I

Ich träumte nie von Afrika

Blind­lings stür­zen wir uns ins Aben­teuer. Einen Plan gibt es nicht, nur die vage Idee zu rei­sen, wenn unsere Pro­jekte in Süd­afrika abge­schlos­sen sind. Wieso auch pla­nen, wenn man frei und unbe­schwert ist?

Wir kau­fen den alten Pick-up in Kap­stadt von einem bri­ti­schen Paar. Er hat ihnen gute Dienste geleis­tet. Zwei Cam­ping­kis­ten, Mos­ki­to­netze und eine neue Matratze. Der Rest wird sich fügen. Nur lasse ich es mir nicht neh­men, orange leuch­tende Vor­hänge anzu­brin­gen. Orange, wie Afri­kas unter­ge­hende Sonne.

Dann geht sie los, die Fahrt ins Unbe­kannte. Die Reise über sechs Monate, die zur beein­dru­ckends­ten mei­nes Lebens wer­den soll. Limit ist nur das Visum, das irgend­wann nicht mehr wei­ter aus­ge­reizt wer­den kann. Ander­wei­tige Ver­pflich­tun­gen exis­tie­ren nicht. Pläne wer­den von Tag zu Tag neu skizziert.

Weit kom­men wir nicht. In Citrus­dal gibt der Toyota Hilux kei­nen Mucks mehr von sich. Freund­li­che Afri­kaanse mit KFZ-mecha­ni­schen Kennt­nis­sen küm­mern sich rüh­rend. Repa­rie­ren, fach­sim­peln und laden zum Braai. Kabel wer­den gezo­gen und neu ver­bun­den. Wir ent­span­nen. Wir haben ja Zeit und Süd­afri­kas Ceder­berg Region ver­lei­tet dazu, den Akti­vis­mus auf klei­nere Wan­de­rung durch duf­tende Wäl­der, Zitro­nen­plan­ta­gen und Hügel zu beschränken.

Doch dann stran­den wir erneut. Die zweite Etappe führt uns gerade ein­mal 20 Kilo­me­ter wei­ter bis zur Kreu­zung. Wie­der ent­weicht dem Hilux jeg­li­ches Leben und wir war­ten in sen­gen­der Sonne auf Abschlep­p­hilfe. Das dau­ert. Im Wes­ten wird Süd­afrika ein­sam. Wie­der zie­hen wir Kabel. Chir­ur­gisch prä­zise, bis unser Wagen ganz jung­fräu­lich ohne unnö­tige Elek­tro­nik dasteht. Elek­tro­nik berei­tet in Afrika nur Pro­bleme. Merke, ein Pro­blem, was nicht mit Sili­kon, Duck­tape, einem Schrau­ben­zie­her und Wagen­he­ber gelöst wer­den kann, wird zur afri­ka­ni­schen Geduldsprobe!

 

Afrika-Hilux

Safari-Afrika-Namibia

Toyota-Hilux-Safari

Kollage-Südafrika-Cederberge

 

Vom Bal­last befreit schnurrt unser Hilux wie ein Kätz­chen. Wir bauen Ver­trauen auf und arbei­ten uns in Rich­tung Nord­wes­ten vor. Im Rich­ters­veld Natio­nal­park begeg­nen wir tage­lang kei­ner Men­schen­seele und schu­len unsere All­rad-Fähig­kei­ten. Je wei­ter nörd­lich wir kom­men, desto ein­sa­mer und wil­der wird es. In Nami­bia kom­men wir auf einer Farm unter, klet­tern auf Dünen, cam­pen unterm Ster­nen­zelt, jau­len­den Scha­ka­len und stel­len Rekorde im Wech­seln geplatz­ter Rei­fen auf.

