Immer der Acht nach

Es gibt kaum eine schö­ne­re Art, ein Land ken­nen­zu­ler­nen, als vom Sat­tel eines Fahr­rads aus. Sagt kein klu­ger Pro­mi­nen­ter, son­dern sage ich. Nach­dem ich einen Teil des neu­en, etwa 820 Kilo­me­ter lan­gen Ost­see­rad­wegs gefah­ren bin, der in Form einer Acht durch den Süden Däne­marks führt. Ich rad­le bei Schön- und Mist­wet­ter auf den knapp 140 Kilo­me­tern durch Søn­der­jut­land, ver­kos­te Hot­dogs und lan­de neben­bei auf dem Jakobs­weg.

Küs­ten­wäl­der und Kaf­fee­ta­feln

Däne­mark ist für mich seit Lan­gem Syn­onym mit Ent­span­nung. Mit einem Land, wo ich nicht über­all High­lights abklap­pern muss, son­dern durch­at­men kann. In der Natur, an Nord- oder Ost­see, wo ich bei Hot­dogs und Soft­eis die Kalo­rien ver­ges­se. Mei­ne Rei­se nach Søn­der­jut­land folgt einer wei­ßen Acht auf rotem Hin­ter­grund, die wie­der­um auf einem blau­en Schild mit Fahr­rad­zei­chen und der Bezeich­nung „Øster­søru­ten“ steht. Ich möch­te einen Teil der im Mai 2018 ein­ge­weih­ten Ost­see­fahr­rad­stre­cke erra­deln, die an der Gren­ze zu Deutsch­land bei Pad­borg unweit von Flens­burg beginnt, über die Inseln von Syd­fyn und wei­ter über die öst­li­chen Inseln Lol­land, Fals­ter und Møn mit sei­nen berühm­ten Klip­pen führt, dann über Fyn, den Lil­le­bælt und durch Søn­der­jut­land zurück nach Pad­borg. Der Weg beschreibt eine etwas unge­bü­gel­te Acht, führt oft am Meer ent­lang, doch das Bes­te: Nichts ist in Stein geschrie­ben, es gibt ver­schie­de­ne Schlei­fen und Abste­cher, die nach Tages­etap­pen schrei­en. Ich neh­me mir Søn­der­jut­land vor, eine geschichts­träch­ti­ge Regi­on mit einem von Däne­marks längs­ten Küs­ten­wäl­dern, Schlös­sern und natür­lich der süd­jülän­di­schen Kaf­fee­ta­fel.

Mei­ne per­sön­li­che Ost­see­rou­te beginnt in Søn­der­borg an der Flens­bur­ger För­de, durch das der soge­nann­te Als Sund rinnt. Wäh­rend ich durch das Schloss aus dem 12. Jahr­hun­dert spa­zie­re, einem fens­ter­rei­chen Back­stein­bau, atme ich nicht nur Stadt- son­dern auch ein Stück deut­scher Geschich­te. Erst­mals lese ich – zuge­ge­ben ein ech­ter Geschichts­ba­nau­se – vom Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Krieg zwi­schen 1848 und 1850 und vom Deutsch-Däni­schen Krieg 1864. Nach lan­gem Bom­bar­de­ment schaff­ten es die Preu­ßen, Søn­der­borg zu erobern, das seit­dem zu Preu­ßen gehör­te und ab 1871 zum Deut­schen Reich. 1920 kam es zu einer Volks­ab­stim­mung – woll­te man lie­ber preu­ßisch oder dänisch sein? Dem Aus­gang der Wah­len ist fast ein gan­zer Raum im Schloss gewid­met. Um es kurz zu fas­sen: Däne­mark gewann, die deutsch-däni­sche Gren­ze wur­de etwa 70 Kilo­me­ter nach Süden ver­legt.

