ein 30 Minuten altes Baby vorgestellt. Etwas verschämt steht auch der Vater in hinterster Reihe.
Unsere Erlebnisse sind einzigartig und unzensiert. Hier sind die Menschen noch nicht an Touristen gewöhnt.
Die letzten Meter
Nach 381 Kilometern ist Bumba fast erreicht. Wir haben die Sonne bezwungen, die sternenklaren Nächte bewundert, Pannen am Motor und Antrieb ertragen, Menschen kennengelernt, Freundschaften geschlossen, Essen geteilt und uns wieder von einer Sandbank befreit. Es fehlt aber noch der Klassiker: Sprit alle.
Genau zwei Kilometer vor Bumba tuckern wir nur noch kurz und legen schnell an. Drei Liter fehlen uns. Dies kann uns aber nicht lange aufhalten. Wir erreichen nach vier vollen Fahrtagen Bumba. Ein kurzer Besuch bei der DGM und zu Fuß geht es über einstige Prachtstraßen in die Stadt. Unser Kapitän John begleitet uns noch bis zur katholischen Mission, wo der erste Teil des Abenteuers Kongo sein Ende findet. Das Ziel bleibt Kinshasa. Der Weg dorthin wird eine weitere Herausforderung werden.
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