Irgend­wann schwin­den alle Zäune, die rie­si­gen Farm­län­der wei­chen der Wild­nis. Salz­pfan­nen, ein­same Küs­ten, Wüste. Das erste Mal sehen wir Wild­tiere, Ele­fan­ten, Giraf­fen, majes­tä­ti­sche Oryx, Zebras in freier Natur außer­halb von Parks. Und dann plötz­lich an der Nord-Süd-Vete­ri­närs­grenze kurz vor dem Caprivi Strip beginnt wirk­lich Afrika. Häu­ser wei­chen Hüt­ten, es ist mehr Leben auf den Stra­ßen, Weiße wer­den rarer und lachende Kin­der win­ken uns fröh­lich, wo immer wir aufkreuzen.

Südafrika_Namibia_Sambia-safari Südafrika_Namibia_Sambia-Toyota-Hilux

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collage-Namibia

In Rundu wer­den wir aus­ge­raubt. Wäh­rend wir schla­fen, hebeln Diebe die Front­scheibe aus und klauen unsere Tages­ruck­sä­cke samt Geld und Kame­ra­aus­rüs­tung, was am meis­ten schmerzt. Ab jetzt gibt es keine Bil­der mehr. Nur eine Ein­mal-Kamera bringt noch ein paar Schnapp­schüsse zutage.

Wie­der hän­gen wir fest, müs­sen Tage ver­har­ren für eine pas­sende Scheibe. Ganz dicht wird diese trotz Sili­kon und Duck­tape nie mehr. Das bekom­men wir wäh­rend Sam­bias Regen­zeit schmerz­lich zu spü­ren bekom­men. Was­ser übaer­all! Der Regen zwingt uns zur Umkehr. Stra­ßen, ich kor­ri­giere, Pis­ten sind nicht mehr pas­sier­bar bzw. exis­tie­ren nicht mehr.

In Bots­wana hin­dert uns ein Löwen­ru­del vor dem mor­gend­li­chen Toi­let­ten­gang. Es befin­det unser Camp als geeig­ne­ten Platz für die Familiensiesta.

Wir ler­nen, dass man eine Safari im afri­ka­ni­schen Busch, fern jeder Zivi­li­sa­tion, für eine Menge an gro­ßen Schei­nen mit Cham­pa­gner und Sei­den­bett­wä­sche unter­ma­len kann. Erken­nen aber nicht das Aben­teuer. Wir erhal­ten anschau­li­chen Unter­richt am Live­ob­jekt. Wie fahre ich mit einem Jeep ohne Schnor­chel durch brust­tie­fes Was­ser, wie über­quere ich die Cro­co­dile Bridge ohne Aus­stei­gen zu müs­sen, um die Was­ser­tiefe zu prü­fen. Wie durch­kreuze ich Salz­pfan­nen ohne ein­zu­bre­chen und über­haupt, wie ver­meide ich es, im knie­tie­fen Schlamm fest­zu­ste­cken? Wie erkenne ich, wann ein Ele­fan­ten­bulle ver­är­gert ist und ich recht­zei­tig das Weite suchen soll?

Dass wir unsere Füße in den berühmt berüch­tig­ten Devils Pools getaucht haben, erfahre ich Jahre spä­ter. Damals waren Sam­bias Devils Pools noch nicht teuf­lisch. In jugend­li­chem Über­mut vor dem Abgrund der Vic­to­ria Falls zu baden war noch nicht erfun­den worden.

Wir erfah­ren, dass in Zim­babwe Ben­zin ver­dammt knapp wer­den kann und Schwarze nicht zur Arbeit erschei­nen, weil nebenan eine Hilfs­or­ga­ni­sa­tion Essen ver­teilt, UN-Mit­ar­bei­ter die dicks­ten und neu­es­ten Autos fah­ren, dass Baobabs als Brief­käs­ten die­nen und dass man Busch­flie­ger im Oka­wango Delta bes­ser mei­det, wenn man ein Mimö­schen mit emp­find­sa­men Magen ist.

 

Botswana

Südafrika_Mozambique_017

Zambia-Victoria-Falls

Löwen-Crocodile-Bridege-Botswana

Sambia-Bordercrossing

 

Irgend­wann haben wir genug gelernt, der Kopf ist voll.