Dass sogar die berühm­te süd­jüt­län­di­sche Kaf­fee­ta­fel, søn­der­jysk kaff­ebord, mit Krieg zu tun hat, erfah­re ich wenig spä­ter von Ger­da Bou­ma, einer gebür­ti­gen Nie­der­län­de­rin, die seit Jahr­zehn­ten im Süden Däne­marks lebt und für die dor­ti­ge Tou­ris­mus­be­hör­de arbei­tet. „Die Kaf­fee­ta­fel hat sich zu einer ech­ten Insti­tu­ti­on ent­wi­ckelt, denn sie ent­stand wäh­rend des däni­schen Frei­heits­kamp­fes 1864.“ Wie­der die­se Jah­res­zahl. Damals hät­ten sich vie­le Süd­jüt­län­der, die mit dem Ein­fall der Preu­ßen gar nicht ein­ver­stan­den waren, in Ver­samm­lungs­häu­sern ohne Schank­ge­neh­mi­gung getrof­fen und dort ver­bo­te­ne däni­sche Lie­der ange­stimmt. Auf­grund des Alko­hol­ver­bots tra­fen sich die fin­di­gen Dänen zum Kaf­fee – samt rie­si­gem Kuchen­buf­fet. Wer Teil­neh­mer woll­te, brach­te Kuchen mit, wor­aus sich ein rich­ti­ger Haus­frau­en­wett­be­werb ent­wi­ckel­te. Neben Chris­ti­ans­fel­der Honig­ku­chen und Schmalz­ku­chen steht heu­te noch die Brot­tor­te oben auf der Hit­lis­te, eine Köst­lich­keit aus gerie­be­nem Schwarz­brot, Schwar­zer Johan­nis­beer­mar­me­la­de und Schlag­sah­ne.

Um der süßen Ver­su­chung aus dem Weg zu gehen, schwingt man sich am bes­ten schnell aufs Rad – für eine leich­te Ein­stei­ger­etap­pe in Rich­tung der Insel Als, auf der auch der Ost­teil von Søn­der­borg liegt. Die Ost­see­rou­te, N8, führt bis Fyns­hav an der Küs­te, von dort gin­ge es eigent­lich mit der Fäh­re rüber zur Insel Ærø im süd­fy­ni­schen Insel­meer. Aber ich blei­be in Søn­der­jut­land und mache einen Abste­cher zu einem der längs­ten Küs­ten­wäl­der Däne­marks, Nørr­es­ko­ven, weni­ge Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich. Die Stre­cke führt über eine per­fekt asphal­tier­te Stra­ße, auf der sel­ten mal ein Auto vor­bei­kommt. Um ans Was­ser zu gelan­gen, rol­le ich über Stein­we­ge. Jedes Mal emp­fängt mich abso­lu­te Stil­le, nicht ein­mal die Ost­see wagt es, die Ruhe mit Plät­schern zu durch­bre­chen. Die klei­nen Kie­sel­stein­strän­de sind ver­waist, Pick­nick- und Grill­plät­ze eben­so, nur an einer Stel­le schre­cke ich einen Ang­ler auf. Ja, dies ist Süd­dä­ne­mark, wie ich es mir vor­ge­stellt habe. Idyl­le. Zeit zum Durch­at­men. Zeit für mich und mein Fahr­rad, mit dem ich in den nächs­ten Tagen noch ein wei­te­res Stück N8 unsi­cher machen wer­de.

Hot Dog mit Weit­blick

Wer am Vor­abend däni­sches Din­ner Delu­xe aus Steak­filet­stü­cken mit Frit­ten, Kar­tof­feln, Ei, Roter Bee­te, Zwie­beln und wür­zi­ger Soße geschlemmt hat – und das auch noch nach dem Prin­zip „all you can eat“ – braucht sich nicht wun­dern, wenn er am nächs­ten Mor­gen ziem­lich schwer auf dem Sat­tel sitzt.

Doch gut 60 Kilo­me­ter Rad­weg geben mir die Chan­ce, alles abzu­trai­nie­ren. Mein Ziel: Aaben­raa, die Stadt mit dem der­zeit bes­ten Trink­was­ser Däne­marks. Über den Als Sund geht es auf die West­sei­te Søn­der­borgs und vor­bei an der Wind­müh­le von Dyb­bøl sowie dem Geschichts­zen­trum Dyb­bøl Ban­ke. Wie­der fällt die Zahl 1864 in Auge, und wer Zeit hat, geht hier wie­der mit däni­scher Kriegs­ge­schich­te auf Tuch­füh­lung: In Dyb­bøl Ban­ke ereig­ne­te sich näm­lich am 18.4.1864 eine Schlacht, bei der die däni­schen Stel­lun­gen über­rannt wur­den und sich Preu­ßens Sieg ent­schied. 2014 star­te­te sogar eine Fern­seh­se­rie mit dem Titel „1864“.

Geht es zunächst noch an der wenig befah­re­nen Land­stra­ße ent­lang, führt der Fahr­rad­weg bald aufs Land, durch male­ri­sche Dör­fer mit Reet­dach­häu­sern und bei Egern­sund zurück ans Was­ser. Noch schlum­mert die Flens­bur­ger För­de in der Son­ne, doch in der Fer­ne zeich­nen sich pech­schwar­ze Wol­ken ab, die mein Rad­ler­herz sin­ken las­sen. Dabei habe ich schon vor Jah­ren in Finn­land gelernt: „Es gibt kein schlech­tes Wet­ter, nur schlech­te Aus­rüs­tung“. Minu­ten spä­ter sit­ze ich mit Regen­ho­se- und jacke auf dem Sat­tel sit­ze, wäh­rend sich der Him­mel erbar­mungs­los über mir ent­lädt.

Abge­se­hen vom Pras­seln des Regens ist es still ent­lang des Fjord­vej, wo sich an kla­ren Tagen Deutsch­land auf der ande­ren Sei­te der För­de abzeich­net, direkt hin­ter den win­zi­gen bewal­de­ten Okseø­je­ne, Och­sen­in­seln. Am Fjord­vej emp­fängt den hung­ri­gen Rad­ler auch eine Mit­tags­es­sens-Oase: Annies Kiosk, der bekann­tes­te Hot­dog-Imbiss der Regi­on, für den Besu­cher aus Deutsch­land regel­mä­ßig über die Gren­ze fah­ren. Ich quet­sche mich zwi­schen Auto- und Motor­rad­fah­rern hin­durch, nur Rad­fah­rer sehe ich kei­ne – den N8 hat­te ich bis­her für mich allein. Die Aus­wahl an Zuta­ten, die in den Hot­dog kom­men, ist eine ech­te Qual der Wahl. „Ein­mal mit alles“ führt dazu, dass das Bröt­chen nicht mehr zuklappt und ich nach dem Ver­zehr als Clowns­dar­stel­ler auf­tre­ten könn­te, aber: Es lohnt sich! Wer danach noch Platz hat, legt ein Eis oder Soft­eis drauf.

Klei­nes Schloss und gro­ßer Hafen

Bald geht es durchs Lan­des­in­ne­re gen Nor­den, über asphal­tier­te Wege zwi­schen Fel­dern, über von Bäu­men gekrön­te Alleen und durch Dör­fer, teils mit Holz­kirch­tür­men. Bevor ein Schot­ter­weg beginnt, gön­ne ich mir eine Pau­se im Gras, direkt vor einer Kuh­wei­de. Was einem wei­ßen Weib­chen zu miss­fal­len scheint, denn als ein böser Blick nicht aus­reicht, um mich zu ver­trei­ben, kommt es lang­sam bedroh­lich näher. Mir bleibt nichts ande­res übrig, als mich wie­der auf den Sat­tel zu schwin­gen und wei­ter­zu­ra­deln.

Schon von oben prä­sen­tiert sich der 16.000 See­len­ort Aaben­raa mit roten Dächern und einem lan­gen Ost­see­strand. Nach einer Ver­schnauf­pau­se auf dem schö­nen Cam­ping­platz Fjord­lyst ein paar Kilo­me­ter außer­halb des Stadt­kerns und einem Fugl­sang, echt däni­schem Bier aus Haders­lev, mei­ner nächs­ten Sta­ti­on, füh­le ich mich wie­der frisch. Na ja, nicht ganz, aber immer­hin haben Fahr­rad­un­ter- und ober­ho­se einen gut gepols­ter­ten Job ver­rich­tet. Aaben­raa steht nicht nur für sein rei­nes Trink­was­ser, son­dern auch für den moder­nen Yacht­ha­fen mit 550 Anle­ge­plät­zen, was ihn zu einem der größ­ten Däne­marks macht. Und auch eins der kleins­ten Schlös­ser des Lan­des steht in Aaben­raa: Schloss Brund­lund, das meh­re­re Tau­send Kunst­wer­ke beher­bergt, vom 18. Jahr­hun­dert bis zur Gegen­wart. Zwar ist das Schloss bereits geschlos­sen, als ich in der Alt­stadt ankom­me, doch es gibt kei­nen schö­ne­ren Aus­klang für den Tag, als durch die ver­las­se­nen Gas­sen zu schlen­dern.