Wir wol­len heim nach Kap­stadt, um als­bald aber wie­der auf­zu­bre­chen und den zwei­ten Kreis um das süd­li­che Afrika zu zie­hen. Die­ses Mal kom­plett ohne Pan­nen und mitt­lere Kata­stro­phen. Wir und unser Hilux sind ein­ge­spiel­tes Team geworden.

In Leso­tho erklim­men wir den Sani-Pass, in Swa­si­land grü­ßen wir den König, in Mosam­bik bekom­men wir seit Lan­gem wie­der rich­ti­ges Brot, ler­nen ver­minte Regio­nen zu umschif­fen. Hier ver­bes­sern wir unsere Tauch­kennt­nisse und per­fek­tio­nie­ren unsere Tricks im Umgang mit kor­rup­ten Polizisten.

Wir tref­fen einen Tank­wart, der mir köst­li­che Mara­cu­jas schenkt und sich freut, dass er end­lich wie­der sein, in der DDR erlern­tes Deutsch, anwen­den kann.

Vor Malawi keh­ren wir um. Die Rei­se­mü­dig­keit setzt ein. Ich fühle mich oft krank, werde hypo­chon­drisch und ver­falle in Panik, mir Mala­ria ein­ge­fan­gen zu haben (habe ich nicht! Ich habe mich auf­klä­ren las­sen, man merkt es unwei­ger­lich, wenn man sie hat!) Wie gut es da tut, dass im letz­ten Eck der Trans­kei plötz­lich ein alter Bekann­ter aus Deutsch­land in unser Lokal spa­ziert kommt. Jäh wird uns bewusst, dass wir bald zurück müssen.

Die ver­blei­bende Zeit wol­len wir in Süd­afrika nut­zen, das zur zwei­ten Hei­mat gewor­den ist.

 

Lesotho-Sani-Pass Lesotho-Sani-Pass-Schild

Safari-des Lebens-Mozambique

Mozambique-View

Mozambik-Kollage

Südafrika_transkei-Mozambik

Kollage-Südafrika-Transkei-Durban

In Kap­stadt war­ten Freunde auf unsere Rück­kehr. Wir müs­sen Dinge erle­di­gen, einen Weg fin­den, süd­afri­ka­ni­sche Rand zu trans­fe­rie­ren, das Auto und Haus­rat ver­kau­fen, die Rück­kehr nach Deutsch­land vor­be­rei­ten und es ist Som­mer­ende. Die letzte Chance noch aufs Was­ser zu kom­men, solange der Cape-Doc­tor ver­läss­lich bläst.

Ein Hand­wer­ker kauft unse­ren Pick-up. Er nutzt unse­ren treuen Freund als Trans­por­ter. Die Zeit sei­ner Aben­teuer ist damit rum, unsere auch, wir müs­sen zurück nach Deutsch­land. In Kap­stadt endet unsere Safari (Safari bedeu­tet übri­gens „Reise“ auf Sua­heli) des Lebens, wo sie auch begon­nen hat.

Jetzt träume ich von Afrika. Immer.

 

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Cate­go­riesAfrika
Eva Grossert

Willkommen Ihr Glücksritter, ewig Suchenden und Himmelsstürmer!

Die Welt ist Evas Schatzkammer. Seit 25 Jahren ist sie unermüdlich unterwegs, schürft nach Diamanten und sucht versteckte Juwelen. Ihr kleiner und großer Weggefährte helfen ihr mittlerweile beim Aufspüren besonderer Kostbarkeiten. Stinkreich ist sie dabei geworden – reich an Eindrücken.
Ihre Entdeckungen, ihre „Hidden Gems“ hält Eva nicht unter Verschluss. Auf ihrem Reiseblog präsentiert sie diese auf dem Silbertablett und hier erzählt sie amüsante Geschichten von kleinen Abenteuern, unbedeutenden Begebenheiten und Begegnungen am Wegesrand.

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