Ich spa­zie­re durch die Slots­ga­de, Schloss­stra­ße, Nyga­de, Neue Stra­ße, und wei­te­re kopf­stein­ge­pflas­ter­te Gas­sen, gesäumt von bun­ten Bür­ger- und Hand­werks­häu­sern, die über­wie­gend aus dem 18. Jahr­hun­dert stam­men. Beson­ders hyg­ge­lig – gemüt­lich – wir­ken die Drei­ecks­gie­bel und Stand­er­ker, in denen man frü­her Hand­wer­ker von der Stra­ße aus bei der Arbeit beob­ach­ten konn­te. Im Café Storm am fried­li­chen Store­torv, dem gro­ßen Platz, bekom­me ich schließ­lich den bes­ten Lachs, den ich seit Lan­gem geges­sen habe, dazu But­ter­brot, Spi­nat und Ome­lette. Ja, so kann man ihn wirk­lich aus­hal­ten, den neu­en Rad­weg.

Vom Regen auf den Jakobs­weg

Von Aaben­raa geht es auf etwa 30 Kilo­me­tern wei­ter nörd­lich nach Haders­lev, wo unter­wegs man­che Bike-Sta­tio­nen alles für den Fall einer Pan­ne lie­fern – Werk­zeu­ge en mas­se, aber auch eine Luft­pum­pe.

Haders­lev, im 12. Jahr­hun­dert gegrün­det, zählt mit sei­nem impo­san­ten Dom von 1150 und der eben­falls hüb­schen Alt­stadt zu den schöns­ten Städ­ten in Süd­dä­ne­mark. Dort gibt es den Damm­park, auf dem man, wenn eine Pau­se vom Sat­tel nötig ist, auf einem Aus­flugs­boot über den Damm schip­pern und sich eine ande­re Art von Fahrt­wind um die Nase wehen las­sen kann. Oder man schlemmt bei Mist­wet­ter ein typisch däni­sches Stjer­nes­kud, ein Stück Schol­le mit Gar­ne­len, Lachs, Spar­gel und Kavi­ar, oder, wer es lie­ber flei­schig mag, Pari­ser­bøf, frit­tier­tes Rin­dert­ar­ta­re mit Eidot­ter und grü­nem Salat.

Der Dom war­tet nicht nur mit eini­gen der größ­ten Chor­fens­ter Skan­di­na­vi­ens auf, son­dern spielt auch eine his­to­ri­sche Rol­le: Dort wur­de 1526 erst­mals die Leh­re Luthers ver­kün­det, elf Jah­re, bevor dies im Rest Däne­marks geschah. Kein Wun­der also, dass ab dem Haders­le­ver Dom auch eine Extraschlei­fe des Ost­see­rad­wegs beginnt, der soge­nann­te Cami­no von Haders­lev Næs, eine 106 Kilo­me­ter lan­ge Stre­cke mit neun his­to­ri­schen Kir­chen. Die Idee ist dem spa­ni­schen Cami­no de Sant­ia­go de Com­pos­te­la ent­lehnt. Als der Regen am Nach­mit­tag abflaut, möch­te ich mir zumin­dest einen klei­nen Teil die­ses spi­ri­tu­el­len Weges vor­knöp­fen, der neben dem Fahr­rad auch zu Fuß erobert wer­den kann.

Zu Beginn mei­ner spi­ri­tu­el­len Rou­te beglei­tet mich eine Men­ge gött­li­cher Regen, als woll­te er mei­ne Stand­haf­tig­keit tes­ten. Kurz fra­ge ich mich, ob ich nicht doch in mein gemüt­li­ches Zim­mer im fami­li­en­ge­führ­ten Dan­hos­tel zurück­keh­ren soll­te, mit Blick über den Park und den Haders­le­ver Damm. Aber mei­ne Neu­gier und der Wunsch, zumin­dest ein paar der his­to­ri­schen Kir­chen zu sehen, sind grö­ßer. Die nach dem Dom zwei­te Kir­che, Hetug Hans, steht prak­ti­scher­wei­se in Haders­lev selbst, von dort geht es auf nur drei Kilo­me­tern wei­ter zum nächs­ten Got­tes­haus, der Kir­che im win­zi­gen Ort Sta­rup. Wäh­rend ich die Kapu­ze der Regen­ja­cke enger­zie­he, will so rich­ti­ge Besin­nung auf mich selbst, die man von einem „Cami­no“ erwar­tet, noch nicht auf­kom­men. Doch gera­de, als die wun­der­schö­ne, fast ganz wei­ße – da teils aus Kalk­stein errich­tet – drei­schif­fi­ge Basi­li­ka aus dem 12. Jahr­hun­dert am Hori­zont auf­taucht, lugt die Son­ne durch die Wol­ken. Die Kir­che ist zwar abge­schlos­sen, doch ich spa­zie­re über den klei­nen Fried­hof zum Ufer des Haders­le­ver Fjords. Genie­ße hin­term Schilf an einem Boots­an­le­ger die Stil­le, las­se mich von den Son­nen­strah­len, die das ruhi­ge Was­ser reflek­tiert, blen­den. Ja, so funk­tio­niert das schon bes­ser mit mir und dem „Cami­no“.

Son­ne und Wol­ken lösen sich in stän­di­gem Wech­sel ab, bald fah­re ich unter einem Regen­bo­gen hin­durch in Rich­tung der Kir­che von Gra­rup. Sie ähnelt der Sta­ru­per Kir­che, ist weiß getüncht und mit Blei­dach, doch ihr Turm befin­det sich an der öst­li­chen statt an der west­li­chen Sei­te. In der Fer­ne bil­det sich ein wei­te­rer hal­ber Regen­bo­gen hin­ter einem Feld ab, ein Farb­strei­fen inmit­ten von dunk­len Wol­ken, über mir steht die Son­ne. Ich set­ze mich auf eine Bank vor der Kir­che, packe ein Sand­wich aus. Spü­re die Son­nen­strah­len, las­se mei­ne Kla­mot­ten trock­nen, genie­ße jeden Bis­sen der alten Stul­le. Die Stil­le und Wei­te der fla­chen Land­schaft brin­gen Ruhe über mich, Gedan­ken ver­lang­sa­men sich, der Atem geht gleich­mä­ßi­ger.

Vier Kir­chen von neun kann ich an die­sem kur­zen Nach­mit­tag „abha­ken“, doch auf ein­mal geht es gar nicht mehr dar­um, der Kar­te vom „Cami­no“ zu fol­gen. Ich wer­de es die­ses Mal nicht wei­ter gen Osten schaf­fen, wer­de nicht die High­lights der Rou­te ken­nen­ler­nen, nicht auf die angeb­lich wun­der­schö­ne Insel Arø über­set­zen. Ich wer­de auch nicht mehr des N8 sehen, muss auf nicht ein­mal einem Drit­tel der Stre­cke auf­hö­ren, weil das nächs­te Rei­se­ziel ruft. Mir bleibt kei­ne Zeit, einen der Wege zu Ende zu brin­gen. Etwas, das mich noch vor weni­gen Jah­ren in den Wahn­sinn getrie­ben hät­te. Wege waren dazu da, sie bis zum Ende zu gehen – oder eben zu radeln. Jetzt spielt es kei­ne Rol­le mehr. Ich habe viel gemacht und gese­hen in weni­gen Tagen, und hier, vor die­ser win­zi­gen Kir­che, über­kommt mich Zufrie­den­heit. Ich habe nur ein wei­te­res, letz­tes Tages­ziel: den Hej­san­ger Strand, laut Ger­da einer der schöns­ten der Gegend.

Ich ver­las­se den „Cami­no“, fah­re quer­feld­ein durch sich zu bei­den Sei­ten erstre­cken­de Fel­der, wäh­rend die Schat­ten immer län­ger wer­den. Am men­schen­lee­ren Hej­san­ger Strand steht eine Bank, von der aus ich übers leicht wel­li­ge Meer schaue. Ja, dies ist das Ende mei­nes Weges. Mein per­sön­li­ches Etap­pen­ziel, abseits aller vor­ge­schrie­be­nen Stre­cken mit Num­mern und Namen. Ich den­ke an Ger­das Wor­te: „Die meis­ten Urlau­ber fah­ren nur schnell durch Däne­mark durch, auf dem Weg nach Schwe­den und Nor­we­gen, wo sie glau­ben, dass es schö­ner ist.“ Ja, auch ich jage gern dem Schöns­ten und Größ­ten und Bekann­tes­ten hin­ter­her, den Must-sees und Must-dos der Welt, den Super­la­ti­ven. Die­se Rei­se war kein Abha­ken von Super­la­ti­ven. Sie war wie Rad­fah­ren auf halb­wegs fla­cher Stre­cke im rich­ti­gen Gang – ent­span­nend und ange­nehm und mit stets genug Zeit und Kraft, durch­zu­at­men und zu schau­en, welch ein­fa­che Schön­heit mich umgibt. Ich den­ke an Fel­der und Hot­dogs und Regen­bo­gen. Wür­de ger­ne den gan­zen neu­en N8 erle­ben, den gan­zen „Cami­no“, bin aber auch zufrie­den mit den Kost­pro­ben, die ich bekom­men habe. Denn mehr als Pro­ben hier und dort gibt uns das Leben ohne­hin nicht. Und wenn es mich ein „Cami­no“, wo auch immer, leh­ren kann, damit glück­lich zu sein, dann hat er sei­nen Sinn erfüllt.

Infor­ma­tio­nen:

Die­se Rei­se wur­de unter­stützt von Visit Den­mark

Fahr­rad­fah­ren: 

Die neue Stre­cke N8/​Ostseeradweg ist gut aus­ge­schil­dert, außer­dem kann man auch den Rou­ten­pla­ner von Navi­ki nut­zen. Der größ­te Teil des Weges, zumin­dest in Søn­der­jut­land, ist asphal­tiert, es gibt aber auch eini­ge Kie­sel­stein­we­ge, für die sich gute Rei­fen emp­feh­len. Fahr­rä­der kann man in Søn­der­borg pro­blem­los mie­ten: https://www.visitsonderborg.de/de/sonderborg/mit-dem-fahrrad-auf-tour. Obwohl die Gesamt­stre­cke 820 Kilo­me­ter lang ist und sich 140 davon durch Søn­der­jut­land zie­hen, kann man wun­der­ba­re ein­zel­ne Tages­etap­pen aus­wäh­len und u.a. mit dem Zug zum Aus­gangs­punkt zurück­fah­ren. Auch der Cami­no von Haders­lev Næs lässt sich etap­pen­wei­se erkun­den, wer ihn ganz machen möch­te, fin­det auf der Stre­cke pro­blem­los Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten – ent­we­der in nor­ma­len Her­ber­gen oder Gast­häu­sern, aber auch gra­tis in soge­nann­ten Schutz­hüt­ten. Die Tou­ris­ten­in­for­ma­ti­on in Haders­lev gibt Aus­kunft und hat eine her­vor­ra­gen­de Wan­der­kar­te & Weg­be­schrei­bung, in der auch die Schutz­hüt­ten ein­ge­zeich­net sind.

Unter­künf­te: 

Søn­der­borg: Hotel Gar­ni Ankil­hus

Aaben­raa: Fjord­lyst cam­ping

Haders­lev: Dan­hos­tel Haders­lev

Emp­feh­lens­wer­te Restau­rants:

Søn­der­borg: Colos­se­um

Aaben­raa: Café Storm

Haders­lev: Ras

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von David Towlun

    Bei­trä­ge bedan­ken, einen sehr guten Blog

  2. Avatar von krayt

    Hal­lo, ich möch­te mich für dei­ne Bei­trä­ge bedan­ken, einen sehr guten Blog, mach wei­ter so, sehr inter­es­sant zu lesen.)

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